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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 24.04.2008
Aktenzeichen: 11 LB 15/08
Rechtsgebiete: AufenthG, ARB 1/80, BZRG
Vorschriften:
AufenthG § 11 Abs. 1 | |
AufenthG § 11 Abs. 1 s. 3 | |
ARB 1/80 Art. 6 | |
BZRG § 46 | |
BZRG § 51 Abs. 1 |
In Fällen, in denen eine Ausweisung generell nur noch im Wege einer Ermessensentscheidung erfolgen darf, ist für die Bestimmung der Dauer der Befristung vielmehr auf den der Ausweisung zugrunde liegenden Sachverhalt abzustellen, dessen Gewicht in einem Vergleich mit den Tatbeständen der §§ 53, 54 oder 55 AufenthG zu ermitteln ist.
Gründe:
Der Kläger begehrt die Befristung der Wirkungen seiner Ausweisung.
Der Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit, wurde 1959 in Urfa/Türkei geboren.
Im September 1978 reiste er in das Bundesgebiet ein und begehrte seine Anerkennung als Asylberechtigter. Das Bundesamt lehnte das Asylbegehren mit Bescheid vom 11. Juni 1980 ab. Dagegen erhob der Kläger Klage.
Im November 1982 heiratete er die 1961 geborene deutsche Staatsangehörige B.. Aufgrund der Heirat nahm er seinen Asylantrag zurück und erhielt für die folgende Zeit jeweils befristete Aufenthaltsgenehmigungen. Er wohnte zu jener Zeit in C. bei Hannover.
In den Akten ist ein Brief seiner Ehefrau vom 18. Januar 1983 enthalten, in dem sie ihn mit "Sehr geehrter Herr A." anredet und ihn auffordert, Schulden von 900,-- DM unverzüglich zu begleichen, da sie ihr Zimmer finanzieren müsse und auch nicht länger als bis zum 24. Januar 1983 in C. bleiben könne. Die damals zuständige Ausländerbehörde des Landkreises Hannover lud den Kläger und seine Ehefrau vor. Diese erklärten auf Nachfrage, sie lebten zusammen, und zwar in C., D.ring 50 c.
Etwa im Februar 1984 meldete sich die Ehefrau, die zuvor in E. mit Hauptwohnung und in C. mit Nebenwohnung gemeldet war, nach E. ab. Auf entsprechende Nachfrage des Landkreises Hannover teilte die Ehefrau im März 1985 mit, sie beabsichtige weiterhin, in ehelicher Gemeinschaft mit ihrem Ehemann zu leben und werde umgehend nach C., F.ring 50 c zurückkehren. Im Juni 1985 meldete sich die Ehefrau mit Hauptwohnsitz in C. und mit Nebenwohnsitz in E. an.
Am 13. April 1987 erhielt der Kläger eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis.
Im Dezember 1987 meldete sich B. (wieder) nach E. ab.
In der ersten Hälfte des Jahres 1988 gingen mehrere anonyme Schreiben beim Landkreis Hannover ein, wonach der Kläger mit B. lediglich eine Scheinehe führe und tatsächlich mit der türkischen Staatsangehörigen G. (geb. 5.3.1965 in Istanbul, eingereist mit ihren Eltern in das Bundesgebiet 1968) zusammen lebe. Gegenüber der Ausländerbehörde des Landkreises Hannover erklärte der Kläger im Juni 1988 auf Nachfrage, er lebe von seiner Ehefrau getrennt, evtl. würden sie sich scheiden lassen. Seine Zusage, die aktuelle Anschrift seiner Ehefrau in E. mitzuteilen, hielt er nicht ein.
Im Juli 1988 reichte die damals im dritten Monat von einem anderen Partner schwangere B. die Scheidung ein. Sie und der Kläger erklärten im Scheidungsverfahren übereinstimmend, seit Herbst 1985 voneinander getrennt zu leben. Mit Urteil vom 20. Dezember 1988 wurde die Ehe geschieden.
