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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 08.07.2009
Aktenzeichen: 5 ME 46/09
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 33 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Die Zulässigkeit der Beschwerde, die wegen des Fehlens eines bestimmten Antrages fraglich ist, ergibt sich daraus, dass das Rechtsschutzziel des Rechtsmittels aus dem letzten vollständigen Satz der Beschwerdeschrift unzweifelhaft hervorgeht (vgl. Bader, in: Bader u. a., VwGO, 4. Aufl. 2007, § 146 Rn. 28).

Die von dem Antragsgegner vorgetragenen Gründe (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO), auf deren Prüfung der beschließende Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen nicht die Abänderung der angefochtenen Entscheidung.

Der Senat folgt nicht der Auffassung des Antragsgegners, wonach das Verwaltungsgericht mit seiner Feststellung, dass die aktuellen dienstlichen Beurteilungen der Beigeladenen offensichtlich rechtsfehlerhaft seien, weil die Vergaben der Gesamtbewertungen der Stufe A jeweils angesichts der Einzelbeurteilungsmerkmale und auch deren besonderen Gewichtung nicht ohne eine zusätzliche Begründung plausibel seien, den von ihm selbst aufgezeigten Prüfungsmaßstab verlasse, nach dem dienstliche Beurteilungen von der Verwaltungsgerichtsbarkeit nur beschränkt nachprüfbar seien. Denn es entspricht seiner ständigen Rechtsprechung, dass das Gebot, bei der Erstellung der Beurteilung von einem richtigen Sachverhalt auszugehen und allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe zu beachten, es erfordert, ausgehend von zutreffenden Tatsachen und Werturteilen nachvollziehbar darzulegen, aus welchem Grunde der betroffene Beamte das ihm durch die dienstliche Beurteilung erteilte Gesamturteil erhalten hat. Hierbei sind auch die einschlägigen Beurteilungsrichtlinien heranzuziehen, wenn sie - wie vorliegend Ziffer 6.3 Abs. 1 Satz 1 der "Allgemeinen Richtlinie für die dienstliche Beurteilung der Beschäftigten im unmittelbaren Landesdienst" (Nds. MBl. 2007, S. 6 ff. - BRL) - vorsehen, dass die zusammenfassende Bewertung der einzelnen Leistungsmerkmale unter Würdigung ihrer Gewichtung und des gesamten Leistungsbildes zu erstellen und in einer Rangstufe auszudrücken ist (vgl. nur Beschl. v. 10.1.2008 - 5 LA 102/04 -, m. w. N.).

Allein die fehlende ausdrückliche Einordnung der festgestellten mangelnden Plausibilität der Beurteilungen der Beigeladenen in eine Fehlerkategorie vermag eine Abänderung des angefochtenen Beschlusses nicht zu begründen, da die verwaltungsgerichtliche Feststellung dieses Fehlers von der gerichtlichen Kontrolldichte erfasst wird.

Der weitere Einwand des Antragsgegners, es werde bestritten, dass es einen allgemeinen Wertmaßstab gebe, der aussage, dass für eine aus mehreren Einzelmerkmalsbewertungen gebildete Gesamtbewertung regelmäßig die Gesamtbewertungsstufe mit den quantitativ überwiegenden Einzelbewertungsstufen übereinstimmen müsse, geht ins Leere. Denn das Verwaltungsgericht hat in seinem Beschluss einen solchen Wertmaßstab seiner Entscheidung nicht zugrunde gelegt, sondern allein darauf abgestellt, dass sich in den Beurteilungen der Beigeladenen aus den vergebenen Bewertungen der teilweise gewichteten Einzelleistungsmerkmale die höhere Gesamtbewertung nicht erschließt, weil es insoweit an einer plausiblen Begründung fehlt. Damit steht der verwaltungsgerichtliche Beschluss im Einklang mit der Rechtsprechung, wonach die Gesamtbewertung des Leistungsverhaltens eines Beamten in seiner Beurteilung nicht im Widerspruch zu der Bewertung der einschlägigen Leistungsmerkmale und deren Gewichtung stehen darf, sondern vielmehr wegen der gebotenen Herleitung der Gesamtbewertung aus den Einzelleistungsmerkmalen es einer besonderen plausiblen Begründung bedarf, wenn die zuständigen Beurteiler trotz einer größeren Anzahl niedriger bewerteten Einzelmerkmale eine höhere Gesamtbewertung vergeben wollen (vgl. zum umgekehrten Fall der Vergabe einer niedrigeren Gesamtbewertung trotz einer größeren Anzahl höher bewerteter Einzelleistungsmerkmale Nds. OVG, Beschl. v. 29.8.2008 - 5 LA 69/06 -, u. a. mit Hinweis auf sein Urt. v. 30.5.2007 - 5 LC 44/06 -).

