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Beginn der Entscheidung

Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 26.08.2004
Aktenzeichen: 1 LB 298/03
Rechtsgebiete: NBauO


Vorschriften:

NBauO § 12 I
NBauO § 9 II
1. Der Bauherr ist jedenfalls dann, wenn die Baulasterklärung nach § 9 Abs. 2 NBauO die Vorhaben nicht einschränkt, welche von der belasteten Fläche Abstand zu halten haben, grundsätzlich verpflichtet, mit jedem Vorhaben von dieser Fläche den in §§ 7 ff. NBauO bestimmten Abstand einzuhalten.

2. Eine Ausnahme, namentlich eine entsprechende Anwendung von § 12 Abs. 4 NBauO zugunsten des Bauherrn kommt nur dann in Betracht, wenn die uneingeschränkte Beachtung der Baulast zu einer Befreiungslage oder Verhältnissen führte, welche mit Sinn und Zweck der Abstandsvorschriften noch weniger zu vereinbaren wären.


Tatbestand:

Die Beteiligten streiten im Wesentlichen um die Frage, ob die Kläger direkt an der Grenze ihres Buchgrundstücks auf der Fläche eine Garage aufstellen dürfen, für die zugunsten des Beigeladenen eine Abstandsbaulast eingetragen ist.

Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks Schlehenweg 28 E (Flurstück 106/195, Flur 3 der Gemarkung H.), welches den westlichen Abschluss einer Reihenhausanlage darstellt. Das Grundstück des Beigeladenen (Weißdornweg 1 F, Flurstück 106/95 derselben Flur und Gemarkung) bildet den östlichen Abschluss der leicht versetzt westlich davon stehenden Reihenhausanlage. Die östliche Abschlusswand seines Wohnhauses hält zur gemeinsamen Grundstücksgrenze einen Abstand von nur einem Meter ein. Um dieses Vorhaben abstandsrechtlich zu ermöglichen, bewilligte die Rechtsvorgängerin der Kläger, die (Baufirma) I. GmbH eine Abstandsbaulast, die am 29.11.1999 unter der lfd. Nr. 4738 des Baulastenverzeichnisses des Landkreises J. eingetragen worden ist und folgenden Wortlaut hat:

"Der jeweilige Eigentümer der Grundstücke Flurstücke 106/76, 106/86 und 106/87 der Flur 3 Gemarkung H. stellt eine Teilfläche des vg. Grundstücks, die in dem der Baulasterklärung - Urk.Ro.Nr. 391/99 - nachgereichten Lageplan gelb schraffiert und vermaßt ist, für die beabsichtigte bzw. vorhandene Bebauung auf dem Nachbargrundstück Flurstück 106/95 für die Bemessung des Grenzabstandes zur Verfügung. Gleichzeitig verpflichtet er sich, mit seinen baulichen Anlagen von dieser Teilfläche den erforderlichen Grenzabstand einzuhalten."

Der in Bezug genommene Lageplan (Anlage zur berichtigten Baulastbestellung Urk.-Rollen-Nr. 391/1999 des Notars K. aus J. vom 5. Oktober 1999) zeigt gelb markiert einen 2,50 m tiefen und insgesamt 19,94 m langen Bereich, der die volle Stärke von 2,50 auf einem 10,14 m langen Teilstück aufweist und im Norden auf einer Strecke von 4,80, im Süden auf einer Strecke von 5,00 m in der Form eines Viertelkreises auf das Grundstück des Beigeladenen zuläuft. Im Süden endet der durch die Baulast belastete Bereich in einem Abstand von etwa 7,70 m zum südlich beider Grundstücke verlaufenden Weißdornweg.

Die drei Flurstücke, welche die Baulast berührt(e), stellten sich seinerzeit folgendermaßen dar:

Das Flurstück 106/76 umschloss die Nordostecke des Grundstücks des Beigeladenen. An seiner Südseite begann das Wegeflurstück 106/87, welches an der Nordseite der Reihenhausgrundstücke entlang läuft, deren westlichen Abschluss das klägerische Grundstück bildet. Dieses trug seinerzeit die Flurstücksnummer 106/86 und war das mit Abstand größte Grundstück der westlich angrenzenden Reihenhauszeile.

