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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 17.04.2008
Aktenzeichen: 5 LA 178/07
Rechtsgebiete: BeamtVG


Vorschriften:

BeamtVG § 31 Abs. 1 S. 1
BeamtVG § 31 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Der u.a. auf § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung hat Erfolg, weil ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts bestehen.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils sind zu bejahen, wenn bei der Überprüfung im Zulassungsverfahren, also aufgrund der Begründung des Zulassungsantrags und der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts, gewichtige, gegen die Richtigkeit der Entscheidung sprechende Gründe zutage treten, aus denen sich ergibt, dass ein Erfolg der erstrebten Berufung mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie ein Misserfolg. Das ist der Fall, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird. Die Richtigkeitszweifel müssen sich auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zur Änderung der angefochtenen Entscheidung führt (vgl. Nds.OVG, Beschl. v. 10.4.2008 - 5 LA 58/06 -). Um ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils darzulegen, muss sich der Zulassungsantragsteller substantiiert mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Welche Anforderungen an Umfang und Dichte seiner Darlegung zu stellen sind, hängt deshalb auch von der Intensität ab, mit der die Entscheidung des Verwaltungsgerichts begründet worden ist. Ist das angegriffene Urteil auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, müssen hinsichtlich aller dieser Begründungen Zulassungsgründe dargelegt werden (vgl. Nds.OVG, Beschl. v. 10.4.2008, aaO).

Die Beklagte hat ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung dargelegt, die auch bestehen.

Das Verwaltungsgericht ist zu Unrecht zu der Einschätzung gelangt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den von der Klägerin am 27. Mai 2002 erlittenen Zeckenbiss und die daraus resultierende Borrelioseerkrankung als Dienstunfall im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG anzuerkennen.

Soweit das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, die Klägerin habe zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen, dass sie am 27. Mai 2002 während der Konfliktlotsenarbeitsgemeinschaft auf dem im Wald gelegenen Jugendhof B. einen Zeckenbiss erlitten habe, der zu der später diagnostizierten Borrelioseerkrankung geführt habe, hat die Beklagte das Urteil nicht mit Zulassungsgründen angegriffen. Die Beklagte wendet sich mit ihrem Zulassungsantrag im Einzelnen dagegen, dass das Verwaltungsgericht die Voraussetzung "in Ausübung des Dienstes" und die sich in dem Zusammenhang stellende Kausalitätsfrage bejaht hat. Es ist der Beklagten gelungen, die diesbezüglichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts, die auch entscheidungserheblich sind, mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage zu stellen.

Die Anerkennung als Dienstunfall setzt einen Zurechnungszusammenhang zwischen dem Ereignis und der Ausübung des Dienstes voraus. Nicht als Ursachen im Rechtssinne sind demnach sog. Gelegenheitsursachen anzusehen, d.h. Ursachen, bei denen zwischen dem eingetretenen Schaden und dem Dienst eine rein zufällige Beziehung besteht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 20.2.1998 - 2 B 81.97 -, juris Langtext RdNr. 2). Dies wird etwa dann angenommen, wenn das schädigende Ereignis nach menschlichem Ermessen bei jedem anderen nicht zu vermeidenden Anlass in naher Zukunft ebenfalls eingetreten wäre. Ebenso sind solche Schädigungen, denen der Verletzte in gleichem Maße ausgesetzt gewesen wäre, wenn er sich nicht im Dienst befunden hätte, insbesondere weil Ursache eine allgemeine und damit letztlich jeden treffende Gefahr war, nicht Unfallursache im Sinne des § 31 BeamtVG (vgl. Fürst u.a., GKÖD, § 31 BeamtVG RdNr. 20 f.; Kümmel/Ritter, BeamtVG, § 31 RdNr. 19). Die erforderliche besondere Dienstbezogenheit kann nur angenommen werden, wenn die dienstliche Tätigkeit des Beamten erfahrungsgemäß eine hohe Wahrscheinlichkeit gerade dieser bestimmten Erkrankung in sich birgt. Eine Gefährdung muss unabhängig von der individuellen Veranlagung des Beamten bei den konkret auszuführenden dienstlichen Verrichtungen typisch und in signifikant höherem Maße als bei der übrigen Bevölkerung gegeben sein (vgl. VG Darmstadt, Urt. v. 3.5.2005 - 1 E 1470/03 -, juris Langtext RdNr. 14; VG Ansbach, Urt. v. 15.1.2008 - An 1 K 07.00915 -, juris Langtext RdNr. 37 m.w.Nachw.).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze hat sich bei dem Zeckenbiss, den die Klägerin während des dreitägigen Schulprojektes "Gewaltprävention", das auf dem im Wald gelegenen Jugendhof B. durchgeführt worden ist, erlitten hat, lediglich ein allgemeines Risiko verwirklicht, dem der spezifische Zusammenhang mit ihrem Dienst als Lehrerin fehlt. Denn der amtsgemäße Aufgabenbereich der Klägerin als Grundschullehrerin ist nicht dadurch gekennzeichnet, dass sie überwiegend und planvoll im ländlichen oder bewaldeten Bereich eingesetzt wird. Dienstliche Tätigkeiten, die außerhalb der Schule in solchen Bereichen durchgeführt werden, stellen die absolute Ausnahme und nicht die Regel des Einsatzes einer Lehrkraft dar. Deshalb besteht nicht ein deutliches Übergewicht der Gefahr, bei einem in einem ländlichen oder bewaldeten Gebiet stattfindenden Aufenthalt einen Zeckenbiss zu erleiden gegenüber dem Risiko, im privaten Bereich von einer Zecke gebissen zu werden (vgl. ebenso zu ähnlichen Fallkonstellationen VG Darmstadt, Urt. v. 3.5.2005, aaO, RdNr. 17; VG Ansbach, Urt. v. 15.1.2008, aaO, RdNr. 38; vgl. zur Gefahr, sich außerhalb einer Berufstätigkeit durch einen Zeckenbiss eine Borrelieninfektion zuzuziehen, auch LSG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 16.9.1997 - L 7 U 199/95 -, juris Langtext RdNr. 37).

