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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 14.04.2009
Aktenzeichen: 8 LA 34/09
Rechtsgebiete: BestattG, NVwKostG


Vorschriften:

BestattG § 12
NVwKostG § 3 Abs. 2
NVwKostG § 9
1. Die Höhe einer durch Verordnung nach § 3 NVwKostG eingeführten Mindestgebühr darf den im Einzelfall entstehenden Verwaltungsaufwand überschreiten.

2. Etwaige Fehler bei der Vorauskalkulation einer Mindestgebühr nach § 3 NVwKostG führen nicht zwingend zur Rechtswidrigkeit der Gebührenerhebung.


Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung aus den vom Kläger geltend gemachten Gründen des § 124 Abs. 2 Nrn. 1 - 3 und 5 VwGO sind nicht gegeben.

Das Niedersächsische Finanzministerium änderte durch Verordnung vom 6. Juli 2007 (Nds. GVBl. S. 268, 280) die Anlage zur Allgemeinen Gebührenordnung (AllGO) und setzte in Tarifnr. 56. 1 der Anlage mit Wirkung ab dem 26. Juli 2007 die Gebühr für die Leichenschau nach § 3 Abs. 1 (BestattG) oder die zweite Leichenschau vor der Einäscherung (§ 12 Abs. 1 und 2 BestattG) von vormals 15 bis 120 € auf nunmehr mindestens 45 und höchstens 460 € herauf. Der Änderungsverordnung waren zur Ermittlung der anfallenden Kosten u. a. Anfragen bei den kommunalen Spitzenverbänden vorausgegangen.

Dementsprechend wurde der Kläger mit zwei Bescheiden des Beklagten vom 3. und 13. September 2007 für die im Krematorium des Klägers in der Zeit vom 26. Juli bis zum 29. August 2007 von Amtsärzten des Beklagten durchgeführten, hier noch streitigen 65 Leichenschauen zur Zahlung der Mindestgebühr je Leichenschau von 45 € herangezogen. Daraufhin hat der Kläger den Verwaltungsrechtsweg beschritten, soweit er je Leichenschau mehr als die in der Vergangenheit vom Beklagten erhobenen 21 € entrichten soll. Er vertritt die Ansicht, die nunmehr vorgesehene Mindestgebühr in Höhe von 45 € sei überhöht und widerspreche dem Kostendeckungsprinzip. Die Mitarbeiter des Beklagten führten im Krematorium des Klägers in der Regel keine Einzel-, sondern sog Reihenleichenschauen durch, d. h. pro Tag mehr als nur eine Leichenschau, und benötigten im Übrigen je Leichenschau nicht mehr als 10 Minuten.

Das Verwaltungsgericht hat die Anfechtungsklage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Mindestgebühr in Höhe von 45 € mit höherrangigem Recht übereinstimme. Das Fachministerium habe beim Erlass des umstrittenen Gebührentarifs ausdrücklich auch die in Krematorien anfallenden sog. Reihenleichenschauen berücksichtigt und deshalb die Mindestgebühr von ursprünglich vorgesehenen 61, 50 € auf 45 € festgesetzt. Damit sei der dem Verordnungsgeber zustehende Entscheidungsspielraum nicht überschritten worden. Soweit der Kläger den der aktualisierten Berechnung der Mindestgebühr zu Grunde liegenden Zeitaufwand von je 20 Minuten für den Arzt und einen Sachbearbeiter immer noch für zu hoch erachte, verkenne er jedenfalls den für die Vor- und Nachbearbeitung der Leichenschau erforderlichen Aufwand.

Ernstliche Zweifel i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO an der Richtigkeit dieser Entscheidung bestehen aus den vom Kläger vorgetragenen Gründen nicht. Der Kläger hält die in Tarifnr. 56. 1 der Anlage zur AllGO vorgesehene Mindestgebühr von 45 € für überhöht, benennt aber keine Bestimmung des höherrangigen Rechts, gegen die insoweit verstoßen worden sein soll, und genügt schon deshalb nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO an die Darlegung dieses Zulassungsgrundes.

