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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 07.10.2004
Aktenzeichen: 1 ME 169/04
Rechtsgebiete: 4.BImSchV, BauGB, NBauO


Vorschriften:

4.BImSchV Anhang Nr 1.6
BauGB § 214 III 2
BauGB § 35 III 3
BauGB § 36 I 1
BauGB § 36 I 2
NBauO § 74 I
1. Zur Anhörung der Gemeinde vor einer Ersetzung des Einvernehmens nach § 36 BauGB.

2. Der Zulassung einer - auch raumbedeutsamen - Windkraftanlage im Außenbereich steht nicht der öffentliche Belang der Planungsbedürftigkeit entgegen.

3. Die Gemeinde kann sich gegenüber der Ersetzung ihres Einvernehmens nach § 36 Abs. 1 BauGB nicht darauf berufen, dass anstelle eines Bauantrags ein Antrag auf Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung gestellt werden müßte.

4. Die Einwirkungsbereiche von Windkraftanlagen, die für eine Windfarm bestimmend sind, sind nach den Auswirkungen auf die in Art. 3 UVP-RL genannten Schutzgüter zu bestimmen (hier: Lärm).

5. Die Beteiligung der Gemeinde nach § 36 Abs. 1 BauGB bezieht sich nur auf die städtebauliche Zulässigkeit des Vorhabens, so dass sonstige Fehler eines Bauvorbescheids die Gemeinde nicht in ihren Rechten berührt.

6. Der Entwurf eines Flächennutzungsplans, der gerade nach § 3 Abs.2 BauGB a.F. ausliegt, kann einem privilegierten Vorhaben nicht nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB entgegenstehen (vgl. BVerwG, U.v. 13.3.2003 - 4 C 3.02 - ZfBR 2003, 469)


Gründe:

Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens durch den Antragsgegner.

Der Beigeladene begehrte mit einem am 21. Februar 2003 bei der Antragstellerin und am 5. März 2003 bei dem Antragsgegner eingegangenen Antrag die Erteilung eines Bauvorbescheides für die Errichtung von zwei Windenergieanlagen des Typs Enercon E-66/18.70 mit je 1.800 kW und einem Rotordurchmesser von 70 m auf den Flurstücken 20 und 44/23 der Flur 8 der Gemarkung A.. Die Antragstellerin versagte mit Schreiben vom 27. Februar 2003 ihr gemeindliches Einvernehmen mit der Begründung, der Flächennutzungsplan stelle an anderer Stelle eine Konzentrationszone für die Windenergienutzung dar und schließe im übrigen Gemeindegebiet die Errichtung von Windenergieanlagen aus.

Der vom Rat der Rechtsvorgängerin der Antragstellerin, der Samtgemeinde A., am 29. Oktober 1998 beschlossene Flächennutzungsplan - 7. Änderung - stellte Sonderbauflächen für die Windenergienutzung in den Bereichen Georgshof, Westerbur und Westdorf dar. Die Bezirksregierung Weser-Ems erteilte unter dem 7. Dezember 1998 die Genehmigung für die Änderung des Flächennutzungsplanes, soweit eine Sonderbaufläche in Georgshof dargestellt wird. Der Bescheid enthält die Maßgabe, hinsichtlich der Herausnahme der beiden übrigen Flächen sei ein Beitrittsbeschluss des Rates der Samtgemeinde erforderlich. Der Maßgabe trat der Rat der Samtgemeinde mit Beschluss vom 10. Dezember 1998 bei.

Die beiden Windenergieanlagen des Beigeladenen liegen ca. 700 m (Flurstück 44/23) bzw. 966 m (Flurstück 20) westlich des Windparks Georgshof. Am 24. März 2003 hat die GbR L. eine Bauvoranfrage für eine Windenergieanlage gestellt, die 371 m südlich der WEA des Beigeladenen auf dem Flurstück 20 und 912 m westlich vom Windpark Georgshof entfernt stehen soll. Am 29. August 2003 hat Herr V. eine Bauvoranfrage für eine WEA gestellt, die 944 m südlich der WEA des Beigeladenen auf dem Flurstück 20 und 1017 m westlich vom Windpark Georgshof stehen soll.

