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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 03.03.2006
Aktenzeichen: 9 KN 327/03
Rechtsgebiete: NKAG


Vorschriften:

NKAG § 9 Abs. 2
1. Einem Zahnarzt im Erhebungsgebiet werden durch den Fremdenverkehr unmittelbare und mittelbare besondere wirtschaftliche Vorteile im Sinne von § 9 Abs. 2 NKAG geboten.

2. Die Budgetierung im Gesundheitswesen ändert hieran schon deshalb nichts, weil auch Privatpatienten Zahnärzte aufsuchen.


Gründe:

Die Antragsgegnerin ist für ihre Ortsteile Duhnen, Döse einschließlich Grimmershörn bis zur Bernhardstraße als "Norseeheilbad", für ihre Ortsteile Altenbruch, Berensch-Arensch und Sahlenburg als "Küstenbadeort" und für ihre Ortsteile Cuxhaven-Innenstadt, Altenwalde, Holte-Spangen, Lüdingworth, Oxstedt und Stickenbüttel als "Erholungsort" staatlich anerkannt. Der Antragsteller betreibt in der Innenstadt von D. eine Zahnarztpraxis und wird von der Antragsgegnerin zu Fremdenverkehrsbeiträgen herangezogen. Er wendet sich gegen die nachfolgend zitierten Regelungen der zum 1. August 2001 in Kraft gesetzten Fremdenverkehrsbeitragssatzung (FVBS) der Antragsgegnerin vom 21. Juni 2001 (Amtsblatt LK Cuxhaven Nr. 26/2001, Seite 224) bzw. der dazu ergangenen Anlage 1:

§ 2

Beitragspflichtige

1) Beitragspflichtig sind alle selbständig tätigen Personen und alle Unternehmen, denen durch den Fremdenverkehr in den staatlich anerkannten Gebieten unmittelbar oder mittelbar besondere wirtschaftliche Vorteile geboten werden. Die Beitragspflicht erstreckt sich auch auf solche Personen und Unternehmen, die, ohne in den staatlich anerkannten Gebieten ihren Wohnsitz oder Betriebssitz zu haben, vorübergehend dort erwerbstätig sind.

2) .....

3) .....

Die der Satzung beigefügte Anlage 1, auf die hinsichtlich der Beitragsberechnung nach der Multiplikation maßgebender Umsatz x Mindestgewinnsatz x Vorteilssatz x Beitragssatz in § 4 Abs. 2 und Abs. 3 FVBS verwiesen wird, beinhaltet eine Übersicht, aus der zu ersehen ist, welcher Mindestgewinnsatz und welcher Vorteilssatz je Branche bei der Beitragsbemessung zugrunde gelegt wird. Die vom Antragsteller beanstandete Nr. 39.02 der Anlage 1 fasst als Untergruppe von Nr. 39 (Ärzte und Therapeuten) zusammen:

"Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Heilpraktiker, Chiropraktiker, physikalische Therapeuten, Psychotherapeuten, Ergotherapeuten".

Der Antragsteller hat am 20. November 2003 das Oberverwaltungsgericht angerufen.

Er beantragt,

§ 2 Abs. 1 der Fremdenverkehrsbeitragssatzung der Antragsgegnerin vom 21. Juni 2001 i.V.m. Anlage 1 Ziff. 39.02 für unwirksam zu erklären.

Zur Begründung seines Normenkontrollantrags trägt er im Wesentlichen vor :

Die Grundfassung der Satzung entstamme einer Zeit, als die Sozialversicherung noch - nach außen hin - intakt gewesen sei. So erkläre sich auch, dass die Antragsgegnerin unter Nr. 39.02 Zahnärzte, Ärzte, Ergotherapeuten etc. mit Tierärzten gleichstelle, obgleich letztere von der Gesundheitspolitik mit Budgetierung und daraus resultierender Nachteile, wenn nicht gar Bestrafungen, nicht betroffen seien. Auch sei kein Grund ersichtlich, weshalb er als Zahnarzt denselben Vorteilssatz habe wie seine Kollegen von der tiermedizinischen Fakultät. Insoweit liege ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor, weil zwischen unterschiedlichen Sachverhalten nicht in der gebotenen Weise differenziert werde. Zudem sei § 2 Abs. 1 FVBS auch deshalb unwirksam, weil hiernach ein besonderer Vorteil auch dann vorliegen solle, wenn jemand wie er finanzielle Schäden und Nachteile durch die Belegenheit seiner Praxis im Geltungsbereich der Satzung habe, weil der durch die Budgetierung entsehende Schaden um so größer werde je mehr zusätzliche Behandlungen - auch der Kurgäste - erfolgten.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Normenkontrollantrag zurückzuweisen.