Der Landkreis J. als damals zuständige Bauaufsichtsbehörde erteilte den Klägern unter dem 25. April 2001 die Genehmigung, auf dem Grundstücksstreifen zwischen der Straße im Süden und dem Ende der durch die Baulast belasteten Fläche im Norden eine 6 m lange Grenzgarage zu errichten. Dem Bauschein war unter Nr. 1 die folgende Nebenbestimmung beigefügt: "Da der Stauraum zur Straße weniger als 3,0 m beträgt, muss das Garagentor elektrisch betrieben sein und mit Funk- oder Infrarot-Fernbedienung geöffnet werden können."

Am 18. September 2001 beantragten die Kläger, den Umbau der Garage zu genehmigen. Diese sollte nunmehr mit einer Höhe von 2,38 m und einer Länge von 6,00 m in einem Abstand von 7,70 m zur Straße, d.h. unter deren Entfernung gleichsam in bündigem Anschluss an die zuvor genehmigte Garage errichtet werden. Der im Genehmigungsverfahren beteiligte Beigeladene sprach sich unter dem 9. Oktober 2001 hiergegen aus und machte dazu unter anderem den Inhalt der oben zitierten Baulast sowie geltend, dass die Errichtung einer so weit in die Grundstückstiefe reichenden Garage nachteilige Auswirkungen auf sein Grundstück habe.

Mit Bauschein vom 6. November 2001 genehmigte die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die Region Hannover das Vorhaben.

Auf Widerspruch des Beigeladenen hob die Beklagte diese Genehmigung durch "Widerspruchsbescheid" vom 27. August 2002 wieder auf, weil die Genehmigung die Baulast verletze.

Die mit dem Antrag,

den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 27. August 2002 aufzuheben, geführte Klage hat das Verwaltungsgericht Hannover nach Ortsbesichtigung mit der angegriffenen Entscheidung, auf deren Einzelheiten Bezug genommen wird, und im Wesentlichen folgenden Erwägungen abgewiesen: Wegen der eingetragenen Baulast müsse jedes Gebäude, d.h. auch die streitige Garage von der fiktiven Grenze Abstand halten, welche durch die Baulast beschrieben werde. Die Kammer folge nicht der in der Kommentarliteratur verfochtenen Auffassung, für Grenzgaragen könne eine Ausnahme gemacht werden, wie sie für Nebengebäude auf dem eigenen Grundstück gemacht werden könnten. Die Voraussetzungen hierfür lägen nach dem Ergebnis der durchgeführten Ortsbesichtigung zwar vor. Doch sei diese Vorschrift nur bei ausdrücklicher Anordnung des Gesetzgebers entsprechend anwendbar; mangels Regelungslücke sei sie nicht analogiefähig. Zudem habe der Rechtsvorgänger der Kläger in seiner Bewilligungserklärung die Wirkungen der Baulast nicht auf das Hauptgebäude beschränkt und Nebengebäude ausgenommen.

Auf Antrag der Kläger hat der Senat die Berufung durch Beschluss vom 30. Oktober 2003 - 1 LA 239/03 - , auf dessen Einzelheiten Bezug genommen wird, zugelassen.

Zur Begründung ihrer Berufung machen die Kläger geltend:

Entgegen der Annahme des Beigeladenen werde dessen Grundstück durch das angegriffene Vorhaben nicht entwertet. Ihr Grundstück sei unter anderem wegen des Verlaufs einer Drainage und des Gartenzuschnitts auf die Errichtung der Garage an dieser Stelle dringend angewiesen. Schützenswerte Interessen stünden dem auf Seiten des Beigeladenen nicht entgegen. Diesem hätte es zudem seinerzeit offengestanden, den von der Baulast erfassten Grundstücksstreifen zu erwerben. Wenn er das nicht getan habe, dann könne er sich jetzt nicht gegen dessen bauliche Inanspruchnahme wehren. Beide Grundstücke seien nun einmal nur in beengter Nachbarschaft zu bebauen. Der Wortlaut der Baulast stehe ihren Bauwünschen nicht entgegen. Dass die Niedersächsische anders als andere Bauordnungen Anlagen der hier in Rede stehenden Art nicht ausdrücklich im Bereich einer Baulast zulasse, ändere daran nichts. Zu einer entsprechenden Gesetzesänderung habe der Gesetzgeber wegen der von der Rechtsprechung entwickelten und vom Verwaltungsgericht zu Unrecht verworfenen Ausnahmemöglichkeiten keinen Anlass sehen müssen. Nicht unberücksichtigt bleiben dürfe schließlich der Umstand, dass der Beigeladene auf der gemeinsamen Grundstücksgrenze (wenngleich nicht im Bereich der hier streitigen Baulast) ohne Baugenehmigung einen Carport errichtet habe. Er nehme damit auch die Vorteile der Grenzabstandsregelung in Anspruch. Das hindere ihn rechtlich daran, die Einhaltung der Baulast reklamieren zu können.

