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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 24.05.2007
Aktenzeichen: 9 ME 279/07
Rechtsgebiete: AsylVfG


Vorschriften:

AsylVfG § 15 Abs. 2 Nr. 1
Ausschluss eines vietnamesischen Staatsangehörigen von der Bleiberechtsregelung wegen Täuschens über aufenthaltsrechtlich relevante Umstände und wegen des Hinauszögerns und der Behinderung behördlicher Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung.
NIEDERSÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT LÜNEBURG BESCHLUSS

Aktenz.: 9 ME 279/07

Datum: 24.05.2007

Gründe:

Den Antragstellern war die begehrte Prozesskostenhilfe für das von ihnen angestrengte Beschwerdeverfahren nicht zu bewilligen, da das Beschwerdeverfahren keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§§ 166 VwGO, 119 ZPO). Auch haben die Antragsteller eine Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht vorgelegt (§ 166 VwGO i. V. m. § 117 Abs. 2 ZPO).

Die Antragsteller - vietnamesische Staatsangehörige - begehren die vorläufige Aussetzung ihrer Abschiebung. Der Antragsteller zu 1) ist der Ehemann der Antragstellerin zu 2) und Vater des Antragstellers zu 3).

Nach seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland stellte der Antragsteller zu 1) am 7. Februar 2000 unter dem falschen Nachnamen "D." und dem falschen Vornamen "E." einen Asylantrag, der mit Bescheid vom 16. Februar 2000 abgelehnt wurde. Nach Eintritt von dessen Bestandskraft am 1. Juni 2001 wurde der ausreisepflichtige Antragsteller zu 1) von der Antragsgegnerin geduldet, weil eine Abschiebung wegen fehlender Heimreisepapiere nicht möglich war.

Unter dem 28. Juni 2001 beantragte die Antragsgegnerin die Ausstellung eines Passersatzes für den Antragsteller zu 1) unter Angabe des Nachnamens "D.". Dem Antrag war eine von der ZAST Braunschweig der Antragsgegnerin übersandte Kopie der vietnamesischen Heiratsurkunde sowie deren Übersetzung in deutscher Sprache beigefügt, die als Nachnamen des Antragstellers zu 1) seinen richtigen Nachnamen "F." und als Geburtsort "Hai Duong" ausweist.

Am 23. September 2004 räumte der Antragsteller zu 1) gegenüber der Antragsgegnerin auf Vorhalt ein, der Familienname des Antragstellers zu 3) laute "F.", sein eigener Familienname sei ebenfalls "F.". Unter diesem Namen beantragte die Antragsgegnerin für den Antragsteller zu 1) am 3. August 2005 die Ausstellung eines Passersatzpapiers.

Seine Bereitschaft, sich bei der Heimatbotschaft um die Ausstellung eines Nationalpasses zu bemühen, erklärte der Antragsteller zu 1) erstmals am 12. September 2005. Daraufhin suchte der Antragsteller zu 1) am 20. September 2005 und 26. April 2006 die vietnamesische Botschaft auf, um einen Reisepass zu beantragen. Einer für den 24. Juli 2006 terminierten Vorführung bei der vietnamesischen Botschaft zur Klärung seiner Identität blieb der Antragsteller zu 1) unentschuldigt fern. Erst im August 2006 ging bei der Antragsgegnerin eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den Tag der Vorführung ein. Eine Bescheinigung, dass der Antragsteller an der Vorführung bei den vietnamesischen Behörden wegen einer Erkrankung nicht hätte teilnehmen können, wurde nicht vorgelegt. Den Termin für eine erneute Vorführung bei der vietnamesischen Delegation am 11. Oktober 2006 ließ der Antragsteller zu 1) ebenfalls unentschuldigt verstreichen.

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 17. Dezember 2006 beantragten die Antragsteller die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.

Am 24. Januar 2007 stellte die vietnamesische Botschaft dem Antragsteller zu 1) einen Reisepass aus. Darin ist der Geburtsort mit "Thai Binh" angegeben.

Mit Bescheid vom 2. März 2007 lehnte die Antragsgegnerin die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für die Antragsteller mit der Begründung ab, der Antragsteller zu 1) habe aufenthaltsbeendende Maßnahmen verhindert oder hinausgezögert. Nach dem Bleiberechtserlass erfolge grundsätzlich bei Ausschluss der Berechtigung für ein Familienmitglied auch der entsprechende Ausschluss für den Ehegatten und minderjährige Kinder.

