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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 17.08.2007
Aktenzeichen: 1 LA 37/07
Rechtsgebiete: BauNVO


Vorschriften:

BauNVO § 13
Bei der quantitativen Begrenzung der Nutzung von Räumen durch freie und ähnliche Berufe in einem reinen Wohngebiet im Verhältnis zur Wohnnutzung (50 %-Grenze) ist nicht zu beanstanden, wenn nur auf Räume abgestellt wird, die zum dauernden Aufenthalt von Menschen objektiv geeignet sind und entsprechend genutzt werden.
NIEDERSÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT LÜNEBURG BESCHLUSS

Aktenz.: 1 LA 37/07

Datum: 17.08.2007

Gründe:

Der Kläger wendet sich als Eigentümer des Grundstücks Finkenweg 10 in C. gegen die dem Beigeladenen für das Nachbargrundstück Finkenweg 13 (Flurstück 50/62) erteilte Baugenehmigung der Beklagten vom 4. November 2003 für die Nutzungsänderung des Kellergeschosses des mit einer Baugenehmigung aus dem Jahre 1976 errichteten Wohnhauses nunmehr in ein Ingenieurbüro für Anlagenprojektierung und Umweltplanung. In der Baubeschreibung ist von vier Mitarbeitern, in der Betriebsbeschreibung von fünf Beschäftigten die Rede. Die Grundstücke des Klägers und des Beigeladenen liegen im Geltungsbereich des im November 1972 in Kraft getretenen Bebauungsplanes "Über dem Stadtwege", der insoweit reines Wohngebiet festsetzt. Bei der Flächenberechnung ist der Beklagte von einer Wohnfläche von 126,30 m² und einer Bürofläche von 103,85 m² ausgegangen (Beiakte "C").

Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren hat das Verwaltungsgericht die vom Kläger erhobene Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass es sich bei dem genehmigten Ingenieurbüro um eine von § 13 BauNVO privilegierte freiberufliche Tätigkeit handele, die genehmigte gewerbliche Nutzung im Kellergeschoss nicht mehr als die Hälfte der Wohnfläche des Wohnhauses beanspruche und die Führung des Ingenieurbüros mit bis zu fünf Mitarbeitern auch baugebietsverträglich sei. Dabei ist das Verwaltungsgericht bei der Berechnung der Wohn- und gewerblich genutzten Flächen einen anderen Weg als die Beklagte gegangen: Es hat (lediglich) die für einen dauernden Aufenthalt von Menschen geeigneten Flächen einbezogen. Im Erdgeschoss hat es Wohnflächen von 97,83 m² und im Kellergeschoss von 78,23 m² festgestellt. Bei einer Gesamtfläche von 176,03 m² würden 44,43 % der Nutzung auf die gewerbliche Tätigkeit entfallen. Es entfielen die nicht für einen dauernden Aufenthalt von Menschen geeigneten Räume. Wegen der verwaltungsgerichtlichen Ausführungen im Einzelnen wird auf das Urteil Bezug genommen.

Der dagegen gerichtete Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung, der auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 3 VwGO gestützt ist, hat keinen Erfolg.

An der Richtigkeit des angegriffenen Urteils bestehen zunächst keine ernstlichen Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die Nutzung des Kellergeschosses des Wohnhauses Finkenweg 10 in C. für freiberufliche Bürozwecke ist mit der Festsetzung eines reinen Wohngebietes über § 13 BauNVO vereinbar. Der Senat folgt dabei der vom Verwaltungsgericht auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und der einschlägigen Kommentarliteratur beruhenden Berechnung der Wohnflächen im Erdgeschoss im Verhältnis zu den gewerblich genutzten Flächen im Kellergeschoss. Maßgeblich sind zunächst die drei einschlägigen Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Januar 1984 (4 C 56.80 - NVwZ 1984, 236 = BRS 42 Nr. 56 = BVerwGE 68, 324), vom 25. Januar 1985 (4 C 34.81 - ZfBR 1985, 143 = BRS 44 Nr. 47 = NJW 1986, 1004) und vom 18. Mai 2001 (4 C 8.00 - NVwZ 2001, 1284 = DVBl. 2001, 1458 = BRS 64 Nr. 66). Die Rechtsprechung zur Zulässigkeit von Büroräumen für freiberuflich Tätige in Wohngebieten hat das Bundesverwaltungsgericht in dem zeitlich letzten Urteil unter erneuter Überprüfung seiner Auffassung wie folgt zusammengefasst:

"Entscheidend sei, ob bei der Nutzung von "Räumen" durch freie oder ähnliche Berufe der Charakter des Plangebiets verloren gehe. Die Nutzungsänderung müsse den jeweiligen Gebietscharakter wahren. Mit der Beschränkung der freiberuflichen Nutzung auf Räume wolle der Verordnungsgeber verhindern, dass in einem reinen Wohngebiet durch eine zu starke freiberufliche Nutzungsweise - generell - die planerisch unerwünschte Wirkung einer Zurückdrängung der Wohnnutzung und damit einer zumindest teilweisen Umwidmung des Plangebiets eintreten könne. Deshalb dürfe die freiberufliche Nutzung in Mehrfamilienhäusern nicht mehr als die halbe Anzahl der Wohnungen und nicht mehr als 50 % der Wohnfläche in Anspruch annehmen. Im Einzelfall könne die Büronutzung sogar auf wesentlich weniger als 50 % der Wohnungsanzahl oder der Wohnfläche zu beschränken sein; unter besonderen Umständen mögen diese Grenzen auch etwas überschritten werden können. Niemals dürfe jedoch die geänderte Nutzungsweise für das einzelne Gebäude prägend sein. Der spezifische Gebietscharakter müsse - auch für das einzelne Gebäude - gewahrt bleiben."

