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Beginn der Entscheidung

Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 15.04.2008
Aktenzeichen: 1 ME 17/08
Rechtsgebiete: Anlage 1 zur BauGO, BauGO, VwGO


Vorschriften:

Anlage 1 zur BauGO Nr 9.14
Anlage 1 zur BauGO Nr. 9.1
BauGO § 1 Abs. 1 S. 1
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1
1. Die auf den Bauherrn nach § 1 Abs. 1 Satz 1 BauGO abzuwälzenden Kosten für die Prüfung der Statik durch einen Prüfingenieur stellen öffentliche Abgaben im Sinne von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO dar.

2. Zur Anwendung von Nr. 9.14 der Anlage 1 zur BauGO (Abrechnung nach Zeitaufwand statt Bauwerksklasse und Rohbauwert).


Gründe:

I.

Die Antragstellerin wehrt sich gegen ihre Heranziehung zur Zahlung der im Tenor genannten Gebühren für die Prüfung der Statik mit der Begründung, diese könnten nicht mit einem Bescheid geltend gemacht werden, der die vollstreckungsrechtlichen Privilegien des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO genieße; außerdem hätte der Prüfingenieur seine Forderungen nicht nach dem tatsächlichen Zeitaufwand geltend machen dürfen. Dieser sei zudem zu hoch.

Am 11. Mai 2006 stellte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin den Antrag, ihr den Bau von 44 (43) Altenwohnungen nebst Cafe-Restaurant und einem Laden auf dem Grundstück Teichenweg 2 in B. zu genehmigen. Die Antragsgegnerin beauftragte mit der Prüfung der Statik (außerdem des Wärmeschutzes) Herrn Dipl.-Ing. C. aus D.. Am 12. Oktober 2006 erteilte sie den Bauschein. Mit Bescheid vom gleichen Tage zog sie die Antragstellerin zur Zahlung von 33.655,00 € heran, wobei 33.004,00 € auf die Gebührenrechnung des Herrn Dipl.-Ing. C. vom 27. September 2006 für die Überprüfung der Statik entfielen. Mit Gebührenbescheid vom 26. Oktober 2006 zog sie die Antragstellerin zur Zahlung weiterer 12.728,00 € heran, welche derselbe Prüfingenieur für den zweiten Teil derselben Tätigkeit unter dem 17. Oktober 2006 in Rechnung gestellt hatte.

Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Antragsgegnerin durch Widerspruchsbescheid vom 30. März 2007 zurück.

Am 12. April 2007 erhob die Antragstellerin gegen diese Bescheide Klage. Am 30. April 2007 hat sie den Eilantrag gestellt, die aufschiebende Wirkung dieser Klage anzuordnen.

Das Verwaltungsgericht hat den Eilantrag mit dem hier angegriffenen Beschluss und im Wesentlichen folgender Begründung abgelehnt: Die Antragsgegnerin habe zur Prüfung der Standsicherheit (und des Wärmeschutzes) des statisch-konstruktiv schwierigen Bauvorhabens der Antragstellerin einen Prüfingenieur für Baustatik einschalten dürfen. Die von diesem in Rechnung gestellten Beträge habe sie zutreffend in voller Höhe gegenüber der Antragstellerin geltend gemacht. Bei einem Rohbauwert von 2.048.500,00 € und Einstufung des Vorhabens in die Bauwerkskasse 4 ergäben sich bei Anwendung von Nr. 9.1 des Gebührenverzeichnisses (Anlage 1) zur Baugebührenordnung zwar nur 16.965,00 €. Dieser Betrag stehe jedoch im Sinne der Nr. 9.14 dieses Gebührenverzeichnisses in grobem Missverhältnis zu dem zeitlichen Aufwand, den Herr Dipl.-Ing. C. und sein Mitarbeiter, Herr Dipl.-Ing. E. hätten betreiben müssen. Danach hätten sie für die Prüfung der - zudem wiederholt in geänderter Weise vorgelegten - statischen Berechnungen 618 Stunden aufwenden müssen. Entgegen der Annahme der Antragstellerin erscheine das schlüssig. Die zur prüfenden Planungsunterlagen seien schon in ihrer Erstfassung äußerst umfangreich gewesen. Da nur je angefangene halbe Stunde 37,00 € zu zahlen seien, seien diese 618 Stunden mit 74,00 € zu multiplizieren. Daraus ergebe sich in Anwendung von Nr. 9.14 des Gebührenverzeichnisses (Anhang 1 zur Baugebührenordnung) ein Betrag von 45.732,00 €. Diesen könne die Antragsgegnerin vollen Umfangs geltend machen, obwohl die Leistungen zum Teil von Herrn Dipl.-Ing. E. erbracht worden seien. Die Baugebührenordnung sehe keine unterschiedlichen Stundensätze für Helfer des Prüfingenieurs vor.