Mit Bescheid vom 30. Mai 2003 lehnte der Antragsgegner die Bauvoranfrage des Beigeladenen mit der Begründung ab, die im Flächennutzungsplan - 7. Änderung - dargestellte Konzentrationszone stehe dem Vorhaben des Beigeladenen entgegen. Dagegen erhob der Beigeladene unter dem 13. Juni 2003 Widerspruch. Er machte geltend, dass die 7. Änderung des Flächennutzungsplanes unwirksam sei. Dies habe das Verwaltungsgericht Oldenburg in seinem Urteil vom 7. März 2002 - 4 A 1324/00 - rechtskräftig entschieden.

Nach Abschluss der im Tatbestand des angegriffenen Beschlusses wiedergegebenen Vereinbarung zwischen dem Antragsgegner und dem Beigeladenen am 31. Juli 2003 ersetzte der Antragsgegner mit Bescheid vom 7. August 2003 das gemeindliche Einvernehmen und ordnete die sofortige Vollziehbarkeit der Ersetzungsverfügung an. Mit Bescheid vom selben Tage erließ der Antragsgegner den vom Beigeladenen begehrten Bauvorbescheid. Zur Begründung der Ersetzungsentscheidung führte er aus: Die Versagung des gemeindlichen Einvernehmens durch die Antragstellerin sei rechtswidrig. Das Verwaltungsgericht habe die 7. Änderung des Flächennutzungsplanes wegen Abwägungsmängel für unwirksam erklärt. Sonstige öffentliche Belange stünden dem Vorhaben des Beigeladenen nicht entgegen.

Den Antrag der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 11. Juni 2004 abgelehnt.

Im Beschwerdeverfahren hat der Beigeladene auf den unter dem 7. August 2003 erteilten Bauvorbescheid verzichtet, soweit dieser sich auf die Zulässigkeit der Windenergieanlage auf dem Flurstück 44/23 der Flur 8 der Gemarkung A. bezieht und soweit der Bauvorbescheid Bindungswirkung im Hinblick auf die Sicherung der ausreichenden Erschließung entfaltet.

Die Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet. Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Überprüfung sich das Beschwerdegericht gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, rechtfertigt nicht eine Abänderung der vorläufigen Rechtsschutz versagenden Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Es lässt sich bereits jetzt absehen, dass die angegriffene Ersetzungsverfügung rechtmäßig ist. Daher überwiegt das Interesse des Antragsgegners und auch des Beigeladenen, das versagte Einvernehmen gemäß § 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB zu ersetzen, das Bestreben der Antragstellerin, von der Vollziehung der Verfügung vom 7. August 2003 einstweilen, d.h. bis zur rechtskräftigen Bescheidung des dagegen erhobenen Rechtsbehelfs, verschont zu bleiben.

Die Voraussetzungen für die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens sind aller Voraussicht nach gegeben. Gemäß § 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB kann die nach Landesrecht zuständige Behörde ein rechtswidrig versagtes Einvernehmen der Gemeinde ersetzen. Das Beteiligungsverfahren gemäß § 36 BauGB dient der Sicherung der gemeindlichen Planungshoheit. Die Gemeinde darf ihr Einvernehmen gemäß § 36 Abs. 2 Satz 1 BauGB nur versagen, wenn das Vorhaben gemessen an den maßgeblichen bauplanungsrechtlichen Vorschriften, hier also § 35 BauGB, unzulässig ist.

Danach wird die angegriffene Verfügung voraussichtlich nicht zu beanstanden sein. Gegen sie bestehen in formeller Hinsicht keine Bedenken.

