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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 24.06.2004
Aktenzeichen: 1 LC 185/03
Rechtsgebiete: BImSchG, BauGB
Vorschriften:
BImSchG § 5 Abs. 1 Nr. 2 | |
BauGB § 35 Abs. 3 Nr. 3 |
Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil vom 24.06.2004 - 1 LC 185/03
Tatbestand:
Die Kläger begehren die Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung von Bauvorbescheiden für die Errichtung von jeweils einer Windenergieanlage.
Der Rat der Beigeladenen beschloss am 12. Oktober 1998 den Flächennutzungsplan - 12. Änderung -. Der am 28. Dezember 1998 bekannt gemachte Plan stellt nördlich der Ortslage der Beigeladenen eine ca. 27 ha große Sonderbaufläche "M." mit der Zweckbestimmung "Windenergieanlagen" dar. Nach Nr. 1 der textlichen Darstellungen sind im Geltungsbereich des Planes keine weiteren Windenergieanlagen zulässig.
Am 3. Juli 2000 verhandelte der Senat ein Berufungsverfahren (1 L 1218/98), mit dem der Kläger zu 2. die Erteilung eines Bauvorbescheides für die Errichtung einer Windenergieanlage in der Nähe seines landwirtschaftlichen Betriebes im Ortsteil N. der Beigeladenen außerhalb der in dem Flächennutzungsplan - 12. Änderung - dargestellten Sonderbaufläche begehrte. Im Rahmen der Erörterung der Sach- und Rechtslage äußerte der Senat Bedenken gegen die Wirksamkeit des Flächennutzungsplans wegen eines Abweichens von den Abstandsempfehlungen in dem Erlass des Niedersächsischen Innenministeriums vom 11. Juli 1996 bei der Potentialflächensuche. In dem Verhandlungstermin verpflichtete sich der Beklagte, dem Kläger zu 2. eine Baugenehmigung für eine Windenergieanlage mit einer Gesamthöhe von bis zu 99,9 m und einer Nennleistung von 1 MW an dem beantragten Standort zu erteilen.
Mit Schreiben vom 5. Februar 2001 beantragte der Kläger zu 2. die Erteilung eines positiven Bauvorbescheides für die Errichtung von drei Windenergieanlagen mit einer Nennleistung von jeweils 2 MW und Nabenhöhen bis zu 100 m auf den Flurstücken 57/5, 59 und 71 der Flur 2 der Gemarkung J.. Die Standorte liegen außerhalb der in dem Flächennutzungsplan - 12. Änderung - der Beigeladenen dargestellten Sonderbaufläche für die Windenergienutzung.
Die Darstellung der Sonderbaufläche in der 12. Änderung des Flächennutzungsplanes der Beigeladenen beruht auf einer Untersuchung der NWP-Planungsgesellschaft mbH zu den Standortmöglichkeiten für die Errichtung von Windenergieanlagen. Dieses Standortkonzept "Windenergie" vom Dezember 1996 überarbeitete die Planungsgesellschaft in einer Ergänzung vom Januar 2001, wobei sie - dem ministeriellen Erlass folgend - für alle in Frage kommenden Suchräume zunächst von einem Mindestabstand von 300 m zu Einzelsiedlungsanlagen ausging. Auf dieser Grundlage bestätigte der Rat der Beigeladenen am 12. März 2001 seinen Beschluss vom 22. Oktober 1996 "zur Ausweisung eines positiv geeigneten Standorts im Suchraum Nr. 13 "M.".
Der Beklagte lehnte die Bauvoranfrage des Klägers zu 2. durch Bescheid vom 15. Mai 2001 mit der Begründung ab, die für die drei Windenergieanlagen vorgesehenen Standorte lägen außerhalb der von der Beigeladenen in ihrem Flächennutzungsplan dargestellten Sondergebietsfläche "Windenergieanlagen". Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger mit Schreiben vom 16. Mai 2001 Widerspruch, der nicht beschieden wurde.