Den daraufhin von den Antragstellern angestrengten Antrag auf Aussetzung der Abschiebung hat das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss mit der Begründung versagt, der Antragsteller zu 1) habe durch Verwendung seines Vornamens " D." als Nachnamen von seiner Einreise bis September 2004 über aufenthaltsrechtlich relevante Umstände getäuscht und durch die zunächst fehlende Bereitschaft, einen Passantrag bei der vietnamesischen Botschaft zu stellen, behördliche Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung hinausgezögert.

Die dagegen eingelegte Beschwerde der Antragsteller hat keinen Erfolg.

Die dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 S. 6 VwGO), rechtfertigen eine Änderung des erstinstanzlichen Beschlusses nicht. Die Antragsteller halten dem Beschluss entgegen, der Antragsteller zu 1) habe bereits im Asylverfahren seinen Namen vollständig in der für ihn üblichen Reihenfolge der einzelnen Namensteile angegeben. Für Vietnamesen sei es normal, den Nachnamen zuerst zu nennen. Der Antragsteller zu 1) habe immer mit dem Namen "D." unterschrieben, weil es in Vietnam üblich sei, sich mit dem Vornamen zu nennen und diesen überall anzugeben. Die Verwechslung der Namensteile stelle keine Täuschung dar, zumal der Antragsgegnerin bereits im August 2000 die Heiratsurkunde des Antragstellers zu 1) und der Antragstellerin zu 2) vorgelegen habe, aus der die Namensführung des Antragstellers zu 1) eindeutig habe entnommen werden können. Vor November 2004 habe für den Antragsteller zu 1) keine Veranlassung bestanden, sich um einen Pass zu kümmern, weil ihm seitens der Antragsgegnerin erklärt worden sei, dass er im Rahmen des Rückführungsabkommens zurückgeführt werde. Erst im April 2005 seien die Antragsteller auf ihre Passpflicht hingewiesen worden. Zwar hätten sie sich zunächst nicht bereit erklärt, sich Identitätspapiere zu besorgen. Im September 2005 habe der Antragsteller zu 1) aber dennoch die vietnamesische Botschaft zwecks Ausstellung eines Passes aufgesucht. Im Übrigen sei die vietnamesische Botschaft lange Zeit nicht bereit gewesen, vietnamesischen Staatsangehörigen, die einen Pass beantragen wollten, um nach Vietnam zurückzukehren und die keinen Aufenthaltstitel für Deutschland besaßen, Pässe auszustellen. Es wäre demnach sinnlos gewesen, früher mit der Botschaft in Kontakt zu treten, weil ohnehin nicht die realistische Möglichkeit bestanden hätte, einen Pass zu erhalten.

Diese Einwände führen im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung der Bleiberechtsregelung. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass der Antragsteller zu 1) den Ausschlusstatbestand gemäß Nr. 5.1.1 des Runderlasses des Niedersächsischen Innenministeriums vom 6. Dezember 2006 (Nds. MBl. 2007, S. 43) erfüllt. Danach wird eine Aufenthaltserlaubnis nach der sog. Bleiberechtsregelung nicht erteilt, wenn die Begünstigten über aufenthaltsrechtlich relevante Umstände getäuscht haben oder durch ihr Verhalten behördliche Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung hinausgezögert oder behindert wurden.