Das Anhörungsrecht der Antragstellerin hat der Antragsgegner nicht verletzt. Die Bauaufsichtsbehörde muss die Gemeinde vor der Ersetzung des Einvernehmens anhören (§ 28 VwVfG) und ihr dabei erläutern, warum die Verweigerung des Einvernehmens rechtswidrig ist (Schmaltz, in: Große-Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/Wiechert, NBauO, 7. Aufl. 2002, § 73 Rdnr. 25). Eine bestimmte Form der Anhörung ist nicht vorgeschrieben (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 28 Rdnr. 39). Der Antragsgegner hat im Beschwerdeverfahren unwidersprochen vorgetragen, dass er vor der Entscheidung über die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens mehrfach Gespräche mit dem Gemeindedirektor der Antragstellerin unter Beteiligung der zuständigen Amtsleiter geführt habe, in denen er die Rechtslage erläutert habe. Ferner sei in einer Sitzung des Verwaltungsausschusses des Rates der Antragstellerin am 16. Juli 2003 unmissverständlich auf die Absicht, das Einvernehmen zu ersetzen, hingewiesen worden. Mit dieser Verfahrensweise ist der Anhörungspflicht Genüge getan.

In materieller Hinsicht bestehen ebenfalls keine rechtlichen Bedenken gegen die Ersetzung des Einvernehmens durch den Antragsgegner mit Bescheid vom 7. August 2003. Die Antragstellerin hat ihr Einvernehmen rechtswidrig versagt. Zu Unrecht stützt sich die Antragstellerin in ihrer Beschwerdebegründung auf die Wirksamkeit der 7. Änderung des Flächennutzungsplanes. Die Antragstellerin macht geltend, entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts in dem Urteil vom 7. März 2002 - 4 A 1324/00 - habe ihre Rechtsvorgängerin das Abrücken von den Empfehlungen des Niedersächsischen Innenministeriums in seinem Erlass vom 11. Juli 1996, einen Abstand von 5 km zwischen Windparks einzuhalten, hinsichtlich benachbarter Windparks jenseits der Gemeindegrenze in dem Erläuterungsbericht zur 7. Änderung des Flächennutzungsplanes abwägungsfehlerfrei begründet. Auf S. 18 des Berichts werde ausgeführt, die Darstellung der Sonderbaufläche Georgshof eröffne die Möglichkeit, statt bisher 18 Windenergieanlagen eine geringere Anzahl von Anlagen mit höheren Leistungen zu errichten, und führe daher zu einer Entlastung des Landschaftsbildes. Dieser Einwand greift nicht durch.

Das Verwaltungsgericht begründet in dem genannten Urteil vom 7. März 2002 - 4 A 1324/00 - seine Auffassung, die 7. Änderung des Flächennutzungsplanes sei unwirksam, mit der Erwägung, die Antragstellerin habe benachbarte Windparks außerhalb des Gemeindegebietes, die zum Teil deutlich weniger als 5 km von dem Bereich Georgshof entfernt lägen, bei der Abwägung nicht berücksichtigt und deshalb etwaige planungserhebliche Auswirkungen dieser bestandsgeschützten Windparks nicht abgeschätzt und abgewogen. Die Antragstellerin verweist zwar zutreffend darauf, dass nach der Rechtsprechung des Senats der in dem Runderlass des Niedersächsischen Innenministeriums vom 11. Juli 1996 über die Festlegung von Vorrangstandorten für Windenergienutzung in der Regionalplanung genannte Abstand von 5 km zwischen Vorrangstandorten für die Windenergienutzung nur Empfehlungscharakter hat (vgl. Beschl. d. Sen. v. 2.10.2003 - 1 LA 28/03 -, BauR 2004, 458; vgl. auch Urt. d. Sen. v. 24.6.2004 - 1 LC 185/03 -, NdsRpfl 2004, 254). Für die Bauleitplanung bildet diese Empfehlung einen Orientierungsrahmen, von dem im Einzelfall abgewichen werden kann. Selbst in der Küstenlandschaft mit ihren nahezu unbegrenzten Sichtweiten muss unter Berücksichtigung der örtlichen Besonderheiten im Einzelfall geprüft werden, ob ein Mindestabstand von 5 km zwischen Windparks erforderlich ist.

