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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 18.10.2004
Aktenzeichen: 1 ME 205/04
Rechtsgebiete: NBauO, VwGO, VwVfG


Vorschriften:

NBauO § 89 I
VwGO § 70
VwGO § 80 III 1
VwGO § 82
VwVfG § 35
VwVfG § 2
1. Ist ein Nutzungsverbot und eine Beseitigungsverfügung für eine Wagenburg in Form einer Allgemeinverfügung erlassen worden, so kann nur jeder Einzelne hiergegen wirksam Widerspruch einlegen und Eilrechtsschutz begehren. Dazu muss er sich in hinreichend konkreter Weise identifizieren.

2. Nutzt ein Verein, der diese Wagenburg unterstützt, keine dieser baulichen Anlagen selbst, kann er sich auch nicht gegen das Nutzungsverbot wenden.

3. Zu den Anforderungen an die Begründung des Sofortvollzuges und den Anforderungen an die Ermessenserwägungen für Nutzungsverbot und Beseitigungsanordnung, wenn die Gemeinde, welche zugleich Bauaufsichtsbehörde ist, das Entstehen der Wagenburg gefördert hatte.


Gründe:

Die Beteiligten streiten um die Räumung einer aus rund 15 Bau- und Campingwagen bestehenden sog. Wagenburg am Fürstenauer Weg in B.. Sie steht auf einem Areal, welches der Antragsgegnerin gehört und im Geltungsbereich ihres im Jahre 1995 rechtsverbindlich gewordenen Bebauungsplanes Nr. 507 als Sondergebiet mit der Zweckbestimmung "Güterverkehrszentrum" liegt. Der Vereinszweck des Antragstellers besteht insbesondere darin, ein autonomes Zentrum zu schaffen und zu betreiben, nicht jedoch, eine solche Wagenburg zu betreiben. Seine Mitglieder sind dementsprechend nach Bekunden des Antragstellers (Schreiben vom 16.10.2003) nicht identisch mit den Bewohnern der Wagenburg. Ihm gehören aber sechs der dort aufgestellten, von Dritten genutzten Wohn- und Bauwagen, ferner ein ehemaliger Zirkuspackwagen, ein ähnlicher Wagen sowie schließlich ein größeres Zelt.

Zu der Wagenburg auf diesem Gelände ist es folgendermaßen gekommen: Im Juni 2002 erhielt der Personenkreis, welcher jetzt die Wagenburg nutzt, von der Antragsgegnerin die Möglichkeit, sich mit seinen Bauwagen auf dem Gelände des Gemeinschaftszentrums C. niederzulassen. Die Antragsgegnerin stellte sogar einen Sozialarbeiter ihres sog. Mobilteams für die Betreuung ab. In der Nacht vom 12. auf den 13. Juli 2002 kam es auf dem genannten Gelände aus Gründen und mit Personen, über welche die Beteiligten unterschiedliche Angaben machen, zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung der Wagenbewohner mit denjenigen, welche das Gemeinschaftszentrum nutzten. Diese Auseinandersetzungen konnten erst von einem nicht unerheblichen Polizeiaufgebot beendet werden. Daraufhin stellte die Antragsgegnerin diesen Personen das hier streitige Gelände am Fürstenauer Weg zur Verfügung. Ob sie den Umzug dabei mit eigenen Kräften und lediglich mit zwei stadteigenen Traktoren unterstützte oder sogar vollständig bewerkstelligte, wird von den Beteiligten ebenfalls unterschiedlich dargestellt.

Am 9. September 2003 beschloss der Verwaltungsausschuss der Antragsgegnerin, das Gelände am Fürstenauer Weg der Wagenburg nicht länger zur Verfügung zu stellen und dessen Nutzern auch keine Ersatzlösung, d.h. ein anderes Grundstück zur Aufstellung der Wagen und sonstigen Einrichtungen anzubieten. Anfang Dezember 2003 wiederholte der Rat den Beschluss, den Platz am Fürstenauer Weg räumen zu lassen, und bat die Verwaltung der Antragsgegnerin, den Jugendlichen bei der Suche nach Räumlichkeiten oder einer Fläche für ein selbstverwaltetes Jugendzentrum behilflich zu sein. Kosten dürften der Antragsgegnerin hierdurch aber nicht entstehen.