Auch wenn man zu Gunsten des Antragstellers zu 1) berücksichtigt, dass mit der Vorlage der Heiratsurkunde bei der ZAST Braunschweig und bei der Antragsgegnerin - durch die Antragstellerin zu 2) im Original - im August 2000 der - vom Antragsteller zu 1) hingenommene und von ihm jahrelang nicht klargestellte - Gebrauch des Vornamens "D." als Nachname hätte auffallen können, bleibt festzuhalten, dass der Antragsteller zu 1) den fälschlichen Gebrauch seines Vornamens als Nachname erst ermöglich hat. Entgegen seinen Mitwirkungspflichten gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 1 AsylVfG hat er gegenüber dem Bundesamt nicht seinen richtigen Nachnamen angegeben, sondern ihn durch seinen Vornamen ersetzt. Die diesbezügliche Einlassung des Antragstellers zu 1) im Beschwerdeverfahren, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass ein bei der Antragsaufnahme vor dem Bundesamt anwesender Dolmetscher nicht aufgeklärt habe, welches der Nach- und welches der Vornahme sei, überzeugt nicht. Denn es deutet nichts daraufhin, dass man beim Bundesamt nicht in der Lage gewesen wäre, den Vor- und Nachnamen korrekt aufzunehmen. Im Übrigen gehört es zu den vorrangigen Mitwirkungspflichten des Antragstellers zu 1) im Asylverfahren, seine Personalien richtig anzugeben. Dazu zählt auch, eine gegebenenfalls versehentlich bei der Antragsaufnahme erfolgte Eintragung des Vornamens als Nachname spätestens bei der Anhörung in Anwesenheit eines Dolmetschers für die vietnamesische Sprache klarzustellen. Seinen Pflichten ist der Antragsteller zu 1) insoweit nicht nachgekommen, obwohl ihm dies zumutbar war. Als ehemaligem Polizeibeamten - wie nicht zuletzt die vietnamesische Heiratsurkunde zeigt - war ihm der Unterschied zwischen Vor- und Nachname und deren Bedeutung in einem Verwaltungsverfahren geläufig. Dass der richtige Nachname für eine Rückführung auch von entscheidender Bedeutung sein würde, wusste der Antragsteller zu 1) zum damaligen Zeitpunkt bereits von seiner Ehefrau - der Antragstellerin zu 2) -. Denn für diese hatte der Landkreis Hannover bereits am 7. September 1998 bei der vietnamesischen Botschaft einen Antrag auf Ausstellung eines Passersatzpapiers gestellt, den zu unterschreiben sich die Antragstellerin zu 2) geweigert hatte. Durch den Gebrauch des Vornamens als Unterschrift bei der Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender vom 7. Februar 2000, der Aufenthaltsgestattung vom 8. Februar 2000 sowie bei den vom Verwaltungsgericht angeführten Besuchsanträgen hat er seinen wahren Nachnamen weiter verschleiert und mit seinem Verhalten seinen falschen Nachnamen aufrechterhalten und verfestigt. Er selbst hat erst auf Vorhalt der Antragsgegnerin im September 2004 nach der Geburt des Antragstellers zu 3) und Vorlage der Geburtsurkunde mit dem richtigen Nachnamen diesen einräumen müssen. Weiter tritt hinzu, dass der Antragsteller zu 1) bei seinen Personalien als Geburtsort "Hai Duong" angegeben hat, obwohl in seinem Reisepass als Geburtsort "Thai Binh" vermerkt ist.

Über die danach festzuhaltende Täuschung über aufenthaltsrechtlich relevante Umstände hinaus hat der Antragsteller zu 1) aber auch aufenthaltsbeendende Maßnahmen der Antragsgegnerin hinausgezögert und behindert. Zumindest ab November 2004 hätte sich der Antragsteller zu 1) erfolgreich um die Ausstellung eines Reisepasses bei der vietnamesischen Botschaft bemühen können, weil etwa zu diesem Zeitpunkt eine freiwillige Ausreise bzw. Rückkehr nach Vietnam allein mit einem gültigen Nationalpass möglich war. Der Antragsteller zu 1) hat jedoch erstmals - bei vorheriger beharrlicher Weigerung - am 19. September 2005 die vietnamesische Botschaft zwecks Beantragung eines Reisepasses aufgesucht und am 19. April 2006 seine Bereitschaft erklärt, einen vietnamesischen Reisepass erlangen zu wollen. Weiter hat der Antragsteller zu 1) zwei Anhörungen im Juli 2006 und Oktober 2006 vor vietnamesischen Behörden zur Klärung seiner Identität ohne genügende Entschuldigung verstreichen lassen. Die Wahrnehmung dieser Termine hätte - trotz des beantragten Nationalpasses - zur Klärung der Identität des Antragstellers beschleunigt beigetragen und in einem überschaubaren Zeitraum von wenigen Wochen - wie das Beispiel der Antragstellerin zu 2) zeigt - zu einer Bestätigung der Rückübernahme und damit zu einer Abschiebung - auch der Antragstellerin zu 2) und des Antragstellers zu 3) - geführt. Bei der Antragstellerin zu 2) erfolgte die Bestätigung der Rückübernahme mit der B- Liste vom 16. September 2003, nachdem die Antragstellerin zu 2) am 3. September 2003 an einer entsprechenden Anhörung teilgenommen hatte. Ihre Abschiebung war nur im Hinblick auf die fehlende Abschiebemöglichkeit des Antragstellers zu 1) ausgesetzt worden.

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht darauf abgestellt, dass die Antragstellerin zu 2) und der Antragsteller zu 3) sich das Verhalten des Antragstellers zu 1) zurechnen und entgegenhalten lassen müssen. Denn nach Nr. 5.2 des Runderlasses des Niedersächsischen Innenministeriums vom 6. Dezember 2006 (a. a. O.) erfolgt bei Ausschluss eines Familienmitglieds von der Bleiberechtsregelung grundsätzlich auch der Ausschluss der Ehegatten und der minderjährigen Kinder.

Da die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu Recht erfolgt ist, ist auch die gegen die Versagung der Prozesskostenhilfe angestrengte Beschwerde unbegründet.

Ende der Entscheidung

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