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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 20.02.2009
Aktenzeichen: 1 MN 28/09
Rechtsgebiete: NWaldLG, VwGO


Vorschriften:

NWaldLG § 2 Abs. 6
VwGO § 47 Abs. 6
Sollte auf der Grundlage von § 47 Abs. 6 VwGO eine Waldrodung in Vollzug eines Bebauungsplanes unterbunden werden können (offen gelassen im Senatsbeschluss vom 3.12.2008 - 1 MN 257/08 -, NordÖR 2009, 48), muss der Rechtssuchende jedenfalls auch für einen "Schiebebeschluss" substantiiert dartun, dass seine Rechte (schon) durch die Rodung betroffen werden.
Gründe:

Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Außervollzugsetzung des Bebauungsplanes Nr. 20 "Logistikzentrum an der Raffinerie - südliche Erweiterung" der Antragsgegnerin.

Der Rat der Antragsgegnerin hat den Bebauungsplan am 12. Februar 2009 als Satzung beschlossen; er ist am 13. Februar 2009 bekannt gemacht worden. Ebenfalls am 12. Februar 2009 erteilte die Antragsgegnerin offenbar einer Grundstücks- und Erschließungsgesellschaft eine Ausnahmegenehmigung nach § 43 BNatSchG für Waldrodungsarbeiten im Plangebiet.

Einen wegen der ab dem 19. Februar 2009 angesetzten Rodung gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat das Verwaltungsgericht Osnabrück mit Beschluss vom 17. Februar 2009 (- 2 B 4/09 -) abgelehnt. Für die laufende Woche sind die Rodungsarbeiten inzwischen eingestellt, sollen aber in der kommenden Woche wieder aufgenommen werden (vgl. Neue OZ online, Bericht vom 19.2.2009). Im Hinblick darauf regt der Antragsteller einen "Schiebebeschluss" des Senats vor abschließender Entscheidung über den Eilantrag an.

Diesen "Schiebebeschluss" erlässt der Senat nicht, auch wenn der stark beschleunigte Vollzug des Bebauungsplanes effektivem Rechtsschutz wenig zugute kommt.

Er hat sich mit der Frage, ob Rodungsarbeiten für den Vollzug eines Bebauungsplanes im Rahmen des § 47 Abs. 6 VwGO unterbunden werden können, bereits in zwei Entscheidungen auseinandergesetzt, von denen jedenfalls eine - der Beschluss vom 3. Dezember 2008 - 1 MN 257/08 -, NordÖR 2009, 48) den Beteiligten bekannt ist und hier nicht wiedergegeben werden muss. Die darin geäußerte Skepsis, ob entsprechender Rechtsschutz im Rahmen des Verfahrens nach § 47 Abs. 6 VwGO möglich ist, behält der Senat bei. Bereits zuvor hatte er in einem Beschluss vom 18. Februar 2008 (- 1 MN 34/08 -, n.v.) betont, dass auch im Zusammenhang mit einem Schiebebeschluss nur eigene Rechte des Betroffenen wehrfähig sind:

"Der Anregung des Antragstellers wird nicht entsprochen. Ob insoweit ein Rechtsschutzbedürfnis besteht, kann letztlich offen bleiben. Zwar entfällt das Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO, wenn für ein Vorhaben, das der Antragsteller abwenden will, bereits die erforderliche Genehmigung erteilt und damit die Planfestsetzung jedenfalls im Wesentlichen ausgenutzt worden ist, weil die Aussetzung eines Bebauungsplans gemäß § 47 Abs. 6 VwGO nur in die Zukunft wirkt und die Vollziehbarkeit eines Genehmigungsbescheides daher nicht mehr beeinflussen kann (vgl. Beschl. d. Sen. v. 23.6.2005 - 1 MN 46/05 -, NVwZ-RR 2005, 691; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 18.7.1996 - 8 S 1911/96 -, DÖV 1997, 556; OVG Münster, Beschl. v. 9.12.1996 - 11 aB 1710/96.NE -, NVwZ 1997, 1006; OVG Hamburg, Beschl. v. 19.7.2000 - 2 Bs 179/00 -, zitiert nach juris; dazu auch Finkelnburg, Dombert, Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 5. Aufl. 2008, Rdnr. 299, 612). Im Unterschied zur Erteilung einer Baugenehmigung, welche die Planfestsetzung ausnutzt, sind hier mit Bescheid vom 9. Februar 2008 nur Genehmigungen auf der Grundlage des Naturschutzrechts erteilt und ausgeführt worden, im Hinblick auf § 8 Abs. 2 Nr. 1 NWaldLG bedürfe es keiner Umwandlungsgenehmigung. Daher besteht zwischen beiden Sachlagen ein Unterschied; voraussichtlich ist daher das Rechtsschutzbedürfnis für einen sog. Schiebebeschluss nicht entfallen.