Am 17. August 2001 hat der Kläger zu 2. Untätigkeitsklage (4 A 2685/01) vor dem Verwaltungsgericht erhoben, mit der er zunächst das ursprüngliche Begehren weiter verfolgt hat. Im Klageverfahren hat der Kläger zu 2. mit Schriftsatz vom 21. Mai 2002 erklärt, dass die Bauvoranfrage für die Windenergieanlage auf dem Flurstück 57/5 von dem Kläger zu 1. weitergeführt werde. Die Klage des Klägers zu 1. hat das Verwaltungsgericht abgetrennt und unter dem Aktenzeichen 4 A 2591/02 fortgeführt. Der Kläger zu 2. hat sein Klageziel in der mündlichen Verhandlung auf eine Anlage beschränkt.
Zur Begründung der Klage haben die Kläger vorgetragen: Den privilegierten Vorhaben stünden öffentliche Belange nicht entgegen. Der Flächennutzungsplan der Beigeladenen sei unwirksam, weil die Erhöhung des Mindestabstandes zu Einzelsiedlungsanlagen von 300 m auf 500 m im Rahmen der Potentialflächensuche nicht städtebaulich gerechtfertigt sei.
Der Kläger hat zu 2. hat in dem Verfahren 4 A 2685/01 beantragt,
den Beklagten zu verpflichten, ihm einen Bauvorbescheid für die Errichtung von einer Windenergieanlage auf dem Flurstück 59 der Flur 2 der Gemarkung J. gemäß seinem Antrag vom 5. Februar 2001 zu erteilen und den Bescheid des Beklagten vom 14. Mai 2001 aufzuheben, soweit er dem entgegensteht.
Der Kläger zu 1. hat in dem Verfahren 4 A 2591/02 beantragt,
den Beklagten zu verpflichten, ihm einen Bauvorbescheid für die Errichtung von einer Windenergieanlage auf dem Flurstück 57/5 der Flur 2 der Gemarkung J. gemäß dem Antrag des Klägers zu 2. vom 5. Februar 2001 zu erteilen und den Bescheid des Beklagten vom 14. Mai 2001 aufzuheben, soweit er dem entgegensteht.
Der Beklagte hat in beiden Verfahren beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat zur Begründung auf die Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid verwiesen.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Das Verwaltungsgericht hat die Klagen mit Urteilen vom 8. Mai 2003 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Darstellung einer Sonderbaufläche im Bereich "M." in der 12. Änderung des Flächennutzungsplanes der Beigeladenen stehe den Vorhaben der Kläger entgegen. Die Beigeladene habe bei ihrer Planung den Abwägungsvorgang nicht dadurch fehlerhaft verkürzt, dass sie bei der Untersuchung von geeigneten Standorten für einen Windpark nicht weitere Flächen in die Standortanalyse einbezogen habe. Es sei rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Beigeladene die Mindestabstände zu Einzelhäusern mit 500 m bemessen habe. Die Gemeinde habe sich in Kenntnis des Runderlasses des Niedersächsischen Innenministeriums vom 11. Juli 1996 unter Vorsorgegesichtspunkten sowie unter Berücksichtigung der damaligen Rechtsprechung der erkennenden Kammer dafür entschieden, vorsorglich sowohl um Einzelhäuser als auch um Ansiedlungen größere Abstände freizuhalten, um bezüglich der Immissionsproblematik "auf der sicheren Seite" zu bleiben. Diese Erwägungen seien nachvollziehbar und städtebaulich beachtlich. Die Vorgehensweise der Beigeladenen stehe in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 17. Dezember 2002 - 4 C 15.01 -, BRS 65 Nr. 95.
