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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 02.02.2006
Aktenzeichen: 9 LA 32/04
Rechtsgebiete: AO, Nds VwVG, VwVfG
Vorschriften:
AO § 127 | |
AO § 250 Abs. 1 S. 2 | |
Nds VwVG § 45 Abs. 3 | |
Nds VwVG § 45 Abs. 4 S. 2 | |
VwVfG § 46 |
2. Nimmt eine niedersächsische Vollstreckungsbehörde eine Forderungspfändung im Land Bremen vor, so führt allein diese Kompetenzüberschreitung nicht zur Aufhebung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung.
Gründe:
Der auf die Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Zulassungsantrag der Klägerin hat keinen Erfolg.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen drei wegen rückständiger Grundbesitzabgaben und Abwassergebühren der im Bundesland Bremen wohnhaften Klägerin bei der Beklagten in Höhe von 99.558,27 € zuzüglich Säumniszuschlägen (2.680,22 €) ergangenen, Drittschuldner im Bundesland Bremen betreffenden Pfändungs- und Einziehungsverfügungen der Beklagten abgewiesen. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt, die Klägerin werde nicht dadurch in ihren Rechten verletzt, dass die Beklagte die Vollstreckung im Gebiet des Landes Bremen vorgenommen habe. Zwar würden nach Aussage des für die Vollstreckung im Lande Bremen zuständigen Finanzamtes Bremen-Mitte Forderungspfändungen aus Niedersachsen vom Land Bremen nur stillschweigend geduldet und seien diese nicht durch bremisches Landesrecht positiv-rechtlich zugelassen, so dass zweifelhaft sei, ob eine Vollstreckung durch niedersächsische Behörden im Lande Bremen ohne die Inanspruchnahme von Amtshilfe mit § 45 Abs. 4 Nr. 2 NVwVG zu vereinbaren sei. Diese Frage könne aber dahinstehen. Denn die Klägerin wäre auch dann nicht in ihren subjektiven Rechten verletzt, wenn die stillschweigende Duldung des Landes Bremen nicht als ausreichend für die Vollstreckung angesehen werde könnte. Das subjektive Recht darauf, dass nur die zuständige Behörde handle, liege darin begründet, dass die durch die Zuständigkeitsvorschriften gewährleistete Sachnähe der handelnden Behörde gerade auch gegenüber dem Adressaten eines Verwaltungsaktes eine Schutzfunktion entfalte. Dieser Schutzgedanke sei hier in keiner Weise dadurch beeinträchtigt, dass die Beklagte ohne die möglicherweise rechtlich notwendig in Anspruch zu nehmende Amtshilfe des Landes Bremen selbst Pfändungs- und Einziehungsverfügungen gegenüber der Vollstreckungsschuldnerin und den Drittschuldnern erlassen habe. Die Beklagte als diejenige Behörde, die auch die Abgabenbescheide erlassen habe, habe im Vergleich zu einer Vollstreckungsbehörde des Landes Bremen eine weitaus größere Sachnähe, so dass dem den Zuständigkeitsvorschriften immanenten Schutzgedanken ausreichend Rechnung getragen sei, indem die Vollstreckung durch das andere Bundesland geduldet werde. Dieser rechtlichen Beurteilung tritt der Senat im Ergebnis bei.
Allerdings ist der Klägerin dahingehend zuzustimmen, dass die Stadtkasse der Beklagten nicht befugt war, Forderungen der Klägerin gegenüber Drittschuldnern im Land Bremen zu pfänden. Diese handelte vielmehr außerhalb ihrer Zuständigkeit als Körperschaft (Verbandskompetenz), indem sie in Bremen diesen und der Klägerin gegenüber selbst als Vollstreckungsbehörde tätig wurde. Nach § 45 Abs. 3 NVwVG kann zwar die Vollstreckungsbehörde im gesamten Landesgebiet, also überall in Niedersachsen, die Pfändungsverfügung ohne Rücksicht auf den Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort des Vollstreckungsschuldners und Drittschuldners selbst erlassen und ihre Zustellung selbst bewirken. Hat indes der Schuldner oder Drittschuldner seinen Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort in einem anderen Land, so gilt dies nach § 45 Abs. 4 Nr. 2 NVwVG nur dann entsprechend, wenn das dort geltende Recht die Vollstreckung zulässt. Diese Voraussetzung ist hier - unstreitig - nicht erfüllt, weil weder das einschlägige bremische Gesetz über die Vollstreckung von Geldforderungen im Verwaltungswege (BremGVG), noch andere bremische Gesetze oder zumindest vom Land Bremen mit Niedersachsen ausgehandelte Staatsverträge, Verwaltungsvereinbarungen o.ä. eine Vollstreckung durch niedersächsische Behörden gestatten. Die bloße stillschweigende Duldung derartiger länderübergreifender Forderungspfändungen durch das Land Bremen genügt den Anforderungen des § 45 Abs. 3 NVwVG nicht. Hierzu bedarf es vielmehr einer ausdrücklichen Ermächtigung im Verwaltungsvollstreckungsgesetz desjenigen Bundeslandes, in dessen Hoheitsgebiet die Forderungspfändung erfolgen soll, da es sich um Maßnahmen gegenüber dem Bürger handelt, die sich im grundrechtsrelevanten Bereich bewegen (vgl. App/Wettlaufer, Verwaltungsvollstreckungsrecht, 4. Aufl. 2005, § 5 RdNr. 12).