Aus dieser Rechtsprechung des Senats lässt sich aber nicht ableiten, dass der Träger der Bauleitplanung befugt ist, im Rahmen seiner Planung vorhandene Windparks, die - wie hier - nur einen Abstand von 1,32 km (Windpark Holtriem) bzw. 3,5 km (Windpark Dornumergrode) zu der in Aussicht genommenen Sonderbaufläche Georgshof haben, vollständig aus der Abwägung auszublenden. Vielmehr ist er verpflichtet, diese Windparks in den Blick zu nehmen, die daran anknüpfenden Belange der Nachbargemeinden in die Abwägung einzustellen und namentlich die Auswirkungen einer Aufeinanderfolge mehrerer Windparks auf das Landschaftsbild zu prüfen. Diese Anforderungen erfüllt die 7. Änderung des Flächennutzungsplanes der Antragstellerin nicht. Auf S. 18 ist zwar von einer Zielsetzung "Entlastung des Landschaftsbildes" die Rede. Sie bezieht sich aber nur auf die Reduzierung der Zahl der Anlagen am Standort Georgshof bei Abgang der vorhandenen 18 bestandsgeschützten Anlagen. Der Abwägung ist nicht zu entnehmen, welche Gründe für eine Unterschreitung der empfohlenen Abstände zwischen Windparks im Verhältnis zu den vorhandenen Windparks jenseits der Gemeindegrenze sprechen.

Ob den Ausführungen des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 7. März 2002 zu der Frage, ob dieser offensichtliche Fehler im Abwägungsvorgang Einfluss auf das Abwägungsergebnis hatte, zu folgen ist,kann offen bleiben. Aus der Genehmigungsverfügung der Bezirksregierung vom 7. Dezember 1998 für die 7. Änderung des Flächennutzungsplans ergibt sich nämlich noch ein weiterer Abwägungsfehler. Die Bezirksregierung führt aus, dass die Antragstellerin nicht nur bei den im Entwurf der 7. Änderung enthaltenen Vorranggebieten Westerbur und Westorf die nach den avifaunistischen Untersuchungen von Dr. Schreiber ermittelten Beeinträchtigungen des Naturhaushalts übersehen hat, so dass diese Vorranggebiete von der Genehmigung ausgenommen wurden, sondern auch "andere ebenfalls geeignete Standorte auf der Basis dieser Rastvogeldaten ausgeschlossen wurden (z.B. südlich Südenburg oder südlich Neßmersiel)". Dieser Fehler im Abwägungsvorgang ist nach den Kartenunterlagen offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen i.S. des § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB. Wenn andere Standorte für Vorranggebiete aus Gründen des Naturschutzes zu Unrecht ausgeschlossen worden sind, liegt es nahe, dass die Abwägung zu einem anderen Ergebnis geführt hätte, wenn die benachbarten Windparks (insbesondere Holtriem und Utgast) berücksichtigt worden wären. Dieser Abwägungsfehler führt zur Unwirksamkeit der 7. Änderung des Flächennutzungsplans insgesamt.

Anzumerken ist, dass die fehlende erneute Auslegung nach der eingeschränkten Genehmigung (dazu Beschluss des Senats vom 24.11.2003 - 1 A 307/02 -) als Verfahrensfehler nach § 215 Abs. 1 Nr. 1 BauGB a.F. nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden konnte. Diese Frist ist nach der Bekanntmachung der Genehmigung der 7. Änderung des Flächennutzungsplans am 18. Dezember 1998 längst abgelaufen. Fehler der Darstellungen der 7. Änderung zu den Einzelheiten der Windenergieanlagen und des Zuschnitts der Sondergebietsfläche dürften kaum zur Gesamtnichtigkeit der 7. Änderung des Flächennutzungsplans führen.

