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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 04.09.2006
Aktenzeichen: 8 LA 97/06
Rechtsgebiete: BJagdG, RJG, VwVfG


Vorschriften:

BJagdG § 5 Abs. 1
RJG § 6
VwVfG § 43
Zu den Voraussetzungen, unter den eine 1936 ergangene Abrundung eines Jagdbezirks durch Veränderung der Eigentumsverhältnisse unwirksam wird.
Gründe:

Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts hat Erfolg. Bei verständiger Würdigung insbesondere der Begründung richtet sich dieser Antrag nicht gegen das Urteil insgesamt, sondern nur dagegen, dass der Klage teilweise stattgegeben worden ist. An der Richtigkeit dieses Teils der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung bestehen aus den vom Beklagten fristgerecht, durch einen postulationsfähigen Bediensteten und in einer den Anforderungen des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechenden Weise dargelegten Gründen ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

Der Kläger begehrt die Vergrößerung seines in E. (Gemeinde F. / Samtgemeinde G. /Landkreis H.) gelegenen Eigenjagdbezirkes.

Im Jahr 1936 erstreckten sich die Eigentumsgrundstücke des Herrn I. als Rechtsvorgänger des Klägers schlangenförmig durch die Landschaft. Der damalige Kreisjägermeister veranlasste (deshalb) unter dem 20. Februar 1936 eine "Grenzbegradigung gemäß § 6 des Reichsjagdgesetzes". Dabei wurden die nordöstlich gelegenen Eigentumsgrundstücke des Herrn I. dem gemeinschaftlichen Jagdbezirk der Beigeladenen zu 1) zugeordnet. Zum Ausgleich wurde sein südlich gelegenes Eigentumsgrundstück um mehrere Fremdgrundstücke zu einem Eigenjagdbezirk erweitertet.

Der Beklagte hält die - im Wesentlichen - auf diesem Wege entstandene Abgrenzung des Eigenjagdbezirkes des Klägers, des gemeinschaftlichen Jagdbezirks der Beigeladenen zu 1) und des östlich des Eigenjagdbezirks des Klägers liegenden Eigenjagdbezirks des Beigeladenen zu 2) weiterhin für wirksam und sachgerecht. Der Kläger vertritt hingegen die Auffassung, dass die im Jahr 1936 erfolgte "Grenzbegradigung" ungeachtet ihres Rechtscharakters als Verwaltungsakt oder als Vertrag spätestens dadurch unwirksam geworden sei, dass er weitere, nordöstlich des damals entstandenen Eigenjagdbezirks gelegene Grundstücke hinzuerworben habe. Folge man dieser Ansicht nicht, so müsse diese "Grenzbegradigung" aber zumindest aufgehoben werden. Stattdessen sei eine neue Abrundungsverfügung zu erlassen, durch die sein bisheriger Eigenjagdbezirk nach Nordosten erheblich ausgedehnt werde, nämlich um alle dort in seinem Eigentum befindlichen Grundstücke sowie zwei davon umschlossene weitere Grundstücke, die bislang zum Jagdbezirk der Beigeladenen zu 1) zählten.

Das Verwaltungsgericht hat die 1936 vorgenommene "Grenzbegradigung" als eine unwirksam gewordene Abrundung angesehen. Sie habe sich gemäß § 43 Abs. 2 VwVfG auf andere Weise erledigt. Der Kläger habe nämlich im Laufe der Zeit seine zusammenhängenden Eigentumsflächen um ca. 25 ha, d. h. um ein Viertel, vergrößert. Dies stelle eine so wesentliche Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse dar, dass der aus dem Jahr 1936 stammenden Abrundung gleichsam die Geschäftsgrundlage entzogen worden sei. Durch die Unwirksamkeit der 1936 ergangenen Abrundung seien mehrere jagdbezirksfreie Exklaven entstanden, auf denen gemäß § 6 Satz 1 BJagdG die Jagd ruhe. Deshalb müsse eine neue Abrundungsverfügung gemäß § 5 BJagdG erlassen werden. Es bestünden jedoch verschiedene, im Ermessen des Beklagten liegende Möglichkeiten zur Abrundung der bestehenden Jagdbezirke. Daher habe mangels Spruchreife lediglich ein Bescheidungsurteil ergehen können.

