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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 15.05.2003
Aktenzeichen: 1 KN 69/02
Rechtsgebiete: NBauO, VwGO
Vorschriften:
NBauO § 53 | |
VwGO § 47 II 1 |
Tatbestand:
Die Antragsteller greifen den im Tenor genannten Bebauungsplan im Wesentlichen mit der Begründung an, der an seiner Ostseite festgesetzte Bauteppich rücke so nahe an ihr Grundstück heran, dass die Ausnutzung der Planfestsetzungen das Erscheinungsbild ihres denkmalgeschützten Gebäudes beeinträchtigen werde.
Die Antragsteller sind Eigentümer des im Rubrum genannten Grundstückes. Dieses ist zu der östlich ihres Grundstücks verlaufenden H. und I. straße orientiert und mit einem 1882 errichteten Wohn- und Wirtschaftsgebäude in Fachwerk-(Vierständer-)Bauweise bestanden. Dieses ist nach Mitteilung der Bezirksregierung J. vom 20. Oktober 1989 ebenso in die Liste der Kulturdenkmale für den Landkreis K. aufgenommen worden wie die Anfang des 20. Jahrhunderts an die Westseite des Gebäudes angefügte Scheune. Diese hält mit ihrer Westwand einen Abstand von 3 m zur westlichen Grundstücksgrenze ein.
Der Geltungsbereich des angegriffenen Bebauungsplanes grenzt unmittelbar an diese Westgrenze an. Er erstreckt sich im Westen bis zur L. Straße (L 446). Als zulässige Nutzungsart setzt er allgemeines Wohngebiet fest. Zulässig sind ein Vollgeschoss als Höchstmaß und je 0,3 als Geschoss- und Grundfläche. Erschlossen wird der bis zu 170 m breite und von Nord nach Süd rund 130 m lange Planbereich durch eine ringförmige Straße, welche im Knick der L. Straße nach Osten abgeht. Die überbaubaren Grundstücksbereiche reichen nördlich der Fußwegverbindung, die von der Ringstraße an der Nordgrenze des Grundstücks der Antragsteller entlang zur H. und I. straße führt, unmittelbar bis an den Rand der außerhalb des Planbereichs liegenden Grundstücke heran. Im Bereich des Grundstücks der Antragsteller setzt der Plan bis zu seiner südlichen Grenze einen 8 m breiten Streifen als Fläche zum Anpflanzen von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen fest. Diesen Abstand halten die Antragsteller für zu gering.
Bereits im Planaufstellungsverfahren forderten sie, einen größeren Abstand zu ihrem Grundstück einzuhalten, um die Wirkung ihres Denkmals durch die heranrückende Bebauung nicht zu beeinträchtigen.
Am 12. Februar 2002 beschloss der Rat der Antragsgegnerin den angegriffenen Plan als Satzung. Den Anregungen der Antragsteller folgte er mit der Bezirksregierung J. nicht, welche die gewählte Lösung (Abstand von 8 m + 3 m) als tragbaren Kompromiss angesehen hatte.