Die Antragstellerin macht weiter ohne Erfolg geltend, dem Vorhaben des Beigeladenen stehe das Erfordernis der Planungsbedürftigkeit als öffentlicher Belang gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB entgegen. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 1. August 2002 - 4 C 5.01 -, BRS 65 Nr. 10, dargelegt, dass das in § 35 BauGB grundsätzlich vorgesehene Entscheidungsprogramm sich in aller Regel als ausreichend erweist, um eine städtebaulich entstehende Konfliktlage im Außenbereich angemessen beurteilen zu können und diese Beurteilung dem behördlichen Entscheidungsverfahren zuzuweisen. Daran anknüpfend hat der Senat in seinem Urteil vom 29. April 2004 (- 1 LB 28/04 -, BauR 2004, 1579) ausgeführt, dass eine - wenn auch - raumbedeutsame Windenergieanlage das Erfordernis der Planungsbedürftigkeit nicht auslöse. Dem stehe entgegen, dass der Gesetzgeber in § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB das vom Bundesverwaltungsgericht für notwendig erachtete Entscheidungsprogramm zur Verfügung gestellt habe, mit dem eine Entscheidung über die Zulässigkeit des beabsichtigten Vorhabens gesteuert werden könne. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 11. August 2004 - 4 B 55.04 - zurückgewiesen. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt, dass die hier zu beurteilende Situation durch die in § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB geregelten Möglichkeiten der Planungsträger geprägt sei, durch Darstellungen in einem Flächennutzungsplan oder als Ziele der Raumordnung in Plänen i.S. des § 8 oder 9 des Raumordnungsgesetzes eine Ausweisung an anderer Stelle vorzusehen. Der Gesetzgeber gehe ersichtlich davon aus, dass jedenfalls im Grundsatz bei Anlagen nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 BauGB das durch die genannten Planungsbefugnisse ergänzte Konditionalprogramm die Zulässigkeit von derartigen Anlagen ausreichend steuern könne. Es bestehe kein Anlass, für Windenergieanlagen einen hiervon abweichenden Rechtsgrundsatz aufzustellen.

Es kann offen bleiben, ob der Beigeladene - wie die Antragstellerin meint - anstelle einer Bauvoranfrage einen Antrag auf Erteilung eines Vorbescheids nach § 9 BImSchG hätte stellen müssen, denn die Antragstellerin ist als Gemeinde nicht befugt, die Versagung ihres Einvernehmens auf diesen rechtlichen Gesichtspunkt zu stützen. Im Rahmen des § 36 Abs. 2 Satz 1 BauGB prüft die Gemeinde die Versagungsgründe, die sich aus §§ 31, 33 bis 35 BauGB ergeben. Genehmigungen ohne das erforderliche Einvernehmen der Gemeinde präjudizieren in gewissem Umfang die Planung der Gemeinde und greifen damit in ihre Planungshoheit ein. Außerhalb der in § 36 Abs. 2 Satz 1 BauGB zusammengefassten Beteiligungsrechte ist der Gemeinde nur dann das Recht eingeräumt, ihr Einvernehmen zu versagen, wenn im Einzelfall aus der Planungshoheit abgeleitete materielle Rechte berührt sind (Schmaltz, in: Schrödter, BauGB, 6. Aufl. 1998, § 36 Rdnr. 2; Roeser, in: Berliner Kommentar zum Baugesetzbuch, 3. Aufl. 2002, Loseblattsammlung, Stand: August 2003, § 36 Rdnr. 3). Wegen bauordnungsrechtlicher oder sonstiger öffentlich-rechtlicher Vorschriften kann das Einvernehmen der Gemeinde nicht verweigert werden (Dürr, in: Brügelmann, BauGB, Loseblattsammlung, Stand: März 2004, § 36 Rdnr. 39). Daran gemessen ist es der Antragstellerin verwehrt, ihr Einvernehmen mit der Begründung zu versagen, der Beigeladene hätte für sein Vorhaben einen Antrag auf Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung stellen müssen. Denn allein die falsche Verfahrenswahl berührt nicht materielle, an die Planungshoheit der Gemeinde anknüpfende Rechte der Antragstellerin. Darin läge ein Verfahrensfehler, der die Gemeinde nicht zur Versagung ihres Einvernehmens berechtigte. § 36 Abs. 1 Satz 2 BauG bestätigt diese Sichtweise. Danach wird die Gemeinde nicht nur im bauaufsichtlichen, sondern auch in anderen Verfahren beteiligt. Dazu gehören auch immissionsschutzrechtliche Verfahren, in denen das Bauplanungsrecht zu beachten ist (vgl. BT-Drucks. 8/2451, S. 24 zur Einfügung des § 36 Abs. 1 Satz 2 BBauG). Die Gemeinde kann also die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens unabhängig davon prüfen, ob darüber in einem bauaufsichtlichen Verfahren gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB oder in einem anderen Verfahren gemäß § 36 Abs. 1 Satz 2 BauGB entschieden wird.