Hiergegen richtet sich die rechtzeitig erhobene Beschwerde der Antragstellerin. Mit dieser macht sie zum einen geltend, die in Rede stehenden Beträge stellten gar keine öffentlichen Abgaben i.S. von § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO dar. Außerdem halte sie daran fest, dass die in Rechnung gestellten Beträge deutlich zu hoch seien. Selbst nach § 64 Abs. 1 der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) könne derjenige, der bei einem Rohbauwert von 2.048.500,00 € die statische Berechnung erstelle, allenfalls ein Honorar von 50.000,00 € verlangen. Das sei ein Betrag, der auf dem Markt nicht durchzusetzen sei. Berücksichtige man, dass Herr Dipl.-Ing. C. außerdem noch Beträge für die Prüfung des Wärmeschutzes in Rechnung stelle, dann komme dieser auf einen höheren Betrag, als ihn derjenige nur beanspruchen könne, der diese Berechnung erstellt habe. Es liege auf der Hand, dass das nicht richtig sein könne.

Die Antragsgegnerin tritt der Beschwerde entgegen und verteidigt die angegriffene Entscheidung.

II.

Die Beschwerde hat Erfolg.

Klarzustellen ist zunächst, dass sich die Antragstellerin nur gegen die Zahlung von weiteren 28.767,00 € wehrt. Mit den beiden im Klageantrag genannten Bescheiden vom 12. und 26. Oktober 2006 (in der Fassung des Widerspruchsbescheids der Antragsgegnerin vom 30. März 2007) waren zwar auch Kosten für die Brandschutzprüfung sowie Tätigkeiten des Landkreises F. in Rechnung gestellt worden. Diese greift die Antragstellerin aber nicht an. Ihr geht es nur um die Zahlung der mit den beiden genannten Bescheiden geltend gemachten Kosten für die Überprüfung der Statik. Sie ist nach ihren Ausführungen in der Klageschrift bereit, den sich bei Anwendung von 9.1 der Anlage zur Baugebührenordnung ergebenden Betrag von 16.965,00 € zu zahlen. Insoweit beruht die Streitwertberechnung auf Seite 3 der Klageschrift auf einem Irrtum. Denn mit den Bescheiden vom 12. und 26. Oktober 2006 waren insgesamt (33.004,00 + 12.728,00 =) 45.732,00 € geltend gemacht worden.

Die Antragstellerin dringt nicht mit ihrem Angriff durch, die hier in Rede stehenden Beträge stellten keine "öffentlichen Abgaben" dar, welche nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO in einer Weise "angefordert" werden können, dass der dagegen eingelegte Widerspruch keine aufschiebende Wirkung entfaltet. Zweifel ergeben sich insoweit nicht aus dem von der Antragstellerin zur Stütze ihrer Auffassung zitierten Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam (vom 20.2.2002 - 5 L 1142/01 -, juris, andere Veröffentl. nicht bekannt). Die Besonderheit dieses Beschlusses war, dass Beträge der hier in Rede stehenden Art nicht von der Bauaufsichtsbehörde, sondern vom Prüfingenieur selbst geltend gemacht worden waren. Insoweit bedurfte es näherer Begründung, dass dieser als Beliehener tätig geworden war und dementsprechend die Rechtswohltat des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO sollte in Anspruch nehmen können.

