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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 04.04.2008
Aktenzeichen: 9 LA 221/07
Rechtsgebiete: KitaG, NKAG


Vorschriften:

KitaG § 20
NKAG § 5 Abs. 6 S. 1
Die Leistung einer Kindertagesstätte besteht in der zeitweisen Betreuung des aufgenommenen Kindes und wird nicht nur von dem das Kind anmeldenden Elternteil, sondern von jedem in Anspruch genommen, der zur Betreuung des Kindes rechtlich verpflichtet ist, der also ohne die Leistung der Tageseinrichtung die Betreuung übernehmen müsste.
Gründe:

Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zu Kindergartengebühren für die Betreuung seines Sohnes in einer Tageseinrichtung für Kinder. Er besitzt gemeinsam mit seiner Ehefrau, von der er getrennt lebt und bei der sein Sohn wohnt, das elterliche Sorgerecht. Nach § 3 der Gebührenordnung der Beklagten sind die Sorgeberechtigten als Gesamtschuldner gebührenpflichtig.

Mit Bescheid vom 11. Februar 2005 setzte die Beklagte die Kindergartengebühr gegenüber dem Kläger mit Wirkung ab dem 1. Januar 2005 auf monatlich 171,-- € fest. Den dagegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. April 2005 als unbegründet zurück. Unter demselben Datum erließ sie einen neuen Gebührenbescheid, mit dem sie die monatliche Gebühr rückwirkend ab dem 1. Januar 2005 auf 74,-- € ermäßigte.

Mit seiner daraufhin erhobenen Klage hat der Kläger gegen seine Inanspruchnahme als Gebührenschuldner im Wesentlichen eingewendet, nicht er, sondern seine Ehefrau habe seinen Sohn zur Tageseinrichtung für Kinder angemeldet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen, weil es auf die unterhaltsrechtliche Lage sowie die Anmeldung nicht ankomme und der Gebührenschuldner durch die Auswahl der Sorgeberechtigten angemessen und sachgerecht bestimmt sei.

Der dagegen gerichtete und auf § 124 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 VwGO gestützte Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Weder bestehen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils noch weist die vorliegende Rechtssache besondere rechtliche Schwierigkeiten oder eine grundsätzliche Bedeutung auf. Rechtsfragen, die erst in einem Berufungsverfahren geklärt werden können, stellen sich insbesondere nicht hinsichtlich der vom Kläger (sinngemäß) aufgeworfenen Frage, ob der Sorgeberechtigte in der Gebührenordnung auch für die Fälle zum Gebührenschuldner bestimmt werden dürfe, in denen nicht er, sondern der andere Elternteil das Kind zur Tageseinrichtung angemeldet habe. Diese Frage lässt sich ohne weiteres im Sinne der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts bejahen:

Dass § 3 der Gebührenordnung der Beklagten die Sorgeberechtigten zu Gebührenschuldnern erklärt, entspricht der gesetzlichen Regelung in § 20 des Niedersächsischen Gesetzes über Tageseinrichtungen für Kinder (KiTaG). Nach dessen Abs. 1 müssen die wirtschaftlichen Belastungen, die durch Gebühren und Entgelte für den Besuch von Kindertagesstätten entstehen, "für die Sorgeberechtigten" zumutbar sein (Satz 1); die Gebühren- und Entgeltsätze sollen sich nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit "der Sorgeberechtigten" richten (Satz 2). Auch der niedersächsische Gesetzgeber geht also davon aus, dass die Sorgeberechtigten diejenigen sind, die die Gebühren und Entgelte für den Besuch der Kindertagesstätten aufzubringen haben.

Diese Verknüpfung von Sorgerecht und Gebührenschuld steht in Einklang mit dem Niedersächsischen Kommunalabgabengesetz (NKAG). Nach dessen § 5 Abs. 6 Satz 1 ist Gebührenpflichtiger, wer die mit der öffentlichen Einrichtung (hier der Tageseinrichtung für Kinder) gebotene Leistung in Anspruch nimmt. Die Leistung der Tageseinrichtung besteht in der zeitweisen Betreuung des aufgenommenen Kindes. Diese Leistung wird letztlich nicht vom das Kind Anmeldenden, sondern von jedem in Anspruch genommen, der zur Betreuung des Kindes rechtlich verpflichtet ist, der also ohne das Tätigwerden der Tageseinrichtung die Betreuung übernehmen müsste. Beim begünstigten Personenkreis handelt es sich insbesondere um die sorgeberechtigten Eltern, und zwar unabhängig davon, wie die Ausübung des Sorgerechts im Innenverhältnis der Eltern im Einzelnen geregelt ist bzw. durchgeführt wird und welcher Sorgeberechtigte das Kind zum Kindergarten angemeldet hat. Das Innenverhältnis zwischen den Eltern kann schon deshalb kein geeignetes Anknüpfungskriterium für die Festlegung des Gebührenschuldners sein, weil es für den Einrichtungsträger in der Regel nicht erkennbar ist. Die Anmeldung ist für den Gebührenanspruch unerheblich, weil die Leistung, für die eine Gebühr geschuldet wird, in der Übernahme der Betreuung des Kindes besteht und diese Leistung gegenüber den Sorgeberechtigten selbst dann erbracht wird, wenn eine Anmeldung z.B. überhaupt nicht oder nicht wirksam oder (wie hier) nicht von allen Sorgeberechtigten vorgenommen worden ist. Gebührenrechtliche Ansprüche entstehen kraft öffentlichen Rechts unmittelbar mit der Leistungserbringung, ohne dass es im Einzelnen noch zusätzlich darauf ankommt, ob der die Leistung tatsächlich in Anspruch nehmende Gebührenschuldner sie in jeder Hinsicht wirksam beantragt hat. Es geht - was der Kläger verkennt - vorliegend nicht um die vertragliche Begründung einer Geldschuld (so dass auch seine Verweise auf die Unzulässigkeit von Verträgen zu Lasten Dritter und das Fehlen einer Vertretungskompetenz nicht stichhaltig sind), sondern darum, dass auf der Grundlage des öffentlichen Rechts (§ 20 KiTaG in Verbindung mit der Gebührenordnung der Beklagten) an das Vorliegen eines Gebührentatbestands (die Betreuung des Kindes in einer Tageseinrichtung) eine gebührenrechtliche Rechtsfolge (Entstehung der Gebührenschuld) geknüpft wird (im Ergebnis ebenso OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 25.11.1996 - 16 B 2617/96 - ZKF 1997, 277, 278; ähnlich für die "Normalfamilie" Klügel/Reckmann, Gesetz über Tageseinrichtungen für Kinder in Niedersachsen, 4. Aufl. 2004, § 20 Rn. 11).

Da aus den dargelegten Gründen mit der gebührenpflichtigen Leistung einer Kindertagesstätte, nämlich der zeitweisen Betreuung der aufgenommenen Kinder, ursprüngliche Aufgaben beider sorgeberechtigter Elternteile (also nicht nur des anmeldenden Elternteils) wahrgenommen werden, ist es sachgerecht und daher zugleich mit höherrangigem Recht, insbesondere auch dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, vereinbar, beide sorgeberechtigten Elternteile in der Gebührenordnung zu Gebührenschuldnern zu erklären und insoweit eine Gesamtschuldnerschaft vorzusehen (ähnlich z.B. auch VG Köln, Urt. v. 16.6.1993 - 21 K 7374/92 - NVwZ 1994, 199, 201).

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