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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 24.04.2009
Aktenzeichen: 4 PA 276/08
Rechtsgebiete: VwGO
Vorschriften:
VwGO § 42 Abs. 2 | |
VwGO § 68 | |
VwGO § 73 | |
VwGO § 75 |
2. Voraussetzung für die Entscheidung über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten ist der Ausspruch der Kostenerstattung gemäß § 73 Abs. 3 Satz 3 VwGO (ggf. i.V.m. § 72 VwGO).
Gründe:
I.
Die Klägerin wendet sich gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts, mit dem ihr Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ihre auf Erlass eines Widerspruchsbescheides gerichtete Klage abgelehnt worden ist.
Der Beklagte setzte gegenüber der Klägerin rückständige Rundfunkgebühren mit Bescheid vom 3. März 2006 für die Zeit von Juni 1992 bis Dezember 2001 in Höhe von 48,44 EUR und mit weiterem Bescheid vom 3. Februar 2007 für die Zeit von August 2001 bis April 2006 in Höhe von 937,08 EUR fest.
Nach Mahnung vom 1. April 2007 und Vollstreckungsankündigung vom 4. Mai 2007 durch den Beklagten bzw. die GEZ legte die Klägerin mit Schreiben vom 1. Juni 2007 gegen die Rundfunkgebührenforderungen Widerspruch ein. Auf ein Vollstreckungsersuchen des Beklagten an die Stadt B. vom 1. Juni 2007 wegen der Forderungen aus den Gebührenbescheiden vom 3. März 2006 und 3. Februar 2007 kündigte diese der Klägerin mit Schreiben vom 9. Juli 2007 erneut die Durchführung der Zwangsvollstreckung an. Hierauf legte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom 6. August 2007 Widerspruch "gegen sämtliche ergangenen Gebührenbescheide" ein und begründete diesen mit Schreiben vom 10. September 2007. Mit Schreiben vom 22. September 2007 erklärte der Beklagte, "rückständige Rundfunkgebühren bis zum 31.12.2005 - ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und ohne Präjudiz auf ähnlich gelagerte Fälle - in diesem besonderen Einzelfall" nicht mehr geltend zu machen. Im Übrigen hielt der Beklagte an den festgesetzten Rundfunkgebühren fest und bezifferte deren Rückstände für den Zeitraum Januar 2006 bis Juni 2007 auf insgesamt 306,54 EUR zuzüglich Säumniszuschlägen in Höhe von 22,93 EUR. Mit Schreiben vom 25. Oktober 2007 erbat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin einen förmlichen Widerspruchsbescheid einschließlich einer Kostenentscheidung. Hierauf gab der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30. November 2007 dem Widerspruch der Klägerin gegen den Gebührenbescheid vom 3. März 2006 statt und hob diesen Gebührenbescheid auf, erklärte sich aber nicht bereit, die Kosten, die durch die Inanspruchnahme des Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Vorverfahren entstanden waren, zu erstatten, da die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes nicht notwendig gewesen sei.
Am 7. Januar 2008 hat die Klägerin Klage erhoben und beantragt, den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 30. November 2007, soweit mit diesem die Erstattung von Kosten im Vorverfahren abgelehnt wurde, aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, sie insoweit neu zu bescheiden sowie die Hinzuziehung ihrer Bevollmächtigten für notwendig zu erklären.
Im gerichtlichen Verfahren kündigte der Beklagte mit Schriftsatz vom 7. Februar 2008 an, den "Widerspruchsbescheid vom 30.11.07 hinsichtlich der Ablehnung der Kostenanforderung" aufzuheben. Daraufhin haben die Beteiligten mit Schreiben vom 7. Februar 2008 und 14. März 2008 den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Zugleich hat die Klägerin ihre Klage dahingehend erweitert, den Beklagten zu verpflichten, "den von der Klägerin beantragten Widerspruchsbescheid hinsichtlich der Gebührenforderungen, soweit sie Grundlage des Vollstreckungsverfahrens der Stadtkasse B., Aktenzeichen 161674/568 gemäß dortigem Ankündigungsschreiben vom 09.07.2007 waren, unter Berücksichtigung der Verzichtserklärung des Beklagten im Schreiben vom 22.09.2007 zu erlassen und darin die Hinzuziehung des Bevollmächtigten der Klägerin sowohl im Widerspruchsverfahren als auch Vollstreckungsverfahren für notwendig zu erklären".