Der Senat teilt aber im Ergebnis die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die festgestellte Überschreitung der Verbandskompetenz durch die Beklagte nicht die Aufhebung der angefochtenen Pfändungs- und Überweisungsverfügungen zur Folge hat. In der Sache hätte eine andere Entscheidung auch dann nicht getroffen werden können, wenn die Stadtkasse der Beklagten mit einem Vollstreckungsersuchen an die nach § 5 Nr. 2 BremGVG zuständige bremische Landesfinanzbehörde herangetreten und die bremische Vollstreckungsbehörde daraufhin im Wege der Vollstreckungshilfe tätig geworden wäre. Denn auch bei der Vollstreckung durch die bremische Vollstreckungsbehörde im Wege der Vollstreckungshilfe wäre nach § 6 Abs. 1 BremGVG i.V.m. § 250 Abs. 1 Satz 2 AO für die Vollstreckbarkeit des Anspruchs die ersuchende Vollstreckungsbehörde, also die Stadtkasse der Beklagten, verantwortlich geblieben. Diese Regelung soll sicherstellen, dass die ersuchte Vollstreckungsbehörde nicht mit der - und sei es auch nur summarischen - Prüfung der Rechtmäßigkeit des Leistungsbescheides und seiner Vollstreckbarkeit belastet wird (vgl. Bautsch, Niedersächsisches Verwaltungsvollstreckungsrecht, 1983, § 7 RdNr. 2 zur vergleichbaren Regelung in Niedersachsen; App/Wettlaufer, a.a.O., § 5 RdNr. 10, unter Hinweis auf § 5 Abs. 1 VwVG i.V.m. § 250 Abs. 1 Satz 2 AO). Mit Einwendungen gegen das - vom Verwaltungsgericht bejahte - Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen der Vollstreckung hätte die Klägerin mithin in einem gegen die bremische Vollstreckungsbehörde gerichteten Verfahren, das beim Finanzgericht Bremen anzustrengen gewesen wäre (vgl. § 8 BremGVG), nicht gehört werden können. Nach den Vorschriften der §§ 46 VwVfG, 127 AO bzw. den entsprechenden Vorschriften in den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können. Der Senat verkennt nicht, dass diese Normen keine unmittelbare Anwendung finden, wenn die örtlich unzuständige Behörde - wie hier - zugleich außerhalb ihrer Zuständigkeit als Körperschaft gehandelt hat. Indes beruhen diese für das Handeln aller Behörden im Bundesgebiet verbindlichen Regelungen auf der Überlegung, dass ein Bescheid, der unter Verletzung von Regelungen über die örtliche Zuständigkeit ergangen ist, den Bürger deshalb nicht in seinen Rechten i.S.d. § 113 Abs. 1 VwGO verletzen kann, weil er rechtmäßig nicht hätte anders ergehen können. Dadurch soll das Gebrauchmachen von Rechtsbehelfen, die ausschließlich auf die Verletzung von Verfahrensvorschriften gestützt werden, eingeschränkt werden, soweit dies mit den Erfordernissen eines wirksamen Rechtsschutzes für die Betroffenen in der Sache vereinbar erscheint. Eine für den Bürger und die Verwaltung unnötige Wiederholung des Verwaltungsverfahrens soll unterbleiben (vgl. OVG Bremen, Beschl. v. 19.10.1983 - OVG 1 B 43/83 - VRS 66, 107 m.w.N.). Diesem Ziel liefe es zuwider, würde im vorliegenden Fall allein der Umstand, dass anstelle der bremischen Vollstreckungsbehörde die unzuständige Stadtkasse der Beklagten tätig geworden ist, zur Aufhebung der angefochtenen Pfändungs- und Einziehungsverfügungen führen, obgleich die bremische Vollstreckungsbehörde ebenso hätte handeln müssen wie dies im Streitfall durch die niedersächsische Vollstreckungsbehörde geschehen ist.
Da sich die entscheidungserheblichen Fragen wie vorstehend geschehen bereits im Zulassungsverfahren abschließend klären lassen, kommt der im Zulassungsantrag bezeichneten Frage, " ob die Klägerin in ihren Rechten verletzt ist, weil die Beklagte die Vollstreckung im Gebiet des Landes Bremen vorgenommen hat, obwohl im bremischen Landesrecht keine Öffnungsklausel vorhanden ist ", keine grundsätzliche Bedeutung zu. Über das Normalmaß verwaltungsgerichtlicher Streitigkeiten hinausgehende Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art weist die Rechtssache nicht auf.
Ende der Entscheidung
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