Sollte sich der Kläger auf einen Verstoß gegen das sog. Kostendeckungsprinzip berufen wollen, so kann ihm nicht gefolgt werden. Das sog. Kostendeckungsprinzip hat keinen festen, den landesrechtlichen Verordnungsgeber bindenden Inhalt, sondern unterliegt der konkreten Ausgestaltung des jeweiligen Normgebers. Dieser hat - wie bereits das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des erkennenden Gerichts (vgl. ergänzend BVerwG, Urt. v. 13.4.2005 - 6 C 5/04 -, NVwZ-RR 2005, 592 f., sowie Beschl. v. 28.6.2002 - 9 BN 13/02 -, juris, jeweils m. w. N.) zutreffend ausgeführt hat - zu entscheiden, ob mit der Gebührenerhebung neben der Kostendeckung auch andere zulässige Zwecke, etwa des Vorteilsausgleichs, der Verhaltenslenkung oder der sozialen Unterstützung, verfolgt werden sollen und in welchem Umfang dann das Kostendeckungsprinzip Geltung beansprucht. Allgemein wird dabei zwischen dem generellen und dem speziellen Kostendeckungsprinzip unterschieden (vgl. zum Folgenden: F. Kirchhof, Abgabenrecht, in: Achterberg/Püttner/Würtenberger (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, Band II, 2. Aufl., Rn. 238; Loeser/Barthel, NVwKostG, Einführung, S. 53, sowie für Friedhofsgebühren: Senatsurt. v. 8.12.2005 - 8 KN 123/03 -, NdsVBl 2006, 253 ff. = NVwZ-RR 2006, 817 ff.). Das Kostendeckungsprinzip in der generellen Variante bezieht sich auf die Kosten der gesamten Leistungssparte, d. h. auf die Gesamtheit der Gebührenfälle (vgl. § 3 Satz 2 Verwaltungskostengesetz des Bundes). In der - weniger verbreiteten - speziellen Variante soll hingegen der jeweilige Aufwand für die einzelne Leistung abgedeckt werden, wobei allerdings auch insoweit eine Pauschalierung erfolgt.

Aus diesen allgemeinen Ausführungen wird deutlich, dass der Verordnungsgeber in Niedersachsen nach § 3 Abs. 2 Satz 1 NVwKostG nur an das generelle Kostendeckungsprinzip gebunden ist (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 17.10.2008 - 4 LA 661/07 -). Nach dieser Bestimmung sind die Gebühren in den Gebührenordnungen nämlich so festzusetzen, dass ihr Aufkommen zusammen mit der Erstattung von Auslagen den auf die Amtshandlungen entfallenden Aufwand des Verwaltungszweiges nicht übersteigt. Innerhalb dieses Rahmens steht es dem Verordnungsgeber frei, für die Bemessung der Gebühr nach § 3 Abs. 2 Satz 2 NVwKostG auf den der Behörde jeweils im Einzelfall entstehenden Aufwand, den Wert der Leistung oder durch Festsetzung einer nicht näher konkretisierten Rahmengebühr mittelbar über § 9 Abs. 1 NVwKostG auch auf eine Verknüpfung der beiden vorgenannten Bemessungsmaßstäbe abzustellen (vgl. Loeser/Barthel, a. a. O., S. 58, sowie Nds. OVG, Urt. v. 23.4.2008 - 1 LB 79/06 -, BauR 2008, 1492, m. w. N.).

Demnach liegt ein Verstoß gegen § 3 Abs. 2 Satz 1 NVwKostG nur dann vor, wenn das erzielte Gebührenaufkommen die Kosten des Verwaltungszweiges überschreitet. Es kann hier offen bleiben, wie im Einzelnen der Begriff des "Verwaltungszweiges" zu verstehen ist (vgl. dazu nochmals den o. a. Beschl. v. 17.10.2008 sowie allgemein BVerwG, Beschl. v. 17.6.1992 - 3 B 42/92 -, Buchholz 401.8 Verwaltungsgebühren Nr. 28), ob er sich hier etwa auf das gesamte Bestattungsrecht oder nur auf Teilbereiche davon bezieht, wie die umstrittene Leichenschau. Jedenfalls umfasst er als Vorgabe für den landesrechtlichen Verordnungsgeber zumindest alle Fälle der Leichenschau in Niedersachsen. Soweit der Kläger daher behauptet, es komme bei Durchführung der zweiten Leichenschau durch (ärztliche) Mitarbeiter des Beklagten zu einer Kostenüberdeckung, ist dies unerheblich. Weder aus § 3 Abs. 2 Satz 1 NVwKostG noch aus Satz 2 dieser Bestimmung ergibt sich, dass in einzelnen Fällen die Gebühr nicht höher als der Aufwand sein darf. Dass es in Anwendung des durch die streitige Tarifnummer eröffneten Gebührenrahmens landesweit unter Einbeziehung aller Leichenschauen zu einer Kostenüberschreitung kommt, trägt der Kläger hingegen nicht vor und ist auch sonst nicht zu erkennen.

