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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 21.02.2005
Aktenzeichen: 1 NDH M 10/04
Rechtsgebiete: NDO, StGB
Vorschriften:
NDO § 11 | |
NDO § 91 | |
StGB § 184 b Abs. 1 Nr. 1 | |
StGB § 184 b Abs. 4 |
Gründe:
Die Beschwerde ist unbegründet. Denn die Disziplinarkammer hat die vorläufige Dienstenthebung des Antragstellers vom 21. Oktober 2004 zu Recht aufrechterhalten.
Die vorläufige Dienstenthebung begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
Nach § 91 NDO kann die Einleitungsbehörde einen Beamten vorläufig des Dienstes entheben, wenn - wie im vorliegenden Fall - das förmliche Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet worden ist. Diese Maßnahme, über die nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden ist, erlaubt es der Einleitungsbehörde, den unter dem Verdacht eines schweren Dienstvergehens stehenden Beamten zur Sicherung eines geordneten Dienstbetriebs, des Friedens in der Dienststelle oder des Ansehens der Behörde schon vor der disziplinargerichtlichen Entscheidung im förmlichen Disziplinarverfahren vom Dienst fern zu halten. Voraussetzung dafür ist nach der Gesetzessystematik aber der hinreichende Verdacht eines Dienstvergehens, das seiner Bedeutung nach eine Disziplinarmaßnahme erwarten lässt, die nur im förmlichen Disziplinarverfahren verhängt werden darf (vgl. NDH, Beschl. v. 15.9.2003 - 1 NDH M 7/03 -; Beschl. v. 23.6.2003 - 1 NDH M 2/03 -; Beschl. v. 16.1.2003 - 1 NDH M 5/02 -; Köhler/Ratz, Bundesdisziplinarordnung und materielles Disziplinarrecht, Kommentar, 2. Aufl., § 91 RdNr. 7 und 10; Claussen/Janzen, Bundesdisziplinarrecht, Kommentar, 8. Aufl., § 91 RdNr. 2 b). Daher muss der Beamte eines Dienstvergehens hinreichend verdächtig sein, das mindestens die Versetzung in ein Amt derselben Laufbahn mit geringerem Endgrundgehalt erfordert, weil Gehaltskürzungen nach § 30 Abs. 4 Nr. 1 NDO auch von der obersten Dienstbehörde verhängt werden können (NDH, Beschl. v. 15.9.2003 - 1 NDH M 7/03 -; Beschl. v. 23.6.2003 - 1 NDH M 2/03 -).
Im vorliegenden Fall besteht ein derartiger Verdacht, weil hinreichend wahrscheinlich ist, dass der Antragsteller durch den Besitz an kinderpornografischen Bilddateien und das Versenden von Bilddateien, die pornographische Abbildungen von Kindern oder jungen Mädchen enthalten, ein außerdienstliches Dienstvergehen begangen hat, das zu seiner Entfernung aus dem Dienst führen wird.
Ausweislich der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft C. (D.) sind bei einer polizeilichen Durchsuchung am 7. September 2004 auf der Festplatte des häuslichen PC des Antragstellers u. a. 9 Bilddateien sichergestellt worden, die kinderpornografische Abbildungen, d. h. pornografische Abbildungen unter 14 Jahre alter Kinder, enthielten. 5 der 9 Dateien waren bereits gelöscht, konnten aber neu erstellt werden. Durch die Besitzverschaffung und den Besitz an diesen Bilddateien hat sich der Antragsteller aller Voraussicht nach gemäß § 184 b Abs. 4 StGB strafbar gemacht. Dem kann der Antragsteller nicht entgegenhalten, die o. g. Bilddateien seien ihm unaufgefordert per e-mail zugesandt worden. Er habe sie auch nicht willentlich abgespeichert, vielmehr sei die Speicherung im Systemverzeichnis "Eigene Dateien/Eigene Bilder" beim Öffnen der Dateien automatisch, d. h. ohne sein Zutun, erfolgt. Denn diese Behauptung ist nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand nicht glaubhaft.