Schon unter dem 8. Oktober 2003 wandte sich die Antragsgegnerin durch Aushänge an die Mitglieder des Antragstellers und die Personen, welche sich auf diesem Areal aufhielten, teilte den Beschluss des Verwaltungsausschusses vom 9.9.2003 mit und forderte die Nutzer auf, das Grundstück bis zum 31.10.2003 zu räumen. Für den Fall der Nichtbefolgung drohte sie weitere rechtliche Schritte an. Unter demselben Datum hörte sie den Antragsteller zur Absicht an, auf der Grundlage des öffentlichen Baurechts die Nutzung des Geländes verbieten und seine Räumung veranlassen zu wollen.

Durch Schreiben vom 16. Oktober 2003 teilte der Antragsteller daraufhin mit, er habe zwar den Kontakt zwischen den Bewohnern und der Antragsgegnerin vermittelt, betreibe den Platz jedoch nicht. Insbesondere seine 1. Vorsitzende wohne dort nicht.

Unter dem 27. Januar 2004 richtete die Antragsgegnerin an die "Bewohner des Grundstücks Fürstenauer Weg (ehemalige Hofstelle D.) in der Gemarkung E. Flur 2, Flurstücke 24/4, 22/3, 22/4, 24/7 und Verfügungsberechtigten der Bauwagen und Zelte Fürstenauer Weg 70 (in) ....... B." einen Bescheid, in dem sie - erstens - anordnete, die ungenehmigte Nutzung der baulichen Anlagen (aufgestellte Bauwagen und Zelte) auf dem o.g. Grundstück zu unterlassen und - zweitens - die auf dem o.g. Grundstück errichteten baulichen Anlagen (aufgestellte Bauwagen und Zelte) von dem Grundstück zu entfernen. Beides müsse innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Verfügung geschehen. Für den Fall der Nichtbefolgung der ersten Anordnung drohte sie ein Zwangsgeld in Höhe von 500,-- € an, für den Fall der Nichtbefolgung der zweiten die Ersatzvornahme, deren Kosten sie vorläufig auf 1.500,-- € veranschlagte. Außerdem ordnete sie hinsichtlich beider Anordnungen die sofortige Vollziehung an. Zur Begründung führte sie aus: Die Nutzungen und baulichen Anlagen seien formell und materiell baurechtswidrig. Die Anordnung des Sofortvollzuges rechtfertige sich hinsichtlich des Nutzungsverbotes aus dem öffentlichen Interesse, demjenigen keinen Vorteil zukommen zu lassen, welcher das erforderliche Baugenehmigungsverfahren anders als der rechtstreue Bürger nicht durchführe, hinsichtlich der Beseitigungsanordnung daraus, dass ohne Sofortvollzug der baurechtswidrige Zustand auf lange Zeit verfestigt würde und so Dritten Anlass zur Nachahmung geben könne.

Diese Verfügung befestigte die Antragsgegnerin an der Einfriedung des streitigen Areals sowie an den Wagen; außerdem machte sie diese in der Neuen B. Zeitung vom 13.2.2004 öffentlich bekannt.

Der Antragsteller legte am 26. Februar 2004 hiergegen Widerspruch ein und machte dabei geltend, von den Eigentümern der dort aufgestellten Wagen als Verfügungsbefugter bevollmächtigt worden zu sein.

Am 2. März 2004 hat er beim Verwaltungsgericht um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht.

Das Verwaltungsgericht hat dem Eilantrag mit dem hier von beiden Beteiligten angegriffenen Beschluss, auf dessen Einzelheiten Bezug genommen wird, zum Teil stattgegeben und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers wiederhergestellt, soweit dieser sich gegen die Anordnung richtet, die im Eigentum des Antragstellers stehenden Einrichtungen zu beseitigen. Im Übrigen hat es den Antrag abgelehnt und dazu unter anderem ausgeführt:

Nach der Antragsschrift erstrecke sich der Antrag lediglich auf die im Eigentum des Antragstellers stehenden Wagen; der Bezug zu den anderen Personen werde auch durch die Vollmachten vom 23.2.2004 nicht hergestellt, weil diese nur das Innenverhältnis des Antragstellers zu diesen Personen beträfen. Der Eilantrag sei unzulässig, soweit er sich gegen das Nutzungsverbot richte; denn der Antragsteller sei hiervon gar nicht betroffen. Er wohne dort nicht. Hinsichtlich der Anordnung, die in seinem Eigentum stehenden Anlagen zu beseitigen, sei der Eilantrag aber begründet. Diese baulichen Anlagen seien zwar formell und materiell baurechtswidrig. Es sei indes ermessensfehlerhaft, ihre Beseitigung mit einer Ausführungsfrist von nur 2 Wochen zu fordern. Dieser Zeitraum sei zu kurz bemessen. Denn die Antragsgegnerin sei aufgrund der Vorgeschichte verpflichtet, bei der Anordnung von Maßnahmen eine gewisse Nachsicht zu üben. Denn sie habe durch ihr Verhalten bei den Beteiligten den Eindruck erweckt, das Gelände jedenfalls nicht nur für kürzere Zeit zur Verfügung zu stellen, und habe auch beim Umzug selbst mitgeholfen. Sie müsse die Räumungsfrist so bemessen, dass die Bewohner nicht obdachlos würden und eine Möglichkeit finden könnten, ihre Wagen an einem anderen Ort ab- oder zumindest unterzustellen. Das sei innerhalb von zwei Wochen nicht zu schaffen.

Hiergegen wenden sich beide Beteiligten mit der Beschwerde. Die der Antragsgegnerin ist begründet, die des Antragstellers hingegen nicht. Zu dieser sind die folgenden Ausführungen veranlasst:

Ohne Erfolg macht der Antragsteller geltend, auch die Eigentümer der sieben anderen auf dem streitigen Gelände befindlichen Wagen hätten in diesem Verfahren Anspruch auf Bescheidung in der Sache; denn er habe unter dem 23.2.2004 deren Vollmachten vorgelegt. Die Lichtbilder und Erklärungen vom 23.2.2004, welche der Antragsteller als Anlagen zum Schriftsatz vom 11.3.2004 zur Gerichtsakte gereicht hat (Bl. 29 ff.) reichen nicht aus, um diese Personen in formgültiger Weise zu Beteiligten dieses Verfahrens zu machen. Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass für diese jedenfalls bislang nicht in rechtlich ausreichender Weise Widerspruch eingelegt worden ist und deren Eilantrag - unterstellt, er wäre formgültig erhoben worden - daher unzulässig. Im Einzelnen ist hierzu auszuführen:

Die Antragsgegnerin hat die Verfügung vom 27. Januar 2004 im Wege einer personenbezogenen Allgemeinverfügung (§ 35 Satz 2 VwVfG) erlassen. Jedenfalls dann, wenn diese Anordnung teilbar ist, d.h. nicht nur einheitlich befolgt werden kann, kann auch nur jede der von ihr erfassten Personen für sich allein, d.h. nur mit "relativer Wirkung" hiergegen Widerspruch einlegen (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Komm., 6. Aufl., § 35 Rdnr. 201; Kopp-Ramsauer, VwVfG, Komm., 8. Aufl., § 35 Rdnr. 102a).

Die angegriffene Verfügung ist teilbar. Denn jede Person kann die Nutzung der dort stehenden Baulichkeiten für sich aufgeben; eines gemeinschaftlichen Zusammenwirkens bedarf es hierzu nicht. Dasselbe gilt für die Beseitigungsanordnung; jeder Wagen kann für sich beseitigt werden.

Daher wäre es erforderlich gewesen, in einer den §§ 81 und - vor allem - 82 VwGO entsprechenden Form jede Person in der Bestimmtheit zu bezeichnen, wie dies mit Rücksicht auf eine spätere Vollstreckung erforderlich ist. Dazu ist es grundsätzlich erforderlich, Vor- und Zunamen sowie eine ladungsfähige Anschrift anzugeben (vgl. BVerwG, Urt. v. 13. April 1999 - 1 C 24.97 -, DVBl. 1999, 989 = NJW 1999, 2608). Mit Rücksicht auf den Justizgewährleistungsanspruch aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG mag es zwar auch zulässig sein, sich mit geringeren Identifikationsmerkmalen zufrieden zu geben, etwa wenn der Petent keinen festen Wohnsitz besitzt. Dies muss dann aber in ausreichender Weise glaubhaft gemacht und müssen dabei so viel an Identifikationsmerkmalen mitgeteilt werden, dass der Behörde später Vollstreckungsmaßnahmen möglich sind. Nur wenn der Behörde deren Mitglieder verlässlich bekannt sind und in ihrer Zusammensetzung keine die Vollstreckung erschwerenden Fluktuationen zu erwarten sind, mag es auch ausreichen, eine bestimmte "Haus"- oder ähnliche Gemeinschaft im zulässiger Weise als Kläger/Widersprechenden zu benennen (vgl. zum Vorstehenden Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner-Ortloff, VwGO, Komm., § 82 Rdnr. 4).