Die Kläger beantragen,

unter Änderung der angegriffenen Entscheidung dem Klagantrag stattzugeben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erwidert:

Die vom Senat im Zulassungsbeschluss erwogene teleologische Einschränkung der Baulasterklärung werde den konkurrierenden Interessen nicht gerecht. Abgesehen davon, dass es nicht sinnvoll sei, eine Regelung für eine nur beabsichtigte, noch nicht vorhandene Bebauung zu treffen, sei es nach geltender Rechtslage jedenfalls allein in die Hand der handelnden Personen gegeben zu entscheiden, welche Vorhaben von der durch Baulast erfassten Fläche wie von einer Grundstücksgrenze Abstand zu halten hätten. Auf Hauptgebäude sei die hier interessierende Baulast aber nicht beschränkt worden. Unzumutbare Belastungen entstünden den Kläger durch die Einhaltung der Baulast nicht. Wie die Baugenehmigung vom 25. April 2001 zeige, könne ohne Inanspruchnahme der von der Baulast erfassten Fläche und in Einklang mit den Regelungen der Garagenverordnung eine Garage errichtet werden.

Der Beigeladene stellt keinen Antrag (mehr). Er erwidert:

Schon der Wortlaut der Baulast streite zu seinen Gunsten. Diese verbiete danach die Aufstellung jedweder baulichen Anlage - gleich, ob diese ohne eine solche Baulast auf der Grenze zulässig sei. Entgegen der vom Senat im Zulassungsbeschluss erwogenen Auffassung sei eine teleologische Reduktion des Gesetzes in Ermangelung einer Regelungslücke nicht zulässig. Wenn der Gesetzgeber bei den wiederholten Änderungen der Grenzabstandsvorschriften davon abgesehen habe, in Anlehnung an Regelungen anderer Landesbauordnungen Anlagen der hier in Rede stehenden Art baulast- und abstandsrechtlich zu privilegieren, so könne daraus nur geschlossen werden, dass der Baulastverpflichtete grundsätzlich mit jedweder baulichen Anlage von der gedachten Linie Abstand zu halten habe. Anderes könne nur gelten, wenn der Inhalt der Baulast entsprechend eingegrenzt werde. Das sei hier aus gutem Grunde unterblieben. Die Bebauung auf seinem Grundstück sei bis auf nur einen Meter an die östliche Grundstücksgrenze herangerückt. Die Garage sei zudem rücksichtslos. Sie reiche viel zu weit in das Grundstück hinein. Sie verschatte damit in nicht mehr hinzunehmender Weise sein Fenster an der Gebäudeostwand. Zudem bringe die mit 8 m nunmehr überlange Garagenzufahrt eine ganz erhebliche und nicht mehr zumutbare Lärmbelastung mit sich; denn die Kläger und ihre Kinder stellten darauf mehrere zum Teil ausgesprochen lautstarke Kraftfahrzeuge ab. Der damit verbundene Lärmaufwand sei ihm bei Abwägung der konkurrierenden Interessen nicht mehr zuzumuten.

Wegen der Einzelheiten von Vortrag und Sachverhalt wird auf die gewechselten Schriftsätze und die überreichten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet gemäß § 101 Abs. 2 VwGO über die Berufung ohne mündliche Verhandlung, nachdem alle Beteiligten auf deren Durchführung verzichtet haben.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Beklagte hat die Baugenehmigung vom 6. November 2001 zu Recht wieder aufgehoben. Diese verletzte den Anspruch des Beigeladenen, dass die Kläger mit all ihren Bauvorhaben von der Fläche Abstand halten, welche von der am 29. November 1999 eingetragenen Baulast erfasst wird. Auf die Frage, ob die Garage darüber hinaus § 46 Abs. 1 Satz 2 NBauO verletzt, kommt es damit nicht mehr an.

