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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 03.06.2009
Aktenzeichen: 10 LC 217/07
Rechtsgebiete: NGO


Vorschriften:

NGO § 111 Abs. 4 S. 1
NGO § 39a S. 2
1. Der Auskunftsanspruch des Ratsmitglieds gegen den Bürgermeister erstreckt sich auch auf Angelegenheiten der Gemeinde, für deren Wahrnehmung sich diese einer GmbH bedient.

2. Der Auskunftsanspruch erfasst nur Gegenstände, von denen der Bürgermeister in seiner Eigenschaft als Leiter der Gemeindeverwaltung oder als gesetzlicher Vertreter der Gemeinde nach außen Kenntnis erlangt hat bzw. erlangen kann.


Tatbestand:

Der Kläger, der Vorsitzender der Fraktion der FDP im Rat der Stadt Wilhelmshaven ist, begehrt vom beklagten Oberbürgermeister Auskünfte gemäß § 39a Satz 2 NGO.

Die Stadt Wilhelmshaven gründete durch einen notariell beurkundeten Gesellschaftsvertrag vom 25. September 1998 mit dem Allgemeinen Wirtschaftsverband Wilhelmshaven-Friesland e.V. die "WFG Wirtschaftsförderung in Wilhelmshaven GmbH". Nach § 2 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages ist Gegenstand des Unternehmens "die Verbesserung der Struktur des Wirtschaftsraumes Wilhelmshaven durch Entwicklung und Förderung von Industrie, Handwerk, Gewerbe, Handel und Dienstleistungen auf allen Gebieten und Entwicklung des Arbeitsmarktes". Die Stadt hielt gemäß § 4 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages 51 %, der Allgemeine Wirtschaftsverband 49 % der Anteile. In den laut Gesellschaftsvertrag zu bestellenden Aufsichtsrat entsandte die Stadt den zuständigen Fachdezernenten für die Wirtschaftsförderung bzw. bei dessen Verhinderung einen in § 9 Abs. 1a) des Gesellschaftsvertrages bestimmten Vertreter sowie weitere vier vom Rat benannte Mitglieder, der Allgemeine Wirtschaftsverband entsandte vier Mitglieder. Die nicht durch andere Einnahmen gedeckten Kosten für den laufenden Betrieb (Erfolgsplan) der WFG wurden nach § 7 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages von der Stadt Wilhelmshaven im Rahmen der von dem Rat der Stadt zu genehmigenden Wirtschaftspläne der WFG bis maximal 1,0 Mio. DM jährlich übernommen; eine Übernahme von ungedeckten Kosten durch den Allgemeinen Wirtschaftsverband kam nicht in Betracht.

Seit Neufassung des Gesellschaftsvertrages durch notariellen Vertrag von Mitte Januar 2008 ist die Stadt Wilhelmshaven alleiniger Gesellschafter der WFG (§ 4 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages n.F.). Der Aufsichtsrat besteht jetzt nach § 8 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages n.F. aus 7 Mitgliedern, dem Oberbürgermeister als geborenem Mitglied und 6 Ratsmitgliedern. Die Ratsmitglieder werden vom Rat der Stadt Wilhelmshaven gemäß § 51 Abs. 2 Niedersächsische Gemeindeordnung benannt. Fraktionen und Gruppen, welche aufgrund der Verteilung der Aufsichtsratsmandate kein Mitglied in den Aufsichtsrat entsenden können, haben das Recht je ein zusätzliches Mitglied mit beratender Stimme in den Aufsichtsrat zu entsenden.

Im Wirtschaftsplan 2005 der WFG ist unter den Überschriften "Sonstige betriebliche Aufwendungen - Für politische Schwerpunkte" ein nicht näher erläuterter Posten "Honorare 152.700,00 Euro" enthalten. Mit Schreiben vom 25. April 2005 bat der Kläger den Beklagten diesbezüglich um Beantwortung folgender Fragen:

" 1. Auf wie viele Personen teilt sich diese Gesamtsumme der Honorare auf?