Gemessen daran genügen die Angaben, welche der Antragsteller hinsichtlich der weiteren Personen im Schriftsatz vom 11. März 2003 nebst Anlagen und in der Beschwerdebegründungsschrift vom 20. August 2004 gemacht hat, nicht aus. Zum Teil wird darin lediglich der Nachname mitgeteilt und der Vorname durch eine Initiale ersetzt. Selbst wenn der Vorname mitgenannt wird, reicht es nicht aus, schlicht einen Wohnwagen dazu abzubilden, ohne den Betreffenden mit weiteren Merkmalen eindeutig zu identifizieren.

Es kommt im Übrigen hinzu, dass sowohl nach der Vorgeschichte der Wagenburg als auch nach dem Zweck, den der Antragsteller mit ihm verfolgt, und schließlich dem Zustand, in dem sich die Wagen nach den von dem Antragsteller (aaO), insbesondere aber nach den von der Antragsgegnerin gefertigten Bildern (vgl. Anlage zum Protokoll der Ortsbegehung vom 19.2.2004 - BA A) befinden, jedenfalls nicht für alle baulichen Anlagen angenommen werden kann, sie würden tatsächlich zu Dauerwohnzwecken genutzt und stellten daher die einzige verfügbare Adresse der "Bewohner" dar. Die Wagen sind danach jedenfalls zum Teil mit einer wirren Ansammlung von Gegenständen ("Gerümpel") angefüllt. Selbst bei Zugrundelegung der Annahme, junge Leute, welche es bevorzugen, sich in einer solchen Wagenburg aufzuhalten, lebten "nonchalanter" und würden sich an als bürgerlich verschrieenen Ordnungstugenden weniger orientieren, ist schon vom Zustand der Wagen her nicht anzunehmen, in ihnen würde auf Dauer, d.h. rund ums Jahr gewohnt, ohne dass für "schlechte Zeiten" ein anderes Quartier zur Verfügung steht.

Auch die von dem Antragsteller gegebene Vorgeschichte der Wagenburg und die Absicht, diese bei Zurverfügungstellung von festen Räumlichkeiten für ein selbstverwaltetes ("autonomes") Jugendzentrum zu räumen (vgl. S. 2 und 3 des Schriftsatzes vom 8.4.2004) belegt, dass in der Wagenburg jedenfalls nicht alle Personen auf Dauer "wohnen", d.h. dort ihre einzige ladungsfähige Anschrift unterhalten. Denn in einem Jugendheim wird nicht gewohnt. Dort hält man sich nur an bestimmten Tages- und Nachtzeiten auf, unterhält dort aber nicht seine einzige ladungsfähige Anschrift. Das Angebot, das hier streitige Grundstück bei Bezug eines solchen Jugendzentrums zu räumen, bedeutet daher nichts anderes als das qualifizierte Eingeständnis, auch dieses hier in Rede stehende Lager stelle nur ein Surrogat für die Freizeit- und Lebenseinrichtung vor, welche sich die Jugendlichen "an sich" wünschen, nicht aber deren Lebensmittelpunkt.

Aus dem Vorstehenden folgt, dass der Antragsteller die anderen Personen erheblich präziser hätte bezeichnen müssen, um diese in formgültiger Weise zu Beteiligten dieses Eilverfahrens zu machen. Nachdem das Verwaltungsgericht in der angegriffenen Entscheidung bereits bemerkt hatte, dass insoweit Darstellungsdefizite bestehen, hätte sich der Antragsteller in der Beschwerdeschrift nicht mit dem Angebot begnügen dürfen, dies ggf. durch Vorlage von Vollmachtsurkunden nachzuholen.

Aus dem Vorstehenden folgt zugleich, dass bzgl. dieser Personen bislang nicht in ordnungsgemäßer Weise Widerspruch eingelegt worden ist und eine hinsichtlich dieser Personen erhobene Beschwerde schon deshalb ohne Erfolg hätte bleiben müssen.

