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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 08.11.2007
Aktenzeichen: 8 LA 88/07
Rechtsgebiete: RBerG, 1.RBerGAV, VwGO


Vorschriften:

RBerG Art. 1 § 1 Abs. 2
1.RBerGAV § 6
1.RBerGAV § 14
VwGO § 113
Ein Inkassounternehmer, der in Vermögensverfall geraten und wegen gewerbsmäßigen Betruges verurteilt worden ist, ist unzuverlässig; die ihm nach dem Rechtsberatungsgesetz erteilte Erlaubnis zur Tätigkeit als (Teil-)Rechtsbeistand ist zu widerrufen.
Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Die vom Kläger geltend gemachten ernstlichen Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO an der Entscheidung des Verwaltungsgerichts, dass der Kläger "unzuverlässig" im Sinne von Art. 1 § 1 Abs. 2 Satz 1 des Rechtsberatungsgesetzes (RBerG), § 6 der 1. Verordnung zur Ausführung des Rechtsberatungsgesetzes (nachfolgend 1.RBerGAV) ist und deshalb gemäß § 14 Abs. 1 1.RBerGAV die ihm erteilte Erlaubnis zur außergerichtlichen Inkassotätigkeit zu widerrufen war, bestehen nicht.

Nach § 14 Abs. 1 1.RBerGAV ist die erteilte Erlaubnis zu widerrufen, wenn Tatsachen eintreten oder nachträglich bekannt werden, die eine Versagung der Erlaubnis rechtfertigen. Erteilungsvoraussetzung ist gemäß Art. 1 § 1 Abs. 2 Satz 1 RBerG, dass der Antragsteller die für den Beruf erforderliche Zuverlässigkeit besitzt. Ob dies der Fall ist, ist gemäß § 6 1.RBerGAV unter Berücksichtigung des Vorlebens des Antragstellers, insbesondere etwaiger Straftaten, zu prüfen, und zwar gleichgültig, ob ein Strafverfahren mit Einstellung, Nichteröffnung oder Verurteilung geendet hat. Die Erlaubnis ist in der Regel zu versagen, wenn der Nachsuchende nach dem Strafregister wegen eines Verbrechens verurteilt worden ist oder wegen eines Vergehens, das einen Mangel an Zuverlässigkeit hat erkennen lassen; dazu gehören insbesondere Vermögensdelikte. Die Erlaubnis ist ferner zu versagen, wenn mit Rücksicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Nachsuchenden die Belange der Rechtsuchenden gefährdet würden. Dass der Kläger danach "unzuverlässig" ist und dass die ihm erteilte Erlaubnis deshalb zwingend zu widerrufen war, hat das Verwaltungsgericht zu Recht erkannt.

Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht zutreffend darauf abgestellt, dass gegen den Kläger allein in der Zeit zwischen April 2004 und September 2005, in dem der angefochtene Bescheid erlassen worden ist, 22 Zwangsvollstreckungsaufträge erteilt worden sind, diese nicht zu einer vollständigen Befriedigung der Gläubiger geführt haben und der Kläger deshalb am 30. Mai 2005 eine eidesstattliche Versicherung gemäß § 807 ZPO abgegeben musste. Zudem war er am 2. Mai 2005 wegen Betruges zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen (zu je 7 EUR) verurteilt worden. Im September 2005 waren gegen ihn weitere Strafverfahren wegen Betruges bzw. falscher Versicherung an Eides statt anhängig bzw. sind vorläufig gemäß §§ 153 a und 154 StPO eingestellt worden. Ergänzend hat das Verwaltungsgericht berücksichtigt, dass der Kläger aufgrund von neun im Zeitraum zwischen Februar 2004 und April 2005 begangenen Taten durch ein inzwischen rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts C. vom 18. August 2006 wegen gewerbsmäßigen Betruges zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr (auf Bewährung) verurteilt worden ist. Der Berücksichtigung dieser Verurteilung im vorliegenden Widerrufsverfahren steht nicht entgegen, dass maßgeblich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung abzustellen ist (BVerwG, Beschl. v. 29.3.1996 - 1 B 54/96 -, Buchholz 355 RBerG Nr. 49). Denn die vorgenannten Taten waren alle bereits vor Erlass des Ausgangsbescheides am 28. September 2005 begangen worden, so dass der Umstand, dass eine rechtskräftige Verurteilung erst danach, d.h. während des laufenden gerichtlichen Verfahrens, erfolgt ist, der Berücksichtigung dieser Straftaten nicht entgegensteht. Das Bundesverwaltungsgericht hat in vergleichbaren Fällen, d.h. für die Bestätigung einer behördlichen Gefahrenprognose, sogar die Berücksichtigung von Straftaten für zulässig erachtet, wenn diese - anders als vorliegend - erst nach dem grundsätzlich maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung begangen worden sind (vgl. BVerwG, Beschl. v. 27.6.1997 - 1 B 132/97 -, juris, m. w. N.). Bei dieser Sachlage ist der Kläger ersichtlich "unzuverlässig".