2. Welche Summe erhält eine Person maximal pro Jahr?

3. Nach welchen Kriterien sind die Personen ausgesucht?

4. Wer bestimmt die Personen und handelt mit ihnen die Honorare aus?

5. Was sind die Leistungen der Honorarempfänger?

6. Gibt es eine Erfolgsabhängigkeit der Honorare?

7. Werden die Leistungen der Honorarempfänger geprüft?

8. Welchen Nutzen hatte die WFG/Stadt Wilhelmshaven bisher von der Tätigkeit der Honorarempfänger?

9. Sind schon Personen wegen mangelnder Erfolge aus dem Kreis der Honorarempfänger ausgeschieden?"

Der Beklagte lehnte die Beantwortung dieser Fragen in der Ratssitzung am 11. Mai 2005 sowie erneut mit an den Kläger gerichtetem Schreiben vom 1. Juni 2005 ab. Dem Schreiben beigefügt war eine Stellungnahme des Rechtsamts vom 26. Mai 2005, nach deren Inhalt nicht die Bewertung geteilt werde, dass sich das Auskunftsrecht nach § 39a Satz 2 NGO auch darauf erstrecke, was dem Oberbürgermeister als Vertreter der Stadt in der Gesellschafterversammlung oder im Aufsichtsrat der WFG zur Kenntnis gelangt sein sollte. Die Angelegenheiten der GmbH seien nicht Angelegenheiten der Gemeinde. Die WFG habe eine von der Gemeinde losgelöste eigenständige Rechtspersönlichkeit als juristische Person des privaten Rechts. Den Organen der WFG gehöre der Oberbürgermeister nicht als gesetzlicher Vertreter an. Selbst wenn er dort Wissen erlangt haben sollte, habe er es also nicht als gesetzlicher Vertreter der Gemeinde erlangt und müsse es mithin nicht offenbaren. Die kleine Anfrage habe auch nicht etwa die Ausstattung der Gesellschaft mit den erforderlichen Finanzmitteln zum Gegenstand, sondern das Geschäftsgebaren der Gesellschaft selbst. Sie seien damit auf gesellschaftsinterne Entscheidungen der WFG gerichtet und nicht etwa auf Entscheidungen der Gemeinde. Das einzelne Ratsmitglied habe ebenso wenig wie der Rat als ganzes ein Auskunftsrecht gegenüber dem Oberbürgermeister in Angelegenheiten einer städtischen Beteiligungs- oder Eigengesellschaft, soweit sich die Auskunft nicht auf Kenntnisse des Oberbürgermeisters beschränke, die dieser aus seiner Tätigkeit als gesetzlicher Vertreter der Gemeinde gegenüber der anderen juristischen Person gewonnen habe.

Die Kommunalaufsicht im Niedersächsischen Ministerium für Inneres und Sport teilte nach Überprüfung der an sie gerichteten Eingabe des Klägers diesem mit Schreiben vom 13. Juni 2005 mit, das Verhalten des Oberbürgermeisters, ihm die gewünschten Informationen nicht zu geben, sei nicht beanstanden.

Der Kläger hat daraufhin am 13. Oktober 2005 Klage erhoben.

Er hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, ihm auf die vorstehenden neun Fragen Auskunft zu erteilen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit Urteil vom 21. August 2007 überwiegend stattgegeben und den Beklagten verurteilt, auf folgende Fragen Auskunft zu erteilen:

- Auf wie viele Personen teilt sich die im Haushaltsplan für 2005 der Wirtschaftsförderung in Wilhelmshaven GmbH (WFG) ausgewiesene Summe für Honorare in Höhe von 152.700,-- Euro auf?

- Welche Summe erhält eine Person maximal pro Jahr?

- Nach welchen Kriterien sind die Personen ausgesucht?

- Wer bestimmt die Personen und handelt mit ihnen die Honorare aus?

- Was sind die Leistungen der Honorarempfänger?

- Gibt es eine Erfolgsabhängigkeit der Honorare?

- Werden die Leistungen der Honorarempfänger geprüft?

- Sind schon Personen wegen mangelnder Erfolge aus dem Kreis der Honorarempfänger ausgeschieden?

Hinsichtlich der im Tatbestand wiedergegebenen Frage 8 hat es die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt:

Der Kläger habe keinen Anspruch aus § 39a Satz 2 NGO auf Beantwortung der Frage 8. Der Auskunftsanspruch beziehe sich nur auf Tatsachen, nicht auf rechtliche oder gar politische Bewertungen, Einschätzungen oder Beurteilungen bestimmter Sachverhalte. Die Frage 8 sei aber auf eine politische oder wirtschaftliche Bewertung der Tätigkeit der Honorarempfänger gerichtet. Der in ihr verwendete Begriff "Nutzen" impliziere eine subjektive Bewertung dieser Tätigkeiten, die vom Beklagten erbeten werde. Vollends klar werde dies, wenn man Frage 8 im Zusammenhang mit den anderen Fragen betrachte. Denn nach den Tatsachen "Gegenstand der Leistungen" (Frage 5), "Erfolgsabhängigkeit der Tätigkeit" (Frage 6) und "bisherige Fälle, in denen dieser Erfolg ausblieb" (Frage 9) sei bereits gefragt worden. Vor diesem Hintergrund könne Frage 8 sich nur noch darauf beziehen, inwiefern der Beklagte diese Tätigkeiten subjektiv für nützlich halte.

Dagegen bezögen sich die Fragen 1 bis 7 und 9 auf Tatsachen in "Angelegenheiten der Gemeinde". Dem Kläger stehe insofern ein Anspruch gegen den Beklagten auf Beantwortung zu.

Das Auskunftsrecht des Ratsmitgliedes nach § 39a Satz 2 NGO bestehe umfassend für alle Angelegenheiten der Gemeinde im eigenen wie im übertragenen Wirkungskreis. Eine gewisse inhaltliche Begrenzung liege jedoch darin, dass sich der Auskunftsanspruch gegen den Bürgermeister richte. Die Frage müsse sich daher auf einen Gegenstand beziehen, über den der Bürgermeister im Rahmen seiner Zuständigkeit, also in erster Linie als Leiter der Gemeindeverwaltung oder als Vertreter der Gemeinde nach Außen, Kenntnis erlangt habe oder erlangen könne. Ob hierzu auch das Wissen gehöre, das der Bürgermeister als Vertreter der Gemeinde in Unternehmen und Einrichtungen nach § 111 NGO erlangt habe, bedürfe keiner Entscheidung. Denn unabhängig davon, ob der Bürgermeister Mitglied in den Unternehmensorganen sei, beziehe sich der Auskunftsanspruch eines Ratsmitglieds jedenfalls auf diejenigen Angelegenheiten einer öffentliche Aufgaben der Gemeinde wahrnehmenden GmbH, über die der Bürgermeister seinerseits als gesetzlicher Vertreter der Gesellschafterin "Gemeinde" gemäß § 51a Abs. 1, 2 GmbHG von der Gesellschaft Auskunft verlangen könne. Auch diese Angelegenheiten seien "Angelegenheiten" der Gemeinde. Wenn eine gemischtwirtschaftliche GmbH, an der die Gemeinde die absolute Mehrheit der Anteile halte, materiell öffentliche Aufgaben der Gemeinde ausübe, dürfe der Bürgermeister Auskünfte über ihre Tätigkeit nicht mit dem Argument verweigern, die Aufgabenerfüllung vollziehe sich formell im Rahmen einer eigenständigen juristischen Person des Privatrechts und sei deshalb keine Angelegenheit der Gemeinde mehr. Ein Hoheitsträger könne sich öffentlich-rechtlichen Auskunftsansprüchen nicht dadurch entziehen, dass er zur Erfüllung seiner hoheitlichen Aufgaben eine privatrechtliche Rechtsform wähle.