Das Verwaltungsgericht hat das Verfahren hinsichtlich des neuen Antrags durch Beschluss vom 22. Juli 2008 abgetrennt. Das für erledigt erklärte Verfahren hat das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 22. Juli 2008 eingestellt und dem Beklagten die Kosten des Verfahrens auferlegt.
Mit weiterem Beschluss vom 22. Juli 2008, der Klägerin zugestellt am 1. August 2008, hat das Verwaltungsgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe betreffend das im Wege der Klageerweiterung vom 14. März 2008 eingeführte Begehren der Klägerin abgelehnt. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht auf die mangelnden Erfolgsaussichten dieser Klage verwiesen, da es der Klägerin an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis fehle. Die §§ 68 ff. VwGO regelten nur prozessuale Obliegenheiten und räumten der Klägerin bei der hier zu treffenden gebundenen Entscheidung den für eine Klage erforderlichen materiellen Rechtsanspruch auf Erlass eines sachlichen Widerspruchsbescheides nicht ein.
Hiergegen hat die Klägerin am 15. August 2008 Beschwerde erhoben. Sie meint, die noch anhängige Klage habe Aussicht auf Erfolg. Ihr stehe ein Anspruch auf Erlass eines Widerspruchsbescheides einschließlich einer Kostenentscheidung gegen den Beklagten zu. Ein solcher Anspruch könne schon deswegen nicht verneint werden, weil der Beklagte sonst rechtsmissbräuchlich der Pflicht, die Kosten des Vorverfahrens zu tragen, entgehen könne.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht des Rechtsschutzbegehrens der Klägerin nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu Recht verneint.
Die noch anhängige Klage mit dem Antrag, "den von der Klägerin beantragten Widerspruchsbescheid hinsichtlich der Gebührenforderungen, soweit sie Grundlage des Vollstreckungsverfahrens der Stadtkasse B., Aktenzeichen 161674/568 gemäß dortigem Ankündigungsschreiben vom 09.07.2007 waren, unter Berücksichtigung der Verzichtserklärung des Beklagten im Schreiben vom 22.09.2007 zu erlassen und darin die Hinzuziehung des Bevollmächtigten der Klägerin sowohl im Widerspruchsverfahren als auch Vollstreckungsverfahren für notwendig zu erklären" ist voraussichtlich unzulässig.
Soweit die Klägerin begehrt, den Beklagten zum Erlass eines Widerspruchsbescheides zu verpflichten, fehlt ihr das Rechtsschutzbedürfnis.
Die Widersprüche der Klägerin vom 1. Juni 2007 und 6. August 2007 richten sich gegen die dem Vollstreckungsverfahren der Stadtkasse B. - Aktenzeichen 161674/568 - zu Grunde liegenden Rundfunkgebührenbescheide vom 3. März 2006 und 3. Februar 2007.
Über den Widerspruch gegen den Gebührenbescheid vom 3. März 2006 hat der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30. November 2007 bereits entschieden und den angefochtenen Gebührenbescheid aufgehoben. Dieser Widerspruchsbescheid besteht insoweit fort. Im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht zum Aktenzeichen 7 A 650/08 hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 7. Februar 2008 lediglich angekündigt, den "Widerspruchsbescheid vom 30.11.07 hinsichtlich der Ablehnung der Kostenanforderung" aufzuheben. Die im Widerspruchsbescheid enthaltene Regelung betreffend die Aufhebung des angefochtenen Gebührenbescheides vom 3. März 2006 blieb hiervon unberührt. Da folglich über den Widerspruch der Klägerin gegen den Gebührenbescheid vom 3. März 2006 durch den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 30. November 2007 bereits entschieden ist, ist kein Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin ersichtlich, den Beklagten zum Erlass eines solchen Widerspruchsbescheides erneut zu verpflichten.
