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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 18.01.2005
Aktenzeichen: 4 ME 541/04
Rechtsgebiete: SGG, VwGO
Vorschriften:
SGG § 51 I Nr. 4a | |
SGG § 51 I Nr. 6a | |
VwGO § 40 |
Gründe:
Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Antragsgegnerin, Kosten für die ambulante Betreuung des Antragstellers zu übernehmen. Mit Beschluss vom 12. November 2004 hat das Verwaltungsgericht den am 25. Oktober 2004 gestellten Antrag des Antragstellers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers.
a) Die zulässige Beschwerde gegen die Versagung der begehrten Prozesskostenhilfe ist nicht begründet.
Entgegen der Meinung des Antragstellers ist eine gemeinsame Entscheidung über den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und über den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes im Hinblick auf die Eilbedürftigkeit der Entscheidung über den Hauptantrag zulässig (NdsOVG, Beschl. v. 19.09.2000 - 4 M 2653/00 -, V. n. b.; HessVGH, Beschl. v. 09.10.1989, NVwZ-RR 1990, 223; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 17.09.1993, FEVS Bd. 44, 475;Hamb. OVG, Beschl. v. 13.02.1996 - Bs IV 313/95 -, DVBl. 1996, 1318). Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 02.03.2000 (1. Ka. des 1. Senats) - 1 BvR 2224/98 -, NJW 2000, 2089, und vom 07.04.2000 (2. Ka. des 1. Senats) - 1 BvR 81/00 -, NJW 2000, 1936, sagen hierzu nichts anderes, da sie nicht Eilverfahren betreffen. Dass das Verwaltungsgericht hier die Entscheidung unangemessen verzögert hätte und deshalb etwas anderes gelten könnte, ist nicht ersichtlich.
Das Verwaltungsgericht hat eine für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht des Rechtsschutzbegehrens des Antragstellers (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 ZPO) für den Zeitpunkt seiner Entscheidung zu Recht verneint. Der Senat macht sich die tragenden Erwägungen des angefochtenen Beschlusses zu eigen und verweist deshalb auf sie (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt eine andere Entscheidung nicht.
b) Die zulässige Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung durch das Verwaltungsgericht, die der Antragsteller auch nach Hinweis auf die nachfolgend beschriebenen rechtlichen Gegebenheiten weiter verfolgt, bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht kann die von dem Antragsteller begehrte einstweilige Anordnung schon wegen der zum 01. Januar 2005 eingetretenen Änderung der Rechtslage nicht mehr erlassen.
Durch Art. 68 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 (BGBl. I S. 3022, 3070) - im Folgenden: EinordnungsG - ist das Bundessozialhilfegesetz (BSHG) mit Wirkung vom 01. Januar 2005 aufgehoben worden (Art. 70 Abs. 1 EinordnungsG). An die Stelle des BSHG sind zugleich die zum Teil deutlich abweichenden Vorschriften des Sozialgesetzbuchs 12 (Sozialhilfe) - SGB XII - (Art. 1 des EinordnungsG vom 27.12.2003 <BGBl. I S. 3022, 3023>, zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 9.12.2004 <BGBl. I S. 3305>) und des Sozialgesetzbuchs 2 (Grundsicherung für Arbeitsuchende) - SGB II - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24.12.2003 <BGBl. I S. 2934>, zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 19. November 2004 <BGBl. I S. 2902>) getreten. Gegen Entscheidungen der Behörden nach dem SGB II und dem SGB XII ist nunmehr der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet (§ 51 Abs. 1 Nr. 6 a Sozialgerichtsgesetz - SGG - i. d. F. des Siebenten Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes <7. SGGÄndG> vom 09.12.2004 <BGBl. I S. 3302>).
Das 7. SGGÄndG enthält hinsichtlich der am 31. Dezember 2004 bei den Verwaltungsgerichten anhängig gewesenen Rechtsstreitigkeiten aus dem Gebiet der Sozialhilfe eine Übergangsvorschrift nicht. Das bedeutet, dass diese Verfahren bei den Verwaltungsgerichten anhängig bleiben (Grundsatz der "perpetuatio fori"). Trotzdem bleiben die materiell-rechtlichen und die verfahrensrechtlichen Neuregelungen zum 01. Januar 2005 nicht ohne Auswirkung auf jedenfalls die anhängigen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auf dem Gebiet des Sozialhilferechts.