Das Verwaltungsgericht hat wegen Abweichung von dem Urteil des Senats vom 21. Juli 1999 - 1 L 5203/96 -, BRS 62 Nr. 110, die Berufung in beiden Verfahren zugelassen. Die Kläger haben am 19. Juni 2003 Berufung eingelegt (1 LC 185/03 und 1 LC 186/03). Der Senat hat beide Verfahren im Termin zur mündlichen Verhandlung zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Die Berufung begründen die Kläger wie folgt: Die 12. Änderung des Flächennutzungsplanes der Beigeladenen sei abwägungsfehlerhaft zustande gekommen und stehe deshalb ihren Vorhaben nicht entgegen. Der Senat habe in der mündlichen Verhandlung vom 3. Juli 2000 in der Sache 1 L 1218/98 die Fehler im Abwägungsvorgang angesprochen und insbesondere ausgeführt, dass der Bereich, in dem sie nunmehr die beiden Windenergieanlagen zu errichten beabsichtigten, wegen seiner Vorbelastung ein geeignetes Gebiet für die Darstellung einer Sonderbaufläche für die Windenergienutzung sei. Der Beschluss des Rates der Beigeladenen vom 12. März 2001, mit dem das ursprüngliche Standortkonzept "Windenergie" aus dem Jahr 1996 nach Einholung einer Ergänzung von Januar 2001 bestätigt werde, stelle inhaltlich keine Änderung des gemeindlichen Flächennutzungsplanes dar und sei deshalb unbeachtlich. Die Beigeladene habe bei der Untersuchung von potentiell geeigneten Standorten ohne sachliche Rechtfertigung einen Abstand von 500 m zu Einzelhäusern gewählt. Das Bundesverwaltungsgericht betone in der zitierten Entscheidung vom 17. Dezember 2002 - 4 C 15.01 -, a.a.O., dass Abstände nicht willkürlich in Ansatz gebracht werden könnten, sondern diese einer besonderen städtebaulichen Begründung bedürften. Die Gemeinde müsse die geeigneten Flächen nicht anhand von Richtwerten der TA-Lärm ermitteln. Ausreichend sei eine pauschalere Betrachtungsweise aufgrund von Erfahrungswerten, die unter Berücksichtigung des Vorsorgegedankens des Bundesimmissionsschutzgesetzes die einzuhaltenden Abstände nach der Schutzbedürftigkeit der einzelnen Nutzungen variiere. Dieser Gedanke liege auch dem Runderlass des Niedersächsischen Innenministeriums vom 11. Juli 1996 zugrunde, der deshalb weiterhin anzuwenden sei.
Die Kläger beantragen,
die Urteile des Verwaltungsgerichts Oldenburg vom 8. Mai 2003 abzuändern und nach ihren erstinstanzlichen Anträgen zu erkennen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er tritt dem Vorbringen der Kläger unter Bezugnahme auf das erstinstanzliche Urteil entgegen.
Die Beigeladene stellt keinen eigenen Antrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Kläger ist unbegründet.
Die Kläger haben keinen Anspruch auf die Erteilung von Bauvorbescheiden für die Errichtung von je einer Windenergieanlage mit einer Nennleistung von 2 MW auf den in den Klageanträgen näher bezeichneten Flurstücken im Gemeindegebiet der Beigeladenen. Die Windenergieanlagen, die sie zu errichten beabsichtigen, sind an den vorgesehenen Standorten unzulässig. Bei den Vorhaben handelt es sich zwar um Anlagen, die der Nutzung der Windenergie dienen und deshalb im Außenbereich gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB bevorrechtigt zulässig sind. Ihnen stehen aber öffentliche Belange im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB entgegen, da hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungsplan eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist. Der Flächennutzungsplan der Beigeladenen in der seit dem 28. Dezember 1998 maßgeblichen Fassung ist gültig. Die Standorte, an denen die Kläger ihr Vorhaben verwirklichen möchten, liegen außerhalb der dargestellten Sonderbaufläche, in der die Errichtung von Windenergieanlagen konzentriert werden soll. Umstände, die eine Ausnahme von der Regel des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB begründen und deshalb eine Zulassung der streitigen Anlagen an diesen Standorten ermöglichen könnten, liegen nicht vor.