Bei den von der WFG wahrgenommenen Aufgaben handele es sich um Angelegenheiten, des eigenen Wirkungskreises der Stadt Wilhelmshaven im Sinne des § 4 NGO. Wirtschaftsförderung, die zur Erhaltung, Sicherung und Schaffung von Arbeits- oder Ausbildungsplätzen in der Gemeinde, zur Sicherung der örtlichen Wirtschafts- und Steuerkraft oder aus vergleichbaren Gründen im Interesse der wirtschaftlichen Unabhängigkeit, Wettbewerbsfähigkeit und Daseinsvorsorge der Gemeinde betrieben werde, sei eine originäre kommunale Aufgabe.

Die vom Kläger begehrten Auskünfte könnten auch für die Ausübung seines Ratsmandates relevant sein. Gesellschaftsvertrag und Gesetz räumten dem Rat eine Reihe von Einflussmöglichkeiten auf Gesellschaften ein, an denen die Gemeinde beteiligt sei. Wie der Kläger sein Ratsmandat in diesem Zusammenhang ausübe, könne für ihn durchaus von der Antwort auf die gestellten Fragen abhängen. So sei es ohne weiteres nachvollziehbar, dass der Kläger bei der Genehmigung des Wirtschaftsplanes der WFG durch den Rat wissen wolle, was sich hinter den Posten - hier: "Honorare 152.700,-- Euro" - im Einzelnen verberge. Ergäbe sich aus den Antworten, dass die WFG im Jahre 2005 Gelder in einer Weise verwendet habe, die der Kläger als Verschwendung betrachte, könnte er darauf hinwirken, dass der Rat zukünftig nur noch geringere Ausgaben genehmige. Er könnte darüber hinaus auf Weisungen an die Gemeindevertreter in der Gesellschafterversammlung (§ 111 Abs. 1 Satz 2 NGO) hinwirken, etwa im Hinblick auf Änderungen des Gesellschaftsvertrages, die solche Vorkommnisse in Zukunft ausschlössen, im Hinblick auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen Geschäftsführer oder Mitglieder des Aufsichtsrats oder im Extremfall gar im Hinblick auf die Auflösung der Gesellschaft, wenn er der Ansicht sein sollte, dass die Stadt angesichts der Ausgabenpraxis der WFG die Aufgabe "Wirtschaftsförderung" besser wieder unmittelbar selbst wahrnehmen sollte. Sollten Einzelhonorare über 50.000 DM gelegen haben, so dass sie nach § 8 Abs. 3 Satz 2 des Gesellschaftsvertrages der Genehmigung des Aufsichtsrates unterlagen, könnte der Kläger im Rat die Abberufung der von der Stadt entsandten Aufsichtsratsmitglieder fordern.

Eine von der Gemeinde durch privatrechtlichen Vertrag gegründete GmbH sei im Hinblick auf ihre Selbstständigkeit von der Gemeinde nicht mit einer Sparkasse oder einem öffentlich-rechtlichen Abwasserzweckverband vergleichbar. Aus der baden-württembergischen und sächsisch-anhaltinischen Rechtsprechung dazu, dass Angelegenheiten von Sparkassen und Abwasserzweckverbänden keine Gemeindeangelegenheiten im Sinne des kommunalrechtlichen Auskunftsanspruchs seien, könne deshalb - entgegen der Auffassung des Beklagten - für den vorliegenden Fall nichts abgeleitet werden.

Auch die Vertraulichkeit der erbetenen Informationen rechtfertige die Verweigerung der Auskunft nicht. § 39a Satz 2 2. Halbsatz NGO schließe den Auskunftsanspruch nur in den nach § 5 Abs. 3 NGO geheimhaltungsbedürftigen Angelegenheiten des übertragenen Wirkungskreises aus (etwa in Verteidigungs- oder Zivilschutzfragen). Für allgemein vertraulich zu behandelnde Angelegenheiten sei das Auskunftsrecht dagegen vom Gesetzgeber nicht ausgeschlossen worden. Berechtigte Geheimhaltungsinteressen Dritter, etwa unter dem Aspekt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, und die allgemeinen Grundsätze des Datenschutzes müssten zwar gewahrt werden. Dies sei aber dadurch gewährleistet, dass der Kläger als Ratsmitglied nach § 25 NGO der Amtsverschwiegenheit unterliege. Nach den unter Datenschutzaspekten besonders sensiblen Namen der Honorarempfänger habe der Kläger überdies nicht gefragt.