Durchgreifende Überlegungen ergeben sich auch nicht aus dem Umstand, dass nach verbreiteter verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 1.2.2001 - 1 M 80/00 -, NVwZ-RR 2001, 401; BayVGH, Beschl. v. 22.1.1985 - Nr. 23 CS 84 A.258 -, BayVBl 1985, 409 sowie OVG Lüneburg, Beschl. v. 18.9.2003 - 9 LB 92/03 -, NVwZ-RR 2004, 894) die Behörde Beträge nicht mit dem Privileg des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO soll geltend machen können, welche bei ihr reine "Durchlaufposten" darstellen. Hielte man sich nur an diesem Ausdruck fest, könnte in der Tat zweifelhaft sein, ob die Antragsgegnerin die Kosten, welche ihr der Prüfingenieur für seinen Aufwand in Rechnung stellt, die sie daraufhin - wie hier: "postwendend" - beim Bauherrn/Gebührenschuldner geltend macht, nicht solche "Durchlaufposten" darstellen. Indes ist folgendes zur beachten: Diese Rechtsprechung wurde entwickelt zur Geltendmachung von Kosten für den Anschluss von Grundstücken an eine kommunale Entwässerungsanlage. Die Nichtanerkennung der hierbei entstandenen Aufwendungen als öffentliche Abgaben i.S. des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO beruht auf folgender Erwägung: Als öffentliche Abgaben seien nur solche Geldforderungen anzusehen, welche eine Finanzierungsfunktion für hoheitliche Aufgaben erfüllten. Sie müssten also entweder ganz allgemein und ohne konkrete Zweckbindung bestimmt sein, den Finanzbedarf des Trägers hoheitlicher Verwaltung zu stillen und damit zu seinem Gesamthaushalt beitragen, oder aber als Geldbeträge anzusehen sein, welche zweckgebunden seien, um so in der Wahrnehmung hoheitlicher Tätigkeit entstandene Ausgaben und Aufwendungen zu bestreiten (vgl. dazu auch Sodan/Ziekow-Puttler, VwGO, Kommentar 2. Aufl. 2006, § 80 Rdnr. 56 und 58). Darum handele es sich bei den Kosten für Grundstücksanschlüsse deshalb nicht, weil deren Herstellung nicht zu den Fertigstellungsmerkmalen der kommunalen Satzung für die öffentlichen Einrichtungen gehörten. Die Gemeinde werde mit deren Herstellung gleichsam nur als "Geschäftsführerin ohne Auftrag" tätig. Die dabei entstandenen Aufwendungen seien solche der Geschäftsführung ohne Auftrag. In diesem Sinne ist also der Ausdruck "Durchlaufposten" zu verstehen.

Das ist hier grundlegend anders. Prüfingenieure werden, wie gerade die Entscheidung des von der Antragstellerin bezeichneten Beschlusses des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 20. Februar 2002 (a.a.O.) zeigt, im Aufgabenbereich der Bauaufsichtsbehörde tätig. Weil diese kein eigenes Personal hat, die von Amts wegen gebotene Prüfung der Statik (und des Wärmeschutzes) vorzunehmen, ist sie berechtigt, diese Aufgabe an bestimmte, öffentlich bestellte Prüfingenieure zu vergeben. Diese handeln dementsprechend als "verlängerter Arm" und uneingeschränkt im Pflichtenkreis der Bauaufsichtsbehörde als Trägerin öffentlicher Verwaltung. Die im Zusammenhang mit dieser Tätigkeit in Rechnung gestellten Beträge sind daher Aufwendungen, welche unmittelbar bei Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe entstanden. Dementsprechend sind sie zur zweckgebundenen Deckung eigener Ausgaben ungeachtet des Umstandes erforderlich, dass sie an den Prüfingenieur weiter fließen. Zahlte der Abgabenschuldner diesen Betrag an die Bauaufsichtsbehörde nicht, träte das Ergebnis ein, was § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO mit dem Wegfall der aufschiebenden Wirkung bei der Anforderung öffentlicher Abgaben vermeiden will, nämlich dass sich der Abgabenschuldner durch bloße Einlegung eines Widerspruchs seiner Zahlungspflicht einstweilen entledigen kann und damit den Träger öffentlicher Verwaltung von den Geldern "entblößt", welche er zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben bedarf.