G. hat vier Kinder (H., geb. 10.12.1984, I., geb. 24.3.1988, J., geb. 22.7.1997 und K., geb. 5.11.1998.) Der Vater dieser Kinder ist der Kläger. G. lebte nach Aktenlage ca. ab November 1982 in H.. Von November 1984 bis Mai 1985 war sie ebenfalls in der Wohnung in C., F.ring 50 c, gemeldet. Danach war sie zeitweilig in anderen Wohnungen in Hannover gemeldet. Ab Ende Juli 1987 lautete ihre Wohnanschrift wieder F.ring 50 c. Der Kläger war auch für das Jahr 1987 im F.ring 50 c gemeldet.
Ausweislich einer Bescheinigung des Taxiunternehmers L., Hannover, soll der Kläger dort von 1982 oder September 1983 bis zum 31. August 1987 als Taxifahrer beschäftigt gewesen sein. Ende 1987 beantragte der Kläger die Erteilung einer Gaststättenerlaubnis. Seitdem betrieb er mehrere Gaststätten.
Im Jahr 1989 verurteilte das Amtsgericht M. den Kläger wie folgt:
- 15. Juni 1989: Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort, 20 Tagessätze zu je 80,-- DM;
- 3. August 1989, gewerbsmäßige Hehlerei, 6 Monate Freiheitsstrafe, ausgesetzt zur Bewährung. In dem Urteil heißt es, die vom Kläger betriebene Gaststätte N. sei gerichtsbekannt, sie sei Anlaufpunkt für Jugendliche, die teils mit erheblichen Straftaten im Zusammenhang stünden.
- 14. November 1989: Gemeinschaftliche gefährliche Körperverletzung zu 70 Tagessätzen zu je 60,-- DM.
Aus diesen drei Verurteilungen wurde später eine Gesamtstrafe von acht Monaten auf Bewährung (3 Jahre) gebildet.
Im August 1991 wurde der Kläger wegen des Verdachts des Handels mit Betäubungsmitteln in dem Zeitraum Januar 1989 bis April 1991 festgenommen.
Da der Kläger in der Justizvollzugsanstalt Hannover inhaftiert war, ging die Zuständigkeit vom Landkreis Hannover auf die Beklagte über.
Als Ende August 1992 aus formellen Gründen die Entlassung des Klägers aus der Untersuchungshaft bevorstand, erwirkte der Beklagte einen Abschiebehaftbeschluss, um einer befürchteten Flucht des Klägers entgegenzuwirken. Im Rahmen dieses Abschiebehaftverfahrens wies die Beklagte u. a. darauf hin, dass es sich bei der früheren Ehe des Klägers möglicherweise um eine Scheinehe gehandelt habe.
Nachdem Mitte September 1992 ein erneuter Haftbefehl (wegen des Verdachts der versuchten Anstiftung zu einem Mord) gegenüber dem Kläger ergangen war, wurde der Kläger wieder der Untersuchungshaft zugeführt, so dass es einer Abschiebehaft nicht mehr bedurfte.
Mit Urteil vom 6. Oktober 1992 wurde der Kläger vom Landgericht Q. wegen Handelns mit Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt.
Nach Anhörung wies die Beklagte den Kläger mit (bestandskräftig gewordenen) Bescheid vom 9. März 1993 gemäß § 47 Abs. 1 Ziff. 1 (des damals noch geltenden) AuslG (zwingende Ausweisung) unbefristet aus dem Bundesgebiet aus. Zur Begründung führte die Beklagte u. a. aus, Ausweisungsschutz nach § 48 AuslG stehe dem Kläger nicht zu, das Europäische Niederlassungsabkommen (ENA) stehe der Ausweisung nicht entgegen, die Ausweisungsverfügung erweise sich auch nicht im Hinblick auf eine etwaige Doppelbestrafung als rechtswidrig. Etwaige Rechte des Klägers nach dem ARB 1/80 wegen seiner mehrjährigen Tätigkeit als Taxifahrer wurden in dem Bescheid entsprechend der damaligen Praxis nicht geprüft.
Den Widerspruch des Klägers gegen die Ausweisungsverfügung wies die damals noch zuständige Bezirksregierung Hannover mit Widerspruchsbescheid vom 27. Oktober 1994 zurück.