Gesellschaftsrechtliche Schweigepflichten stünden der Beantwortung der Fragen durch den Beklagten ebenfalls nicht entgegen. Zwar verpflichte § 52 Abs. 1 GmbHG in Verbindung mit §§ 116, 93 Abs. 1 AktG den Beklagten als Aufsichtsratsmitglied der WFG zur Verschwiegenheit. Doch müsse er hier kein Wissen offenbaren, das er als Aufsichtsratsmitglied der WFG erlangt habe. Von Bedeutung sei nur, dass sich die Fragen des Klägers auf Tatsachen bezögen, über die der Beklagte als gesetzlicher Vertreter der Stadt Wilhelmshaven von der WFG Auskunft verlangen könne. Gemäß § 51a GmbHG hätten die Geschäftsführer der Gesellschaft jedem Gesellschafter auf Verlangen unverzüglich Auskunft über alle Angelegenheiten der Gesellschaft zu geben. Eine Auskunftsverweigerung sei nach § 51a Abs. 2 nur bei Gefahr einer gesellschaftsfremden und gesellschaftsschädigenden Verwendung der Informationen und nur durch Gesellschafterbeschluss möglich - d. h. also praktisch nie gegen den Willen des Mehrheitsgesellschafters. Der Gegenstand des Auskunftsanspruchs des Gesellschafters beziehe sich nicht nur auf Vorgänge aus dem Zuständigkeitsbereich der Geschäftsführer, sondern auch auf Vorgänge die sich beispielsweise im Aufsichtsrat abgespielt hätten; er eröffne dem Gesellschafter Einblick in alle internen Papiere der Gesellschaft, in die gesamte Geschäftskorrespondenz und sogar in die Protokolle der Aufsichtsratssitzungen.

Als Gesellschafterin der WFG könne damit die Stadt Wilhelmshaven nach § 51a GmbHG von der WFG auch Auskunft über die Vorgänge verlangen, auf die sich die Fragen des Klägers bezögen. Der Auskunftsanspruch werde von einer Gemeinde dergestalt geltend gemacht, dass ihr gesetzlicher Vertreter - nach § 63 Abs. 1 Satz 2 NGO der Bürgermeister - von der durch ihre Geschäftsführer vertretenen Gesellschaft die Auskunft verlange und deren Antwort als gesetzlicher Vertreter der Gemeinde entgegennehme. Dem stehe § 63 Abs. 1 Satz 3 NGO nicht entgegen.

Auch der Umstand, dass der Beklagte in seiner Funktion als Aufsichtratsmitglied die Antworten auf die Fragen des Klägers möglicherweise bereits kenne, stehe einer Auskunftserteilung auf dem oben beschriebenen Weg nicht entgegen. Zwar dürfe er sein als Aufsichtsratsmitglied bereits erworbenes Wissen möglicherweise wegen der gesellschaftsrechtlichen Verschwiegenheitspflicht der Aufsichtsräte nicht weitergeben. Dies ändere aber nichts daran, dass er dem Kläger nach § 39a Satz 2 NGO in allen Angelegenheiten der Gemeinde über alle Tatsachen Auskunft erteilen müsse, von denen er als gesetzlicher Vertreter der Gemeinde Kenntnis erlangen könne (und nicht nur über solche, von denen er bereits Kenntnis erlangt habe). Mit derzeitigem Nichtwissen dürfte der Bürgermeister die Auskunft nicht verweigern, wenn er sich das erforderliche Wissen im Rahmen seiner Befugnisse als gesetzlicher Vertreter der Gemeinde unschwer beschaffen könne. Gleiches müsse gelten, wenn er das Wissen derzeit in einer Funktion erlangt habe, in der er es nicht weitergeben dürfe, er es sich aber jederzeit erneut in seiner Funktion als gesetzlicher Vertreter der Gemeinde beschaffen könnte. Die in § 111 Abs. 4 NGO normierte Berichtspflicht der Gemeindevertreter in den Gesellschaftsorganen schließe die Anwendung des § 39a Satz 2 NGO nicht aus. Beide Vorschriften stünden gleichberechtigt nebeneinander und nicht im Verhältnis Spezialnorm-Allgemeine Norm zueinander, so dass die eine nicht etwa als lex specialis die andere verdränge. Beide Normen hätten unterschiedliche Anwendungsbereiche.

Der Beklagte hat am 14. September 2007 die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zugelassene Berufung eingelegt, soweit der Klage stattgegeben worden ist.

Der Kläger hat am 12. Oktober 2007 Anschlussberufung eingelegt, soweit die Klage abgewiesen worden ist.

Der Beklagte trägt zur Begründung seiner Berufung im Wesentlichen vor:

Es sei nicht nachvollziehbar, aus welchem Rechtsgrund der Bürgermeister als gesetzlicher Vertreter der Gesellschafterin Wissen bezüglich der im Wirtschaftsplan ausgewiesenen Summen für Honorare erwerben müsse und dieses Wissen rechtlich als "Angelegenheit der Gemeinde" i. S. v. § 39a Satz 2 NGO einzuordnen sei. Rein nach dem Gegenstand der Fragen müsse bereits inhaltlich davon ausgegangen werden, dass die Fragestellungen innerorganisatorische Zusammenhänge der GmbH beträfen. Für die Entgegennahme von Rechenschaftsberichten u. ä. seien die Organe der GmbH zuständig. Eine Verpflichtung zur Auskunft anzunehmen, würde auch dem Sinn und Zweck der Gründung der GmbH widersprechen. Diese sei gegründet worden, um eine Kooperation mit Dritten zu ermöglichen, und ein Auskunftsrecht einzelner Ratsherrn könnte den Interessen dieses Dritten zuwiderlaufen. Es sei zwar richtig, dass der Bürgermeister der Gesellschaft als Außenvertreter der Gemeinde gegenübertrete, wenn die Gemeinde als Gesellschafterin Auskünfte begehre. Doch habe das zuständige Gemeindeorgan und nicht der Bürgermeister zu entscheiden, ob sie das wolle. Über Angelegenheiten einer Gesellschaft der Gemeinde erlange der Bürgermeister Kenntnis oder könne er Kenntnis erlangen nicht im Rahmen seiner Zuständigkeit als Amtsinhaber, sondern nur als Vertreter der Gemeinde i. S. d. § 111 NGO. In dieser Funktion oblägen ihm nur die Auskunftspflichten des § 111 Abs. 4 NGO. Der Gesetzgeber habe durch § 111 NGO dafür Sorge getragen, dass umfassende Einflussmöglichkeiten der Gemeinde auf die Geschäftspolitik der Gesellschaft gewährleistet seien. Dieses geschehe u.a. durch die in § 111 Abs. 3 NGO normierte Verpflichtung der Gemeinde, bei der Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrages einer Kapitalgesellschaft darauf hinzuwirken, dass - wie geschehen - ihr das Recht eingeräumt werde, Mitglieder in einen Aufsichtsrat zu entsenden.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 1. Kammer - vom 21. August 2007 zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen

sowie

die Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 1. Kammer - vom 21. August 2007 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm auch auf folgende Frage Auskunft zu erteilen:

"Welchen Nutzen hatte die WFG/Stadt Wilhelmshaven bisher von der Tätigkeit der Honorarempfänger?"

sowie

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Er führt im Wesentlichen aus:

Die Frage, wie mit dem Geld der Gemeinde verfahren werde und welche Vorgehensweise zur Verteilung der Gelder eingeschlagen werde, müssten die Ratsmitglieder beantwortet haben, um überhaupt beurteilen zu können, ob und in welcher Höhe die GmbH Gelder für Honorare zur Verfügung stellen könne und müsse. Die Entscheidungsträger müssten einen Anspruch auf Transparenz haben, da sie den Bürgern gegenüber verpflichtet seien, dafür zu sorgen, dass öffentliche Mittel nicht verschwendet würden. Nur wenn die Vergabepraxis für die Honorare durchsichtig sei, könne die Ausgabe der entsprechenden Gelder nachvollzogen werden. Der Zweck des § 39a Satz 2 NGO gebiete eine solche Auslegung. Dem Beklagten könne nicht daran gelegen sein, durch Verweigerung von Auskünften den Anschein einer Vetternwirtschaft zu erzeugen. Nicht nachvollziehbar sei, weshalb der Auskunftsanspruch dem Sinn und Zweck der Gründung der GmbH widerspräche. Wenn mit einem Dritten Leistungen vereinbart worden seien, die auf realistischer Basis vergütet würden, könne der Dritte, dessen Name nicht genannt werde, nichts dagegen haben, dass Auskunft über das Zustandekommen des Vertrages mit ihm erteilt werde.

Das Verwaltungsgericht hätte der Klage in vollem Umfang stattgeben müssen. Denn auch die Frage 8 beziehe sich ausschließlich auf Tatsachen. Es solle Auskunft erteilt werden, welche Konsequenzen die WFG/Stadt Wilhelmshaven aus den Ergebnissen der Tätigkeit der Honorarempfänger gezogen habe und in welchem Umfang dadurch andere Sachverhalte hätten vereinfacht, Probleme gelöst und Vorgänge beschleunigt werden können. Die Ausgabe erheblicher Gelder für Honorare sei nur dann notwendig, wenn sie einen verifizierbaren und objektivierbaren Sinn habe. "Nutzen" sei die Darstellung eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen der Tätigkeit der Honorarempfänger und Maßnahmen im Sinne des Gesellschaftszweckes. Ein solcher beruhe nicht nur auf subjektiven Einschätzungen, sondern sei objektivierbar und somit für Außenstehende darstellbar.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der eingereichten Vorgänge des Klägers, die in ihren wesentlichen Teilen Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung des Beklagten ist nicht begründet (1.). Der Kläger hat gemäß § 39a Satz 2 NGO Anspruch darauf, dass der Beklagte ihm auf die bezüglich des Wirtschaftsplans der WFG gestellten Fragen 1 bis 7 sowie 9 Auskunft erteilt. Die Anschlussberufung des Klägers ist unzulässig und im Übrigen auch nicht begründet (2.). Der Kläger kann nicht darüber hinausgehend erfolgreich auch Auskunft auf seine gestellte 8. Frage beanspruchen. Dies hat das Verwaltungsgericht zu Recht entschieden.

1. Nach § 39a Satz 2 NGO kann jede Ratsfrau und jeder Ratsherr zum Zweck der eigenen Unterrichtung von der Bürgermeisterin oder dem Bürgermeister Auskünfte in allen Angelegenheiten der Gemeinde verlangen; dies gilt nicht für Angelegenheiten, die der Geheimhaltung unterliegen (§ 5 Abs. 3 Satz 1 NGO).

