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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 19.01.2007
Aktenzeichen: 8 ME 171/06
Rechtsgebiete: SchfG, VwGO
Vorschriften:
SchfG § 11 Abs. 2 S. 1 | |
VwGO § 158 Abs. 2 | |
VwGO § 161 Abs. 2 |
Kostenentscheidung bei Teilerledigung.
NIEDERSÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT LÜNEBURG BESCHLUSS
Aktenz.: 8 ME 171/06
Datum: 19.01.2007
Gründe:
Die Beschwerde der Antragsgegnerin hat Erfolg, soweit sie sich gegen die vom Verwaltungsgericht erlassene Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid vom 20. Juli 2006 richtet (1.). Im Übrigen, d. h. soweit die Antragsgegnerin ergänzend den auf § 161 Abs. 2 VwGO beruhenden, ihr 1/4 des Verfahrenskosten in erster Instanz auferlegenden Teil der Kostenentscheidung in dem verwaltungsgerichtlichen Beschluss angreift, ist ihre Beschwerde unstatthaft und daher zu verwerfen (2.).
1. Aus den von der Antragsgegnerin zur Beschwerdebegründung dargelegten und vom Oberverwaltungsgericht gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen ergibt sich, dass das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage zu Unrecht angeordnet hat.
Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung nicht vorrangig darauf abgestellt, dass der auf § 11 Abs. 2 Nr. 1 SchfG gestützte Widerruf der Bestellung des Antragstellers zum Bezirksschornsteinfegermeister voraussichtlich rechtswidrig sei. Vielmehr hat es eine Interessenabwägung vorgenommen und dabei das Suspensivinteresse des Antragstellers gegenüber dem Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin als vorrangig angesehen.
Es kann dahinstehen, ob diese Interessenabwägung als solche sachgerecht gewesen ist. Hierauf kommt es nicht an, weil es der vorgenommenen Interessenabwägung jedenfalls dann nicht bedarf, wenn bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage der Rechtsbehelf des Betroffenen aller Voraussicht nach keinen Erfolg haben wird. So liegen die Dinge hier.
Nach § 11 Abs. 2 Nr. 1 SchfG ist die Bestellung als Bezirksschornsteinfeger nach der - hier erfolgten - Anhörung des Vorstands der Schornsteinfegerinnung zu widerrufen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Bezirksschornsteinfegermeister nicht die erforderliche persönliche oder fachliche Zuverlässigkeit für die Ausübung des Berufes besitzt. Nach allgemeinen gewerberechtlichen Grundsätzen, die auch für den Bezirksschornsteinfegermeister Anwendung finden (vgl. OVG Saarlouis, Beschl. v. 22.1.2001 - 3 V 5/01 -, sowie Musielak/Schira/Manke, Schornsteinfegergesetz, § 11, Rn. 6, m. w. N.), ist derjenige unzuverlässig, der nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreibt. Dabei kommt es auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung an. Die Annahme einer Unzuverlässigkeit kann aus einer lang andauernden wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit abzuleiten sein, die infolge des Fehlens von Geldmitteln eine ordnungsgemäße Betriebsführung im Allgemeinen und die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Zahlungspflichten im Besonderem verhindert, ohne dass - insbesondere durch Erarbeitung eines tragfähigen Sanierungskonzepts - Anzeichen für eine Verbesserung erkennbar sind. Steuerrückstände sind nur dann geeignet, einen Gewerbetreibenden als unzuverlässig erscheinen zu lassen, wenn sie sowohl ihrer absoluten Höhe nach als auch im Verhältnis zur Gesamtbelastung des Gewerbetreibenden von Gewicht sind. Auch die Zeitdauer, während der der Gewerbetreibende seinen steuerlichen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist, ist von Bedeutung (vgl. BVerwG, Beschl. v. 5.3.1997 - 1 B 56/97 -, GewArch 1997, 244 f., m. w. N.). Die Annahme einer Unzuverlässigkeit in diesem Sinne setzt weder ein Verschulden im Sinne eines moralischen Vorwurfs noch einen Charaktermangel voraus. Es ist daher grundsätzlich belanglos, welche Ursachen zu der Überschuldung und der wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit des Gewerbetreibenden geführt haben (vgl. allgemein Nds. OVG, Beschl. v. 21.1.1998 - 7 L 4223/97 -, sowie zu § 11 SchfG Musielak/Schira/ Manke, a.a.O., Rn. 7).