Nach der ständigen Rechtsprechung der beiden mit dem Sozialhilferecht befassten Senate des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts ist es nicht Aufgabe des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 123 VwGO, einen finanziellen Ausgleich für die Vergangenheit herbeizuführen. Dieses Verfahren dient vielmehr nur der Abwehr gegenwärtiger oder künftig zu erwartender Notlagen. In einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes können Sozialhilfeträger daher selbst im Falle eines Obsiegens der Antragsteller zu einer (vorläufigen) Gewährung von Leistungen der laufenden Hilfe zum Lebensunterhalt frühestens ab dem Ersten des Monats verpflichtet werden, in dem der Senat in der Sache entscheidet. Dagegen ist es den Hilfesuchenden regelmäßig zuzumuten, behauptete Ansprüche auf Leistungen für bereits vergangene Zeiträume im Hauptsacheverfahren (Widerspruchs- bzw. Klageverfahren) durchzusetzen. Ein Abweichen von dieser Regel kommt nur dann in Betracht, wenn durch eine unrechtmäßige Vorenthaltung von Leistungen für die Vergangenheit dem Hilfesuchenden auch gegenwärtig noch schwerwiegende Nachteile drohen. Ein solcher besonderer Fall liegt hier allerdings nicht vor.
Das bedeutet, dass der Senat hier einerseits nicht mehr eine Entscheidung für die Zeit der Geltung des BSHG bis zum 31. Dezember 2004 zu treffen hat, andererseits für die Zukunft eine Entscheidung auf der materiell-rechtlichen Grundlage des SGB XII treffen müsste. Eben dafür fehlt ihm aber verfahrensrechtlich seit dem 01. Januar 2005 die Zuständigkeit. Der Antragsteller kann auch nach allgemeinen Verfahrensgrundsätzen nicht beanspruchen, dass das Gericht zu seinen Gunsten im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Antragsgegnerin zu einer Leistung verpflichtet, zu der er diese im Hauptsacheverfahren nicht (mehr) verpflichten könnte. Für die Zeit ab Inkrafttreten der SGB II und SGB XII erlassen die Sozialbehörden allgemein neue Leistungsbescheide und hat auch die Antragsgegnerin im Fall des Antragstellers durch Bescheid vom 04. Januar 2005 eine neue (ablehnende) Entscheidung getroffen. Der Hilfefall hat damit eine eigenständige Regelung nach neuem Recht erhalten. Da Rechtsschutz gegen diese Entscheidung letztlich im Hauptsacheverfahren nur die Sozialgerichte gewähren können, kann das Oberverwaltungsgericht nicht den neuen Bescheid in das noch anhängige Verfahren einbeziehen und vorab vorläufigen Rechtsschutz für denselben Regelungszeitraum gewähren (ebenso NdsOVG, 12. Senat, Beschl. v. 11.01.2005 - 12 ME 522/04 -).
In dem aus der Zeit vor dem 01. Januar 2005 anhängig gebliebenen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes könnte deshalb allenfalls noch Rechtsschutz für die Zeit bis zum 31. Dezember 2004 einschließlich gewährt werden, wofür aber hier die allgemeinen Voraussetzungen - wie gesagt - nicht vorliegen.
Der Senat verkennt nicht, dass Hilfesuchenden in Folge der zum 01. Januar 2005 in Kraft getretenen Rechtsänderungen und deren Auswirkungen auf die gerichtlichen Verfahren zeitliche und finanzielle Nachteile entstehen können. Sie können in den aus der Zeit vor dem 01. Januar 2005 anhängig gebliebenen Verfahren aus dem Bereich der Sozialhilfe - für die Bereiche etwa der Grundsicherung oder des Asylbewerberleistungsrechts gilt dasselbe - nicht mehr Ansprüche für Zeiträume über den 31. Dezember 2004 hinaus durchsetzen und müssen für die Zeit ab dem 01. Januar 2005 ggf. neu um Rechtsschutz durch die Sozialgerichte nachsuchen. Eine Art. 19 Abs. 4 GG widersprechende Lücke im Rechtsschutz entsteht damit aber offensichtlich nicht, der Anspruch auf Gewährung gerichtlichen Rechtsschutzes ist durchgehend gewährleistet. Die mit dem Wechsel der gerichtlichen Zuständigkeit und der Notwendigkeit, den Rechtsweg ggf. neu zu beschreiten, verbundenen zeitlichen und finanziellen Nachteile (Verzögerung der gerichtlichen Entscheidung, zusätzliche Verfahrenskosten - bei hinreichender Erfolgsaussicht weitgehend ausgeglichen durch die Prozesskostenhilfe -) sind eine Folge des Fehlens entsprechender Übergangsvorschriften. Sie sind in der Regel aber auch nicht so schwerwiegend, dass diese Nachteile das Recht auf Gewährung von Rechtsschutz durch die Gerichte gem. Art. 19 Abs. 4 GG in verfassungsrechtlich erheblicher Weise einschränkten.
Daraus, dass die Beschwerde sowohl hinsichtlich der Versagung der begehrten Prozesskostenhilfe (a) als auch hinsichtlich des Begehrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (b) erfolglos bleibt, folgt zugleich, dass dem Antragsteller auch Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren nicht bewilligt werden kann (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).
Ende der Entscheidung
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