Der Beklagte wendet gegen die Richtigkeit des Urteils in seinem Zulassungsantrag ein, dass die im Jahr 1936 ergangene Abrundung weiterhin Bestand habe. Sie habe sich nicht auf die vom Verwaltungsgericht angenommene "andere Weise" i. S. d. § 43 Abs. 2 VwVfG durch Vergrößerung der Eigentumsflächen des Klägers erledigt. Die Annahme träfe im Kern schon tatsächlich nicht zu. Abzustellen sei nämlich nicht darauf, dass der Kläger überhaupt zusätzliche Flächen zu seinem Eigentum erworben habe, sondern nur auf diejenigen Flächen, die er außerhalb des 1936 gebildeten Eigenjagdbezirks hinzuerworben habe. Dies seien jedoch nur Flächen in einer Größe von 6 ha. Diese Größenordnung sei zu vernachlässigen, weil der Eigenjagdbezirk des Klägers insgesamt 80 ha umfasse. Im Vergleich zu 1936 habe sich im Übrigen der Eigentumsanteil an seinem Eigenjagdbezirk auch nicht verkleinert, sondern vergrößert. Der Kläger habe nämlich inzwischen eine 19 ha große, zu seinem Eigenjagdbezirk gehörende und vormals im Fremdeigentum befindliche Fläche hinzuerworben. Gelte somit die Abrundung aus dem Jahr 1936 fort, so komme der Erlass einer neuen Abrundungsverfügung nicht in Betracht. Gemäß § 5 Abs. 1 BJagdG dürfe eine solche Verfügung nur erlassen werden, wenn dies aus Erfordernissen der Jagdpflege und -ausübung notwendig sei. Solche Gründe seien vorliegend nicht gegeben. Vielmehr sei die 1936 erfolgte Abrundung jagdrechtlich weiterhin notwendig und sinnvoll.

Der Senat teilt die so begründeten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung, wobei dahinstehen kann, ob der unter Ziffer 1. der Urteilsformel enthaltenen Feststellung nur eine deklaratorische oder eine konstitutive Bedeutung zukommt.

Dem Verwaltungsgericht ist zwar darin zu folgen, dass es sich bei der 1936 durch den Kreisjägermeister gemäß § 6 RJG erfolgten "Grenzbegradigung" um eine damals wirksame Abrundungsverfügung (vgl. nur Mitzschke/Schäfer, Kommentar zum Reichsjagdgesetz, 2. Aufl., 1939, § 6 RJG, Ziffer 1) gehandelt hat, die auch durch Inkrafttreten der §§ 7 und 8 BJagdG nicht unwirksam geworden ist (vgl. neben dem bereits vom Verwaltungsgericht zitierten Urt. des BVerwG v. 7.12.1995 dessen weiteres Urt. v. 18.4.1996 - 3 C 4/95 -, Buchholz 451.16 § 5 BJagdG Nr. 28, sowie die Urteile des OVG Lüneburg v. 9.10.1984 - 14 A 79/82 -, JE II Nr. 73, und v. 14.5.1986 - 14 A 134/83 -, JE II Nr. 90, LS 1; Meyer-Ravenstein, Jagdrecht in Niedersachsen, § 5 BJagdG, Rn. 39, m. w. N.).

Ernstlich zweifelhaft ist jedoch die weitere Annahme des Verwaltungsgerichts, dass sich diese Abrundungsverfügung nachfolgend auf andere Weise im Sinne des § 43 Abs. 2 VwVfG erledigt habe. Als ein solcher Erledigungsgrund ist zwar grundsätzlich auch die - hier vom Verwaltungsgericht angenommene - Gegenstandslosigkeit eines Verwaltungsaktes anerkannt (vgl. Kopp/Ram­sauer, VwVfG, 9. Aufl., § 43, Rn. 42). Nachträgliche Änderungen der Sach- und Rechtslage, die dazu führen, dass der Verwaltungsakt heute nicht mehr so erlassen werden würde, führen jedoch grundsätzlich noch nicht zur Gegen­standslosigkeit des Verwaltungsaktes, sondern lassen dessen Wirksamkeit unberührt und bieten allenfalls Anlass für seine Änderung oder Aufhebung nach §§ 51, 48, 49 VwVfG. Für die Gegenstandslosigkeit eines Verwaltungsaktes muss darüber hinaus sein Regelungssubjekt oder - objekt entfallen oder sein Fortbestand offensichtlich mit dem Normzweck unvereinbar sein.