Das Auskunftsrecht der Ratsfrauen und Ratsherren zum Zwecke der Unterrichtung ist - wie der Informationsanspruch von Abgeordneten gegenüber der Landesregierung (vgl. dazu: SaarlVerfGH, Urt. v. 31.10.2002 - Lv 1/02 - NVwZ-RR 2003, 81; BayVerfGH, Entscheid. v. 17.7.2001 - Vf. 56-IVa-00 - NVwZ 2002, 715 = BayVBl 2001, 657) - Ausfluss der Mitgliedschaft im (Kommunal-) Parlament, dem im demokratischen Rechtsstaat vor allem die Aufgabe zukommt, an der Gesetzgebung mitzuwirken und die Kontrolle über die Exekutive auszuüben; einer ausdrücklichen Regelung des Informationsanspruchs in § 39a Satz 2 NGO hätte es daher nicht zwingend bedurft (vgl. auch Wefelmeier in: KVR-NGO, Stand: Dezember 2008, § 39a NGO, RdNr. 19, m.w.N.). Dem Ratsmitglied kommen - ebenso wie dem Abgeordneten im Landtag - aufgrund seines Mandats das Recht und die Pflicht zu, eigenverantwortlich an den Aufgaben mitzuwirken, die der Rat - bzw. das Parlament - zu erfüllen hat. Zu einer effektiven Wahrnehmung der Aufgaben, mit denen Ratsmitglieder und Parlamentarier vom Wähler beauftragt sind, in Gemeinderat bzw. Landtag sowie in deren Ausschüssen sind Ratsmitglieder ebenso wie Parlamentarier auf Landesebene angesichts der Vielzahl und Komplexität der dort zu beurteilenden Gegenstände auf Informationen aus dem Bereich der Verwaltung angewiesen.

Vor diesem Hintergrund eines ungeschriebenen verfassungsunmittelbaren Informationsanspruchs eines jeden Ratsmitglieds/Parlamentariers gegenüber "seiner" Verwaltung muss das in § 39a Satz 2 NGO normierte Auskunftsrecht umfassend dahingehend verstanden werden, dass es für alle Angelegenheiten der Gemeinde besteht, also für die Angelegenheiten sowohl des eigenen als auch des übertragenen Wirkungskreises (vgl. Wefelmeier, a.a.O., § 39a NGO RdNr. 20). Allerdings muss sich die Frage des Ratsmitglieds auf einen Gegenstand beziehen, über den die Bürgermeisterin/der Bürgermeister im Rahmen ihrer/seiner Zuständigkeit als Leiterin/Leiter der Gemeindeverwaltung oder, soweit die Gemeinde selbst betroffen ist, als deren gesetzliche Vertreterin/gesetzlicher Vertreter nach außen Kenntnis erlangt hat oder erlangen kann. Ist das Auskunftsverlangen des Ratsmitglieds auf ein bei der Bürgermeisterin/dem Bürgermeister vorhandenes Wissen gerichtet, so besteht ein dahingehender Auskunftsanspruch deshalb nur, soweit die Bürgermeisterin/der Bürgermeister dieses Wissen in der Funktion als Leiterin/Leiter der Gemeindeverwaltung oder als deren Außenvertreterin/Außenvertreter erlangt hat. Hierzu gehört auch das Wissen, das die Bürgermeisterin/der Bürgermeister als gesetzliche Vertreterin/gesetzlicher Vertreter der Gemeinde in der Gesellschafterversammlung oder in einem entsprechenden Organ von Unternehmen und Einrichtungen nach § 111 NGO erlangt hat (vgl. Wefelmeier, a.a.O., § 39a NGO RdNr. 20). Zur Offenbarung auf andere Art und Weise oder in einer anderen Funktion erlangten Wissens ist die Bürgermeisterin/der Bürgermeister hingegen nicht verpflichtet (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 12.3.2001 - 1 S 785/00 - ESVGH 51, 158 = VBlBW 2001, 361 = KStZ 2001, 197; OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 10.12.1998 - A 2 S 502/96 - zitiert nach juris). Deshalb ist die Bürgermeisterin/der Bürgermeister auch nicht verpflichtet, Auskunft auf Fragen zu geben, die sich nicht auf in diesem Sinne "amtlich" gewonnenes Wissen beziehen, sondern auf Wissen, das die Bürgermeisterin/der Bürgermeister als gewähltes Mitglied des Verwaltungsrats einer Sparkasse erworben hat (vgl. VGH Baden-Württemberg, a.a.O.).

Der Senat tritt unter Beachtung dieser rechtlichen Vorgaben dem Verwaltungsgericht in seiner Beurteilung bei, dass der Beklagte verpflichtet ist, acht der neun vom Kläger gestellten Fragen zu beantworten.

Die WFG, deren Gegenstand - wie bereits ausgeführt - nach § 2 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages die Verbesserung der Struktur des Wirtschaftsraumes Wilhelmshaven ist, nimmt nach § 2 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages insbesondere die folgenden Aufgaben wahr:

1. Konzepterstellung für die wirtschaftliche Entwicklung der Region mit Zielsetzungen

2. Bestandspflege/-entwicklung

3. Förderung der Ansiedlung neuer Unternehmen

4. Umsiedlung von Gewerbebetrieben

5. Innovationsförderung

6. Infrastrukturförderung einschließlich Gleisanlagen

7. Beratung in allen Förderfragen

8. Gewerbeflächenvermittlung und Gewerbeflächenbedarfsplanung

9. Kooperation mit den Forschungseinrichtungen einschl. Fachhochschule

10. Kooperationsförderung innerhalb der Wirtschaft

11. Zusammenarbeit mit den vorhandenen Wirtschaftsorganisationen

12. Standortmarketing (Internet u.ä.)

13. Teilnahme an überörtlichen Konferenzen u.ä.

All dieses sind Aufgaben des eigenen Wirkungskreises der Stadt Wilhelmshaven i. S. v. § 4 Abs. 1 NGO und damit zugleich "Angelegenheiten der Gemeinde" i. S. v. § 39a Satz 2 NGO. Der Umstand, dass sich die Stadt Wilhelmshaven bei der Wahrnehmung von Maßnahmen zur Verbesserung der Wirtschaftsstruktur der WFG bedient, ändert an dieser Feststellung nichts. Durch die Rechtsprechung des erkennenden Gerichts zum Kurbeitragsrecht und zum Fremdenverkehrsbeitragsrecht ist entschieden, dass die öffentliche Fremdenverkehrswerbung und der Betrieb der öffentlichen Fremdenverkehrseinrichtungen auch dann eine Aufgabe der Gemeinde bleiben, wenn sich Gemeinde hierfür einer GmbH bedient (NdsOVG, Urt. v. 27.1.2003 - 9 LB 287/02 - NdsVBl 2003, 247 = ZKF 2004, 108 = NSt-N 2003, 259 = NVwZ 2003, 1538). Entsprechendes gilt, wenn sich - wie hier - eine Gemeinde im Bereich der Wirtschaftsförderung einer GmbH bedient.

Der Beklagte ist mithin verpflichtet, die WFG betreffende Fragen des Klägers zu beantworten, soweit er diesbezügliches Wissen in seiner Eigenschaft als Vertreter der Stadt Wilhelmshaven nach außen erlangt hat oder erlangen kann. Anknüpfungspunkt der Auskunftspflicht ist hingegen nicht die Kenntniserlangung des Beklagten als Mitglied im Aufsichtsrat der WFG. Soweit dem Beklagten aufgrund seines Kenntnisstandes aus der Tätigkeit als gesetzlicher Vertreter der Stadt Wilhelmshaven in deren Stellung als Gesellschafterin der WFG eine Beantwortung der vom Kläger gestellten Fragen 1 bis 7 und 9 derzeit nicht möglich sein sollte, ist er verpflichtet, sich als Vertreter der Gesellschafterin diesbezüglich unter Wahrnehmung der Auskunfts- und ggf. auch Einsichtsrechte jedes Gesellschafters nach § 51a GmbHG an den Geschäftsführer der WFG zu wenden. Die Auffassung von Thiele in seiner Anmerkung zum angefochtenen Urteil (in: Rathaus und Recht Nr. 33/2007), dass der Beklagte Auskünfte nicht im Rahmen des § 39a Satz 2 NGO weitergeben dürfe, wenn das für die Entscheidung darüber, ob Auskünfte eingeholt werden sollen, zuständige Gemeindeorgan Auskünfte von der Gesellschaft nicht begehre, teilt der Senat nicht. Der Auskunftsanspruch der Ratsfrauen und Ratsherren aus § 39a Satz 2 NGO kann nicht in dieser Weise davon abhängig gemacht werden, dass sich für die Gesellschafterin zuständige Gemeindeorgane das Auskunftsverlangen erst "zu eigen" machen müssen. Da alternative Konzepte für das Verwaltungshandeln der Gemeinde häufig nur auf der Grundlage ausreichender Sachinformationen entwickelt werden können, dient das Fragerecht auch dem Minderheitenschutz (vgl. Wefelmeier, a.a.O., § 39a NGO, RdNr. 19; HessVGH, Beschl. v. 29.3.2000 - 8 TZ 815/00 - DVBl 2000, 1715 = NVwZ 2001, 345). Dieser wäre nicht gewahrt, wenn die Effizienz des Fragerechts der einzelnen Ratsfrauen und Ratsherren von Mehrheitsentscheidungen in den Gemeindeorganen abhängig wäre. Im Übrigen sind alle Gemeindeorgane verpflichtet, den Ratsmitgliedern bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben Hilfestellung zu leisten, so dass die Gemeinde ohnehin - abgesehen von besonderen Ausnahmefällen - die Einholung der Auskunft nicht versagen kann. Anhaltspunkte dafür, dass die Auskünfte und ggf. eine Einsicht der Bücher und Schriften durch Beschluss der Gesellschafter verweigert werden könnten, weil im Sinne von § 51a Abs. 2 Satz 1 GmbHG zu besorgen ist, dass der Gesellschafter - hier also die Stadt Wilhelmshaven - das erlangte Wissen zu gesellschaftsfremden Zwecken verwenden und dadurch der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zufügen wird, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Sollten von den Auskünften Geheimhaltungsinteressen oder - wie der Beklagte unsubstanziiert vorträgt - berechtigte Interessen Dritter berührt sein, bestünde für den Beklagten die Möglichkeit, die Fragen in nicht öffentlicher Ratssitzung zu beantworten, da dann die erteilten Informationen von der Pflicht der Ratsmitglieder zur Amtsverschwiegenheit (§§ 39 Abs. 3, 25 Abs.1 NGO) erfasst werden.