Anzumerken ist, dass die Annahme der Antragstellerin zutreffen dürfte, dass der Beigeladene einen Antrag auf einen Vorbescheid nach § 9 BImSchG hätte stellen müssen. Nach der Neufassung der 4. BImSchV durch Art. 4 des Gesetzes zur Umsetzung der UVP-Änderungsrichtlinie und weiterer EG-Richtlinien vom 27. Juli 2001 (BGBl I S. 1950) bedürfen Windfarmen mit 3 bis weniger als 6 Windkraftanlagen einer Genehmigung nach § 19 BImSchG und Windfarmen mit 6 oder mehr Windkraftanlagen einer Genehmigung nach § 10 BImSchG (Nr. 1.6 des Anhangs zur 4. BImSchV). Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Juni 2004 - 4 C 9.03 - ist eine Windfarm i.S. der Nr. 1.6 des Anhangs zur 4. BImSchV dadurch gekennzeichnet, dass sie aus mindestens 3 Windkraftanlagen besteht, die einander räumlich so zugeordnet sind, dass sich ihre Einwirkungsbereiche überschneiden oder wenigstens berühren. Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung spricht viel dafür, dass der Beigeladene einen immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid beantragen musste. Zwar liegen die Abstände der Windenergieanlagen des Windparks Georgshof untereinander zwischen ca. 200 m und ca. 400 m, so dass die beiden vom Beigeladenen beantragten Anlagen mit Abständen von 700 m bzw. 966 m optisch deutlich abgerückt vom Windpark erscheinen. Da die Aufnahme von Windfarmen in Nr. 1.6 des Anhangs der 4. BImSchV auf der Lärmrelevanz von Windenergieanlagen beruht (vgl. die Amtliche Begründung, abgedr. bei Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Bd. 2, B 2.4 Anhang Nr. 1, zu 1.6 Rdnr. 1) ist der Einwirkungsbereich nicht nach optischen Gesichtspunkten, sondern nach den Lärmauswirkungen (vgl. auch Beschl. d. 7. Senats des Nds.OVG vom 20.9.2004 - 7 ME 233/03 - V.n.b.) bzw. den sonstigen Auswirkungen auf die in Art. 3 UVP-RL genannten Schutzgüter zu bestimmen.

Hier legen bereits die Lärmauswirkungen nahe, dass sich die Einwirkungsbereiche der vom Beigeladenen beantragten Windenergieanlagen und des Windparks Georgshof berühren bzw. überschneiden. Angesichts des Immissionsrichtwertes von 60/45 dB(A) tags/nachts, der nach Nr. 6.6, 6.1 c TA-Lärm für den Außenbereich anzunehmen ist (vgl. OVG NW, Urt. v. 18.11.2002 - 7 A 2127/00 - BRS 65 Nr. 182 m.N.) reicht der Einwirkungsbereich von Windenergieanlagen jedenfalls so weit, wie die Immissionen diese Werte erreichen. Nach den Untersuchungen des Landesumweltamtes NRW zu Schallimmissionen im Umfeld von Windenergieanlagen(LUA-Materialien Nr. 63 "Windenergieanlagen und Immissionsschutz", Essen 2002, S. 15 ff) erzeugt eine Windenergieanlage mit einem Schallleistungspegel von 103 dB(A) in ca. 280 m Entfernung einen Beurteilungspegel von 45 dB(A), ein Windpark mit 21 Anlagen (drei Reihen mit 7 Anlagen) in 500 m Abstand einen Beurteilungspegel von 45 dB(A). Auch wenn diese Abstände für Immissionsorte in Hauptwindrichtung als Näherungswerte gelten und daher für die Ermittlung der Einwirkungsbereiche nicht einfach addiert werden können, spricht einiges dafür, dass sich die Einwirkungsbereiche der vom Beigeladenen beantragten Anlagen und des Windparks Georgshof berühren bzw. überschneiden.