Die Beteiligten gehen in Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht zu Recht davon aus, dass für die rechtliche Beurteilung einer Ausschlusswirkung auf die 12. Änderung des Flächennutzungsplanes der Beigeladenen, die am 12. Oktober 1998 vom Rat der Beigeladenen beschlossen und am 28. Dezember 1998 bekannt gemacht wurde, abzustellen ist. Mit dem Beschluss vom 12. März 2001 hat der Rat lediglich seine Standortauswahl in dem Flächennutzungsplan bestätigt. Der Beschlussfassung liegt eine ergänzende Stellungnahme der mit der Standortanalyse beauftragten Planungsgesellschaft vom Januar 2001 zu ihrer Untersuchung vom Dezember 1996 zugrunde, wonach selbst bei Annahme eines Mindestabstandes von 300 m zu Einzelsiedlungsanlagen auf den ersten Stufen der Standortfindung im Ergebnis der im Plan dargestellte Suchraum 13 "M." die günstigsten Voraussetzungen für die Verwirklichung eines Windparks biete. Auf der Grundlage dieser ergänzenden Stellungnahme hat die Beigeladene keine Änderung des Flächennutzungsplanes in Angriff genommen. Der Rat hat vielmehr im Wege einer politischen Willensbekundung bekräftigt, an der Planung festhalten zu wollen. Eine solche Meinungsäußerung hat kein rechtlich erhebliches Gewicht, so dass es maßgeblich darauf ankommt, ob der Flächennutzungsplan in der Fassung seiner 12. Änderung mangelhaft ist. Nur für den Fall, dass der am 12. Oktober 1998 beschlossene Flächennutzungsplan Fehler im Abwägungsvorgang enthielte, könnte dem Ratsbeschluss vom 12. März 2001 rechtliche Bedeutung im Rahmen des § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB zukommen. Denn angesichts der klarstellenden Ausführungen der Planungsgesellschaft in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom Januar 2001 zu den Auswirkungen einer Reduzierung der Abstände bei Einzelsiedlungslagen von 500 m auf 300 m könnte ein etwaiger offensichtlicher Mangel im Abwägungsvorgang ohne Einfluss auf das Abwägungsergebnis gewesen sein. So liegt der Fall hier aber nicht.
Entgegen der Auffassung der Kläger weist die genannte Flächennutzungsplanung der Beigeladenen keine Fehler auf, die zu ihrer Unwirksamkeit führen könnten. Die Kläger halten der Beigeladenen vor, sie sei bei ihrer Standortfindung ohne städtebauliche Rechtfertigung von den Vorgaben des Runderlasses des Niedersächsischen Innenministeriums vom 11. Juli 1996 (Az.: 39.1-32346/8.4) hinsichtlich einzuhaltender Abstände von 300 m zu Einzelhäusern abgewichen. Dieser Argumentation ist das Verwaltungsgericht zu Recht nicht gefolgt.
§ 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB liegt nach dem richtungweisenden Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Dezember 2002 - 4 C 15.01 -, BRS 65 Nr. 95, folgendes Modell zugrunde: Mit dem in dieser Vorschrift geregelten Planungsvorbehalt wird der Gemeinde ein die Privilegierung flankierendes Instrument zur Verfügung gestellt, durch das sie in die Lage versetzt wird, die bauliche Entwicklung im Außenbereich planerisch zu steuern. Bedient sich die Gemeinde dieser Planungsmöglichkeit, Windenergieanlagen auf bestimmte Standorte zu konzentrieren und im übrigen Gemeindegebiet auszuschließen, so kommt diese Entscheidung einer planerischen Kontingentierung gleich. Dies setzt ein schlüssiges Plankonzept voraus, in dem die Gemeinde nicht nur darüber Auskunft geben muss, von welchen Erwägungen die positive Standortzuweisung getragen wird, sondern auch deutlich machen muss, welche Gründe es rechtfertigen, den übrigen Planungsraum von Windenergieanlagen freizuhalten. An diesen Grundsätzen gemessen stößt die Vorgehensweise der Beigeladenen nicht auf rechtliche Bedenken.