Ebenso wenig hat das Verwaltungsgericht entgegen der Auffassung des Antragsgegners eine unzulässige Vor-Bewertung der Beurteilungen der Beigeladenen vorgenommen. Es hat vielmehr die Bewertungen des Antragsgegners seiner Entscheidung zugrunde gelegt und - ohne, dass dieses von dem Antragsgegner in Frage gestellt worden ist - festgestellt, dass die Bewertungen der Einzelleistungsmerkmale und deren Gewichtung bei beiden Beurteilungen der Beigeladenen überwiegend nicht der höheren Gesamtbewertung entsprechen und daher letztere einer gesonderten plausiblen Begründung bedarf. Nicht ersichtlich ist zudem, dass das Verwaltungsgericht einen von der BRL abweichenden Beurteilungsmaßstab angewendet hat. Der Antragsgegner verkennt mit diesem Einwand, dass die in Ziffer 6.3 Abs. 1 und 3 BRL enthaltenen Regelungen weder ihn selbst noch das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner ihm zustehenden Überprüfungskompetenz von der Pflicht entbinden, bei der Erstellung bzw. der Kontrolle von Beurteilungen das Plausibilitätsgebot zu beachten. Insbesondere widerspricht das Plausibilitätsgebot nicht der Vorschrift der Ziffer 6.3 Abs. 1 Satz 3 BRL, wonach wegen der unterschiedlichen Gewichtung der Leistungsmerkmale eine arithmethische Ermittlung der zusammenfassenden Bewertung nicht zulässig ist. Im Gegenteil geht es vielmehr davon aus, dass die zusammenfassende Bewertung sich nicht als arithmethisches Mittel der Bewertungen der Einzelleistungsmerkmale darstellt.

Der weitere Einwand des Antragsgegners, eine Veränderung der Formulierung der gemäß Ziffer 6.3 BRL gegebenen Begründung der Gesamtbewertung könne nicht zu einer Änderung der Gesamtbewertung führen, geht gänzlich fehl. Nach den mit der Beschwerde nicht angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts genügen die Begründungen der Gesamtbewertungen der Stufe A in den Beurteilungen der Beigeladenen nicht dem Plausibilitätsgebot. Entscheidend ist unter diesem Gesichtspunkt nicht eine Änderung der Formulierung der Begründung als solche, sondern allein, ob die Vergabe der höheren Gesamtbewertung - sofern die zuständigen Beurteiler nach erneuter Prüfung an ihr als richtig festhalten möchten - mit einer inhaltlich nachvollziehbaren und plausiblen Begründung versehen werden kann und - aus der Sicht des Verwaltungsgerichts - versehen worden ist. Ist dem Antragsgegner eine solche Begründung nicht möglich, stellt sich die Vergabe der Stufe A als rechtswidrig dar. Denn ein Unvermögen, die Vergabe der höheren Gesamtbewertung plausibel zu begründen, führt nicht lediglich zu einem "Formfehler" der Beurteilung, sondern indiziert, dass die Gesamtbewertung auch gedanklich nicht ordnungsgemäß aus den Bewertungen der einzelnen Leistungsmerkmale hergeleitet wurde. Beurteiler indes, die demgegenüber eine Gesamtbewertung auf statthafte Überlegungen stützen, dürften keine Schwierigkeiten haben, diese Überlegungen schriftlich plausibel niederzulegen.