Die Beschwerde hat aber in der Sache Erfolg. Es sprechen derzeit ganz überwiegende Gründe für die Annahme, die gesetzlich bestimmten Gebühren stünden nicht in einem groben Missverhältnis zu dem Prüfaufwand. Dementsprechend bestehen i.S. des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Verwaltungsakte vom 12. und 26. Oktober 2006, soweit darin für die Prüfung der Statik höhere Gebühren als 16.965,00 € geltend gemacht worden sind. Dazu ist das Folgende auszuführen:

Die Befugnis der Antragsgegnerin, von der Antragstellerin die Erstattung von Prüfgebühren zu verlangen, folgt aus § 1 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Gebühren und Auslagen für Amtshandlungen der Bauaufsicht (Baugebührenordnung vom 13.1.1998, GVBl. S. 3 i.d.F. der Änderungsverordnung vom 2.12.2004, GVBl. S. 573 - BauGO -), welche wegen der Stellung des Bauantrages (11. Mai 2006) in dieser seit dem 1. Januar 2005 geltenden Fassung anzuwenden ist. Danach hat der Bauherr Gebühren und Vergütungen als Auslagen zu erstatten, welche die Bauaufsichtsbehörde an einen Ingenieur für Baustatik zu zahlen hat, soweit sich aus dem Gebührenverzeichnis (Anlage 1 zur BauGO) nichts anderes ergibt. Maßgeblich für die hier abzurechnenden Tätigkeiten des Prüfingenieurs C. aus D. ist die Nr. 9 des Gebührenverzeichnisses "Prüfung der Nachweise der Standsicherheit, des Schallschutzes, des Wärmeschutzes und der Feuerwiderstandsdauer". Deren Unter-Nr. 9.1 betrifft die hier interessierende Prüfung des Standsicherheitsnachweises. Diese ist zu bemessen nach der Tafel, Anlage 4 der Baugebührenordnung. Diese ordnet Gebühren nach Bauwerksklassen und der Höhe des Rohbauwertes zu. Angesichts des Rohbauwertes und der Bauwerksklasse 4 ergeben sich nach der übereinstimmenden Auffassung beider Beteiligten nur Ansprüche in Höhe von 16.965,00 €, welche die Mehrwertsteuer schon einschließen.

Dieses Ergebnis wird nach dem derzeit absehbaren Stand der Dinge nicht durch Nummer 9.14 der Anlage 1 zur Baugebührenordnung modifiziert. Danach sind die Leistungen nach den Nrn. 9.1 bis 9.9 nicht nach dem eben erwähnten Berechnungsmodell, sondern nach Zeitaufwand zu berechnen, wenn die Gebühr nach diesen Nummern in einem groben Missverhältnis zu dem Prüfaufwand steht. Hierzu hat der Senat in seinem unveröffentlichten Urteil vom 19. Juli 2006 - 1 LB 332/03 - u.a. das Folgende ausgeführt:

"Wann ein 'grobes Missverhältnis' anzunehmen ist, wird gesetzlich allerdings nicht bestimmt. Die Beklagte orientiert sich bei der Handhabung der Nr. 9.14, Anlage 1 zur BauGO 1998 an einer Ausführungsbestimmung zu einer früheren Fassung der Baugebührenordnung. Zu der hier maßgeblichen Fassung vom 13. Januar 1998 hatte das Niedersächsische Sozialministerium keine Ausführungsbestimmungen erlassen. Es existierten aber Ausführungsbestimmungen zur Baugebührenordnung vom 6. Mai 1992 (GVBl. S. 128) in der Gestalt des Runderlasses des MS vom 19. Mai 1992 (- 307-05301/1-2 -, NdsMBl. S. 835). Die Parallelvorschrift zur hier interessierenden Nr. 9.14 war die Nr. 8.15 der Anlage 1 zur BauGO 1992. Beide Bestimmungen sind im Wesentlichen wortgleich. Zu Nr. 8.15 der Anlage 1 wird in den Ausführungsbestimmungen vom 19. Mai 1992 ausgeführt:

Für Leistungen, für die eine nach den Nrn. 8.1 bis 8.5 und 8.10 ermittelte Gebühr in einem groben Missverhältnis zum Prüfaufwand steht, bestimmt sich die Gebühr gemäß 8.15 nach dem Zeitaufwand. Ein solches Missverhältnis liegt nur dann vor, wenn die Differenz zwischen einer Gebühr nach den genannten Nummern und dem Prüfaufwand derart groß ist, dass sie nicht mehr innerhalb des Rahmens liegt, der sich aus der Konzeption fester Gebührensätze ergibt.

Eine Gebührenberechnung nach Zeitaufwand gemäß Nr. 8.15 kommt daher in der Regel in Betracht, wenn eine Gebühr nach den Nrn. 8.1 bis 8.5 und 8.10 im Verhältnis zum Prüfaufwand den nachstehend bezeichneten Rahmen über- oder unterschreitet.

Es folgt eine Staffel, welche differenzierend nach insgesamt 5 Fallgruppen (bis 1.000,-- DM, über 1.000,-- und bis 2.000,--, über 2.000,-- bis 4.000,--, über 4.000,-- bis 8.000,-- und über 8.000,-- DM) teils in absoluten Beträgen, teils in Prozentsätzen zwischen 100 und 25 % (je höher der Betrag, desto niedriger der für die Annahme eines groben Missverhältnisses ausreichende Prozentsatz) angibt, wann eine Anwendung der Nr. 8.15 in der Regel in Betracht komme. Bei einer Gebühr von über 2.000,-- bis zu 4.000,-- DM sieht diese Staffel ein Verhältnis zum Prüfaufwand von + 50 v.H. vor, damit eine Anwendung von Nr. 8.15 in Betracht kommt.

Der vorliegende Fall gibt keine Veranlassung, die Frage abschließend zu klären, ob diese Vorschrift bestimmt genug ist oder ob der Verordnungsgeber die vom Niedersächsischen Sozialministerium in den Anwendungshinweisen vom 19. Mai 1992 enthaltene Staffel zumindest in verknappter Form in den Verordnungstatbestand hätte übernehmen müssen. Der Senat lässt des Weiteren unentschieden, ob es gerechtfertigt sein kann, ein "grobes Missverhältnis" schon bei Prozentsätzen von nur 50 (für Pauschgebühren über 2.000,-- bis 4.000,-- DM) oder gar 25 (über 8.000,-- DM) anzunehmen. Dagegen könnte insbesondere eine Parallele zu § 138 Abs. 2, letzter Halbs. BGB sprechen. Darin ist von einem "auffälligen Missverhältnis" die Rede. Nach allgemeinem Sprachgebrauch spricht einiges für die Annahme, ein "grobes" stelle gegenüber einem 'auffälligen' Missverhältnis sogar noch eine gewisse Steigerung dar. Deshalb gibt die seit Beginn der 1990er Jahre praktizierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu denken, ein 'auffälliges' Missverhältnis bestehe (unbeschadet der Notwendigkeit, die Umstände des einzelnen Rechtsgeschäftes genauer zu untersuchen) grundsätzlich erst dann, wenn die verlangte Gegenleistung die angemessene um etwa 100 % übersteige (vgl. etwa BGH, Urt. v. 13.3.1990 - XI ZR 252/89 -, NJW 1990, 1595, 1596; Urt. v. 11.1.1995 - VIII ZR 82/94 -, BGHZ 128, 255, 259 f. und 266 f.; vgl. a. Palandt-Heinrichs, 65. Auflage 2006, § 138 Rdnr. 67). Angesichts dessen müsste ein "grobes Missverhältnis" erst bei Vomhundertsätzen in Betracht kommen, die noch deutlich über diesen 100 % liegen.