Angesichts des nur zufälligen Zusammenhangs des von der Klägerin erlittenen Zeckenbisses mit ihrem Dienst als Lehrerin ist es mithin nicht möglich, die infolge des Zeckenbisses erlittene Borrelioseerkrankung gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG als Dienstunfall anzuerkennen.

Die Voraussetzungen des § 31 Abs. 3 Satz 1 und 3 BeamtVG sind ebenfalls nicht erfüllt. Erkrankt ein Beamter, der nach der Art seiner dienstlichen Verrichtung der Gefahr der Erkrankung an bestimmten Krankheiten besonders ausgesetzt ist, an einer solchen Krankheit, so gilt dies gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG als Dienstunfall, es sei denn, dass der Beamte sich die Krankheit außerhalb des Dienstes zugezogen hat. Nach § 31 Abs. 3 Satz 3 BeamtVG bestimmt die Bundesregierung die in Betracht kommenden Krankheiten durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates. In § 1 der aufgrund des § 31 Abs. 3 Satz 3 BeamtVG ergangenen Verordnung zur Durchführung des § 31 BeamtVG (Bestimmung von Krankheiten für die beamtenrechtliche Unfallfürsorge) vom 20. Juni 1977 (BGBl. I S. 1004) werden als Krankheiten im Sinne des § 31 Abs. 3 BeamtVG die in der Anlage 1 zur Berufskrankenheiten-Verordnung vom 8. Dezember 1976 (BGBl. I S. 3329 - BKV -) genannten Krankheiten mit den dort im Einzelnen bezeichneten Maßgaben bestimmt. In Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV sind Infektionskrankheiten als Berufskrankheiten im vorgenannten Sinne bezeichnet worden, "wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war". Die Borreliose ist eine Infektionskrankheit, weil sie durch Bakterien auf den Menschen übertragen wird (vgl. Nds.OVG, Urt. v. 7.7.2005 - 5 LB 51/05 -, Nds.VBl. 2005, 301 = juris Langtext RdNr. 28). Eine Infektion gilt aber nur dann als Dienstunfall im Sinne des § 31 Abs. 3 BeamtVG, wenn die zurzeit der Infektion ausgeübte dienstliche Tätigkeit erfahrungsgemäß im Ganzen gesehen ihrer Art nach eine hohe Wahrscheinlichkeit der Erkrankung in sich birgt. Es muss sich also um eine Tätigkeit handeln, für die die Gefahr des Eintritts gerade derjenigen Infektionskrankheit, an der der Beamte erkrankt ist, typisch ist. Dies ist nur dann der Fall, wenn in dem Gebiet, in dem der konkrete dienstliche Einsatz stattgefunden hat, die betreffende Krankheit "seuchenhaft" aufgetreten ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 9.11.1960 - VI C 144.58 -, BVerwGE 11, 229; Urt. v. 4.9.1969 - II C 106.67 -, BVerwGE 34, 4; Nds.OVG, Urt. v. 7.7.2005, aaO). Es ist weder von der Klägerin vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass von dem Gebiet aus, in dem sich die Klägerin den Zeckenbiss zugezogen hat, seuchenartig Borrelioseerkrankungen bei Menschen aufgetreten sind.

Da die Berufung aus den vorgenannten Gründen schon gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen ist, kann offenbleiben, ob auch die Voraussetzungen des von der Beklagten des Weiteren geltend gemachten Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) vorliegen.

Das Zulassungsverfahren wird als Berufungsverfahren unter dem Aktenzeichen 5 LB 127/08 als Berufungsverfahren fortgeführt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht (§ 124a Abs. 5 Satz 5 VwGO).

Ende der Entscheidung

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