Der Hinweis des Antragsgegners, er habe im vorliegenden Verfahren nachgewiesen, dass die Beigeladenen selbst dann, wenn sie wie der Antragsteller die Gesamtbewertung der Stufe B erhalten hätten, in einem Verfahren der ausschärfenden Betrachtungsweise der Einzelleistungsmerkmale in der Beförderungsrangfolge vor dem Antragsteller gelegen hätten, sodass die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu der angesprochenen realistischen Chance der Auswahl des Antragstellers im Falle gleicher Gesamtbewertungen der Bewerber fehl gingen, rechtfertigt ebenso wenig eine Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses. Denn eine solche ausschärfende Betrachtung hätte als Voraussetzung, dass auch für die Beigeladenen rechtmäßige Beurteilungen vorliegen. Mutmaßungen über den wahrscheinlichen Inhalt solcher Beurteilungen sind indes ohne Belang. Dem Verwaltungsgericht wie auch dem Senat ist aufgrund der nur eingeschränkten Prüfungskompetenz die Feststellung der fehlenden Möglichkeit des Bewerbungserfolgs eines unterlegenen Bewerbers im Konkurrentenstreitverfahren versagt, wenn sich eine solche Prognose lediglich auf den vermuteten Inhalt zukünftiger Beurteilungen stützt (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 7.4.2009 - 5 ME 19/09 unter Hinweis auf BVerfG, Beschl. v. 24.9.2002 - 2 BvR 857/02 -, NVwZ 2003, 200 <201> und m. w. N.). Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn das Verwaltungsgericht aufgrund einer lediglich pauschalen Betrachtung für den Fall rechtmäßig beurteilter Konkurrenten die Auswahl des Antragstellers für möglich hält.

Demzufolge vermag auch die von dem Antragsgegner bemühte ausschärfende Betrachtungsweise der Bewertungen der Einzelleistungsmerkmale die Möglichkeit der Auswahl des Antragstellers nicht auszuschließen. Die vorliegenden Beurteilungen der Beigeladenen sind wegen des Verstoßes insgesamt als rechtswidrig anzusehen, weshalb es dem Antragsgegner verwehrt ist, seine Auswahlentscheidung auf eine ausschärfende Betrachtungsweise dieser Beurteilungen zu stützen. Soweit der Antragsgegner mit seinem Beschwerdevorbringen darüber hinausgehend die Auffassung vertritt, auch im Falle rechtsfehlerfreier Beurteilungen der Beigeladenen bestehe keine realistische Chance für eine Auswahl des Antragstellers, weil eine ausschärfende Betrachtungsweise zu seinen Lasten ausginge, legt er seiner Einschätzung den vermuteten Inhalt zukünftiger Beurteilungen der Beigeladenen zugrunde. Diese Vermutung ist aber nach den vorstehenden Ausführungen nicht geeignet, die fehlende Möglichkeit des Bewerbungserfolgs des Antragstellers festzustellen.

Nicht erforderlich ist, dass das Verwaltungsgericht darauf hinweist, wie der Antragsgegner nunmehr im Auswahlverfahren weiter zu verfahren hat. Es obliegt einzig und allein seiner Verantwortung, ein den Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG in verfahrensrechtlicher und inhaltlicher Sicht genügendes Stellenbesetzungsverfahren durchzuführen.

Schließlich ist der Beschwerde nicht deshalb stattzugeben, weil nach Auffassung des Antragsgegners das Verwaltungsgericht ihm zu dem Rechtsproblem einer unzureichenden Begründung der Gesamtbewertung die Möglichkeit zur Stellungnahme nicht eingeräumt hat. Der Antragsgegner übersieht, dass die fehlende Plausibilisierung vom Antragsteller mit Schriftsatz vom 27. Januar 2009 zum Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gemacht und ihm vom Verwaltungsgericht insoweit eine Stellungnahmefrist bis zum 6. Februar 2009 eingeräumt worden ist.

Da der Senat auf die Prüfung der im Beschwerdeverfahren fristgemäß vorgetragenen Gründe beschränkt ist, bedarf es einer Erörterung der vom Rechtsmittelgegner - dem Antragsteller - aufgeworfenen Frage, ob seiner Beurteilung eine zutreffende Dienstpostenbewertung zugrunde liegt, nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen folgt die Entscheidung aus § 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind gemäß § 162 Abs. 3 VwGO nicht erstattungsfähig, weil die Beigeladenen einen Antrag nicht gestellt und sich damit einem Kostenrisiko nicht ausgesetzt haben.

Ende der Entscheidung

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