Die Beigeladene ist bei ihrer Planung von folgender Systematik ausgegangen: Ihre Abwägung fußt auf dem Standortkonzept "Windenergie" der NWP-Planungsgesellschaft mbH vom Dezember 1996, in dem in einem ersten Schritt zur Standortfindung zusammenhängende Suchräume ermittelt werden. Dabei wurden nur Flächen berücksichtigt, die zu Einzelhäusern (bis ca. 5 Wohngebäude) einen Abstand von 300 m und zu zusammenhängenden Siedlungsgebieten (allgemeinen Wohngebieten, dörflichen Siedlungen, fremdenverkehrsbetonten Siedlungen und Campingplätzen) einen Abstand von 500 m einhalten (vgl. S. 4 des Standortkonzeptes). Flächen, die aus anderen Gründen nicht geeignet sind (sog. Ausschlussflächen), wurden aus der weiteren Betrachtung herausgenommen (naturschutzrechtliche Schutzgebiete und Waldflächen, Gewässer, Verkehrstrassen etc.). Es ergaben sich 27 potentielle Standorte, von denen 13 ausgeschieden wurden, weil sie kleiner als 15 ha sind und deshalb für die Errichtung eines aus Gründen der Konzentration von Windenergieanlagen zu bevorzugenden Windparks nicht in Frage kamen (vgl. S. 11 des Standortkonzeptes). Die verbleibenden 14 Standorte wurden in dem Standortkonzept auf ihre Empfindlichkeit gegenüber Belangen von Natur und Landschaft und ihre Verträglichkeit mit (möglichen) Vorsorgegebieten für Freizeit und Erholung untersucht. Für die weitere Einschätzung auf der dritten Stufe, in welcher Weise technische und verkehrliche Infrastrukturbedingungen sowie die Bodenverhältnisse die Geeignetheit der einzelnen Flächen beeinflussen, wurden nicht mehr alle 14 Flächen, sondern nur die vier Räume weiter untersucht, die bei einer Gesamtgröße von 15 ha 500 m Abstand (statt 300 m) zu Einzelhäusern einhalten. Unter Berücksichtigung der aufgezeigten Restriktionen ermittelte die Beigeladene bei einem Vergleich der zuletzt verbliebenen vier Suchräume die günstigsten Eignungswerte für den Standort 13 (M.). Den Umfang der als Sonderbaufläche in Aussicht genommenen Fläche reduzierte die Beigeladene im Rahmen ihrer Abwägungsentscheidung noch einmal dadurch, dass sie die Abstände zu den "Einzelsiedlungsanlagen" auf 650 m und zu den zusammenhängenden Siedlungslagen auf 800 m vergrößerte.
Diese Verfahrensweise steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Planungsvorbehalt des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB in dem zitierten Urteil vom 17. Dezember 2002 - 4 C 15.01 -, a.a.O. Danach muss die Gemeinde weder die Nutzung der Windenergie "fördern", noch muss sie jeden "nur" möglichen Standort für eine Windenergienutzung auch tatsächlich darstellen. Bezogen auf die immissionsschutzrechtlichen Anforderungen ist die Gemeinde nicht verpflichtet, Nutzungen im Interesse von Bauinteressenten bis an die Grenze dessen zu ermöglichen, was noch zulässig ist, ohne als schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG qualifiziert werden zu können. Der Gemeinde ist es bereits im Vorfeld der Abwehr schädlicher Umwelteinwirkungen gestattet, durch ihre Bauleitplanung eigenständig gebietsbezogen das Maß des Hinnehmbaren zu steuern. Abwägungsfehlerhaft ist eine solche am Vorsorgegrundsatz des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG orientierte Planung im Rahmen des Darstellungsprivilegs des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB erst dann, wenn sie auch unter Berücksichtigung des Gestaltungsspielraums, den der Gesetzgeber der Gemeinde zubilligt, städtebaulich nicht mehr begründbar ist.