Die von der Rechtsvorgängerin der Kläger, der bauausführenden Firma bewilligte Baulast bindet nach ihrem eindeutigen Wortlaut sowie dem des § 92 Abs. 1 Satz 2m Halbs. 2 NBauO auch die Kläger als Rechtsnachfolger. Das gilt unabhängig davon, ob es dem Beigeladenen möglich gewesen wäre, diese Fläche zu erwerben. Der Vorteil der Baulast besteht gerade darin, öffentlichrechtlich die Vorteile von Grundstücksflächen genießen zu können, ohne zugleich deren Eigentümer zu sein.

Die auf der Grundlage von § 9 Abs. 2 NBauO bestellte Baulast verpflichtet die Kläger, mit all ihren Vorhaben nicht mehr nur von den Grenzen ihres Buchgrundstücks, sondern von dem Bereich Abstand zu halten, welcher in der am 29. November 1999 eingetragenen Baulast bestimmt worden ist. Nach neuerlicher Überlegung gelangt der Senat zum Ergebnis, dass jedenfalls in diesem Fall kein Anlass gegeben ist, den Klägern stattdessen zu gestatten, die Buchgrundstücksgrenze zum Maßstab für die Anwendung der Grenzabstandsvorschriften der §§ 7 ff, insbesondere des § 12 NBauO zu machen. Dazu hat der Senat folgendes erwogen:

Anders als die Musterbauordnung 1997 (§ 7 Abs. 1 Satz 2) und die Bauordnungen anderer Länder (vgl. z.B. Art. 7 Abs. 5 Satz 3 BayBO: Art 6 Abs. 1 Sätze 3 und 4 bleiben mit der Folge unberührt, dass bestimmte Vorhaben in den Abstandsflächen errichtet werden dürfen; § 7 Abs. 1 Satz 2 BaWüBauO: Vorschriften, nach denen in den Abstandsflächen bauliche Anlagen zulässig sind oder ausnahmsweise zugelassen werden können, bleiben unberührt) enthält die Niedersächsische Bauordnung keine ausdrückliche Regelung der Frage, ob und in welchem Umfang der Eigentümer trotz der Verpflichtung, bestimmte Bereiche seines Grundstücks abstandsrechtlich dem Nachbargrundstück zurechnen zu lassen, auf seine Buchgrundstücksgrenze bauen darf. Das mahnt zur Zurückhaltung. Denn selbst/gerade in solchen Ländern, welche eine ausdrückliche Regelung über die Beschränkung der Rechtswirkung von Baulasten enthalten, werden die gesetzlich bestimmten Einschränkungen zum Nennwert genommen, d.h. in aller Regel ausgeschlossen, über die gesetzlich bestimmten Fälle hinaus dürfe die Verpflichtung missachtet werden bestimmte Grundstücksbereiche dem Nachbargrundstück zuzurechnen und selbst nicht zu bebauen. Dementsprechend sollen beispielsweise in Bayern (vgl. zum folgenden Simon/Busse, BayBO, Komm., Art. 7 Rdnr. 522, 523) die Bereiche, die kraft schriftlicher Erklärung des Nachbarn als Abstandsflächen angesehen werden dürfen, nur in dem gesetzlich (Art. 7 Abs. 5 Satz 3 BayBO) bestimmten Fall, dass das Bauplanungsrecht das Aneinanderbauen von baulichen Anlagen erlaubt oder gebietet, sowie dann baulich in Anspruch genommen werden dürfen, wenn die Bay. Bauordnung bauliche Anlagen in den Abstandsbereichen zulässt (vgl. dort insbesondere Art. 6 Abs. 3 Satz 7 - untergeordnete Bauteile -, Art. 6 Abs. 8 - untergeordnete und unbedeutende bauliche Anlagen - sowie Art. 7 Abs. 2 - bestimmte Anlagen für die örtliche Versorgung, Gewächshäuser, Gärfutterbehälter usw.). Seit einer Änderung der Bay. Bauordnung zählen Garagen dazu nicht mehr. Diese werden in Art. 7 Abs. 4 BayBO nicht als Gebäude zugelassen, welche in den Abstandsflächen ohne weiteres oder als Ausnahme zulässig sind. Vielmehr werden sie als Anlagen definiert, welche zur Grundstücksgrenze keinen Abstand einhalten müssen. Dementsprechend sind sie nicht (mehr) als "abstandsflächenunschädlich" definiert und dürfen in den durch Baulast in Anspruch genommenen Flächen nicht errichtet werden (vgl. Simon/Busse, aaO; Rdnr. 522 unter Hinweis auf BayVGH, Urt. v. 14.8.1973 - Nr. 183 I 71 -, BayVBl. 1974, 193, 194).