Hieran gemessen besaß der Antragsteller am 20. Juli 2006, als der Widerrufsbescheid erlassen wurde, die erforderliche persönliche Zuverlässigkeit für die Ausübung seines Berufs im Sinne von § 11 Abs. 2 Nr. 1 SchfG nicht mehr.
Zu diesem Zeitpunkt war der Antragsteller über längere Zeit, z.T. über Jahre, mehreren Hoheitsträgern gegenüber seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachgekommen. Die daraus resultierenden Gesamtschulden waren nach den vorgenannten Kriterien auch erheblich, beliefen sich nämlich auf insgesamt gut 29.000,- EUR, wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen ergibt.
Das Finanzamt E. betrieb im April 2006 wegen insgesamt 4.211,50 EUR die Vollstreckung. Ein Betrag in dieser Höhe wurde von dem Antragsteller zwar in drei Raten zwischen dem 21. und 29. Juni 2006 gezahlt, gleichwohl betrugen nach der Mitteilung des Finanzamtes E. vom 19. Juli 2006 die aufgelaufenen Steuerrückstände für den Zeitraum ab August 2005 insgesamt noch 10.146, 63 EUR.
Der Antragsteller hatte zudem die vierteljährlichen Beiträge zur F. Versorgungskammer bis auf eine Ausnahme vom Juli 2003 bis zum März 2006 nicht gezahlt. Die eingeleitete Zwangsvollstreckung war nur teilweise erfolgreich und ist im Übrigen fruchtlos geblieben. Es waren deshalb bis zum April Rückstände in Höhe von 10.176,29 EUR aufgelaufen. Hierauf zahlte der Antragsteller zwar im Zeitraum zwischen Mai und Juli 2006 Raten von monatlich 500,- EUR. Mit Schreiben vom 5. Juli 2006 hat er aber ergänzend darum gebeten, auch den laufenden Beitrag für das dritte Kalendervierteljahr 2006 in Höhe von 1.779,- EUR mit in die Ratenzahlungsvereinbarung aufzunehmen. Demnach ergab sich am 20. Juli 2006 ein offener Betrag in Höhe von 10.455, 29 EUR.
Bei der gesetzlichen Rentenversicherung bestanden für den Antragsteller im April 2006 Außenstände in Höhe von 6.898,71 EUR für den Zahlungszeitraum ab März 2005. Durch ergänzende, über den laufenden Pflichtbeitrag in Höhe von 477,75 EUR hinausgehende Zahlungen verminderte sich die Schuld auf 6. 476, 46 EUR nach dem Stand vom 20. Juli 2006.
Bei der Berufsgenossenschaft der G. waren nach dem Stand von April 2006 Beiträge für die Jahre 2004 bis 2006 zuzüglich Kosten und Säumniszuschlägen in einer Gesamthöhe von 1.863,28 EUR offen. Durch die Zahlung von drei Raten über je 200,- EUR monatlich verminderte sich dieser Betrag im Juli 2006 auf 1.263, 28 EUR, soweit - was aus den Verwaltungsvorgängen nicht erkennbar ist - zwischenzeitlich nicht noch weitere Beitragsforderungen fällig geworden sind.
Gegenüber der Stadt H. waren im April 2006 Gewerbesteuerforderungen in Höhe von 2.057,60 EUR offen. Am 15. Mai 2006 wurde eine weitere Quartalszahlung in Höhe von 506,10 EUR fällig. Der Antragsteller zahlte nach Aktenlage bis zum Erlass des Bescheides am 20. Juli 2006 in zwei Raten 1.500,- EUR.