Der vom Beigeladenen im Beschwerdeverfahren erklärte Verzicht auf den Bauvorbescheid für die Windenergieanlage auf dem Grundstück Flurstück 44/23 im Abstand von 700 m vom Windpark Georgshof dürfte nichts daran ändern, dass der Beigeladene zunächst 2 Windenergieanlagen zur Prüfung gestellt hatte, deren Einwirkungsbereich sich mit dem des Windparks Georgshof überschnitt bzw. berührte. Der Beigeladene hat den Bauantrag für die Windenergieanlage nicht zurückgenommen; der Verzicht auf den Bauvorbescheid dürfte das Verfahren und den Bauvorbescheid unberührt lassen.

Welche Bedeutung der zeitlichen Abfolge der Bauanträge für weitere Windenergieanlagen in der Nachbarschaft (Anträge der GbR L. und von Herrn V.) zukommt, bedarf keiner Entscheidung, weil auch insoweit ausschlaggebend ist, dass sich die Gemeinde nicht darauf berufen kann, dass anstelle des Baugenehmigungsverfahrens ein Genehmigungsverfahren nach BImSchG hätte durchgeführt werden müssen.

Die Antragstellerin wendet auch zu Unrecht gegen die Ersetzungsverfügung des Antragsgegners ein, dass die ausreichende Sicherung der Erschließung für das Außenbereichsvorhaben des Beigeladenen wegen der mangelnden Leistungsfähigkeit einer Brücke, über die der Schwerlastverkehr zum Aufbau der Windenergieanlage geführt werden müsse, nicht gewährleistet sei. Die Frage der Erschließung ist in diesem Verfahrensstadium nicht (mehr) zu prüfen, weil der Beigeladene seine Voranfrage beschränkt hat und die Frage der Erschließung ausgeklammert hat. Mit dem Bauvorbescheid entscheidet die Bauaufsichtsbehörde auf Antrag über einzelne Fragen, über die im Baugenehmigungsverfahren zu entscheiden wäre (vgl. § 74 Abs. 1 Satz 1 NBauO), und nimmt sektoral einen Teil der Baugenehmigung vorweg. Die Beschränkung auf einzelne Punkte, die einer selbständigen Beurteilung zugänglich sind, ist zulässig, weil der Bauherr mit seiner Voranfrage den Umfang der Prüfung bestimmt. Ebenso wie eine Bauvoranfrage zurückgenommen werden kann, solange die Entscheidung über sie noch nicht unanfechtbar geworden ist (BVerwG, Urt. v. 3.4.1987 - 4 C 30.85 - NJW 1988, 275 zur Teilungsgenehmigung; Urt. v. 14.4.1989 - 4 C 22.88 - DVBl 1989, 874 zur Baugenehmigung), kann die Bauvoranfrage auch eingeschränkt werden. Eine unzumutbare Einschränkung der Abwehrmöglichkeiten der Gemeinde liegt darin nicht. Denn ist die Frage der Erschließung nicht (mehr) Gegenstand der Bauvoranfrage, entfaltet die daraufhin erteilte Bebauungsgenehmigung hinsichtlich der Erschließung keine Bindungswirkung mehr. Insoweit ist die Gemeinde vor der Erteilung der Genehmigung erneut zu beteiligen und kann diesen Gesichtspunkt (erneut) geltend machen, wenn sie sich gegen die Baugenehmigung wendet (Beschl. d. Sen. v. 12.9.2003 - 1 ME 212/03 -, a.a.O.).