Der Antrag des Antragstellers ist, wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat, unzulässig, soweit er sich gegen das Nutzungsverbot wendet. Dieses Verbot richtet sich nach dem eindeutigen Wortlaut der angegriffenen Verfügung allein gegen diejenigen Personen, welche die Bau- und Campingwagen sowie sonstigen Baulichkeiten nutzen. Dazu zählt der Antragsteller nicht. Selbst seine Vorsitzende nutzt dem Schreiben vom 16. Oktober 2003 zufolge diese Baulichkeiten nicht. Der Vortrag in der Beschwerdebegründungsschrift vom 20. August 2004, der Antragsteller trete in einer einem Vermieter vergleichbaren Weise auf und sei deshalb mittelbarer Besitzer, steht - erstens - in nicht aufgelöstem Widerspruch zu den wiedergegebenen Ausführungen im Schreiben vom 16. Oktober 2003. Zweitens und vor allem aber ist er rechtlich unerheblich. Die Bauaufsichtsbehörde darf die Nutzung einer baulichen Anlage unmittelbar demjenigen verbieten, welcher sie in Gebrauch hat. Die Nutzung aufgeben kann grundsätzlich jeder allein, dazu braucht er nicht die Genehmigung eines Vermieters oder sonst einer Person, die an dem Gegenstand obligatorische oder dingliche Rechte besitzt. Es stellt unter Umständen sogar einen Verstoß gegen das Übermaßverbot dar, wenn sich die Bauaufsichtsbehörde mit der Aufforderung an den Vermieter (oder eine ähnlich positionierte Person) wendet, die Nutzung durch einen Dritten beenden zu lassen (vgl. zum Vorstehenden Große-Suchsdorf/ Lindorf/Schmaltz/Wiechert, NBauO, Komm., 7. Aufl., § 89 Rdnrn. 72 und 73).

Zulässig ist der Antrag hingegen, soweit sich der Antragsteller gegen die ihn als Eigentümer einiger Baulichkeiten richtende Aufforderung wendet, diese zu beseitigen. Insoweit greifen die Beschwerdeangriffe, auf die sich die Prüfung wegen § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, indes nicht durch.

Insbesondere genügt insoweit die Anordnung des Sofortvollzuges entgegen der Annahme des Antragstellers - noch - den Anforderungen, welche § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO stellt. Das Erfordernis gesonderter schriftlicher Begründung soll der Behörde unter anderem und insbesondere den Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung vor Augen führen und sie veranlassen, das besondere, ausnahmsweise überwiegende öffentliche Interesse an einer solchen Vollziehung aus den Umständen des Einzelfalles besonders zu rechtfertigen. Dieses muss in der Regel über jenes hinausgehen, das am Erlass des für sofort vollziehbar erklärten Verwaltungsakt besteht. Die Behörde darf sich daher nicht auf formelhafte Wendungen beschränken, sondern muss darlegen, weshalb gerade in diesem Falle ausnahmsweise ein Interesse daran besteht, vom Regelfall des § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO abzugehen, wonach Widerspruch und die ihm nachfolgende Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung entfalten. Umfang und "Tiefe" der Begründung nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO hängt ebenso wie diejenige nach § 39 VwVfG davon ab, was dem Adressaten an Erwägungen schon bekannt ist.

Danach greifen die Beschwerdeangriffe im Ergebnis (noch) nicht durch. Es trifft zwar auf den ersten Blick zu, dass sich die Begründung für den Sofortvollzug betreffend die Beseitigungsanordnung äußerlich betrachtet nur an dem zu orientieren scheint, was für den "durchschnittlichen Schwarzbauer" an Begründung gegeben zu werden pflegt. Indes spricht gerade die vom Antragsteller und der Antragsgegnerin in wesentlichen Teilen übereinstimmend geschilderte und daher beiden bekannte Vorgeschichte dafür, dass es weitergehender Erwägungen nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht zwingend bedurfte (wenngleich weitergehende Erwägungen wünschenswert gewesen wären). Auch nach der Schilderung der Vorgeschichte in der Version des Schriftsatzes des Antragstellers vom 8. April 2004 war klar, dass die Unterbringung auf diesem Areal keinen endgültigen, auf längere Dauer geduldeten Zustand darstellen würde. Zunächst handelte es sich nur um eine Eilmaßnahme, um den Konflikt zu entschärfen, welcher sich aus der Unterbringung auf einem Gelände (Gemeinschaftszentrum C.) ergab, welches auch von anderen, den hier auftretenden Personen nicht durchweg freundlich gesonnenen Personen genutzt wurde. Dabei war die Position des Antragstellers und der Nutzer der Wagenburg von vornherein "schwach". Nur solange die Antragsgegnerin "politisch" den Willen hatte, den Antragsteller in seinem Bestreben nach einem "autonomen Jugendzentrum" zu unterstützen und lediglich flankierend dazu die Wagenburg zu dulden, sollte diese dort auch aufgestellt sein. Für sich selbst stellt die Erhaltung der Wagenburg für die Antragsgegnerin zu keinem Zeitpunkt ein unterstützungswürdiges Vorhaben dar. Andernfalls wären über die Nutzung irgendwelche Vereinbarungen getroffen oder den Betreibern in anderer Weise signalisiert worden, ihres Bleibens sei dort länger. Derartige "Signale" hat der Antragsteller nicht vorzutragen vermocht. Eine Baugenehmigung (Schriftformerfordernis) wurde nicht erteilt. Weder der Umstand, dass Mitarbeiter der Antragsgegnerin beim Umzug (in welchem Umfang auch immer) mitgeholfen haben, noch ein etwa 15monatiger "Stillstand" (Juli 2002 bis zur Beschlussfassung von Verwaltungsausschuss und Rat der Antragsgegnerin) konnten ein Vertrauen dahin begründen, die Antragsgegnerin habe sich mit dieser Wagenburg auf unabsehbare Zeit abgefunden.