Das nötigt zunächst zur Annahme: Schränkt die Landesbauordnung bei der durch Art. 14 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 GG gebotenen Ausgestaltung des Inhalts des Grundeigentums die Rechtswirkungen der Baulast nicht weiter ein, dann ist Zurückhaltung geboten, wenn es darum geht, die Rechtswirkungen der Baulast nach § 9 Abs. 2 NBauO zu Lasten des Begünstigten einzuschränken.

Der vorliegende Fall bietet keinen Anlass, die dazu vertretenen Auffassungen abschließend zu erörtern. Denn keine dieser Meinungen führt zu einem den Klägern günstigen Ergebnis.

Folgte man Barth/Mühler (Abstandsvorschriften der Niedersächsischen Bauordnung, 2. Aufll. 2000, § 9 Rdnrn. 34 und 35), dann käme eine Ausnahme von der Pflicht, mit allen Vorhaben von dem in der Baulast bestimmten Bereich wie von der Grundstücksgrenze Abstand zu halten, überhaupt nicht in Betracht. Es soll den Beteiligten (entgegen der Auffassung von Große-Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/Wiechert, NBauO, 7. Aufl. 2002, § 9 Rdnrn. 18 und 19) sogar verboten sein, den Inhalt der Baulast dem Text des § 9 Abs. 2 NBauO zuwider einzuschränken und dem Eigentümer zu gestatten, bestimmte Anlagen, namentlich Garagen statt auf die Grenze des durch die Baulast bezeichneten Bereichs auf die Grundstücksgrenze zu bauen.

Da die unter dem 29.11.1999 eingetragene Baulasterklärung ebenso der Text ihrer Bewilligung die Vorhaben nicht einschränken, welche von der von der Baulast erfassten Fläche Abstand zu halten haben, rechtfertigte dieser Gesichtspunkt eine Abweichung von § 9 Abs. 2 NBauO ohnedies nicht.

Aber auch dann, wenn man der weitergehenden Auffassung von Große-Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/Wiechert (aaO. , Rdnr. 17 ff) im Grundsatz folgte, rechtfertigte dies eine den Klägern günstigere Entscheidung nicht. Hiernach soll auch dann, wenn die Reichweite der Baulast nicht eingeschränkt worden ist, eine entsprechende Anwendung des § 12 Abs. 4 NBauO in Betracht kommen. Diese Vorschrift sei allerdings auf die Verhältnisse auf ein und demselben Baugrundstück zugeschnitten und in ihrer Übertragbarkeit auf das Konkurrenzverhältnis benachbarter Grundstücke deshalb eingeschränkt, weil bei unmittelbarer Anwendung des § 12 Abs. 4 NBauO sich der Grundstückseigentümer selbst beeinträchtige und sich die Frage der Zumutbarkeit damit allenfalls eingeschränkt stellte.

Selbst dann, wenn man eingeschränkten Umfangs die Möglichkeit einer entsprechenden Heranziehung des § 12 Abs. 4 NBauO grundsätzlich billigte, käme dies nur dann in Betracht, wenn die uneingeschränkte Beachtung der Baulast zu einer Sachlage führte, welche mit Sinn und Zweck der Grenzabstandsvorschriften in Widerspruch stünde und/oder eine Befreiungslage nach § 86 NBauO entstehen ließe. Denn der Baulastverpflichtete muss "nun einmal" gegen sich gelten lassen, dass er (oder sein ihn insoweit bindender Rechtsvorgänger) die Grenzen des Baugrundstücks fiktiv und uneingeschränkt zu seinen Lasten verschoben hat. Dementsprechend können ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung die von der Baulast erfassten Flächen nur bebaut werden, wenn die Beachtung der Baulast ein den Grenzabstandsvorschriften zuwiderlaufendes Ergebnis zur Folge hätte. Das ist hier nicht der Fall.