Die Möglichkeit, bis zur Entscheidung innerhalb dieses Verfahrens bereits begonnene Arbeiten zu stoppen, kann einem Antragsteller durch die Rechtsschutzgarantie aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG eröffnet sein. Erforderlich ist dazu unter anderem die Befürchtung aufgrund vollendeter Tatsachen könnten seine Ansprüche später tatsächlich nicht mehr durchzusetzen sein. Insoweit ist jedoch zu beachten, dass die Rechtsschutzgarantie nur den Schutz der eigenen Rechte des Betroffenen bezweckt und es deshalb des Hinweises auf eigene betroffene Rechte bedarf, um einen solchen vorbeugenden Schutzanspruch durchsetzen zu können. Hier ist nicht ersichtlich, dass ureigene Rechte des Antragstellers in Gefahr geraten, wenn durch die bereits begonnenen Rodungsarbeiten vollendete Tatsachen geschaffen werden. Der Antragsteller wohnt so weit vom Plangebiet entfernt, dass die Rodung der dort aufstehenden Bäume ihn nicht unmittelbar betrifft, was Klima oder Landschaftsbild angeht, wie dies der Fall wäre, wenn sein Grundstück unmittelbar an das Plangebiet angrenzte. Die Verwirklichung seiner Rechte, die er durch die Anfechtung des Bebauungsplans durchsetzen will, nämlich Verhinderung der Kohlekraftwerke, wird durch die nunmehr erfolgenden Arbeiten noch nicht vereitelt. Für die Richtigkeit dieser Überlegung spricht auch die Kontrollüberlegung, dass dem Betroffenen eine Antragsbefugnis und das Rechtsschutzbedürfnis zum Vorgehen gegen die für die konkrete Maßnahme erteilte Genehmigung zustehen müsste. Dies ist im Hinblick auf die für die Maßnahme erteilte Rodungsgenehmigung nicht zu erwarten, da der Antragsteller weder als Eigentümer noch als aus anderen Rechten Berechtigter an dem Grundstück noch als unmittelbarer Nachbar in seinen Rechten betroffen sein kann."

Ähnlich liegt der Fall auch hier. Das Verwaltungsgericht hat in seinem Beschluss vom 17. Februar 2009 (- 2 B 4/09 -), auf den Bezug genommen wird, ausführlich und zutreffend dargelegt, dass eine Verletzung von Rechten des Antragstellers durch die Rodungsmaßnahmen nach gegenwärtigem Erkenntnisstand fern liegt. Es obläge dem Antragsteller - worauf er mit Schreiben des Senatsvorsitzenden vom 18. Februar 2009 bereits hingewiesen worden ist -, seine Antragsbefugnis substantiiert darzutun. Das ist jedoch auch mit der weiteren Telefax-Stellungnahme vom 20. Februar 2009 nicht gelungen.

Zur Substantiierung der Antragsbefugnis gehören in Fällen wie dem vorliegenden, in denen Immissionsbelastungen für ein außerhalb des Plangebiets liegendes Grundstück geltend gemacht werden, als Grundvoraussetzung generell für Anträge nach § 47 Abs. 6 VwGO, erst recht aber für die Erlangung eines "Schiebebeschlusses" schon einmal regelmäßig Karten oder Pläne, aus denen die Lage dieses Grundstücks ersichtlich ist, sowie Angaben zur Nutzung des Grundstücks und seiner Umgebung, die erste Rückschlüsse auf die Schutzwürdigkeit und -bedürftigkeit zulassen. Je nach Art und Umfang der geltend gemachten Nachteile kann auch von Bedeutung sein, wo das Grundstück seine "Schokoladenseite" hat oder ob Außenwohnbereiche zu berücksichtigen sind (vgl. BVerwG, Beschl. v. 9.10.2008 - 9 PKH 2.08 -, NVwZ 2009, 55). Das ist für den gerichtlichen Eilrechtsschutz vor allem dann wichtig, wenn entsprechende Angaben auch in den im Planungsverfahren erhobenen Einwendungen nicht zu finden sind, weil die Einwender offenbar von der Vertrautheit der Gemeinde mit den örtlichen Gegebenheiten ausgehen. Hinzu kommt, dass die Adresse des Antragstellers (C. D. E.) zwar in Google maps und der "Niedersachsen-Karte" richtig, in Microsoft Live Search aber an falscher Stelle angezeigt wird, was zeigt, dass eigene Recherchen des Gerichts mit Risiken behaftet sind. Auch die Interpretation des bei Microsoft Live Search verfügbaren Luftbilds vom Außenbereichsgrundstück des Antragstellers ist ohne eigene Angaben des Antragstellers nicht abschließend möglich. Danach verfügt es zwar einerseits offenbar auch über einen eingefriedeten Garten, ist aber andererseits nach Norden und Westen von einem größeren Gewerbebetrieb eingerahmt, was seine Schutzwürdigkeit deutlich schmälern könnte (vgl. zum Schutzanspruch von Außenbereichswohngrundstücken: Senatsurt. v. 28.3.2008 - 1 KN 93/07 -, DVBl. 2008, 731).