Dies ergibt sich aufgrund der vorgenannten Verurteilungen bereits aus § 6 Satz 2 1.RBerGAV. Die maßgebliche Straftat muss dabei nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit der eigentlichen Berufstätigkeit stehen. Auch eine Straftat, die "nur" bei Ausübung einer Nebentätigkeit begangen worden ist, die eine sachliche Nähe zum Beruf des (Teil-)Rechtsbeistandes aufweist - wie hier die wiederholten Betrugshandlungen bei der vom Kläger angebotenen Weiterbildung von Rechtsanwalts- und Notarangestellten -, lässt begründete Zweifel an der Zuverlässigkeit aufkommen (Senatsbeschl. v. 9.7.1993 - 8 L 2162/92 -, Rbeistand 1994, 29 f.). Denn auch von einem Teilrechtsbeistand wie dem Kläger erwartet der Gesetzgeber zu Recht, dass er keine Täuschungshandlungen im Rechtsverkehr begeht (BVerwG, Beschl. v. 16.6.1987 - 1 B 93/86 -, GewArch 1987, 351 f. = Buchholz 355 RBerG Nr. 41, m. w. N.). Der Senat stimmt mit dem Verwaltungsgericht ferner in der weiteren Annahme überein, dass der Beklagte und das Verwaltungsgericht vorliegend von der Richtigkeit der angeführten rechtskräftigen Strafurteile ausgehen konnten (vgl. ergänzend Senatsbeschl. v. 1.7.1993 - 8 M 2114/93 -). Etwas anderes gilt nur dann, wenn gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der strafgerichtlichen Tatsachenfeststellungen gegeben sind. Dies ist hier nicht der Fall. Sollte das Vorbringen des Klägers im Zulassungsverfahren daher so zu verstehen sein, dass er weiterhin einen Betrugsvorsatz in Abrede stellen will, so kann ihm auch insoweit nicht gefolgt werden.

Nach § 6 Satz 3 1.RBerGAV ist bei der Prüfung der Zuverlässigkeit neben den vorgenannten strafrechtlichen Verfehlungen zusätzlich die wirtschaftliche Lage des Betroffenen heranzuziehen. Eine zur Unzuverlässigkeit führende Gefahr für die Belange der Rechtsuchenden ist danach gegeben, wenn der (Teil-)Rechtsbeistand in ungeordneten wirtschaftlichen Verhältnissen lebt oder gar - wie vorliegend der Kläger - in Vermögensverfall geraten ist, und zwar unabhängig davon, ob ein vorwerfbares Verhalten vorliegt (BVerwG, Beschl. v. 29.3.1996 - 1 B 54/96 -, Buchholz 355 RBerG Nr. 49, m. w. N.; Senatsbeschl. v. 17.7.1990 - 8 A 39/88 -). Daher ist der Einwand des Klägers unerheblich, er sei unverschuldet in wirtschaftliche Not geraten. Der Gesetzgeber will nämlich umfassend der Gefahr begegnen, dass ein Rechtsbeistand wegen eigener finanzieller Not der Versuchung erliegt, die wirtschaftlichen Interessen seiner Mandanten oder der Schuldner zu schädigen. Diese Gefahr kann nicht nur - wie von dem Kläger in den Mittelpunkt seiner Ausführungen gestellt wird - darin bestehen, dass Mandantengelder unterschlagen werden. Zu befürchten ist darüber hinaus, dass der Rechtsbeistand Mandate akzeptiert, die nach Zahl oder Schwierigkeitsgrad seine Leistungsfähigkeit übersteigen, oder dass er etwa unzulässige oder überhöhte Gebühren oder Forderungen erhebt (vgl. Senatsbeschl. v. 17.7.1990, a. a. O., m. w. N.). Ob sich diese Gefahr bereits realisiert hat, ob der Betroffene also - was der Kläger für allein ausschlaggebend erachtet - im Kernbereich seiner Berufsausübung schon einmal gegen solche Pflichten verstoßen hat oder nicht, ist demnach nicht entscheidend. Die zur Annahme der Unzuverlässigkeit allein schon wegen der wirtschaftlichen Verhältnisse führende Gefährdung ist vielmehr bereits dann zu bejahen, wenn sie nicht fernliegend ist (vgl. nochmals BVerwG, Beschl. v. 29.3.1996, a. a. O.). Bei dem in der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zum Ausdruck kommenden Vermögensverfall des Klägers und seinen vorgenannten Verurteilungen wegen Betruges liegt aber die Gefahr einer entsprechenden Verfehlung alles andere als fern. Diese Annahme wird zusätzlich dadurch unterstrichen, dass der Beklagte die Berufsausübung des Klägers als Inkassounternehmer bereits in der Vergangenheit aus anderen Gründen, etwa wegen einer fehlenden Haftpflichtversicherung, wiederholt beanstanden musste. Daher trifft auch der Einwand des Klägers nicht zu, er habe in keinem Falle gegen Berufspflichten verstoßen.