Daraufhin erhob der Kläger Klage.
Darüber hinaus wandten sich sowohl der Kläger als auch G. im Oktober 1995 mit einer Eingabe an die Landesregierung. G. führte aus, sie sei seit 14 Jahren (also seit 1981) mit dem Kläger zusammen. Der Kläger teilte in seinem Schreiben ebenfalls mit, er sei seit 14 Jahren nach islamischem Recht mit G. verheiratet.
Ende Dezember 1995 wurde die Strafvollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Der Kläger zog zu G. und den beiden gemeinsamen Kindern.
Im Juli 1997 wurde das dritte Kind (J.) geboren.
Die Klage gegen die Ausweisungsverfügung wies das Verwaltungsgericht Hannover mit Urteil vom 28. Mai 1997 (1 A 8777/94) ab. Der dagegen erhobene Antrag auf Zulassung der Berufung blieb ohne Erfolg (Beschl. d. Sen. v. 14.4.1998 - 11 LB 3648/97 -).
Nachdem die Ausweisungsverfügung bestandskräftig und damit vollziehbar geworden war, forderte die Beklagte den Kläger im Mai 1998 zur Ausreise in die Türkei auf.
Am 4. Juli 1998 reiste der Kläger nach Aktenlage in die Türkei aus.
Im November 1998 wurde das vierte Kind (K.) geboren.
Am 16. August 2004 reiste der Kläger ohne Visum wieder in das Bundesgebiet ein.
Er beantragte die Erteilung einer Duldung und die Befristung der Ausweisungsverfügung. Zur Begründung führte er aus, er sei durch Beschluss des Ministerrates der Türkei vom 22. Januar 2003 wegen Nichtableistung des Wehrdienstes ausgebürgert und sein Pass sei ihm entzogen worden. Er habe daher nicht legal in das Bundesgebiet einreisen können. Um wieder mit seiner Familie zusammen zu sein - G. und K. seien seit 2002 deutsche Staatsangehörige - habe er sich zu einer illegalen Einreise entschlossen (Anm.: Die Kinder H., geb. 1984, und J., geb. 1997, sind 2005 ebenfalls eingebürgert worden. I., geb. 1988, ist straffällig geworden und daher noch nicht eingebürgert).
Der Kläger erhielt zunächst befristete Duldungen.
Wegen der illegalen Einreise wurde gegenüber dem Kläger eine Verwarnung mit Strafvorbehalt (Geldstrafe von 60 Tagessätzen á 10,-- Euro) ausgesprochen.
Mit (angefochtenem) Bescheid vom 2. Mai 2005 befristete die Beklagte die Wirkungen der Ausweisung auf 12 Jahre, so dass sich der Kläger (rechnet man seinen bisherigen Türkeiaufenthalt von 6 Jahren, 1 Monat und 12 Tagen nach der Ausweisung ab) insgesamt noch 5 Jahre, 10 Monate und 18 Tage nicht im Bundesgebiet aufhalten darf. Zur Begründung führte die Beklagte aus, die Vorläufigen Niedersächsischen Verwaltungsvorschriften sähen bei einer zwingenden Ausweisung grundsätzlich eine Befristung von 12 Jahren vor. Daran sei für den vorliegenden Fall festzuhalten. Eine Verkürzung komme nicht in Betracht. Hierbei habe sie berücksichtigt, dass der Kläger sich etwa 10 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe und (nach seinem Vortrag) nach der Scheidung von seiner ersten Frau mit der inzwischen eingebürgerten G. nach islamischem Recht verheiratet sei. Jedoch handele es sich zum einen nicht um eine standesamtlich geschlossene Ehe, zum anderen lebe er auch (nicht mehr) in der gemeinsamen Wohnung, sondern in einer Flüchtlingsunterkunft. Die vier gemeinsamen Kinder rechtfertigten ebenfalls keine kürzere Befristung. Einerseits sei die Vaterschaft zum jüngsten Kind (K.) nicht belegt, andererseits seien Anhaltspunkte für eine gelebte familiäre Gemeinschaft aufgrund des Auszuges des Klägers aus der gemeinsamen Wohnung nicht ersichtlich (Anm.: Nach Aktenlage war der Kläger nur für einen sehr kurzen Zeitraum ausgezogen und lebte schon bald wieder mit G. und den Kindern zusammen; die Vaterschaft für K. war