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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 15.11.2006
Aktenzeichen: 1 ME 194/06
Rechtsgebiete: BauNVO, NBauO
Vorschriften:
BauNVO § 23 III | |
NBauO § 76 |
2. Zur Prüfungstiefe bei Nachbarschutz gegen eine Teilbaugenehmigung (hier offengelassen, da Regelung schon im Bauvorbescheid enthalten).
3. Kein Nachbarschutz wegen Überschreitung der vorderen Baugrenze.
Gründe:
Die Antragstellerin möchte den Vollzug der Teilbaugenehmigung vom 30. August 2006 verhindern, welche die Antragsgegnerin der Beigeladenen für den Aushub der Baugrube auf dem Grundstück A. straße 25, 26 und 27/An der B. 36 in C. zur Vorbereitung einer Bebauung mit insgesamt vier Wohnhäusern erteilt hat. Drei davon sollen dreieinhalbgeschossig gegenüber dem Grundstück der Antragstellerin errichtet werden, das vierte zweieinhalbgeschossig im nördlichen Winkel des dreieckig geschnittenen Areals, welches der Antragstellerin seine "Hypotenuse" zuwendet. Für die Grundstücke der Antragstellerin und das Baugrundstück gilt ein Fluchtlinienplan (Auszug vgl. "Tasche" der BA C) der Antragsgegnerin aus dem Jahre 1934/1935, der beiderseits der A. straße eine 8,50 m tiefe Vorgartenfläche festsetzt. Die drei dreieinhalbgeschossigen, knapp 12,00 m hohen Wohngebäude sollen mit ihren rund 15 m breiten südöstlichen Schmalseiten zur Straße einen Abstand von 8,00 m einhalten; soweit das Gebäude nur dreigeschossig ausgebildet wird und damit L-förmig den Gebäudekern umgibt, soll es weitere 2,42 m vorspringen.
Das Verwaltungsgericht hat den Eilantrag mit der angegriffenen Entscheidung, auf deren Einzelheiten verwiesen wird, und im Wesentlichen folgender Begründung abgelehnt:
Es handele sich zwar nur um eine Teilbaugenehmigung; auch diese sei jedoch daraufhin zu überprüfen, ob das in ihr enthaltene positive Gesamturteil im Rahmen der Regelungsbreite dieser Genehmigung öffentliche Nachbarrechte verletze. Daher sei die Genehmigung vom 30. August 2006 auf die Vereinbarkeit der Nutzung seiner Art nach sowie darauf zu überprüfen, ob es in groben Zügen die Vorschriften über die überbaubare Grundstücksfläche und der Grundflächenzahl einhalte. Seiner Art nach sei das Vorhaben mit der gegenüberstehenden Nutzung zu vereinbaren (Wohnen). Gegen die Überschreitung der Baufluchtlinie könne sich die Antragstellerin nicht wehren. Diese entfalte hier keine nachbarschützende Wirkung. Erdrückende Wirkung habe das Vorhaben nicht. Zwischen den Gebäuden verbleibe ausreichend Freifläche.
Hiergegen richtet sich die rechtzeitig erhobene Beschwerde der Antragstellerin, der die übrigen Beteiligten entgegentreten.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Eine wegen § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf die rechtzeitig geltend gemachten Beschwerdegründe beschränkte Prüfung rechtfertigt es nicht, der Beschwerde stattzugeben. Zu diesen Gründen ist folgendes auszuführen:
Die Frage, ob der Beigeladenen das Fällen von Bäumen gestattet werden darf, wird in der Beschwerdebegründung vom 30.10.2006 überhaupt nicht (substantiiert) angesprochen. Schon deshalb muss dieser Antragsteil ohne Erfolg bleiben. Es kommt hinzu, dass Vorschriften zum Schutze von Bäumen allein im öffentlichen Interesse liegen und Dritten keinen Nachbarschutz vermitteln (vgl. BayVGH, B. v. 17.3.2000 - 26 ZS 99.3064, JURIS; Urt. v. 16.5.1980 - 2 B - 1597/79 -, JURIS; OVG Hamburg, B. v. 18.7.1994 - Bs II 29/94 -, JURIS).
Aus der Überschreitung der im Fluchtlinienplan der Antragsgegnerin Nr. 700 aus dem Jahre 1945/1935 festgesetzten vorderen Baugrenze kann die Antragstellerin hier ebenfalls keine rechtlichen Vorteile ziehen. Dabei kann der Senat unentschieden lassen, ob dem vom Verwaltungsgericht in Anlehnung an das OVG Münster (B. v. 3.4.1996 - 11 B 523/96 -, BRS 58 Nr. 150; vgl. a. OVG Münster, Urt. v. 21.-10.2002 - 7 A 3185/01 -, JURIS) entwickelten Modell zu folgen ist, auch dann, wenn sich der Regelungsgehalt der Teilbaugenehmigung ausschließlich auf die Erdarbeiten beziehe, müssten zumindest die Art der Nutzung sowie überbaubare Grundstücksflächen und Einhaltung der Grundflächenzahl auf ihre Verträglichkeit mit geschützten Nachbarrechten übergeprüft werden. Das entspricht zwar einer verbreiteten Meinung (vgl. auch HessVGH, B. v. 11.12.1995 - 4 TG 1337/95 -, NVwZ-RR 1997, 10, 11 = BRS 58 Nr. 192; Urt. v. 8.12.2004 - 3 TG 3386/04 -, JURIS mwN zur Veröffentlichung der Nachweise), unter Umständen auch der des beschließenden Senats (vgl. B. v. 10.12.1992 - 1 M 5268/92 -, Vnb), ist hier aber nicht ausschlaggebend. Denn die Frage, ob die drei dreieinhalbgeschossigen, dem Grundstück der Antragstellerin zugewandten Gebäude zum Teil den Vorgartenbereich in Anspruch nehmen dürfen, ist schon im Bauvorbescheid der Antragsgegnerin vom 19. Juni 2006 abschließend entschieden worden. Dieser ist gem. § 212a BauGB vollzugsfähig (vgl. Senatsbeschluss vom 30.3.1999 - 1 M 897/99 -, BauR 1999, 1163). Seine Vollziehbarkeit hat die Antragstellerin mit diesem Eilantrag nicht angegriffen.