Selbst wenn ein solches Vertrauen entstanden sein würde, wäre es durch die Beschlüsse des Verwaltungsausschusses vom 9. September 2003 und des Rates vom 2. Dezember 2003 sowie die Schreiben vom 8. Oktober 2003 (an die sich dort aufhaltenden Personen und zugleich an den Antragsteller) zerstört worden. Nunmehr war deutlich, dass sich die Antragsgegnerin jedenfalls durch Hinnahme der Wagenburg nicht mehr für die Zwecke des Antragstellers verwenden wollte und in jedem Fall, d.h. unabhängig davon, wie die Suche nach einem festen Gebäude für ein "autonomes Jugendzentrum" ausgehen würde, die Beseitigung der Wagenburg wünschte. Da hiermit denknotwendig die Aufforderung verbunden war, das Gelände sogar schon zum 31. Oktober 2003 zu räumen, konnte sich die Antragsgegnerin in der dann erlassenen Verfügung vom 27. Januar 2004 auf die Darlegung beschränken, jedenfalls jetzt könne diese Wagenburg - immerhin der klassische Ausdruck nicht ordnungsgemäßen Bauens (vgl. dazu unter anderem OVG Münster, B. v. 6.8.2001 - 10 B 705/01 -, BauR 2001, 1892 = NVwZ-RR 2002, 11 = BRS 64 Nr. 196) - nicht mehr länger hingenommen werden. Die Antragsgegnerin mag daher im Jahre 2002 die Hand zur Entstehung dieses Zustandes gereicht haben. Sie verhielt sich indes jedenfalls Anfang Januar 2004 längst nicht mehr widersprüchlich, wenn sie nunmehr auf der Einhaltung des für alle geltenden Baurechts bestand und einen solchen Zustand nicht länger, d.h. für die Dauer eines sich ja abzeichnenden Gerichtsverfahrens hinnehmen wollte. Angesichts dessen durfte sie sich zur Begründung des Sofortvollzuges mit den Hinweisen begnügen, die auf Seite 3 unten des Bescheides vom 27. Januar 2004 enthalten sind.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist hingegen begründet. Die vom Verwaltungsgericht angestellten Erwägungen tragen die Antragsteilstattgabe nicht.

Die streitigen Anlagen stellen - wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat - bauliche Anlagen dar. Nach der Rechtsprechung des Senats (B. v. 30.11.1992 - 1 M 4620/92 -, BauR 1993, 454) stellt sogar ein Fischverkaufswagen, der regelmäßig an einer bestimmten Stelle aufgestellt wird, eine bauliche Anlage dar. Denn ob eine Anlage im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 NBauO dazu bestimmt ist, "vorwiegend ortsfest" benutzt zu werden, ist auf Grund einer wertenden Betrachtungsweise zu ermitteln. Diese hat sich nicht allein daran zu orientieren, ob die Dauer der ortsfesten Nutzung länger ist als die Zeit, in der die Anlage bewegt wird. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Anlage als Ersatz für Gebäude dient.

Das ist hier erst recht und eindeutig zu bejahen.