Erst an solche Angaben zur Belegenheit kann sich eine Betrachtung anschließen, welche Emissionen von dem streitigen Vorhaben ausgehen und ob sie das betroffene Grundstück noch auf merkliche Weise berühren. Umso mehr gilt dies natürlich, soweit keine Immissionen, sondern Nachteile in Bezug auf die "Natureinbettung" eines Grundstücks geltend gemacht werden.

Unzutreffend ist die Annahme, bereits die Festlegung eines "Immissionspunktes" in der Schalltechnischen Untersuchung begründe schon eine die Antragsbefugnis begründende Schutzwürdigkeit der dort vorzufindenden Wohnbebauung. Immissionspunkte sind im Umkreis um das Plangebiet jeweils bei der nächstgelegenen Bebauung gesetzt worden, um die dortigen Lärmeinwirkungen überhaupt erst zu untersuchen. Das besagt für sich genommen nichts über die tatsächliche Betroffenheit. Als Ergebnis der Untersuchung wird jedenfalls in der Schalltechnischen Untersuchung festgehalten, dass die maßgeblichen Richtwerte am Immissionspunkt 3 um 10 bis 18 dB(A) unterschritten werden. Vor diesem Hintergrund bedürfte es erheblicher argumentativer Anstrengungen, wenn darin eine abwägungserhebliche Betroffenheit gesehen werden soll. Dafür reicht es nicht, unsubstantiiert in Zweifel zu ziehen, dass auf der privaten Gleisanlage prognostisch nur eine einzige Zugbewegung am Tag stattfinden wird.

An die eigene Betroffenheit des Rechtssuchenden sind auch mit Rücksicht auf den vom Antragsteller angeführten Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. April 2005 (- 4 VR 1005.04 -, BVerwGE 123, 241 = DVBl. 2005, 717) keine geringeren Anforderungen zu stellen. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht darin auch "mittelbar", d.h. nicht in ihrem Eigentum Betroffenen in weiterem Rahmen Rechtsschutz eingeräumt als zuvor. Zugrunde lag aber ein anderer Sachverhalt als hier. Es ging um einen Flughafenausbau, der mit baulichen und sonstigen Eingriffen verbunden war, die in den Worten des Bundesverwaltungsgerichts geeignet waren, das Gesicht des davon betroffenen Raumes weit über den vorhandenen Flughafen hinaus nachhaltig zu verändern. Diese Dimension hat das hier umstrittene Vorhaben nicht. Soweit das Verwaltungsgericht gleichwohl zugunsten des Antragstellers in diesem Zusammenhang erörtert hat, ob das Lärmschutzkonzept der Antragsgegnerin "schwerwiegende Defizite" aufweise, ergeben sich aus der Senatsrechtsprechung wohl nur geringere Anforderungen an die Bestimmtheit der Ausbreitungsberechnungsmethode. Mit Urteil vom 28. März 2008 (- 1 KN 93/07 -, a.a.O.) hat der Senat eine Bezugnahme auf die TA Lärm in textlichen Festsetzungen und eine Bezugnahme auf eine schalltechnische Beurteilung jeweils für ausreichend gehalten, wenn letztere hinreichend "verklammert" ist. Hier bezieht sich immerhin die Begründung zum Bebauungsplan auf die TA Lärm und verweist für weitere Einzelheiten auf eine mit Projektnummer bezeichnete gutachterliche Untersuchung, die auf ihrer Seite 9 erläutert, dass die DIN 45691 im Interesse der Vergleichbarkeit mit den Ergebnissen einer vorangegangenen Untersuchung für das Plangebiet Nr. 17 nicht herangezogen worden sei.

Darauf kommt es aber nicht entscheidend an, denn das Bundesverwaltungsgericht hat im Tenor seines Beschlusses vom 14. April 2005 (recherchierbar unter www.bverwg.de, Entscheidungssuche) vorbereitende Maßnahmen von der aufschiebenden Wirkung gerade ausgeschlossen, nämlich die in einem Plan mit den Überschriften "Vorabmaßnahmen", "Beräumung und Baufeldfreimachung" und "Vorflut und Grundwasserhaltung" beschriebenen Maßnahmen. Eine Rodung stellt in diesem Sinne nichts anderes als eine Baufeldfreimachung dar.

Schließlich ist auch die Annahme verfehlt, eine Rodung schaffe regelmäßig "vollendete Tatsachen", die eine weitere Rechtsverfolgung erschwerten. Im Rahmen der Waldbewirtschaftung werden die Bestände ohnehin in Abständen erneuert, so dass das zeitweilige Fehlen einer Bestockung für den Wald langfristig jedenfalls in dem Sinne keine größere Bedeutung hat, dass der Senat schon deshalb die Fläche als ihrer Waldeigenschaft beraubt ansähe (vgl. § 2 Abs. 6 NWaldLG). Ein nicht gerechtfertigter Kahlschlag ist auch faktisch nicht geeignet, die Bebaubarkeit eines Grundstücks zu erzwingen (vgl. Senatsurt. v. 5.9.2007 - 1 KN 47/07 -, RdL 2008, 260 = AUR 2008, 407).

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