Über den Widerspruch gegen den Gebührenbescheid vom 3. Februar 2007 hat der Beklagte noch nicht durch Widerspruchsbescheid entschieden. Das Schreiben des Beklagten vom 22. September 2007 bringt nicht klar und unmissverständlich zum Ausdruck, ob und wenn ja, in welcher Art und Weise das durch die Widersprüche vom 1. Juni 2007 und 6. August 2007 eingeleitete Vorverfahren beendet werden soll (vgl. zu den Anforderungen an einen Widerspruchsbescheid: Kopp/Schenke, VwGO, 15. Auflage, § 73 Rn. 6 ff.). Indes fehlt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschl. v. 28.4.1997 - 6 B 6/97 -, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 380; Beschl. v. 30.8.1962 - III B 88.61 -, Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 35) und der Obergerichte (OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 26.3.2009 - 3 O 422/08 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 12.9.2000 - 22 A 5440/99 -, FEVS 52, 158; Hamburgisches OVG, Beschl. v. 24.8.1998 - 4 Bf 247/98 -; Bayerischer VGH, Urt. v. 22.10.1975 - 181 IV 74 -, BayVBl. 1976, 241) einer Klage auf Erlass eines Widerspruchsbescheides bei einer - wie hier - gebundenen Entscheidung das Rechtsschutzbedürfnis. Allein aus den prozessualen Bestimmungen der Verwaltungsgerichtsordnung lässt sich entgegen der Annahme der Klägerin kein einklagbares subjektives Recht auf Erlass eines Widerspruchsbescheids herleiten. Denn § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO regelt aus kompetenzrechtlichen Gründen (Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG) das Widerspruchsverfahren nur als Vorverfahren eines Verwaltungsprozesses und normiert damit nur eine prozessuale Verpflichtung der Behörde. Diesen prozessualen Charakter teilt die Bescheidungspflicht nach § 73 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Auf deren Erfüllung besteht kein einklagbares subjektives Recht im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO. Dies zeigt auch die Regelung des § 75 VwGO, die für den Fall der Untätigkeit der Widerspruchsbehörde nur bestimmt, dass nach Ablauf der dort genannten Frist der materielle Anspruch unmittelbar, das heißt ohne Durchführung eines Vorverfahrens, mit der entsprechenden Klage verfolgt werden kann. Schließlich führt auch die Verletzung einer wesentlichen Verfahrensvorschrift im Vorverfahren, wenn der Widerspruchsbescheid hierauf beruht, gemäß § 79 Abs. 2 Satz 2 VwGO nur zur Aufhebung des Widerspruchsbescheids; ein Verpflichtungsausspruch gegenüber der Widerspruchsbehörde, einen erneuten Widerspruchsbescheid zu erlassen, erfolgt nicht (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 09.2.1993 - 5 S 1650/92 -, MDR 1993, 978). Dem kann die Klägerin auch nicht mit Erfolg entgegen halten, dass der Beklagte bei Verneinung eines Anspruchs auf Erlass eines Widerspruchsbescheides sich durch bloße Nichtentscheidung der Kostenfolge des § 80 Abs. 1 VwVfG entziehen könne. Denn der Klägerin bleibt es unbenommen, eine Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO zu erheben. Die dann vom Gericht zu treffende Kostenentscheidung würde sich nach § 162 Abs. 1 VwGO auch auf die Kosten des Vorverfahrens erstrecken.
Soweit die Klägerin darüber hinaus begehrt, "und darin (scil.: im Widerspruchsbescheid) die Hinzuziehung des Bevollmächtigten der Klägerin sowohl im Widerspruchsverfahren als auch Vollstreckungsverfahren für notwendig zu erklären", mag dahin stehen, ob es sich um einen im unechten Eventualverhältnis zum Hauptantrag stehenden Hilfsantrag (vgl. BGH, Urt. v. 21.12.2000 - V ZR 254/99 -, NJW 2001, 1285, 1286) handelt, über den wegen Unzulässigkeit des Hauptantrages gar nicht mehr zu entscheiden ist. Denn jedenfalls ist Voraussetzung für die Entscheidung über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten der Ausspruch der Kostenerstattung gemäß § 73 Abs. 3 Satz 3 VwGO (ggf. i.V.m. § 72 VwGO). Ohne diese bliebe eine isolierte Feststellung der Notwendigkeit der Zuziehung für die Klägerin ohne rechtliche Bedeutung (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.6.1981 - 8 C 29/80 -, BVerwGE 62, 296, 298; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Auflage, § 80 Rn. 37). Eine solche Kostengrundentscheidung zugunsten der Klägerin fehlt im vorliegenden Fall aber bisher, so dass der Anspruch auf Feststellung der Notwendigkeit der Zuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren bereits aus diesem Grunde scheitert.
Eine darüber hinaus gehende isolierte Entscheidung über die Kosten des Vorverfahrens (vgl. hierzu Kopp/Ramsauer, a.a.O., Rn. 61f.) wird ausweislich des derzeitigen Klageantrages der - anwaltlich vertretenen - Klägerin vom 14. März 2008 nicht begehrt.
Ende der Entscheidung
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