Möglicherweise will sich der Kläger aber auch (ergänzend) darauf berufen, dass das zuständige Fachministerium die Mindestgebühr von 45 € unzutreffend vorauskalkuliert, nämlich einen zu hohen Zeitaufwand zu Grunde gelegt habe. Auch das so verstandene Vorbringen des Klägers führt aber nicht zum Erfolg des Zulassungsantrages. Weder das NVwKostG noch eine andere landesrechtliche Bestimmung verpflichten den Verordnungsgeber ausdrücklich zu einer Vorauskalkulation des Gebührenaufkommens. Auch bundesrechtlich gibt es keinen allgemeinen Rechtssatz, wonach eine ordnungsgemäße Vorauskalkulation Rechtmäßigkeitsbedingung für die Erhebung von Verwaltungsgebühren ist. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich dann vielmehr darauf, ob die Gebühr im Ergebnis gegen das Kostendeckungsprinzip verstößt (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.4.2002 - 9 CN 1/01 -, BVerwGE 116, 188 ff., m. w. N.), wie es hier in § 3 Abs. 2 Satz 1 NVwKostG seinen Niederschlag gefunden hat. Auf einen solchen Verstoß beruft sich der Kläger aber - wie dargelegt - nicht.

Das Vorbringen des Klägers führt auch nicht zur Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO. Der Kläger wirft dazu die Frage auf, ob "die nach Tarifnr. 56. 1 des Kostentarifs zur AllGO festgesetzte Mindestgebühr von 45 € dem Kostendeckungsprinzip entspricht". Diese Frage vermittelt dem Rechtsstreit nicht die vom Kläger gesehenen "besonderen tatsächlichen Schwierigkeiten". Aus den vorhergehenden Ausführungen ergibt sich vielmehr, dass eine Mindestgebühr als solche nicht dem Kostendeckungsprinzip nach § 3 Abs. 2 NVwKostG entsprechen muss.

Die Berufung kann auch nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zur Klärung der Frage zugelassen werden, "nach welchen Faktoren bei einer Rahmengebühr die Höhe der Mindestgebühr festzusetzen ist". Denn die aufgeworfene Frage ist schon nicht hinreichend konkret. Außerdem legt der Kläger nicht dar, warum diese Frage hier entscheidungserheblich und klärungsbedürftig sein soll.

Schließlich liegt auch der vom Kläger gerügte Verfahrensmangel i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO nicht vor. Das Verwaltungsgericht musste aus den vorgenannten Gründen schon mangels Entscheidungserheblichkeit keinen Beweis zu der Frage erheben, ob "bei der Durchführung der zweiten Leichenschau ... der Minimalaufwand nicht einmal zehn Minuten beträgt ..." . Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass nach den vorliegenden Stellungnahmen u. a. der Kommunalen Spitzenverbände keine Anhaltspunkte dafür bestehen, eine ordnungsgemäß durchgeführte Leichenschau (vgl. zum notwendigen Umfang aus ärztlicher Sicht: Madea/Dettmeyer, Ärztliche Leichenschau und Todesbescheinigung, Deutsches Ärzteblatt 2003, 3164 ff.) könne einschließlich der dafür durch einen Sachbearbeiter notwendigen Vor- und Nacharbeiten innerhalb von weniger als 10 Minuten durchgeführt werden. Das Verwaltungsgericht hat sich somit zur Ablehnung des Beweisantrages über die Einholung eines Sachverständigengutachtens in Ausübung des ihm nach § 98 VwGO i. V. m. § 412 ZPO zustehenden tatrichterlichen Ermessens (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.6.2008 - 5 B 198/07 -, juris, m. w. N.) sinngemäß zu Recht auf eine eigene Sachkunde berufen, die es zu dem Beweisthema aus dem Inhalt der in das Verfahren eingeführten Beiakten gewonnen hat.

Ende der Entscheidung

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