Nur ergänzend ist daher auszuführen, dass dieser Beschwerdeangriff auch aus sachlichen Gründen keinen Erfolg haben kann. Baugrenzen entfalten nicht - wie Festsetzungen über die Art der Nutzung - von Gesetzes wegen uneingeschränkt Nachbarschutz, sondern nur nach Maßgabe des Willens des Plangebers (vgl. BVerwG, B. v. 19.10.1995 - 4 B 215.95 -, BauR 1996, 82 = BRS 57 Nr. 219; ferner Beschl. v. 23.6.1995 - 4 B 52.95 -, ZfBR 1995, 329 = BRS 57 Nr. 209). Dabei hat es der Senat abgelehnt, seitlichen oder hinteren Baugrenzen in der Regel nachbarschützende Wirkung zuzumessen (vgl. B. v. 20.6.2000 - 1 M 2011/00 -, BauR 2000, 1844 = BRS 63 Nr. 188; a. A. - in der Regel nachbarschützend -: BW-VGH, BauR 1984, 52). Selbst der BW-VGH misst aber vorderen Baugrenzen in aller Regel keine nachbarschützende Wirkung zu (vgl. B. v. 9.3.1995 - 3 S 3321/94 -, BauR 1995, 514). Ihr Zweck bestehe nämlich in aller Regel lediglich darin, aus Gründen des Orts- und Straßenbildes sowie zur Sicherung der Vorgartenzone, d. h. im Allgemeininteresse bestimmte Abstände zu erreichen; die "Bewehrung" bestimmter Dritter sei damit in aller Regel nicht verbunden.
Anhaltspunkte für die Annahme, das sei hier anders, hat die Antragstellerin nicht vorzubringen vermocht. Insbesondere Wohnruhe vermag eine Vorgartenzone "über die Straße" gerade nicht zu vermitteln; diese ist vielmehr Quell der Unruhe.
Ob der Bauvorbescheid auch die Frage der Grenzabstände regelt, braucht hier ebenso wenig entschieden zu werden wie die Frage, ob ein Nachbar mit dem Argument der Nichteinhaltung der Grenzabstände schon gegen eine Teilbaugenehmigung opponieren kann, welche allein Erdarbeiten regelt. Denn die Beschwerde kann insoweit aus zwei Gründen keinen Erfolg haben. Zum einen lässt es die Antragstellerin an der durch § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO gebotenen Substanz fehlen; sie behauptet schlicht, die Abstände würden nicht eingehalten. Zum anderen trifft ihre Auffassung nicht zu. Nach den vorliegenden Plänen (vgl. insbesondere Tasche der BA C) erreichen die Baukörper eine Höhe von maximal 11, 80 m. Der Abstand von ihrer südöstlichen Abschlusswand bis zur Mitte der A. straße (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 1 NBauO und den oben zitierten Beschluss des Senats vom 30.3.1999 - 1 M 897/99 -, aaO) beträgt 13, 80 m. 1 H (§ 7 Abs. 3 NBauO) wird damit eingehalten.
Dasselbe gilt für die um 2, 42 m vortretenden, nur dreigeschossig ausgebildeten Teile, die den Gebäudekern L-förmig umschließen. Diese erreichen eine dementsprechend geringere Höhe (8, 55 m bzw. - unter Einschluss der Brüstung - 9, 3 m), so dass auch insoweit der Grenzabstand gewahrt ist.
Gegen die Art der Nutzung kann sich die Antragstellerin nicht wenden.
Ihr Angriff, die drei Gebäude entfalteten "erdrückende Wirkung", - vorausgesetzt, auch das könne gegen eine Teilbaugenehmigung in Stellung gebracht werden - hat das Verwaltungsgericht mit zutreffenden Gründen abgelehnt; auf diese nimmt der Senat gem. § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO Bezug. Aus den Computeranimationen ("Tasche" der Beiakte A) ergibt sich, dass die Gebäude der Antragstellerin voraussichtlich zwar ungewohnt erscheinen, nicht aber ihrem Grundstück in einer Weise gegenübertreten werden, die ihr sozusagen die Luft zum Atmen nimmt und sie in eine Art Gefängnishofsituation bringt. Dafür ist der Abstand zwischen den Gebäuden und ihrer Grundstücksgrenze mit gut 20 m bei Gebäudemaximalhöhen von 11, 80 m und rund 16 m breiten Lücken zwischen den drei Gebäuden erheblich zu groß.
Der Hilfsantrag kann nach alledem auch keinen Erfolg haben.
Ende der Entscheidung
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