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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 09.07.2009
Aktenzeichen: 4 ME 163/09
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 2 1 Nr. 1
VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 80 Abs. 6 Satz 1
VwGO § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2
1. Im Hinblick auf den Zweck des nach § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO vorgeschriebenen behördlichen Aussetzungsverfahrens, die Gerichte von Aussetzungsanträgen zu entlasten, ist bei der Auslegung der Ausnahmeregelung des § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO ein strenger Maßstab anzulegen.

2. Eine Vollstreckung droht im Sinne des § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO daher erst dann, wenn der Beginn konkreter Vollstreckungsmaßnahmen von der Behörde für einen unmittelbar bevorstehenden Termin angekündigt worden ist, konkrete Vorbereitungen der Behörde für eine alsbaldige Vollstreckung getroffen worden sind oder die Vollsteckung bereits begonnen hat.


Gründe:

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts hat Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat zu Unrecht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Rundfunkgebührenbescheid des Antragsgegners vom 3. April 2009 angeordnet. Denn der Antrag des Antragstellers auf Anordnung der gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO entfallenden aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist unzulässig.

Nach § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO in den Fällen der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO, zu denen die Anforderung von Rundfunkgebühren gehört, nur zulässig, wenn die Behörde zuvor einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder teilweise abgelehnt hat. Diese nach Stellung des Antrages auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bei Gericht nicht mehr nachholbare (Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 15. Aufl. 2007, § 80 Rn. 185 m.w.N.) Zugangsvoraussetzung ist hier nicht erfüllt, weil der Antragsteller vor der Stellung des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO beim Verwaltungsgericht keinen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung beim Antragsgegner gestellt hat.

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch nicht trotz des Fehlens der Ablehnung eines Antrags auf Aussetzung der Vollziehung durch den Antragsgegner nach § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO ausnahmsweise zulässig, weil eine Vollstreckung droht.

Im Hinblick auf den Zweck des nach § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO vorgeschriebenen behördlichen Aussetzungsverfahrens, die Gerichte von Aussetzungsanträgen zu entlasten, ist bei der Auslegung der Ausnahmeregelung des § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 3.8.2006 - 9 S 4.06 -). Denn bei einer weiten Auslegung dieser Regelung könnte dieses Ziel nicht mehr erreicht werden und würde sie ihren Charakter als Ausnahmeregelung verlieren, da in einem weiten Sinne nahezu bei jedem auf die Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten gerichteten Verwaltungsakt im Falle der Nichtbefolgung der Zahlungsaufforderung die Vollstreckung "droht". Eine Vollstreckung droht im Sinne des § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO daher erst dann, wenn der Beginn konkreter Vollstreckungsmaßnahmen von der Behörde für einen unmittelbar bevorstehenden Termin angekündigt worden ist, konkrete Vorbereitungen der Behörde für eine alsbaldige Vollstreckung getroffen worden sind oder die Vollsteckung bereits begonnen hat (ständige Rechtsprechung des Senats: u. a. Beschlüsse vom 23.9.2008 - 4 ME 279/08 -, vom 4.9.2008 - 4 ME 278/08 -, vom 27.8.2008 - 4 ME 252/08 - und vom 10.11.2006 - 4 ME 188/06 -; ebenso OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 3.8.2006 - 9 S 4.06 -; OVG Saarlouis, Beschluss vom 22.6.1992 - 1 W 29/92 -, NVwZ 1993, 490; Kopp/Schenke, a.a.O., § 80 Rn. 186).

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Der Antragsgegner hat zwar in dem Bescheid vom 3. April 2009 erklärt, dass der Antragsteller nur durch die unverzügliche Zahlung des festgesetzten und fälligen Gebührenbetrags Zwangsmaßnahmen wie die Vollstreckung bzw. ein Bußgeldverfahren, in dem mit einem Bußgeld bis zu 1000 EUR zu rechnen sei, vermeiden könne, und angekündigt, dass er die Vollstreckung einleiten werde, sollte die festgesetzte Gebührenschuld nicht innerhalb von zwei Wochen bezahlt sein. Damit hat er aber weder eine konkrete Maßnahme zur zwangsweisen Beitreibung des festgesetzten Rundfunkgebührenbetrages für einen unmittelbar bevorstehenden Termin angekündigt noch ergeben sich daraus konkrete Vorbereitungen des Antragsgegners für eine alsbaldige Vollstreckung.

Ende der Entscheidung

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