Diese allgemeinen Grundsätze für die Wirksamkeit und die Gegenstandslosigkeit von Verwaltungsakten gelten auch für altrechtliche Abrundungsverfügungen aus der Zeit vor Inkrafttreten des BJagdG (vgl. nur BVerwG, Urt. v. 16.11.1995 - 3 C 28/94 -, JE II Nr. 131, sowie v. 7.12.1995, a. a. O., sowie Mitzschke/Schäfer, a.a.O.). So bleibt etwa der Bestand einer Angliederungsverfügung unberührt, d.h. der Bescheid wird nicht gegenstandslos, wenn die von einem Eigenjagdbezirk umgebene Exklave diese Eigenschaft durch eine kommunale Neugliederungsmaßnahme später verliert (BVerwG, Urt. v. 16.11.1995, a. a. O.). Demnach berühren auch Änderungen der Eigentumsverhältnisse die Wirksamkeit einer altrechtlichen Abrundung grundsätzlich nicht, es sei denn, ihre Aufrechterhaltung würde offensichtlich dem Normzweck des § 5 BJagdG widersprechen, dadurch einen jagdlich sinnvoll nutzbaren Bezirk mit zusammenhängenden Grundflächen zu schaffen. Nur aus dem letztgenannten Grund hat das erkennende Gericht in dem vom Verwaltungsgericht angeführten Fall die Gegenstandslosigkeit einer altrechtlichen Verfügung angenommen (vgl. Urt. v. 9.10.1985 - 14 A 53/83 -, JE II Nr. 81, sowie ergänzend Urt. v. 14.5.1986, a.a.O.). Damals waren Eigentumsgrundstücke veräußert wurden, die bislang zu einem um angliederte Flächen erweiterten Eigenjagdbezirk gehörten; dadurch war der Zusammenhang zwischen den Eigentums- und den angegliederten Flächen unterbrochen worden. In einem solchem Fall wird die Abrundung in Form der Angliederung gegenstandlos, weil sie dazu dienen soll, Exklaven zu beseitigen, nicht aber zu ihrer Entstehung zu führen.

Gemessen an diesen Grundsätzen kann vorliegend nicht von einer Gegenstandslosigkeit der Abrundungsverfügung aus dem Jahr 1936 ausgegangen werden. Sie erfüllt unverändert ihren Sinn und Zweck, anstelle eines schlangenförmig gewundenen Eigenjagdbezirks des Klägers und angrenzender Exklaven, auf denen die Jagd ruht, zwei zusammenhängende und sinnvoll voneinander abgegrenzte Jagdbezirke zu bilden, nämlich den Eigenjagdbezirk des Klägers und den gemeinschaftlichen Jagdbezirk der Beigeladenen zu 1). Dies wird auch aus dem eigenen Antrag des Klägers deutlich. Danach soll die altrechtliche Abrundungsverfügung von 1936 zwar aufgehoben werden. Nach Aufhebung der Abrundung sollen seinem Eigenjagdbezirk zugleich aber wieder alle jene Flurstücke erneut angegliedert werden, die schon im Jahre 1936 seinem Eigenjagdbezirk angegliedert worden sind. Die vom Kläger mit dem Erwerb weiterer Grundstücke außerhalb seines Eigenjagdbezirks geltend gemachte Änderung der Sach- und Rechtslage kann daher allenfalls Anlass sein, die Abrundungsentscheidung aus dem Jahr 1936 gemäß §§ 51, 48, 49 VwVfG zu ändern (vgl. Mitzschke, Schäfer, Kommentar zum BJagdG, § 5, Rn. 49 ff.), sie hat aber nicht zur Erledigung der Abrundungsentscheidung gemäß § 43 Abs. 2 VwVfG geführt.

Hat somit die Abrundung aus dem Jahr 1936 Bestand, so bestehen zugleich auch ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der - insoweit folgerichtigen - weiteren Entscheidung des Verwaltungsgerichts, den Beklagten zum Erlass einer neuen Abrundungsverfügung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verpflichten.

Ende der Entscheidung

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