Es unterliegt deshalb keinen Bedenken, dass die Beigeladene auf der dritten Stufe der Potentialflächensuche bei der Festlegung der weiteren Suchräume den Abstand zu Einzelhäusern von 300 m auf 500 m erhöht hat. Der Erläuterungsbericht zu dem Flächennutzungsplan - 12. Änderung - (vgl. S. 6 unten) rechtfertigt diese Einschränkung damit, dass der durch den Erlass des Innenministeriums vom 11. Juli 1996 für "kleinere" Einzelanlagen definierte Abstand zu Einzelsiedlungsanlagen von 300 m nicht ausreichend sei, um im Hinblick auf die Auswirkungen eines geplanten Windparks mit moderner, größerer Anlagentechnik den Schutz der Bevölkerung zu gewährleisten. Der Standort müsse auch geeignet sein, zukünftige Entwicklungen in der Anlagentechnik verträglich aufzunehmen. Die Entscheidung zu erweiterten Abständen decke sich dabei mit den Inhalten einer landes- bzw. bundesweit geführten Diskussion zu diesem Thema, deren Richtung durch den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 23. Januar 1998 - 7 B 2984/97 -, BRS 60 Nr. 192, bestätigt werde. Mit diesem Abstandsflächenkonzept schöpft die Beigeladene den Gestaltungsspielraum aus, den ihr der Gesetzgeber mit dem Planungsvorbehalt in § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB eingeräumt hat.
Die von der Beigeladenen in der Begründung zu dem Flächennutzungsplan aufgeführten Unsicherheiten in Bezug auf die Auswirkungen eines Windparks mit moderner, größerer Anlagentechnik auf die benachbarte Wohnbevölkerung rechtfertigen die Erhöhung der Abstände zu Einzelhäusern um 200 m. Darin liegt keine übertriebene Vorsorgepolitik. Die Gemeinde darf eine pauschale Betrachtungsweise bei der Festlegung von Abstandszonen wählen, um "auf der sicheren Seite" zu sein. Die Beigeladene hat im Rahmen ihrer Planungskonzeption dem Umstand Rechnung getragen, dass zum Zeitpunkt der Aufstellung der 12. Änderung des Flächennutzungsplanes in der Rechtsprechung (vgl. die zitierte Entscheidung des OVG Münster, Beschl. v. 23.1.1998 - 7 B 2984/97 -, aaO) die Auffassung vertreten wurde, dass ein Abstand von 300 m zwischen einer Windenergieanlage und einem Wohngebäude im Außenbereich nicht ausreicht, um sicherzustellen, dass an dem Wohngebäude keine unzumutbaren Lärmimmissionen durch die Windenergieanlage auftreten. Unschädlich ist, dass sich diese Rechtsprechung auf Nachbarrechtsstreitigkeiten bezog. Wie bereits ausgeführt, darf die Gemeinde ihre Planung auch auf einen vorbeugenden Immissionsschutz ausrichten, so dass pauschale Abstände, die die Schwelle des der immissionsempfindlichen Nutzung noch Zumutbaren nicht gerade, sondern deutlich unterschreiten, städtebaulich gerechtfertigt sind.
Die Beigeladene war deshalb nicht verpflichtet, ihre Standortuntersuchungen strikt an den Vorgaben des Runderlasses des Niedersächsischen Innenministeriums vom 11. Juli 1996 auszurichten, der bei Einzelhäusern einen Abstand von 300 m empfiehlt. Dem steht bereits entgegen, dass die Gemeinde nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in dem zitierten Urteil vom 17. Dezember 2002 - 4 C 15.01 -, a.a.O., einen Gestaltungsspielraum hat, der es ermöglicht, solchen Abstandsvorgaben eine eigene gebietsbezogene Bewertung gegenüber zu stellen. Hinzu kommt, dass die Abstandsempfehlungen des genannten Erlasses nach der jüngsten Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschl. v. 2.10.2003 - 1 LA 28/03 -, V.n.b., zu der Abstandsempfehlung des genannten Erlasses, zwischen Vorrangstandorten für die Windenergienutzung einen Abstand von 5 km einzuhalten) nur einen Orientierungsrahmen bilden, von dem im Einzelfall abgewichen werden kann. Soweit der Senat in seinem Urteil vom 21. Juli 1999 - 1 L 5203/96 -, BRS 62 Nr. 110, (noch) eine Abweichung von diesen Abstandsempfehlungen - jedenfalls für Einzelhäuser - ausgeschlossen hat, gibt er diese Rechtsprechung ausdrücklich auf.