Eine Diskussion dieser (auch von der Klägerin aufgeworfenen) Frage erübrigt sich, weil als allerunterste Grenze, bei deren Erreichen/Überschreiten die Annahme eines "groben Missverhältnisses" in Betracht kommen kann, ein Wert von 50 v.H. anzusehen ist."

An dieser Auffassung ist jedenfalls für das hier zu entscheidende Eilverfahren festzuhalten. Unter 50 v.H. liegende Prozentsätze werden dem Wortsinn des "groben Missverhältnisses zu dem Prüfaufwand" i.S. von Nr. 9.14 der Anlage 1 zur Baugebührenordnung nicht gerecht.

In der eben zitierten Entscheidung hatte der Senat ein Gutachten über die Angemessenheit des seinerzeit geltend gemachten Zeitaufwandes für die Prüfung der Standsicherheit eingeholt. Dazu enthält diese Entscheidung die folgenden Ausführungen:

"Das Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen vom 15. September 2005 basiert ganz wesentlich auf folgender Erkenntnis (vgl. Seite 5 des Gutachtens): Es gibt Erfahrungssätze, welche Seitenzahl von einer entsprechend ausgebildeten Fachkraft unter Zuhilfenahme EDV-gestützter Programme innerhalb einer Stunde bewältigt werden kann. Diese richten sich danach, ob der Bauherr handschriftliche oder EDV-gestützt ermittelte und ausgedruckte statische Berechnungen mit dem Genehmigungsantrag eingereicht hat. Außerdem ist die Länge der vom Bauherrn überreichten statischen Berechnungen ausschlaggebend. Umfassen diese nur bis zu 4 Seiten, erfordern diese einen längeren Prüfaufwand. Danach sind der Stellungnahme vom 15. September 2005 zufolge folgende Seitenzahlen bei gewissenhafter Prüfung der Statik innerhalb einer Stunde zu bewältigen:

Handschriftliche Statik (kompliziert): 4 Seiten/Stunde

Handschriftliche Statik (einfach): 6 Seiten/Stunde

EDV-Berechnung (kurz): 10 Seiten/Stunde

EDV-Berechnung (lang): 30 Seiten/Stunde

Sonstige Seiten: 30 Seiten/Stunde

Leerseiten: überhaupt kein Zeitaufwand

Diese Einschätzungen beruhen auf Fachwissen und Erfahrung des gerichtlich bestellten Sachverständigen. Durchgreifende, substantiierte, aus der Prüftätigkeit eigener Bediensteter gespeiste Einwendungen hiergegen hat die Beklagte und der von ihr informatorisch immer wieder eingeschaltete, anwaltlich vertretene Dipl.-Ing. G. H. I. nicht vorgebracht. Der Senat sieht auch von Amts wegen keinen Anlass und mangels entsprechender eigener Fachkenntnisse auch keine Möglichkeit, dies durchgreifend in Zweifel zu ziehen. Das Gutachten ist in sich widerspruchsfrei. Es ist nicht zu erkennen, dass der Gutachter von falschen Voraussetzungen ausgeht, wenn nicht sachkundig ist oder dass begründete Zweifel an seiner Neutralität bestehen. Die Beteiligten haben, bis auf die nachstehend zu erörternde Frage der EDV-Ausstattung, d.h. Leistungsfähigkeit der eingesetzten Hard- und Software, nicht erkennen lassen, es gebe eine neue Sachlage oder neuere Forschungsergebnisse zu diesen vom Sachverständigen unterbreiteten Erfahrungssätzen.