Bilddateien, die einem Internetnutzer per e-mail zugehen, werden zwar beim Öffnen der Dateien automatisch auf der Festplatte des PC abgespeichert. Die Speicherung erfolgt jedoch in einem Zwischenspeicher und nicht in dem Verzeichnis "Eigene Dateien/Eigene Bilder", wenn die Voreinstellung des PC nicht verändert worden ist. Da die kinderpornografischen Dateien nach dem Bericht der Polizeiinspektion E. vom 8. September 2004 (Bl. 19 f, 27 der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft) in dem Verzeichnis "Eigene Dateien/Eigene Bilder" aufgefunden worden sind, muss der Antragsteller sie entgegen seiner Behauptung willentlich in diesem Verzeichnis abgespeichert oder die Voreinstellung seines PC so verändert haben, dass die ihm per e-mail zugegangenen Bilddateien beim Öffnen automatisch in dem Verzeichnis "Eigene Dateien/Eigene Bilder" gespeichert worden sind. Daher ist mit hinreichender Sicherheit davon auszugehen, dass sich der Antragsteller den Besitz an den kinderpornografischen Bilddateien willentlich verschafft hat. Denn die Besitzverschaffung wäre ihm auch im Falle der Veränderung der Voreinstellung seines PC zuzurechnen.
Der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte ist des Weiteren zu entnehmen, dass der Antragsteller am 31. August und 2. September 2004 Dateien, die pornografische Abbildungen junger Mädchen enthalten, an verschiedene e-mail Adressen versandt hat. Dadurch dürfte er sich wegen des Verbreitens kinderpornografischer Schriften nach § 184 b Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar gemacht haben. Die Disziplinarkammer hat sich zwar außerstande gesehen, das Alter der abgebildeten Mädchen exakt zu bestimmen. Der Senat hält es jedoch für hinreichend wahrscheinlich, dass die Bilddateien unter 14 Jahre alte Mädchen, d. h. Kinder i. S. d. §§ 184 b Abs. 1 Nr. 1, 176 Abs. 1 StGB, zeigen.
Durch den Besitz und das Versenden der o. g. Bilddateien hat der Antragsteller eklatant gegen die sich aus § 62 Satz 3 NBG ergebende Pflicht verstoßen, sein Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes so einzurichten, dass es der Achtung und dem Vertrauen gerecht wird, die sein Beruf erfordert.
Zu den Dienstpflichten der Lehrer, die den umfassenden Bildungsauftrag der Schule (§ 2 NSchG) zu erfüllen haben, gehört nicht nur der Unterricht, sondern auch die Erziehung der ihnen anvertrauten Schüler. Die Lehrer sollen die Schüler mit dem geltenden Wertesystem und den Moralvorstellungen der Gesellschaft bekannt machen und sie zu deren Einhaltung anhalten. Damit der Erziehungsauftrag mit der notwendigen Überzeugung und Glaubwürdigkeit erfüllt werden kann, ist von einem Lehrer eine besondere Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit auf sittlichem Gebiet zu verlangen. Dieser Anforderung wird ein Lehrer nicht gerecht, wenn er gravierend gegen geltende Moralvorstellungen verstößt, weil er sich dadurch als Erzieher und Vorbild der ihm anvertrauten Schüler untragbar macht. Daher stellen sowohl der Besitz an kinderpornografischen Bilddateien als auch das Versenden von kinderpornografischen Abbildungen oder Abbildungen im Grenzbereich zur Kinderpornografie schwere Verletzungen der Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes dar. Folglich hat sich der Antragsteller nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand eines schwerwiegenden Dienstvergehens i. S. d. § 85 Abs. 1 Satz 2 NBG schuldig gemacht.
Bei der in diesem Verfahren nur möglichen summarischen Prüfung ist hinreichend wahrscheinlich, dass dieses Dienstvergehen zur Entfernung des Antragstellers aus dem Dienst (§ 11 NDO) führen wird. Die Entfernung eines Beamten aus dem Dienst setzt voraus, dass das für die Aufrechterhaltung des Beamtenverhältnisses unerlässliche Vertrauensverhältnis zwischen dem Dienstherrn und dem Beamten endgültig zerrüttet ist (vgl. NDH, Beschl. v. 23.06.2003 - 1 NDH M 2/03 -). Das ist nach dem derzeitigen Stand der Erkenntnis hier aller Voraussicht nach der Fall.