bereits seit 2005 anerkannt). Gegen eine Verkürzung spreche zudem die erhebliche kriminelle Energie des Klägers, der an einem professionellen Handel mit Heroin und Kokain in nicht unerheblicher Weise beteiligt gewesen sei und die daraus abzuleitende Wiederholungsgefahr. Zu Lasten des Klägers sei zudem seine illegale Einreise 2004 in das Bundesgebiet zu werten. Dieses Verhalten werde auch nicht durch den Verweis auf den Entzug des türkischen Passes durch die türkischen Behörden relativiert. Den Entzug des Passes habe der Kläger zu verantworten. Es wäre ihm zumutbar gewesen, gegenüber den türkischen Behörden klarzustellen, dass er sich bereits seit Juli 1998 wieder in der Türkei aufgehalten habe und bereit sei, den Wehrdienst abzuleisten. Er habe sich jedoch weder in der Türkei noch im Bundesgebiet um seine Wiedereinbürgerung bemüht. Schließlich rechtfertigten auch generalpräventive Gründe eine Befristung von 12 Jahren. Eine verhaltenssteuernde Wirkung auf andere im Bundesgebiet lebende Ausländer könne nur dann erreicht werden, wenn deutlich gemacht werde, dass bei einem Verstoß gegen die Rechtsordnung eine längere Fernhaltung vom Bundesgebiet drohe. Aus überwiegenden öffentlichen Interessen sei daher die Befristung für 12 Jahre auszusprechen.
Daraufhin hat der Kläger Klage erhoben.
Er hat ausgeführt, er habe zu dem nach Art. 6 ARB 1/80 assoziationsberechtigten Personenkreis gehört, da er vom 1. September 1983 bis zum 31. August 1987 ununterbrochen als Taxifahrer bei dem Taxiunternehmen L., Hannover, beschäftigt gewesen sei. Diese Beschäftigung und die zwischenzeitliche Einbürgerung seiner Ehefrau und der drei Kinder seien bei der Entscheidung über die Befristung zu berücksichtigen.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 2. Mai 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Wirkung der am 9. März 1993 verfügten Ausweisung auf vier Jahre nach erfolgter Ausreise auf den 4. Juli 2002 zu befristen,
hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, ihn - den Kläger - unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Urteil vom 13. Dezember 2006 hat das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid aufgehoben, die Beklagte zu einer erneuten Entscheidung über den Befristungsantrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verpflichtet und im Übrigen die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe zwar keinen Anspruch auf eine Befristung von (nur) vier Jahren seit der am 4. Juli 1998 erfolgten Ausreise. Die Beklagte habe jedoch das ihr eingeräumte Ermessen bei der Bemessung der Befristung nicht zutreffend ausgeübt. So sei u. a. zu berücksichtigen, dass der Kläger Assoziationsberechtigter nach dem ARB 1/80 gewesen sei mit der Folge, dass seine Ausweisung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahre 2004 (BVerwG, Urt. v. 3.8.2004 - 1 C 290.02 -, BVerwGE 121, 315 = InfAuslR 2005, 26) nur im Wege einer Ermessensentscheidung hätte erfolgen dürfen. Entgegen den Ausführungen im angefochtenen Bescheid lebe der Kläger auch mit G. und den gemeinsamen Kindern zusammen, denn er sei nur für eine sehr kurze Zeit in einer Flüchtlingsunterkunft untergebracht worden. Gegebenenfalls könne auch die Einbürgerung der Familienmitglieder eine Verminderung der Sperrfrist rechtfertigen. Da seit der letzten Verurteilung des Klägers 15 Jahre verstrichen seien, sei zudem zu prüfen, ob noch eine Wiederholungsgefahr von ihm ausgehe.
Dagegen richtet sich die vom Senat gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zugelassene Berufung der Beklagten.