Gegen die Würdigung des Verwaltungsgerichts, diese Anlage sei baugenehmigungsbedürftig und in Ermangelung einer - nur schriftlich zu erteilenden (§ 75 Abs. 3 NBauO) - Baugenehmigung formell illegal, bringen beide Beteiligten ebenso wenig durchgreifende Beschwerdeangriffe vor wie gegen die Annahme, diese Vorhaben seien auch materiell baurechtswidrig. Deswegen sind wegen § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO weitere Ausführungen nicht veranlasst.

Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts war die Aufforderung, die Wagen innerhalb von nur zwei Wochen zu entfernen, nicht ermessenswidrig.

Wie oben schon dargestellt, wird bei Allgemeinverfügungen nur "relativ", d.h. im Verhältnis zum jeweiligen Widerspruchsführer und Kläger geprüft, ob die Verfügung rechtswidrig ist. Die vom Verwaltungsgericht befürchtete Obdachlosigkeit kann beim Antragsteller indes nicht eintreten. Er nutzt diese Anlagen gar nicht. Im Verhältnis zu ihm ist nicht von rechtlichem Interesse, ob die Nutzer eventuell im eigentlichen Sinne "obdachlos" würden. Das würde im Übrigen zudem wohl nur die Zwangsmittelandrohung betroffen haben. Aber auch in diesem Verhältnis stellen sich jedenfalls derzeit durchgreifende Vollstreckungshindernisse nicht in den Weg. Denn kraft der für sofort vollziehbar erklärten Nutzungsuntersagung sind die Nutzer gehalten, die dem Antragsteller gehörenden baulichen Anlagen zu verlassen. Einer Duldungsverfügung bedurfte es also nicht.

Die Vorgeschichte zwang die Antragsgegnerin nach den vorstehenden Ausführungen zu § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ebenfalls nicht, dem Antragsteller gegenüber Nachsicht zu üben. Die Antragsgegnerin mag anfangs die Aufstellung der Wagenburg und die Suche nach dem "autonomen" Jugendzentrum miteinander verknüpft haben. Diese Verbindung hat sie - wie oben dargelegt - indes schon im September/Oktober 2003 unmissverständlich, und ohne dass dem Antragsteller insoweit rechtliche Abwehrrechte zustünden, wirksam gelöst. Folgerichtig hat sie den Antragsteller schon mit Schreiben vom 8. Oktober 2003 aufgefordert, seine Aktivitäten dort zu beenden, soweit er hierzu bauaufsichtsbehördlich als Eigentümer von baulichen Anlagen verbunden sei. Mit der Aufforderung, seine Wagen zu beseitigen, musste zugleich Nachahmungen dergestalt vorgebeugt werden, dass nunmehr andere Wagen dort aufgestellt würden und die Wagenburg in anderer Zusammensetzung sich fortsetzte.

Zur Frage, ob die Äußerungen der städtischen Gremien zu Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises (Förderung eines "autonomen Jugendzentrums"?) die Antragsgegnerin im Rahmen ihrer Tätigkeit als Bauaufsichtsbehörde (übertragener Wirkungskreis) überhaupt zu binden vermag, muss der Senat daher nicht abschließend Stellung nehmen.

Nach dem Vorstehenden sind auch keine abschließenden Ausführungen mehr zur Frage veranlasst, ob jedenfalls die nunmehr mit Bescheid vom 29. Juli 2004 verlängerte Ausführungsfrist diesen Mangel hätte heilen können. Das wäre im Übrigen zu bejahen gewesen. Wenn der Antragsteller nachteilige (vor allem: Kosten-) Folgen hätte vermeiden wollen, dann hätte er jedenfalls diesen Bescheid zum Anlass nehmen müssen, die Hauptsache insoweit für erledigt zu erklären. Das hat er nicht getan.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 2 VwGO, der Streitwert aus §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2 RVG iVm Nr. 10 lit. f, 11 lit. b und 18 lit. b der regelmäßigen Streitwertannahmen des 1. und 9. Senats des Nds. Oberverwaltungsgerichts für Verfahren, die nach dem 1.1.2002 anhängig geworden sind (NdsVBl. 2002, 192 = NordÖR 2002, 197). Hier überschneiden sich die Rechtswirkungen von Nutzungsverbot und Beseitigungsanordnung in einem Maße, dass der vom Verwaltungsgericht gefundene Streitwert ausreicht.

Ende der Entscheidung

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