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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 19.01.2009
Aktenzeichen: 5 LB 314/08
Rechtsgebiete: VwGO
Vorschriften:
VwGO § 60 Abs. 1 | |
VwGO § 60 Abs. 2 |
Gründe:
Die Berufung ist gemäß § 125 Abs. 2 Satz 1 VwGO nach Anhörung der Beteiligten zu verwerfen, da die Beklagte sie nicht innerhalb der - antragsgemäß verlängerten - Berufungsbegründungsfrist begründet hat (§ 125 Abs. 2 i. V. m. § 124a Abs. 3 VwGO). Ihr Begründungsschriftsatz ist nicht bis zum Ablauf der Begründungsfrist am 1. Oktober 2008 beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht eingegangen.
Der Beklagten ist nicht nach § 60 VwGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ihr mit Schriftsatz vom 7. Oktober 2008 gestellter Antrag ist abzulehnen.
Zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs trägt die Beklagte vor, ihr zuständiger Mitarbeiter habe den Entwurf des Berufungsbegründungsschriftsatzes zusammen mit dem Entwurf des Begründungsschriftsatzes für das Parallelverfahren (Az. 5 LB 312/08) am 22. September 2008 unterzeichnet und zur Abstimmung an die Dezernatsleiterin weitergeleitet. Diese habe beide Entwürfe am 23. September 2008 abgezeichnet und ihrem Mitarbeiter zur weiteren Veranlassung zugeleitet. Am 24. September 2008 seien die für das Gericht und die Verfahrensbeteiligten bestimmten Ausfertigungen der Berufungsbegründungen sodann in jeweils einer Umlaufmappe (pro Verfahren eine Mappe) der Poststelle im Hause zugeleitet worden. Dort würden Schriftstücke, die für das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht bestimmt seien, im normalen Geschäftsgang in das zugehörige Postfach gelegt und durch den Botendienst des Gerichts täglich abgeholt. Auf den bei den Prozessakten verbliebenen Entwürfen, habe der Mitarbeiter als Abgangsvermerk "zur Post am 24.09.2008" vermerkt. Damit sei sie - die Beklagte - ohne Verschulden gehindert gewesen, die Begründungsfrist einzuhalten, da sie die Berufungsbegründung rechtzeitig vor Fristablauf ihrer Versendungsorganisation zugeleitet habe und ihr Mitarbeiter darauf habe vertrauen dürfen, dass eine zeitgerechte Weiterleitung - wie sonst auch - durch die stets zuverlässig funktionierende Postablauforganisation erfolgen werde. Ein nicht in ihren Einfluss- und Verantwortungsbereich fallender Verlust des Begründungsschriftsatzes sei möglich.
Mit diesem Vorbringen hat die Beklagte eine unverschuldete Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nicht gemäß § 60 Abs. 2 Satz 2 VwGO hinreichend glaubhaft gemacht. "Verschulden" im Sinne von § 60 Abs. 1 VwGO ist anzunehmen, wenn der Betroffene diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden geboten ist und die ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Falles zuzumuten war. Dabei sind an eine Behörde wie die Beklagte zwar keine strengeren, aber auch keine geringeren Anforderungen zu stellen als an einen Rechtsanwalt. Dies gilt insbesondere für die Berufungsinstanz, für die prinzipiell Vertretungszwang besteht, in der sich juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden auch durch Beschäftigte mit der Befähigung zum Richteramt (vgl. im Einzelnen § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO) vertreten lassen können (sog. Behördenprivileg). Dementsprechend ist von einer Behörde zu verlangen, dass sie bei fristwahrenden Schriftsätzen dann, wenn der zu ihrer Vertretung befugte Mitarbeiter die ordnungsgemäße und rechtzeitige Absendung nicht persönlich durchführt oder jedenfalls überwacht, das damit betraute Personal sorgfältig auswählt, gleichermaßen sorgfältig schult und anweist und schließlich sorgfältig überwacht (siehe zur vergleichbaren Situation in der Revisionsinstanz BVerwG, Beschl. v. 6.6.1995 - BVerwG 6 C 13.93 -, NVwZ-RR 1996, 60 f.).
In Anwendung dieser Grundsätze reicht für die Glaubhaftmachung eines fehlenden Verschuldens im Sinne von § 60 Abs. 1 VwGO es nicht aus darzulegen, dass sich der zuständige Mitarbeiter aufgrund der bestehenden geordneten Ablauforganisation darauf habe verlassen dürfen, dass die zum Versand bestimmten Schriftsätze zum unverzüglichen Versand gelangen, ohne dass der Mitarbeiter dieses persönlich kontrollieren müsse (so aber Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. 2007, § 60, Rn. 23; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl. 2007, § 32, Rn. 39). Vielmehr ist glaubhaft zu machen, dass die Behörde neben der geordneten Ablauforganisation in ihrer Poststelle das mit der Versendung von Schriftsätzen betraute Personal sorgfältig ausgewählt, gleichermaßen sorgfältig geschult und angewiesen und schließlich sorgfältig überwacht hat. Es ist von einem Verschulden der Behörde im Sinne eines Organisationsverschuldens auszugehen, wenn die Behörde nicht dafür Sorge trägt, dass - etwa durch Führung eines Postausgangbuches oder durch einen Vermerk im Terminkalender - eine wirksame Ausgangskontrolle geführt wird (vgl. Bader u. a., VwGO, 4. Aufl. 2007, § 60, Rn. 13; Czybulka, in Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., 2006, § 60, Rn. 65 f.). Derartige Maßnahmen hat die Beklagte indes nicht glaubhaft gemacht.
Ende der Entscheidung
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