Die hier besonders interessierende Annahme, 10 bzw. 30 vom Bauherrn durch EDV ermittelte und entsprechend ausgedruckte Seiten könnten von einer ausgebildeten und mit der zu erwartenden EDV-Ausstattung versehenen Fachkraft pro Stunde bewältigt werden können, wird von der Beklagten im Ergebnis nicht, jedenfalls nicht so weitgehend in durchgreifende Zweifel gezogen, dass im Ergebnis eine Anwendung der Nr. 9.14, Anlage 1 zur BauGO 1998 ernstlich in Betracht käme. Der Gutachter begründet dies auf Seite 5 der schriftlichen Stellungnahme vom 15. September 2005 mit folgenden, sehr gut nachzuvollziehenden Erwägungen:

Es sei zu unterscheiden zwischen einfachen statischen Systemen (einzelne Träger, einfache Rahmen usw.) und zusammenhängenden größeren Systemen, die aus vielen Stäben und Elementen (Knoten) bestehen. Vom Bauherrn EDV-gestützt erstellte und ausgedruckte statische Berechnungen kontrolliere der Prüfingenieur durch Vergleichsberechnungen. Entweder werde dazu das Gesamtsystem mit einem anderen Rechenprogramm gegengerechnet oder würden an kleineren Ersatzsystemen Kontrollberechnungen durchgeführt. Im Allgemeinen könnten EDV-gestützt ermittelte statische Berechnungen dagegen nicht durch zahlenmäßiges Nachvollziehen der zu prüfenden Berechnungen kontrolliert werden. Es sei zwischen kurzen EDV-Berechnungen (maximal 4 Seiten) und längeren zu unterscheiden. Dabei sind die kürzeren offenbar stärker komprimiert und verursachen einen dementsprechend größeren Aufwand pro Seite. Das drückt sich dann darin aus, dass bei deren Kontrolle nur 10 Seiten/Stunde bewältigt werden können.

Sollten hiernach noch Zweifel an der Richtigkeit der vom Gutachter vermittelten Erfahrungssätze bestanden haben, sind diese durch die Ausführungen auf Seite 10 des Gutachtens vom 15. September 2005 zerstreut worden. Dort plausibilisiert der Gutachter K. sein Modell anhand der Prüfungen, die der Prüfingenieur im Zusammenhang mit der Kontrolle der Standfestigkeit der Fahrbahnüberdachung (das ist eines der beiden zusammenhängenden größeren Systeme, welche hier nachzuprüfen waren) anzustellen hatte. Danach hat der gerichtlich bestellte Sachverständige die vom Dipl.-Ing. G. H. I. angestellte Prüfung seinerseits nachvollzogen. Er unterstützt diesen (zwar) in der Einschätzung, die von der Rechtsvorgängerin der Klägerin angestellte statische Berechnung sei mit dem Ergebnis, die Konstruktion der Fahrbahnüberdachung werde nur zu 77,2 % strapaziert, um der größten aller denkbaren Belastungssituationen noch zu genügen, etwas zu optimistisch gewesen. In Wahrheit müsse diese Konstruktion 79,5 % ihrer Leistungsfähigkeit aufbieten, um dieses Ereignisses Herr zu werden. Für diese Nachprüfung habe er, der gerichtlich bestellte Sachverständige Dipl.-Ing. K., allerdings nur ca. 2 Stunden aufwenden müssen. Nach der von ihm zugrunde gelegten Formel (s. nochmals Seite 5 des Gutachtens vom 15.9.2005) seien für die Nachprüfung von (90 + 13 =) 103 Seiten EDV-Berechnung (lang) aber 3,43 Stunden einzusetzen gewesen. Das zeigt die Richtigkeit der vom Gutachter K. ermittelten 'Faustformel' sowie der Annahme, die vom Bauherrn eingereichten Unterlagen müssten nicht Seite für Seite geprüft werden."