Sie entgegnet im Wesentlichen:

Die Ansicht des Antragstellers, die Budgetierung im Gesundheitswesen lasse jeglichen besonderen wirtschaftlichen Vorteil i.S.v. § 9 Abs. 2 NKAG für ihn als Zahnarzt entfallen, sei unzutreffend. Denn der Antragsteller behandle nicht nur Kassenpatienten, sondern auch nicht von der Budgetierung betroffene Privatpatienten. Der Gleichheitssatz sei nicht verletzt, weil gewisse Typisierungen und Vereinheitlichungen bei der Festlegung der Bemessungsmerkmale für die Beitragshöhe nicht nur zulässig, sondern praktisch unumgänglich seien. Insofern unterscheide die Anlage 1 zur FVBS zutreffend zwischen der Berufsgruppe der Bade- und Kurärzte einerseits (Nr. 39.01) und der Berufsgruppe der Ärzte, Zahnärzte etc. andererseits (Nr.39.02). Eine weitergehende Differenzierung sei schon deshalb nicht erforderlich, weil bei der Branchennummer 39.02 lediglich der Mindestvorteilssatz von 1% als auf dem Fremdenverkehr beruhender Teil des Umsatzes unterstellt werde.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin, die in ihren wesentlichen Teilen Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Gründe:

1. Der Normenkontrollantrag, über den der Senat gemäß § 101 Abs. 2 VwGO mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig.

Er richtet sich gegen die Fremdenverkehrsbeitragssatzung der Antragsgegnerin vom 21. Juni 2001 und damit gegen eine im Range unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift im Sinne des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 7 des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes. Der Antragsteller ist auch antragsberechtigt (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Er ist als Zahnarzt im Erhebungsgebiet Adressat der von ihm angegriffenen Satzung. Denn die Branche der Ärzte und Therapeuten ist in der Anlage 1 zur FVBS als beitragspflichtig erfasst. Der Antragsteller kann somit geltend machen, durch die Beitragssatzung in seinen Rechten verletzt zu werden. Die Antragsgegnerin hat ihn im Übrigen zumindest für das Jahr 2001 zu einem Fremdenverkehrsbeitrag herangezogen (7,08 €). Diese Heranziehung ist Gegenstand des beim Verwaltungsgericht Stade anhängigen Klageverfahrens 6 A 1409/03.

1. Das Normenkontrollbegehren ist aber nicht begründet.

Die Fremdenverkehrsbeitragsatzung der Antragsgegnerin ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 NKAG können Gemeinden, die ganz oder teilweise als Kurorte, Luftkurorte, Erholungsorte oder Küstenbadeorte staatlich anerkannt sind, zur Deckung ihres Aufwandes für die Fremdenverkehrswerbung und für die Herstellung, Anschaffung, Erweiterung, Verbesserung, Erneuerung und Unterhaltung ihrer Einrichtungen, die dem Fremdenverkehr dienen, einen Fremdenverkehrsbeitrag erheben. Die Antragsgegnerin ist hiernach befugt, in ihrem staatlich anerkannten Gebiet Fremdenverkehrsbeiträge zu erheben.

Entgegen der Ansicht des Antragstellers kann nicht bezweifelt werden, dass auch Ärzte durch den Fremdenverkehr besondere wirtschaftliche Vorteile i.S.v. § 9 Abs. 2 NKAG (§ 2 Abs. 1 FVBS) erfahren und daher zum Kreis der fremdenverkehrsbeitragspflichtigen Personen zählen können (vgl. Beschl. d. Sen. v. 18.8.2003 - 9 LA 52/03 - NSt-N 2003, 259 = ZKF 2004, 25 = NdsVBl 2004, 75 = NordÖR 2004, 85 zum Facharzt für HNO-Heilkunde und Allergologie; OVG Schleswig, Urt. v. 4.10.1995 - 2 L 222/95 - KStZ 1997, 93, 95 = ZKF 1997, 14 zum Arzt für Allgemeinmedizin; BayVGH, Urt. v. 24.4.1985 - 4 B 83 A 2649 - KStZ 1986, 38 zum Arzt; OVG Koblenz, Urt. v. 7.8.1998 - 6 A 12779/97 - KStZ 2000, 19 zum Arzt für Allgemeinmedizin). Auch der Antragsteller kann als Zahnarzt Gewinne aus dem Fremdenverkehr erwirtschaften. Denn ihn können Gäste im Erhebungsgebiet und im Fremdenverkehr tätige Personen zur Behandlung aufsuchen. Damit besteht für den Antragsteller die für die Heranziehung zum Fremdenverkehrsbeitrag ausreichende Möglichkeit, aus dem Fremdenverkehr unmittelbar und mittelbar besondere wirtschaftliche Vorteile zu ziehen. Die Budgetierung im Gesundheitswesen ändert hieran schon deshalb nichts, weil neben den Kassenpatienten auch Privatpatienten Zahnärzte aufsuchen und nichts dafür ersichtlich ist, dass dies ausgerechnet am Praxisstandort des Antragstellers in der Stadt D. anders sein könnte.