Wo bei der Festlegung von Abständen zu Einzelhäusern bzw. Siedlungslagen die Grenze zwischen überzogenen Vorsorgeerwägungen und einer Planung, die den durch § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB eröffneten Gestaltungsspielraum ausschöpft, zu ziehen ist, lässt sich nur anhand einer gebietsbezogenen Bewertung im Einzelfall feststellen. Deshalb bieten die an die Träger der Regionalplanung gerichteten Handlungsempfehlungen des Niedersächsischen Ministeriums für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 26. Januar 2004 (Az. 303-32346/8.1-), mit denen der Abstandserlass des Niedersächsischen Innenministeriums vom 11. Juli 1996 abgelöst wird, ebenfalls nur eine unverbindliche Orientierungshilfe für die Flächennutzungsplanung, soweit empfohlen wird, bei der raumordnerischen Festlegung im Rahmen des Abwägungsvorgangs zu Gebieten mit Wohnbebauung von einem Mindestabstand von 1000 m auszugehen. Zu unterstreichen ist die Einschränkung in den Handlungsempfehlungen, dass sich die festgelegten Abstände im Einzelfall aus dem Schutzbedürfnis angrenzender Nutzungen und Raumfunktionen begründen lassen müssen.
Die 12. Änderung des Flächennutzungsplanes der Beigeladenen ist auch nicht aus anderen Gründen abwägungsfehlerhaft. Nach dem oben Gesagten war die Beigeladene befugt, die Untersuchung mit einem Abstand von 500 m zu Einzelhäusern fortzusetzen. Neben den vier weiter verfolgten Räumen mussten deshalb nicht weitere Flächen berücksichtigt werden, weil diese eine Gesamtgröße von 15 ha nicht erreichten und deshalb für die Errichtung eines Windparks zu klein waren. Es ist auch nicht angreifbar, dass die Beigeladene auf der letzten Stufe des Auswahlverfahrens den geeignetsten Standort Suchraum 13 (M.) noch einmal dadurch verkleinert hat, dass sie die Abstände zu den Einzelsiedlungsanlagen auf 650 m und zu den zusammenhängenden Siedlungslagen auf 800 m vergrößert hat. Die Beigeladene begründet diese Maßnahme auf S. 13 des Erläuterungsberichtes zu dem Flächennutzungsplan - 12. Änderung - mit immissionsschutzrechtlichen Erwägungen, die, gemessen am Darstellungsprivileg des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB, nicht zu beanstanden sind.
Mit der Darstellung einer Sonderbaufläche von 27 ha wird die Grenze zur Verhinderungsplanung nicht überschritten. Die Beigeladene schafft vielmehr in substanzieller Weise Raum für die Windenergienutzung. Das 1000-MW-Windprogramm des Landes Niedersachsen empfiehlt für den Bereich des Beklagten eine Mindestleistung von 10 MW. Der Vertreter der Beigeladenen und die Kläger haben im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat darauf hingewiesen, dass auf der Sonderbaufläche 8 Windenergieanlagen mit jeweils 900 kW (insgesamt 7,2 MW) installiert sind. Dadurch wird allein mit Hilfe der Planung der Beigeladenen die landesplanerische Empfehlung im Bereich des Beklagten weitgehend umgesetzt (vgl. auch S. 2/3 des Erläuterungsberichts zu dem Flächennutzungsplan - 12. Änderung -).
Schließlich ist das dargestellte Konzept der Beigeladenen, die Suchräume auf mehreren Stufen zu filtern, um zu dem geeignetsten Standort zu gelangen, insgesamt schlüssig. Die Belange von Natur und Landschaft werden gewissenhaft und detailreich abgearbeitet. Auch die Einbindung der Belange des Verkehrs und der Erschließung auf der letzten Stufe liegt im planerischen Ermessen der Beigeladenen.
Die Kläger haben auch keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte die beantragten Bauvorbescheide unabhängig von der Gültigkeit der 12. Änderung des Flächennutzungsplans erteilt. Die Regelvermutung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB greift im konkreten Fall ein. Eine vom planerisch erfassten Regelfall abweichende Sonderkonstellation machen die Kläger nicht geltend.
Ende der Entscheidung
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