Die noch im Zulassungsbeschluss vom 30. Oktober 2003 - 1 LA 239/03 - angestellten Erwägungen tragen eine solche Entscheidung nicht. In dem Lageplan, auf dem der Bereich der Baulast verzeichnet worden ist, mögen die geplanten/künftigen Einstellplätze/Garagen zwar (schematisiert) überwiegend so eingezeichnet sein, dass diese paarweise aneinandergefügt hätten werden sollen. Daraus lässt sich indes nicht mit der gebotenen Verlässlichkeit folgern, dieses Konzept habe auch um den Preis verfolgt werden sollen, dass Garagen so tief in den Grundstücksbereich hineinreichen, wie dies die Kläger unter Inanspruchnahme der von der Baulast erfassten Fläche nunmehr tun wollen. Zudem wurden die Einstellplätze/Garagen auf dem Lageplan, welcher der Baulastbestellung beigefügt worden war, nur für den Bauteppich abgebildet, deren östlichen Abschluss das Grundstück des Beigeladenen darstellt. Die Bebauung des sich östlich anschließenden Bereiches zeichnete sich seinerzeit noch nicht so verlässlich ab, dass dies den Inhalt der Baulast hätte beeinflussen können. Dementsprechend ist es nicht gerechtfertigt anzunehmen, selbstverständliche Grundlage der seinerzeit bestellten Baulast sei die Erwartung gewesen, das "östliche Baugeschehen" werde eine schlichte Fortsetzung des Bauteppichs darstellen, dessen östlichen Abschluss das Grundstück der Beigeladenen bildet. Da das belastete, nunmehr im Eigentum der Kläger stehende Grundstück etwa doppelt so breit war wie die vier sich anschließenden Flurstücke, war sogar eher die Erwartung gerechtfertigt, dessen künftiger Eigentümer werde auf diesem unter Beachtung der Baulast auch eine Garage unterbringen können, ohne seine sonstigen Bauabsichten in nicht mehr hinzunehmender Weise zurückstellen zu müssen.

Sonstige Gründe, welche eine einschränkende Auslegung der Baulastbewilligung gestatteten oder erforderten, sind nicht ersichtlich. Die strikte Befolgung der Baulast führt nicht zu Zuständen, welche der Nds. Bauordnung noch weniger entsprächen als die Zulassung des Vorhabens unmittelbar an der Grundstücksgrenze. Die Gefahr von "Schmutzgassen" oder ähnlichem besteht hier nicht. Mit 2,50 m Tiefe erreicht der von der Baulast erfasste Grundstücksstreifen eine Dimension, welche nicht annähernd als von der Bauordnung missbilligter Zustand angesehen werden könnte. Immerhin lässt es § 12 Abs. 1 Satz 1, letzter Halbsatz NBauO sogar zu, einen Abstand von nur 1 m zur Grundstücksgrenze zu halten.

Eine Befreiungslage besteht bei Beachtung der Baulast ebenfalls nicht.

Richtig ist zwar, dass die Gebäudeostwand des Beigeladenen nach den genehmigten Bauzeichnungen erst im Obergeschoss zwei Fenster aufweist und die Zulassung des streitigen Vorhabens Belüftung und Belichtung daher nicht (wesentlich) tangieren würde. Gleichwohl ist es hier veranlasst, die Kläger auf die Möglichkeiten zu verweisen, welche ihnen die Baugenehmigung vom 25. April 2001 bot, oder auf die Möglichkeiten zu verweisen, welche § 12 Abs. 4 NBauO für ihr eigenes Grundstück bietet. Selbst wenn in der Gebäudewestwand des klägerischen Gebäudes ein Fenster vorhanden wäre, könnten die Kläger die streitige Garage so zurückversetzt errichten, dass eine Inanspruchnahme der Baulastfläche nicht erforderlich wäre.

Ende der Entscheidung

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