Am 7. März 2002 haben die Antragsteller den Normenkontrollantrag gestellt. Zu dessen Begründung machen sie geltend:
Ihr Antrag sei zulässig, insbesondere seien sie antragsbefugt. Richtig sei zwar, dass die Denkmaleigenschaft keine individuelle Rechtsposition begründe und allenfalls zur Abwehr grob verunstaltender Einbußen berechtige. Für die Normenkontrollantragsbefugnis reiche indes aus, dass ihr Interesse am Erhalt des Erscheinungsbildes ihres Gebäudes bei der Abwägung habe berücksichtigt werden müssen und von der Antragsgegnerin tatsächlich auch (wenngleich mit einem ihnen ungünstigen Ergebnis) als abwägungserheblich berücksichtigt worden sei. Dieses Interesse sei mehr als nur geringfügig, von der Rechtsordnung geschützt und in die Abwägung einzustellen gewesen. Denn es liege auf der Hand, dass ein Gebäude dieser Art einen größeren Freiraum beanspruchen könne und müsse, als ihn der Abstand nach der Niedersächsischen Bauordnung vermittle. Der Normenkontrollantrag sei auch begründet. Der Plan sei unwirksam, weil er gegen das Gebot verstoße, in seinem Westen gesunde Wohnverhältnisse sicherzustellen. Dort grenze der Plan unmittelbar an die Landesstraße 446 an, welche hier mit mindestens 2.115 Fahrzeugen in 24 Stunden (bei einem Lkw-Anteil von Tag und Nacht 6,7 %) belastet sei. Selbst wenn man nur diese (die tatsächliche unterschreitende) Verkehrsfrequenz zugrundelege, könne der sich aus der DIN 18005 ergebende Orientierungswert erst bei einem Abstand von 25 m zum Fahrbahnrand eingehalten werden. Tatsächlich rückten die Baufelder erheblich näher heran. Der Plan gefährde außerdem ein nach § 28 a NNatSchG geschütztes Biotop südlich außerhalb seines Geltungsbereiches. Denn die Drainwirkung der durch den Plan ermöglichten Bauvorhaben werde dieses Biotop austrocknen. Die Antragsgegnerin habe den Eingriff in Natur und Landschaft planerisch nicht bewältigt und Belange des Denkmalschutzes nicht ausreichend in ihre Abwägung eingestellt. Der festgesetzte Freiraum sei viel zu gering.
Die Antragsteller beantragen,
den vom Rat der Antragsgegnerin am 12. Februar 2002 als Satzung beschlossenen Bebauungsplan Nr. 19 "G." für nichtig,
hilsweise für unwirksam zu erklären.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie erwidert: Der Normenkontrollantrag sei unzulässig. Die Antragsteller seien nicht antragsbefugt. Keiner der geltend gemachten Gesichtspunkte diene zumindest auch ihren rechtlich geschützten Interessen. Der Normenkontrollantrag sei im Übrigen auch inhaltlich nicht begründet. Die Immissionssituation am Westrand des Plangebietes stelle sich anders als von den Antragstellern geschildert dar. Gesichtspunkte von Natur und Landschaft seien zutreffend ermittelt und abgewogen worden; das Biotop werde durch die Planung nicht ernstlich gefährdet. Belange des Denkmalschutzes würden nicht beeinträchtigt. Allenfalls der Ostteil des Komplexes stelle sich für den Betrachter als Denkmal dar; die Scheune hätten die Antragsteller in einer Weise geändert, dass diese geradezu verunstaltet worden sei; diesem Teil des Denkmals könne heranrückende Wohnbebauung daher keinen Eintrag tun.
Der Beigeladene hat sich schriftsätzlich nicht geäußert. Er unterstützt die Antragsgegnerin.
Wegen der Einzelheiten von Vortrag und Sachverhalt wird auf die gewechselten Schriftsätze und die überreichten Planaufstellungsvorgänge und sonstige Korrespondenz Bezug genommen, welche in ihren wesentlichen Teilen Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Normenkontrollantrag ist unzulässig. Die Antragsteller sind nicht antragsbefugt i.S. des § 47 Abs. 2 VwGO. Hiernach kann den Normenkontrollantrag eine natürliche Person nur dann stellen, wenn sie geltend macht oder machen kann, durch die angegriffene Norm in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Der Senat folgt bei der Auslegung und Anwendung dieser Vorschrift dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. September 1998 (- 4 CN 2.98 -, BVerwGE 107, 215 = DVBl 1999, 100 = BRS 60 Nr. 46). Danach dürfen an die Geltendmachung einer Rechtsverletzung nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO keine höheren Anforderungen gestellt werden als nach § 42 Abs. 2 VwGO. Als möglicherweise verletztes Recht kommt namentlich das in § 1 Abs. 6 BauGB enthaltene Abwägungsgebot in Betracht. Dieses hat drittschützenden Charakter hinsichtlich solcher Belange, die für die Abwägung erheblich sind. Für die Abwägung erheblich ist indes nicht jedweder Gesichtspunkt, den ein Normenkontrollantragsteller im Planaufstellungsverfahren vorgebracht und den die planende Gemeinde ausweislich der Planbegründung oder sonstiger Vorgänge erörtert hat. Andernfalls hätte es ein Bürger in der Hand, objektiv nicht abwägungsrelevante, von der Rechtsordnung missbilligte oder nur geringfügig berührte Belange doch zu abwägungsbeachtlichen zu "stilisieren" und damit die Antragsbefugnis i.S. des § 47 Abs. 2 VwGO zu "erschleichen". Es ist also stets zu prüfen, ob die vom Antragsteller vorgebrachten Gesichtspunkte mehr als nur geringfügig berührte private sowie schutzwürdige und von der Rechtsordnung gebilligte Interessen betreffen, die - auch - ihm als eigene zugewiesen sind.