An diesen vergleichsweise aktuellen Erkenntnissen aus einem erst vor knapp zwei Jahren abgeschlossenen Hauptsacheverfahren ist jedenfalls für dieses Eilverfahren festzuhalten. Das Vorbringen der Beteiligten enthält hierzu abweichende Ausführungen nicht. Das gilt namentlich für die Parallele, welche die Antragstellerin aus der Anwendung der HOAI zieht. Ob diese in der Praxis tatsächlich vollen Umfangs durchgesetzt werden kann und ob sich Statiker für geringere Beträge zur Erstellung der Statik bereitfinden, ist hier nicht relevant.

Ausschlaggebend sind bei Anwendung der genannten Formel folgende Umstände: In ihrem Widerspruchsbescheid vom 30. März 2007 hat die Antragsgegnerin ausgeführt, der Prüfingenieur habe insgesamt 2.895 Seiten zu prüfen gehabt. Schon der Umfang dieser - in den bislang eingereichten Vorgängen wohl nicht enthaltenen - Unterlagen zeigt, dass es sich hier nicht um handschriftliche oder besonders komprimierte Berechnungen gehandelt haben kann. Dementsprechend kann allenfalls die Frage sein, ob deren Überprüfung durch die vom Prüfingenieur allein zu leistende Vergleichsberechnung so rasch vonstatten gehen kann, dass sogar 30 Seiten pro Stunde bewältigt werden können, oder ob der Schwierigkeitsgrad des hier zu beurteilenden Baus so hoch gewesen ist, dass trotz EDV-gestützten Ausdrucks nur 10 Seiten pro Stunde geprüft werden konnten. Selbst wenn man den letztgenannten Wert zugrunde legt, ergibt sich hier folgendes: Für 2.895 Seiten wäre dann ein Zeitaufwand von 289,5 Stunden anzusetzen. Multipliziert mit 74,00 € je Stunde ergibt dies einen Betrag von 21.423,00 €. Dieser liegt nur um 26,28 % über dem Betrag, der sich aus einer Anwendung von Nr. 9.1 des Anhangs 1 zur Baugebührenordnung ergibt. Das stellt nach den vorstehenden Ausführungen noch kein "grobes Missverhältnis" dar, und zwar selbst dann nicht, wenn man in Rechnung stellt, dass die Antragstellerin ihr Bauvorhaben wiederholt geändert und dabei auch die statischen Berechnungen der Altenwohnanlage verändert haben sollte. Das ändert nichts daran, dass die Gesamtzahl der Seiten - wie die Antragsgegnerin es in ihrem Widerspruchsbescheid vom 30. März 2007 zusammengefasst hat - 2.895 Seiten betrug. Dieser Betrag ist auch nicht mit Rücksicht auf die Konstruktions- und Detailzeichnungen so merklich zu erhöhen, dass die Schwelle von mindestens 50 v.H. überschritten werden könnte. Aller Voraussicht nach wird der hierbei entstandene Zeitaufwand zu 50 % die fehlenden gut 23,7 % (Minimum; möglicherweise reicht selbst das nicht aus) nicht auffüllen können.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über den Streitwert aus §§ 52 Abs. 3, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG. Nach Nr. 18 lit. b) der regelmäßigen Streitwertannahmen des Senats für Verfahren, die nach dem 1. Januar 2002 anhängig geworden sind (Nds.VBl 2002, 192 = NordÖR 2002, 197), ist dieser Betrag in Anwendung des nach § 52 Abs. 1 GKG maßgeblichen Ermessens (auf dieses verweist § 53 Abs. 3, 1. Halbs. GKG) nur zu halbieren und nicht auf ein Viertel zu ermäßigen. An dieser Verfahrensweise ist im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg festzuhalten. Die Einschätzung, zu der im Rahmen von Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 7./8. Juli 2004 (NVwZ 2004, 1327 = DVBl 2004, 1525) gelangt worden ist, ist hier nicht maßgeblich.

Ende der Entscheidung

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