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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 17.11.2006
Aktenzeichen: 10 OA 223/06
Rechtsgebiete: GKG, VO (EG) Nr. 1782/2003


Vorschriften:

GKG § 52 I
VO (EG) Nr. 1782/2003 Art. 36 Abs. 1
VO (EG) Nr. 1782/2003 Art. 43 Abs. 1
VO (EG) Nr. 1782/2003 Art. 44
Streitwert für die Festsetzung von Zahlungsansprüchen nach der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003.
Gründe:

Die zulässige Beschwerde, über die der Senat entscheidet, nachdem ihm das Verfahren wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache durch den Berichterstatter übertragen worden ist (Beschluss des Berichterstatters vom 7. November 2006, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 6 Satz 2 GKG), ist begründet.

Nach § 52 Abs. 1 GKG ist in Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen, soweit nichts anderes bestimmt ist. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass die Streitwertfestsetzung nach Ermessen im vorliegenden Falle eröffnet ist, weil für Streitigkeiten über die Festsetzung und Zuweisung von Zahlungsansprüchen nach der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates vom 29. September 2003 (ABl. EG Nr. L 270 S. 1) und den dazu ergangenen gemeinschaftsrechtlichen und nationalen Durchführungsbestimmungen keine Streitwertfestsetzungen nach dem Gerichtskostengesetz oder nach anderen gesetzlichen Bestimmungen bestehen.

Im Sinne des § 52 Abs. 1 GKG entspricht die Bedeutung der Sache dem Interesse des Klägers oder sonstigen Antragstellers an der erstrebten Entscheidung. Maßgeblich ist nicht die subjektive Bedeutung, die der Kläger der Sache beimisst, sondern der Wert, den die Sache bei objektiver Beurteilung für den Kläger hat (vgl. nur OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 16. November 2005 - 7 E 11489/05 -, juris).

Bei der Bestimmung des Streitwertes im vorliegenden Falle orientiert sich der Senat im Rahmen des ihm eröffneten Ermessens an den Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004 (NVwZ 2004, 1327 = DVBl. 2004, 1525), die in Nr. 24.2 für die Zuteilung der zahlenmäßigen Obergrenze prämienberechtigter Tiere einen Wert von 75% der Prämie pro Tier und Jahr vorsehen. Der Empfehlung in Nr. 24.2 des Streitwertkatalogs 2004 liegt ein System der Prämiengewährung u.a. nach Art. 6 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1254/1999 des Rates vom 17. Mai 1999 (ABl. EG Nr. L 160 S. 21) zugrunde, wonach Erzeuger, die in ihrem Betrieb Mutterkühe halten, auf Antrag eine Prämie zur Erhaltung des Mutterkuhbestandes (Mutterkuhprämie) erhalten können. Diese Prämie wird auf Jahresbasis je Kalenderjahr und Betrieb im Rahmen der individuellen Höchstgrenzen gewährt. Die individuelle Höchstgrenze wird erzeugerbezogen nach bestimmten betrieblichen Voraussetzungen durch Bescheid festgesetzt und ist Voraussetzung und gleichzeitig Höchstgrenze für den jährlichen Prämienanspruch des Erzeugers für die von ihm in seinem Betrieb gehaltenen Tiere, der wiederum durch gesonderten Bescheid festzusetzen ist.

Die hier in Frage stehende Festsetzung der Zahlungsansprüche ist im Hinblick auf die Festsetzung der o.g. individuellen Höchstgrenze von ähnlicher Struktur. Denn die für die Klägerin durch den Bescheid der Beklagten vom 4. April 2006 festgesetzten Zahlungsansprüche bilden nur die Grundlage für die jährlichen Zahlungen an den Endempfänger; nach Art. 36 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1782/2003 werden die Beihilfen im Rahmen der Betriebsprämienregelung auf der Grundlage der Zahlungsansprüche nach Kapitel 3 für eine entsprechende Hektarzahl beihilfefähiger Flächen im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1782/2003 gezahlt. Die Zahlungsansprüche erhält nach Art. 43 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1782/2003 ein Betriebsinhaber je Hektar Fläche, die nach einer dort näher bestimmten Weise berechnet wird. Die Zahlungsansprüche werden durch Bescheid festgesetzt. Ebenso wie die Festsetzung der zahlenmäßigen Obergrenze prämienberechtigter Tiere für die jährlichen Prämienansprüche bildet die Festsetzung der Zahlungsansprüche lediglich die Voraussetzung und gleichzeitig den Rahmen für die spätere Nutzung der Zahlungsansprüche nach Art. 44 VO (EG) Nr. 1782/2003. Unter diesen Voraussetzungen ist in Anlehnung an Nr. 24.2 des Streitwertkatalogs ein Streitwert von 75% der hier streitigen Zahlungsansprüche in einem Jahr für deren Festsetzungen anzunehmen (1.578,97 Euro X 0,75 = 1.184,23 Euro).