Angesichts der eingangs beschriebenen Dienstpflichten ist gerade von einem Lehrer zu erwarten, dass er nicht gegen Strafbestimmungen verstößt, die - wie § 184 b Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 StGB - zum Schutz der Menschenwürde und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts von Kindern erlassen worden sind. Denn ein entsprechendes Verhalten ist nicht nur strafbar, sondern auch sittenwidrig, hochgradig sozialschädlich und besonders verwerflich (vgl. BVerwG, Urt. v. 6.7.2000, a.a.O.; Urt. v. 19.6.1996 - BVerwG 2 WD 3.96 - BVerwGE 101, 349 f.; OVG Lüneburg, Urt. v. 18.11.2004 - 3 LD 1/03 -). Außerdem trägt der Besitz kinderpornographischer Darstellungen mittelbar dazu bei, dass Kinder sexuell missbraucht werden, weil die Nachfrage nach kinderpornografischen Abbildungen immer wieder den Anreiz schafft, derartige Bilder herzustellen und dazu Kinder sexuell zu missbrauchen (vgl. BVerwG, Urt. v. 6.7.2000 - 2 BD 9/00 - BVerwGE 111, 291; OVG Lüneburg, Urt. v.18.11.2004, a.a.O.). Daher beweist ein Lehrer, der sich kinderpornografische Abbildungen verschafft, diese besitzt oder gar versendet, gravierende Persönlichkeitsmängel und zerstört regelmäßig das Vertrauen des Dienstherrn, der Schüler und ihrer Eltern in seine Zuverlässigkeit und moralische Integrität von Grund auf. Folglich führt das o. g. Fehlverhalten bei Lehrern in aller Regel zu ihrer Entlassung aus dem Dienst. Das gilt nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen auch im vorliegenden Fall, weil besondere Umstände, die ausnahmsweise eine mildere Disziplinarmaßnahme rechtfertigen könnten, nicht ersichtlich sind.
Der Disziplinarkammer ist darin zuzustimmen, dass sich pädophile Neigungen des Antragstellers nicht hinreichend sicher ausschließen lassen. Auch kann von einem einmaligen Versagen keine Rede sein, weil dem Antragsteller nicht nur der Besitz, sondern auch das Verbreiten kinderpornografischer Bilddateien zur Last zu legen ist. Dem kann der Antragsteller nicht entgegenhalten, er habe die Bilddateien nur versandt, um nicht durch weitere Anfragen nach derartigen Dateien belästigt zu werden. Denn diese Einlassung erscheint dem Senat nicht glaubhaft und ist daher als bloße Schutzbehauptung zu werten.
An der disziplinarischen Bewertung des Fehlverhaltens des Antragstellers würde sich im Übrigen aber auch dann nichts ändern, wenn die vom Antragsteller versandten Bilddateien nicht Kinder, sondern Jugendliche zeigen sollten. In diesem Fall wäre das Versenden der Dateien zwar nicht strafbar. Die Disziplinarkammer hat aber zu Recht darauf hingewiesen, dass dem Versenden der Bilddateien auch dann, wenn es strafrechtlich nicht relevant sein sollte, ein erhebliches disziplinarisches Gewicht zukäme. Denn das Versenden von Bildern im Grenzbereich zur Kinderpornografie ist ebenfalls geeignet, das Vertrauen, das der Dienstherrn, die Schüler und ihre Eltern einem Lehrer entgegenbringen müssen, nachhaltig zu zerstören. Daher ist hinreichend sicher, dass der Antragsteller auch dann aus dem Dienst zu entfernen wäre, wenn die von ihm versandten Bilddateien keine Kinder, sondern Minderjährige jugendlichen Alters zeigen sollten.
Damit liegen nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand die Voraussetzungen für die vorläufige Dienstenthebung des Antragstellers vor. Die Verfügung vom 21. Oktober 2004 lässt auch keine Ermessensfehler erkennen.
Ende der Entscheidung
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