Das ist hier nicht der Fall. Für die Lärmeinwirkungen, die die Antragsteller für den Westrand des Bebauungsplans im Hinblick auf den auf der L 446 stattfindenden Verkehr befürchten, liegt das ebenso auf der Hand wie für die Gesichtspunkte, das südlich und westlich ihres Grundstücks liegende, nach § 28 a NNatSchG geschützte Biotop geschützt und die durch die Planung hervorgerufenen Eingriffe in Natur und Landschaft vollständig kompensiert zu sehen. Einzig das Interesse, das in ihrem Eigentum stehende Denkmal möge seine Wirkungen uneingeschränkt ausüben können, weist in Richtung eigener rechtlich geschützter Interessen der Antragsteller. Diese vermögen eine Normenkontrollantragsbefugnis indes nicht zu begründen. Denkmale sind nämlich im Grundsatz allein im Allgemeininteresse zu erhalten und nicht im individuellen (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 5.9.1985 - 6 A 104/83 -, BRS 44 Nr. 118; vgl. auch Schmaltz/Wiechert, Niedersächsisches Denkmalschutzgesetz, Kommentar, § 8 Rdnr. 13, sowie Große-Suchsdorf/Lindorf/ Schmaltz/Wiechert, NBauO, 7. Aufl., § 53 Rdnr. 17). Demgemäß hat der Eigentümer eines Baudenkmals grundsätzlich keinen Anspruch darauf, dass benachbarte Vorhaben den Denkmalwert seines Gebäudes nicht schmälern. Zur Anreicherung des Gebots zur Rücksichtnahme ist der Hinweis auf den Denkmalcharakter des eigenen Gebäudes nicht geeignet (vgl. OVG Münster, Urt. v. 9.6.1989 - 7 B 745/89 -, NVwZ-RR 1989, 614 = BauR 1989, 592 = NWVBl 1990, 16 = BRS 49 Nr. 146). Anderes kann allenfalls bei grober Verunstaltung gelten, welche die Grenze des § 53 NBauO zu erreichen vermag. Dabei ist sich der Senat bewusst, dass die Zulässigkeitsvoraussetzung der Normenkontrollantragsbefugnis nicht dazu bestimmt ist zu beurteilen, ob der vom Normenkontrollantragsteller geltend gemachte Belang in der Abwägung ordnungsgemäß behandelt worden ist. Die Zulässigkeitsprüfung darf mit anderen Worten keine vorgezogene Begründetheitsprüfung darstellen, der Anspruch des Normenkontrollantragstellers auf sachliche Bescheidung darf nicht dadurch verkürzt werden, dass zu Unrecht Fragen der Begründetheit in die Prüfung des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO "vorverlegt" werden. Das mag es rechtfertigen, einen Grundstückseigentümer schon dann für normenkontrollantragsbefugt zu halten, wenn zumindest in Betracht zu ziehen ist, das auf seinem Grundstück stehende Denkmal werde im "denkmalunverträglichsten" Fall der Ausnutzung der angegriffenen Planfestsetzungen verunstaltet werden (können).