Die vorgenannten Schulden waren sowohl ihrer absoluten Höhe nach als auch im Verhältnis zu der Gesamtbelastung des verheirateten, im maßgebenden Zeitpunkt allein verdienenden Antragstellers, dessen aus dem Kehrbezirk zu erzielendes Einkommen als Bezirksschornsteinfegermeister sich an der Besoldung eines Inspektors (A 9) orientiert (vgl. Musielak/Schira/Manke, a.a.O., § 22, Rn. 9), erheblich. Wie sich aus den o.a. Entstehungszeitpunkten der Rückstände ergibt, beruhten sie auch auf lang andauernder Zahlungsunfähig- bzw. Zahlungsunwilligkeit des Antragstellers, der im Jahr 2001 erstmals einen Kehrbezirk als Bezirksschornsteinfegermeister übernommen hat. Nach den vorgenannten Ausführungen ist der Entstehungsgrund für die Leistungsunfähigkeit grundsätzlich unerheblich. Ob für den hier zu beurteilenden Widerruf der Bestellung zum Bezirksschornsteinfegermeister insoweit etwas anderes gilt, als er auf den ihm zugewiesenen Kehrbezirk angewiesen ist, kann dahinstehen. Denn jedenfalls trifft das ursprüngliche Vorbringen des Antragstellers nicht zu, dass seine früheren Kehrbezirke völlig unwirtschaftlich zugeschnitten gewesen seien und darauf seine Zahlungsrückstände beruhten. Aus seiner eigenen Aufstellung im Schriftsatz vom 16. August 2006 folgt, dass seine Kehrbezirke mit Ausnahme des Jahres 2004, in dem es nach seinen Angaben in seinem damaligen Kehrbezirk zu einer geringfügigen, jedenfalls vorübergehend noch hinzunehmenden (vgl. Musielak/Schira/Manke, a.a.O., § 22, Rn. 9) Unterschreitung des von ihm genannten Orientierungswerts um 5 % gekommen ist, ausreichende Einkommensmöglichkeiten boten. Dass der Antragsteller durch eine schlechte "Zahlungsmoral" seiner Gebührenschuldner überdurchschnittlich benachteiligt wurde, ist nicht ersichtlich.
Bei dieser Sachlage hätten zur Verhinderung des Widerrufs der Bestellung wegen Unzuverlässigkeit Anzeichen für eine Besserung der finanziellen Verhältnisse, insbesondere durch Erarbeitung eines tragfähigen Sanierungskonzeptes, erkennbar sein müssen. Anders als das Verwaltungsgericht vermag der Senat solche hinreichend positiven Anzeichen jedoch nicht zu erkennen. Ein Sanierungskonzept mit einer Zusammenstellung seines Vermögensbestandes, seiner laufenden und in Zukunft zu erwartenden Ein- und Ausgaben sowie einem darin enthaltenen tragfähigen Schuldenabbauplan hat der Antragsteller nicht vorgelegt. Aus den von ihm in dem Zeitraum zwischen Mai und Juli 2006 erbrachten, und zuvor benannten Ratenzahlungen ergibt sich keine abweichende Beurteilung. Vielmehr drängt sich der Eindruck auf, dass der Antragsteller jeweils nur die aus seiner Sicht größten "Löcher" gestopft hat, um auf diese Weise nochmals den drohenden Widerruf abzuwenden. Gegen eine positive Prognose spricht schließlich auch, dass bereits in den Jahren 2004 und 2005 Widerrufsverfahren gegen den Antragsteller wegen Abgaberückständen eingeleitet, nach Zahlungen gegenüber den jeweiligen Gläubigern aber eingestellt worden sind, ohne dass dem Antragsteller eine grundlegende Sanierung seiner Finanzen gelungen wäre. Zum Zeitpunkt des Erlasses des hier streitigen Widerrufsbescheides im Juli 2006 arbeitete die Ehefrau des Antragstellers nicht in seinem Betrieb als Gesellin mit und konnte so auch nicht die Lohnausgaben