Die Gleichbehandlung der in Nr. 39.02 der Anlage 1 zur FVBS zu einer Branche zusammengefassten Ärzte und Therapeuten ist rechtlich nicht zu beanstanden, obgleich es richtig ist, dass der Fremdenverkehr den dort aufgeführten Ärzten und Therapeuten unterschiedliche Gewinnmöglichkeiten verschafft. Denn die den Fremdenverkehrsbeitrag erhebende Gemeinde ist nicht verpflichtet, die fremdenverkehrsbedingten Vorteile jedes einzelnen Beitragspflichtigen genau zu ermitteln. Ihr steht vielmehr ein weitgehendes Ermessen zu, welche Vorteile den zu Beitragsgruppen zusammengefassten Personengruppen bei pauschalierender Betrachtungsweise zuzurechnen sind (Urt. d. Sen. v. 28.3.2003 - 9 KN 352/02 - NordÖR 2003, 328 = NVwZ 2003, 1539; OVG Schleswig, a.a.O.). Gewisse Typisierungen und Vereinheitlichungen sind bei der Festlegung der einzelnen Bemessungsmerkmale für die Beitragshöhe nicht nur zulässig, sondern praktisch unumgänglich. Denn die Bildung einer begrenzten Anzahl von Beitragsgruppen bringt es zwangsläufig mit sich, dass Personen bzw. Unternehmen, die unterschiedlich vom Fremdenverkehr profitieren, zusammengefasst werden und daher der gleichen Beitragsbemessung unterliegen. Würde man - entsprechend den Vorstellungen des Antragstellers - noch weitere Differenzierungen innerhalb der Gruppe der unter Nr. 39.02 der Anlage 1 zur FVBS aufgeführten Ärzte und Therapeuten fordern, so müsste entsprechendes auch für andere Gruppe von Abgabepflichtigen gelten. Eine solche Ausuferung an Differenzierungen würde indes die Grenzen eines noch angemessenen Verwaltungsaufwands deutlich übersteigen. Daher muss es hingenommen werden, dass innerhalb der gebildeten Berufsgruppen durchaus Unterschiede hinsichtlich der aus dem Fremdenverkehr erzielbaren wirtschaftlichen Vorteile bestehen. Erst wenn die Vorteilslage unter keinem Gesichtspunkt mehr als im Wesentlichen gleich angesehen werden kann, besteht die Notwendigkeit, diesem Umstand durch die Bildung weiterer Gruppen von Beitragspflichtigen oder durch Unterschiede innerhalb der Beitragsgruppen Rechnung zu tragen (Beschl. d. Sen. v. 18.8.2003, a.a.O.). Diese Vorgaben hat die Antragsgegnerin beachtet, indem sie unter der Obergruppe "Ärzte und Therapeuten" (Nr. 39 der Anlage 1 zur FVBS) in deren Unternummern 39.01 und 39.02 "Bade- und Kurärzte" einerseits und "Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Heilpraktiker, Chiropraktiker, physikalische Therapeuten, Psychotherapeuten, Ergotherapeuten" andererseits aufführt und für die erstgenannte Gruppe einen Vorteilssatz von 100%, für die zweitgenannte Gruppe hingegen einen Vorteilssatz von nur 1% normiert hat. Darüber hinaus ist die Berufsgruppe der Ärzte und Therapeuten abgegrenzt gegenüber "Massage-, Kurmittel- und Bäderpraxen, Heilbäder, selbständige medizinische Bademeister, Trinkkurhallen" (Nr. 42.01 der Anlage 1 zur FVBS) mit einem Vorteilssatz von - je nach Zone - 4% bis 20%.

Ende der Entscheidung

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