Selbst nach diesen abgeschwächten Kriterien beurteilt sind die Antragsteller nicht normenkontrollantragsbefugt. Die Annahme einer verunstaltenden Wirkung liegt hier derartig weit ab, dass eine Verletzung des in Rede stehenden Gesichtspunkts nicht einmal ernstlich in Betracht kommt. Schon die Einlassungen der Denkmalschutzbehörden im Rahmen des Planaufstellungsverfahrens schließen das aus. Die Bezirksregierung J. - Fachdezernat Denkmalschutz - hatte sich aufgrund der Eingaben der Antragsteller verschiedentlich mit der Frage des Abstandes von Bauteppich und Denkmal befasst. Dabei hat sie stets und auch nach Remonstrationen der Antragsteller ausgeführt, die Festsetzung eines 8 m breiten Pflanzstreifens reiche aus, stelle zumindest einen akzeptablen Kompromiss zwischen der Befriedigung des von der Antragsgegnerin erblickten Wohnbedarfs und den von den Antragstellern vorgebrachten denkmalrechtlichen Gesichtspunkten dar (vgl. Schreiben der Bezirksregierung J. vom 7.6.2001 sowie Schreiben vom 6.8.2001 an die Antragsteller, jeweils Beiakte B). Selbst wenn man annähme, diese Beurteilung solle nur dann gelten, wenn in dem Pflanzstreifen Bäume angepflanzt werden, ist dies durch die textliche Festsetzung Nr. 3.5 umgesetzt worden.
Diese Einschätzung wird angesichts der zu den Akten gereichten Fotografien und Beschreibungen des Gebäudekomplexes bestätigt. Selbst wenn die Festsetzungen des angegriffenen Bebauungsplans bezogen auf die Denkmaleigenschaft des Gebäudes der Antragsteller den Rahmen der zulässigen Variationsbreite erschöpfend umgesetzt werden, reicht die dadurch bewirkte Einbuße im Erscheinungsbild des Denkmals nicht so weit, dass auch nur von ferne die Annahme regelrechter Verunstaltung oder grob einseitiger Herabsetzung des Denkmals gerechtfertigt wäre. Es mag zwar sein, dass der gesamte Gebäudekomplex in die Denkmalsliste aufgenommen worden ist. Der von den Antragstellern verfolgte Schutzcordon wäre allenfalls dann gerechtfertigt, wenn der Gebäudekomplex noch immer erkennbar die Züge seiner ursprünglichen Nutzung trüge. Das ist nicht der Fall. Namentlich die nach Westen hinweisende Scheune ist sichtbar durch Einbau von Fenstern so umgestaltet worden, dass die ursprüngliche bauliche Nutzung allenfalls erahnt werden kann. Von einer Verunstaltung i.S. des § 53 NBauO kann daher nicht annähernd die Rede sein. Es wäre auch kaum zu rechtfertigen, einerseits die Vorteile einer Nutzungsumwandlung zu genießen, welche sich im Erscheinungsbild des Denkmals deutlich niederschlägt, dann aber mit Rücksicht auf den Denkmalschutz einen Abstand zu fordern, als ob das Gebäude noch immer landwirtschaftlich genutzt sei.
Die Normenkontrollantragsbefugnis kann schließlich auch nicht dem Umstand entnommen werden, dass entlang der Grundstücksnordseite der Antragsteller ein Fußweg zur I. straße führt. Die entsprechende Parzelle war schon immer vorhanden, so dass die Antragsteller mit so etwas "rechnen" mussten. Zudem sind die mit der Anlage eines Fußweges verbundenen Einbußen so minimal, dass eine Gemeinde die Interessen beider Anlieger dieses Wegestücks nicht als abwägungsrelevantes Interesse einstellen und damit zugleich hinnehmen müsste, diese als potentielle Normenkontrollantragsteller ansehen zu müssen.
Die Normenkontrollantragsbefugnis kann schließlich nicht mit der Begründung hergeleitet werden, die Antragsgegnerin habe die Antragsteller schließlich im Rahmen der vorgezogenen Bürgerbeteiligung unter dem 8. Mai 2001 ausdrücklich angeschrieben. Das geschah nur deshalb, weil diese schon bei dem dann abgebrochenen Versuch, die vorgezogene Bürgerbeteiligung am 31. Oktober 2000 durchzuführen, auf den Gesichtspunkt des Denkmalsschutzes hingewiesen hatten. Allein der Umstand, dass eine Gemeinde einen bestimmten Bürger beteiligt, heißt nicht, dass das von ihm verfolgte Interesse als eigenes und damit in normenkontrollantragsbegründender Weise bei der Abwägung zu berücksichtigen ist.
Ende der Entscheidung
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