Es ist nicht geboten, den so ermittelten Streitwert entsprechend § 42 Abs. 3 GKG oder entsprechend § 9 Satz 1 ZPO zu vervielfachen. Diese Regelungen umfassen Ansprüche, die eine dauernd gleichartige wiederkehrende Leistung betreffen (z.B. alle wiederkehrenden Leistungen aus den in § 42 Abs. 3 GKG genannten Rechtsverhältnissen). Die Voraussetzungen für eine solche wiederkehrende Leistung liegen hier aber nicht - auch nicht in entsprechender Anwendung - vor. Es ist in den Fällen der Festsetzung von Zahlungsansprüchen nicht hinreichend sichergestellt, dass der Betriebsinhaber für den - jeweilig jährlichen - Anspruch auf Zahlung die für ihn festgesetzten Zahlungsansprüche nutzt oder nutzen kann. Denn es können ihm für seinen Anspruch auf Zahlung - also für die "Aktivierung" seiner Zahlungsansprüche - nicht genügend Parzellen zur Verfügung stehen, die der beihilfefähigen Fläche für jeden Zahlungsanspruch entsprechen (Art. 44 Abs. 1 und 3 VO (EG) Nr. 1782/2003). So kann der Betriebsinhaber beispielsweise beihilfefähige Flächen veräußert haben, so dass die ihm zur Verfügung stehenden Zahlungsansprüche nicht oder nicht in vollem Umfang "aktiviert", also genutzt werden können. Nutzt der Betriebsinhaber Zahlungsansprüche sogar während drei aufeinander folgenden Kalenderjahren nicht, so werden sie der nationalen Reserve zugeschlagen (Art. 45 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1782/2003), stehen also dem Betriebsinhaber in der dann nachfolgenden Zeit nicht mehr zur Verfügung. Unter solchen Umständen ist nicht - wie aber bei wiederkehrenden Leistungen nach § 42 Abs. 3 GKG - hinreichend voraussehbar und zu bestimmen, welchen Wert die für den Betriebsinhaber festgesetzten Zahlungsansprüche mit Blick auf ihre zukünftige Nutzung haben werden. Eine Vervielfachung des Streitwertes kommt unter diesen Voraussetzungen nicht in Betracht. Zudem liegt auch der bereits oben genannten Streitwertempfehlung nach Nr. 24.2 des Streitwertkatalogs 2004 eine Vervielfachung des Streitwertes von 75% der Prämie pro Tier und Jahr nicht zugrunde; die betreffende Streitwertempfehlung geht erkennbar davon aus, dass die Festsetzung der zahlenmäßigen Obergrenze für den Betriebsinhaber sich auf diesen Regelungsinhalt beschränkt und ihr auch nicht wegen ihrer Bedeutung für die kommenden Wirtschaftsjahre eine streitwerterhöhende Wirkung zuzumessen ist.

Zweifel daran bestehen auch nicht deswegen, weil - wie der Kläger meint - die Landwirtschaft mit der Einführung des Betriebsprämiensystems nicht mehr produktbezogen subventioniert werde, sondern sich die Leistungen an die landwirtschaftlichen Betriebe einer - sogar handelbaren - Sozialleistung näherten, auf die sich die finanzielle Existenz eines Betriebes unabhängig von seiner Produktion für einen bestimmten Zeitraum stützen könne. Selbst wenn die Annahme des Klägers zuträfe, dass das Betriebsprämiensystem eine soziale Komponente beinhalte und die Existenz des Betriebes für einige Jahre sichern könne, ändert dies nichts daran, dass nicht mit Sicherheit davon auszugehen ist, dass der Betriebsinhaber von der Möglichkeit, die Zahlungsansprüche zu "aktivieren", Gebrauch machen wird oder kann, und es deshalb keine ausreichenden Anhaltspunkte für den Wert der Festsetzung von Zahlungsansprüchen mit Blick auf die Möglichkeit ihrer Nutzung gibt.

Der Senat ist nach § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG nicht an den Antrag der Beklagten vom 20. September 2006 gebunden, den Streitwert auf 1.578,97 EUR festzusetzen. Denn die Festsetzung des Verwaltungsgerichts kann von dem Rechtsmittelgericht von Amts wegen geändert werden, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.

Ende der Entscheidung

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