Bei dieser Sachlage ist der Widerruf der Erlaubnis gemäß § 6 1.RBerGAV zwingend. Der Kläger hingegen hält als milderes Mittel einen Teilwiderruf (vgl. Rennen/Caliebe, Rechtsberatungsgesetz, Kommentar, 2. Aufl., § 2 1. AVO, Rn. 19, m. w. N.) in der Form für ausreichend, dass ihm die Erlaubnis unter Auflagen belassen werde. Eine solche eingeschränkte Rechtsfolge lassen das Rechtsberatungsgesetz und die 1. Verordnung zur Ausführung des Rechtsberatungsgesetzes im Falle der Unzuverlässigkeit aber schon von Rechts wegen nicht zu. Vom Rechtsbeistand wird hinsichtlich seiner Rechtstreue uneingeschränkte Zuverlässigkeit verlangt. Im Übrigen kommt auch tatsächlich keine geeignete Auflage in Betracht. So beseitigt etwa die vom Kläger vorgeschlagene Einsetzung eines Treuhänders zur Entgegennahme von Mandantengeldern nicht die vorgenannten weiteren Gefahren, dass nämlich Mandate akzeptiert werden, die nach Zahl oder Schwierigkeitsgrand die Leistungsfähigkeit übersteigen, oder zu Unrecht von Mandanten bzw. den Schuldnern Forderungen erhoben werden. Schließlich ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für die Tätigkeit vergleichbarer, ebenfalls selbständig Erwerbstätiger zu Recht anerkannt, dass der Normgeber sich auch nicht darauf verweisen lassen muss, der Gefahr der Verletzung von Berufspflichten im Wege der (Standes-)Aufsicht zu begegnen. Denn um der Gefahr von Pflichtverletzungen gleichermaßen effektiv entgegenzuwirken, wie durch die Aufhebung der zur Berufsausübung notwendigen Erlaubnis, bedürfte es einer ständigen, engmaschigen und von der Verwaltung nicht zu leistenden Kontrolle der Berufsausübung durch die Aufsicht (vgl. zuletzt BVerwG, Beschl. v. 30.9.2005 - 6 B 51/05 -, GewArch 2006, 77 f.). Aufsichtsmaßnahmen könnten regelmäßig nur in Form von Stichproben erfolgen, wären deshalb längst nicht so wirksam wie der Widerruf der Erlaubnis und sind daher unzureichend (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.8.2005 - 6 C 15/04 -, BVerwGE 124, 110 ff.).

Aus den vorgenannten Gründen steht der Widerruf der Erlaubnis auch mit dem Grundrecht des Klägers aus Art. 12 Abs. 1 GG in Einklang, zumal der Kläger nach eigenen Angaben bereits in der Vergangenheit nur in geringem Umfang als Inkassounternehmer tätig geworden ist und dadurch keine nennenswerten, seine Existenz sichernden Einnahmen erzielt hat.

Ende der Entscheidung

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