wesentlich senken. Es war zu diesem Zeitpunkt auch nicht konkret absehbar, wann eine solche Mitarbeit der Ehefrau zukünftig erfolgen würde. Schließlich führt die dem Antragsteller auf Grund einer Gesetzesänderung nunmehr gewährte Umstellung der Umsatzbesteuerung auf eine sog. "Ist-Besteuerung" allenfalls zu einem späteren Zahlungszeitpunkt, nicht aber zu einer nennenswerten Verminderung der Umsatzsteuerlast der Höhe nach. Dazu bedürfte es des Nachweises, dass ein nicht unerheblicher Teil der Gebührenrechnungen des Antragstellers unbezahlt geblieben ist bzw. bleibt. Dies ist von ihm jedoch nicht näher belegt worden und hätte im Übrigen der zuständigen Verwaltungsbehörde auch bekannt sein müssen, da der Antragsteller gemäß § 25 Abs. 4 Satz 4 SchfG zur Vollstreckung auf ihre Mithilfe angewiesen ist.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den von der Antragsgegnerin erlassenen Widerrufsbescheid vom 20. Juli 2006 ist daher schon aus den vorgenannten Gründen abzulehnen. Es braucht deshalb nicht geklärt zu werden, ob einem Erfolg des Antrages zusätzlich auch die mit Bescheid vom 31. Juli 2006 erfolgte Bestellung des Beigeladenen zum Bezirksschornsteinfegermeister des umstrittenen Kehrbezirks entgegensteht.
2. Die Beschwerde ist hingegen als unzulässig zu verwerfen, soweit die Antragsgegnerin sich sinngemäß ergänzend dagegen wendet, dass sie ein Viertel der Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu tragen hat. Der Zulässigkeit der Beschwerde steht insoweit § 158 Abs. 2 VwGO entgegen. Danach ist die Entscheidung über die Kosten unanfechtbar, wenn eine Entscheidung in der Hauptsache nicht ergangen ist. Dies ist vorliegend der Fall, weil die Beteiligten den Rechtsstreit in erster Instanz insoweit für erledigt haben, als der Antragsgegnerin ursprünglich ergänzend auch die Bestellung des Beigeladenen untersagt werden sollte, dieser Teil des Rechtsstreits jedoch bereits in der ersten Instanz für erledigt erklärt worden und es deshalb insoweit nicht zu einer Entscheidung in der Hauptsache gekommen ist. An dieser Unanfechtbarkeit der Kostenentscheidung ändert sich auch nichts dadurch, dass das Gericht die Kostenentscheidung wegen der Teilerledigung in demselben Beschluss getroffen hat, in dem es zur Sache Stellung genommen hat (BVerwG, Beschl. v. 7.8.1998 - 4 B 75/98 -, NVwZ-RR 1999, 407 f.). Ob der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urt. v. 8.9.2005 - 3 C 50/04 -, DVBl. 2006, 118 ff.) zu folgen ist, wonach die Kostenentscheidung gleichwohl anfechtbar sei, wenn "formal und sachlich" nur eine einheitliche Kostenentscheidung der Vorinstanz vorliege, kann vorliegend dahinstehen. Eine solche Konstellation ist hier nicht gegeben.
Danach ist dem Senat eine inhaltliche Überprüfung der auf § 161 Abs. 2 VwGO beruhenden Entscheidung des Verwaltungsgerichts versagt, dass der Antragsteller und die Antragsgegnerin von den Kosten des erledigten und offenbar dem übrigen Verfahrensgegenstand als gleichwertig angesehenen Teil des Verfahrens je die Hälfte, d.h. je ein Viertel der insgesamt in der ersten Instanz angefallenen Kosten zu tragen haben. Insoweit verbleibt es also bei der erstinstanzlichen Kostenentscheidung.
Ende der Entscheidung
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