Zutreffend ist das Verwaltungsgericht auf dieser Grundlage zu dem Ergebnis gelangt, dass die von der Beklagten genehmigte freiberufliche Nutzung "nicht mehr als 50 % der Wohnfläche" in Anspruch nimmt. Es hat sich dabei in nicht zu beanstandender Art und Weise an der Kommentarliteratur (Stock in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Loseblatt-Kommentar zum BauGB (Stand: 1. März 2007), § 13 BauNVO, Rdn. 46; § 20 BauNVO, Rdn. 33) und an dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 14. Mai 2001 (1 B 99.652 - BRS 64 Nr. 67) ausgerichtet. Danach ist bei dem Flächenvergleich, aufgrund dessen im Allgemeinen zu entscheiden ist, ob sich eine freiberufliche Nutzung im Sinne von § 13 BauNVO auf "Räume" beschränkt, in der Regel nur auf die Räume des Gebäudes abzustellen, die zum dauernden Aufenthalt objektiv geeignet sind und auch für diesen Zweck genutzt werden sollen. Diesem rechtlichen Ansatz begegnen aus Sicht des Senats keine ernstlichen Zweifel. Daraus ergibt sich folgende Berechnung:

Kellergeschoss:

 Büro 1 33,39 m²
Büro 2 10,48 m²
Büro 3 11,32 m²
Büro 4 23,84 m²
 79,03 m²

Erdgeschoss:

 Wohnen 45,97 m²
Kind 14,04 m²
Kind 12,83 m²
Küche 7,98 m²
Schlafen 17,01 m²
 97,83 m².

Im Kellergeschoss entfallen die nicht für den dauernden Aufenthalt von Menschen geeigneten Räume wie Eingang, WC, Flur, Öl und Heizen, im Erdgeschoss die Räume WC, Garderobe, Diele, Flur und Bad. Die Gesamtwohnfläche im Keller- und Erdgeschoss beträgt mithin 79,03 m² + 97,83 m² = 176,86 m². Die berufliche Nutzung beschränkt sich demnach auf rund 45 % der Wohnfläche. Sie liegt damit unter der maßgeblichen 50 %-Grenze des Bundesverwaltungsgerichts.

Zu einem nahezu identischen Ergebnis führt im Übrigen die von der Beklagten vorgenommene Berechnung ausweislich der in der Beiakte "C" enthaltenen Berechnung. Unter Hinzuziehung auch der nicht für einen dauernden Aufenthalt von Menschen geeigneten Räume in den beiden Geschossen wie Garderobe, Sanitärräume, Eingang, Flure und WC errechnet sich ebenfalls ein Verhältnis von 55 % für die Wohn- und von 45 % für die freiberufliche Nutzung. Es liegt auf der Hand, dass die Nichtansetzung der Räume "Heizen" und "Öl" wegen der beiderseitigen Nutzungen sowohl des Keller- als auch des Erdgeschosses nicht zu beanstanden ist. Entsprechendes gilt für die angesetzte Doppelnutzung des WCs im Erdgeschoss.

Ernstliche Zweifel an den verwaltungsgerichtlichen Ausführungen folgen - des Weiteren - nicht aus der Gebietsverträglichkeit der freiberuflichen Tätigkeit in einem reinen Wohngebiet. Wird die 50 %-Grenze bei der gewerblichen Nutzung nicht überschritten, folgt daraus - gewissermaßen als Regelfall - auch deren Gebietsverträglichkeit, hier also einer freiberuflichen Tätigkeit mit insgesamt fünf Mitarbeitern bzw. Beschäftigten. Diese (höhere) Beschäftigtenzahl ist in der Betriebsbeschreibung des Beigeladenen angeführt und damit auch so von der Beklagten genehmigt worden. Entsprechend ist diese Beschäftigtenzahl vom Senat auch zugrunde zu legen. Der Beigeladene hat im Zulassungsverfahren diese Zahl der Beschäftigten noch einmal zweifelsfrei bekräftigt, so dass den vom Kläger dahingehend angeführten Zweifeln nicht näher nachzugehen ist. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass eine freiberufliche Tätigkeit mit fünf Beschäftigten, und der damit verbundene Kraftfahrzeugverkehr, nicht baugebietsverträglich sein sollten.

Aus den obigen Ausführungen folgt, dass die vom Kläger angeführten weiteren Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache) und des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache) nicht zur Zulassung der Berufung führen. Eine besondere Schwierigkeit ist nicht einmal hinreichend dargelegt. In Anbetracht der vorliegenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sowie der zitierten Quellen hinsichtlich des anzustellenden Flächenvergleichs ist auch eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht ersichtlich.

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