Das Argument der Antragstellerin, sie sei nicht verpflichtet gewesen ihr Einvernehmen zu erteilen, weil der Bauvorbescheid wegen des Zusatzes, dass ein Rechtsanspruch auf Erteilung der Baugenehmigung durch den Bescheid nicht begründet werde, da erst nach Vorlage des Bauantrags mit vollständigen Bauvorlagen und Anhörung aller im Baugenehmigungsverfahren zu beteiligenden Dienststellen und Behörden eine umfassende bauaufsichtliche Prüfung möglich sei, rechtswidrig sei, greift nicht durch. Nach § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB wird über die Zulässigkeit von Vorhaben nach den §§ 31, 33 und 35 im bauaufsichtlichen Verfahren von der Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde entschieden. Die Beteiligung der Gemeinde bezieht sich nur auf die städtebauliche Zulässigkeit des Vorhabens und nicht auf alle Einzelheiten der Baugenehmigung bzw. des Bauvorbescheids, zumal das Einvernehmen der Erteilung der Genehmigung vorausgeht. Fehler der Baugenehmigung bzw. des Vorbescheids berühren daher nur dann die Gemeinde in ihren Rechten, wenn sie sich auf die städtebauliche Zulässigkeit des Vorhabens beziehen - von anderen gesetzlich geregelten Beteiligungsrechten abgesehen (vgl. § 47 a Abs. 1 NBauO). Dementsprechend berührt der zitierte Zusatz die Antragstellerin nicht in ihren Rechten. Abgesehen davon spricht die Formulierung des Bauvorbescheids insgesamt dafür, dass mit dem - allerdings sehr missverständlichen - Zusatz nur auf mögliche Hindernisse der Erteilung einer Baugenehmigung außerhalb der grundsätzlichen städtebaulichen Zulässigkeit hingewiesen werden sollte.

Den Entwurf der 26. Änderung ihres Flächennutzungsplanes kann die Antragstellerin dem Vorhaben des Beigeladenen nicht mit Erfolg entgegenhalten. Der Flächennutzungsplan kann einem Außenbereichsvorhaben jedenfalls nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB erst nach Eintritt seiner Rechtsverbindlichkeit entgegenstehen (Beschl. d. Sen. v. 22.1.1999 - 1 L 5538/97 -, BRS 62 Nr. 111; Urt. v. 29.4.2004 - 1 LB 28/04 -). Das Bundesverwaltungsgericht hat dies in seinem Urteil vom 13. März 2003 - 4 C 3.02 -, ZfBR 2003, 469, ausdrücklich bestätigt. Zum Zeitpunkt der Ersetzungsentscheidung des Antragsgegners am 7. August 2003 lag der Entwurf der 26. Änderung des Flächennutzungsplanes der Antragstellerin gemäß § 3 Abs. 2 BauGB a.F. öffentlich aus. Er war also - gemessen an der zuletzt genannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 13. März 2003 - 4 C 3.02 -, a.a.O. - noch nicht einmal "planreif" i.S. von § 33 BauGB.

Anknüpfend an die vorstehenden Erwägungen, liegen auch keine durchgreifenden Anhaltspunkte für eine ermessensfehlerhafte Ersetzung des Einvernehmens der Antragstellerin durch den Antragsgegner vor. Der Senat hat bisher offengelassen, ob § 36 BauGB der zuständigen Behörde ein Ermessen einräumt (Beschl. v. 15.10.1999 - 1 M 3614/99 -, BRS 62 Nr. 122; Beschl. v. 12.9.2003 - 1 ME 212/03 -, a.a.O.). Wenn dem Antragsgegner bei der Ersetzung des Einvernehmens ein Ermessen zustand, hat er davon zutreffend Gebrauch gemacht. Der Senat tritt den diesbezüglichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts bei. Der Einwand der Antragstellerin, mit dem Entwurf zur 26. Änderung des Flächennutzungsplanes habe eine weitgehend verfestigte Planung vorgelegen, deren Wirkungen der Antragsgegner durch den beschleunigten Erlass der Ersetzungsentscheidung unter Anordnung der sofortigen Vollziehung habe vereiteln wollen, greift nicht durch. Von einer verfestigten Planung kann angesichts des Umstandes, dass das Beteiligungsverfahren zum Zeitpunkt der Ersetzungsentscheidung noch nicht beendet war, keine Rede sein. Der Antragsgegner musste der Antragstellerin vor der Verfügung vom 7. August 2003 auch nicht eine angemessene Reaktionszeit zur Verwirklichung ihrer Abwehrplanung einräumen. Als Bauaufsichtsbehörde trifft ihn die Amtspflicht, eine Bauvoranfrage oder ein Baugesuch gewissenhaft, förderlich und sachdienlich zu behandeln und ohne vermeidbare Verzögerungen innerhalb angemessener Frist zu bescheiden. Dieser Pflicht ist der Antragsgegner mit der Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens und der Erteilung des Bauvorbescheides an den Beigeladenen nachgekommen.

Ende der Entscheidung

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