Die Auffassung des Beklagten, das Auskunftsrecht aus § 39a Satz 2 NGO werde hier durch die Vorschrift des § 111 Abs. 4 Satz 1 NGO verdrängt, wonach - soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt - die Vertreterinnen und Vertreter der Gemeinde in Unternehmen und Einrichtungen, an denen die Gemeinde beteiligt ist, den Rat über alle Angelegenheiten von besonderer Bedeutung frühzeitig zu unterrichten haben, ist unzutreffend. Denn Adressat der Unterrichtung nach dieser Vorschrift ist der Rat. Er ist als Hauptorgan der Gemeinde für die vom Unternehmen zu erfüllenden Aufgaben hauptverantwortlich und deshalb auch in erster Linie aufgerufen, das Unternehmen zu steuern und zu überwachen (vgl. hierzu und zum Folgenden: Wefelmeier, a.a.O., § 111 NGO, RdNr. 60). Auch steht die Unterrichtungspflicht in engem Zusammenhang mit dem ebenfalls dem Rat eingeräumten Weisungsrecht gegenüber den Vertreterinnen und Vertretern im Gesellschaftsorgan nach § 111 Abs. 1 Satz 2 NGO. Einzelne Ratsmitglieder haben demgegenüber gerade keinen eigenständigen Anspruch auf gesonderte Unterrichtung, sondern können nur gemäß § 39a Satz 2 NGO von der Bürgermeisterin/dem Bürgermeister Auskunft auch über die Angelegenheiten der Gesellschaft verlangen, die dieser/diesem im Rahmen der Vertretung der Gemeinde gegenüber der Gesellschaft bekannt werden. Dazu zählen auch Angelegenheiten der Gesellschaft, die nicht besonders bedeutsam sind und deshalb nicht unter § 111 Abs. 4 Satz 1 NGO fallen.

2. Die Anschlussberufung des Klägers ist unzulässig.

Nach § 127 Abs. 3 Satz 1 VwGO muss die Anschlussberufung in der Anschlussschrift begründet werden. Diese Anforderungen erfüllt die Anschlussschrift des Klägers vom 10. Oktober 2007 nicht, da in ihr nur eine Begründung mit gesondertem Schriftsatz angekündigt wird. Als erneuter Anschlussschriftsatz kann zwar der die Anschlussberufung begründende spätere Schriftsatz des Klägers vom 12. Dezember 2007 angesehen werden. Dieser ist aber erst nach Ablauf der in § 127 Abs. 2 Satz 1 VwGO bestimmten und nicht verlängerbaren Frist bis zum Ablauf eines Monats nach der Zustellung der Berufungsbegründungsschrift beim Oberverwaltungsgericht eingegangen. Da eine Zustellung der Berufungsbegründungsschrift des Beklagten vom 25. Oktober 2007 durch das Oberverwaltungsgericht nicht erfolgte, ist für den Lauf der Frist maßgeblich der tatsächliche Zugang des Schriftsatzes bei den Prozessbevollmächtigten des Klägers ( § 56 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 189 ZPO). Dieser erfolgte nach den Angaben der Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung am 5. November 2007. Der die Anschlussberufung begründende Schriftsatz ging aber erst nach Ablauf des 5. Dezember 2007, einem Mittwoch, am 13. Dezember 2007 beim Oberverwaltungsgericht ein. Der unter Bezugnahme auf einzelne Kommentierungen (vgl. Hk-VerwR, Himstedt, § 127 VwGO RdNr. 16; wohl auch: Bader in: Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll, VwGO, 4. Aufl. 2007, § 127 RdNr. 23; wohl auch: Seibert, Änderungen der VwGO durch das Gesetz zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts, NVwZ 2002, 265 [268]) vertretenen Rechtsauffassung des Klägers, eine Versäumnis der Einlegungs- und Begründungsfrist sei hier deshalb nicht gegeben, weil er über die in § 127 Abs. 2 Satz 1 VwGO bestimmte Frist bei Übersendung des die Berufung begründenden Schriftsatzes des Beklagten nicht belehrt worden sei und deshalb nach § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO eine Jahresfrist gegolten habe, teilt der Senat nicht. Denn die Vorschrift des § 58 Abs. 1 VwGO über die Erforderlichkeit der Rechtsbehelfsbelehrung bezieht sich nur auf die in der VwGO vorgesehenen ordentlichen Rechtsbehelfe. Dazu zählt die unselbstständige Anschlussberufung des § 127 VwGO nicht.

Die Anschlussberufung ist im Übrigen auch unbegründet. Denn dem Verwaltungsgericht ist auch dahingehend zuzustimmen, dass der Kläger die Beantwortung seiner Frage 8, welchen Nutzen WFG/Stadt Wilhelmshaven bisher von der Tätigkeit der Honorarempfänger gehabt habe, nicht mit Erfolg verlangen kann. Denn der Auskunftsanspruch der Ratsfrauen und Ratsherren nach § 39a Satz 2 NGO bezieht sich in erster Linie auf Tatsachenauskünfte. Zwar kann eine Frage auch darauf gerichtet sein, ein Meinungsbild zu erfragen, das sich die Gemeindeverwaltung zu bestimmten gemeindlichen Angelegenheiten gebildet hat. Doch besteht keine Pflicht, rechtliche, politische oder sonstige Bewertungen erst zu entwickeln, wenn noch kein Meinungsbild vorliegt (vgl. Wefelmeier, a.a.O., § 39a NGO, RdNr. 20). Auf Letzteres zielt indes die Frage 8 des Klägers ab. Denn der Beklagte wird hierin nicht gebeten, aus einem etwa bereits vorliegenden Prüfbericht über die Tätigkeit der Honorarempfänger Auskunft zu erteilen - dies beinhaltet bereits Frage 7 - , sondern er soll eine eigene Bewertung abgeben. Auch dürfte der Kläger bereits nach der Beantwortung der Fragen 1 bis 7 sowie 9 in der Lage sein, die Frage des "Nutzens" selbst zu klären.

Ende der Entscheidung

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