Die Beklagte führt im Berufungsverfahren aus, auf eine Assoziationsberechtigung nach dem ARB 1/80 könne der Kläger nicht verweisen. Er habe ein Recht nach Art. 6 ARB 1/80 schon nicht erworben. Zum einen bestünden Zweifel an dem Wahrheitsgehalt der von dem (im März 2007 verstorbenen) Taxiunternehmer L., Hannover, ausgestellten Bescheinigungen, wonach der Kläger bei ihm kontinuierlich von 1982 oder 1983 bis 1987 als Taxifahrer gearbeitet haben solle. Zum anderen würde es sich dabei ohnehin nicht um eine ordnungsgemäße Beschäftigung im Sinne des ARB 1/80 gehandelt haben, weil der Kläger aufgrund verspäteter Antragstellungen nicht kontinuierlich über eine Aufenthaltserlaubnis verfügt habe und er sein Aufenthaltsrecht außerdem allein aus der Ehe mit der Deutschen B. abgeleitet habe, es sich hierbei aber, wie sich aus einer Vielzahl von der Beklagten im Einzelnen dargestellten Anhaltspunkten ergebe, um eine Scheinehe gehandelt habe. Und selbst unterstellt, der Kläger habe von 1983 bis 1987 zu dem nach Art. 6 ARB 1/80 begünstigten Personenkreis gehört, sei diese Begünstigung Ende 1987 durch die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit als Gastwirt und/oder durch die langjährige Haft und/oder 1993 durch die rechtskräftige Ausweisung und/oder 2003 durch die Ausbürgerung erloschen. Sie habe ihr Ermessen im Rahmen der Befristungsentscheidung zutreffend ausgeübt. Allerdings sei davon auszugehen, dass der Kläger in familiärer Lebensgemeinschaft mit G. und den Kindern lebe (wobei die älteste Tochter H. zwischenzeitlich verheiratet und aus der Wohnung ihrer Eltern ausgezogen sei). Der Schutzbedürftigkeit der familiären Beziehungen sei jedoch die schwerwiegende Straftat des Klägers gegenüber zu stellen, der über einen Zeitraum von zwei Jahren mit einer besonders großen Menge der Droge Heroin und Kokain unter Mitwirkung u. a. seines (ebenfalls verurteilten) Bruders P. und in Kenntnis zahlreicher weiterer Familienangehöriger (wie sich aus dem Strafurteil des Landgerichts Q. ergebe) gewerbsmäßig Handel getrieben habe. Zu Lasten des Klägers seien zudem seine illegale Einreise und seine fehlenden Bemühungen zur Wiedererlangung der türkischen Staatsangehörigkeit mit der Folge, dass der Kläger seit rd. drei Jahren aufenthaltsbeendende Maßnahmen verhindere, zu werten. Die Befristung auf 12 Jahre abzüglich der bereits in der Türkei verbrachten Zeit, mithin auf noch weitere 5 Jahre, 10 Monate, 18 Tage ab erneuter Ausreise sei daher ermessensfehlerfrei erfolgt.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er trägt vor, seine Tätigkeit bei dem Taxiunternehmer Siebert habe Rechte nach Art. 6 ARB 1/80 begründet. Der Vortrag hinsichtlich einer angeblichen Scheinehe sei neu und konstruiert. Derartige Verdächtigungen seien bislang nicht zur Sprache gekommen. Im Übrigen habe die Beklagte auch unabhängig von einer Assoziationsberechtigung ihr Ermessen bei Festlegung der Befristung unzureichend ausgeübt. Selbst wenn man an die in den Vorläufigen Niedersächsischen Verwaltungsvorschriften niedergelegten Regelfristen anknüpfe, lägen im Falle des Klägers Gründe für ein Abweichen vor. So hätten sich die der Verurteilung zugrunde liegenden Taten auf den Zeitraum 1989 bis 1991 bezogen. Von einer Wiederholungsgefahr sei aufgrund des seitdem verstrichenen Zeitraumes nicht mehr auszugehen. Die illegale Einreise im Jahr 2004 sei unter Berücksichtigung der Zwangslage zu sehen, dass er keinen Pass besessen habe, andererseits aber seine Familie nach langer Zeit habe wiedersehen wollen. Die familiäre Lebensgemeinschaft mit G. und den Kindern - er habe die Vaterschaft für alle Kinder anerkannt - spreche ebenfalls für eine kürzere Befristung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die Berufung der Beklagten ist begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 2. Mai 2005 ist ermessensfehlerfrei ergangen. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Befristung der Wirkung der Ausweisung auf vier Jahre (hierzu unter 2.) noch auf eine erneute Ermessensentscheidung (hierzu unter 1.). Auf die Berufung der Beklagten ist daher das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts zu ändern und die Klage abzuweisen.
Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers auf Befristung der Wirkungen der Ausweisung ist § 11 Abs. 1 Sätze 3, 4 AufenthG. Danach werden die Wirkungen einer Ausweisung auf Antrag in der Regel befristet und beginnt die Frist mit der Ausreise. Einen entsprechenden Antrag hat der Kläger im August 2004 nach seiner Wiedereinreise in das Bundesgebiet gestellt.
Das Aufenthaltsgesetz regelt weder die Länge der Frist des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG noch legt es Kriterien fest, die bei der Ermessensentscheidung über den zeitlichen Umfang der Sperrwirkung des § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG zu berücksichtigen sind. Es ist aber allgemein anerkannt, dass für die Dauer der Sperrwirkung Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind, die auch für die Frage, ob ein Regelfall im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG vorliegt, heranzuziehen sind. Für die Dauer der Befristung ist die gesetzgeberische Wertung maßgebend, dass in der Regel der mit der Ausweisung verfolgte Zweck durch eine zeitlich begrenzte Fernhaltung des Ausländers vom Bundesgebiet erreicht werden kann. Für die Befristung ist daher maßgeblich, wann der durch die jeweilige Ausweisungsverfügung vorgegebene Ausweisungszweck erreicht sein wird. Bei dieser Prognose sind alle wesentlichen Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen und unter Beachtung der gesetzlichen Grenzen des behördlichen Ermessens, des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und der Schutzwirkungen des Art. 6 GG und Art. 8 EMRK sachgerecht abzuwägen. Insbesondere sind die Umstände zu berücksichtigen, die zeitlich nach dem für die gerichtliche Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ausweisungsverfügung maßgeblichen Zeitpunkt - das war hier noch der Erlass des Widerspruchsbescheides - eingetreten sind und die Fortdauer der Sperrwirkung als ungeeignet, nicht erforderlich oder unangemessen erscheinen lassen (Hailbronner, AuslR, Stand: 2/2008, § 11 AufenthG Rn. 22). Maßgeblich für die Befristungsentscheidung kann zudem sein, ob der Ausweisung spezial- und/oder generalpräventive Zwecke zugrunde lagen. Bei einer generalpräventiv motivierten Ausweisung ist insbesondere darauf abzustellen, wann die Abschreckungswirkung verbraucht ist (Hailbronner, a.a.O., § 11 AufenthG Rn. 11). Bei einer spezialpräventiv begründeten Ausweisung kann von Bedeutung sein, ob der Betroffene sich nach der Ausweisung straffrei verhalten hat und ob die begangene Straftat nach den Vorschriften des Bundeszentralregistergesetzes noch gegen den Betreffenden verwertet werden kann (vgl. Storr, Wenger, Eberle u. a., Zuwanderungsgesetz, 2. Aufl. 2008, § 11 AufenthG Rn. 6 u. 7; zur nur eingeschränkten Bedeutung der Tilgungsfrist bei Befristungen vgl. aber auch BVerwG, Beschl. v. 15.6.1990 - 1 B 61/90 - InfAuslR 1990, 302). Eine typisierende Praxis der Bemessung der Fristdauer ist zulässig, soweit den Besonderheiten des Einzelfalles ausreichend Rechnung getragen wird (Hailbronner, a.a.O., § 11 Rn. 24).
Die ermessenslenkenden Vorläufigen Niedersächsischen Verwaltungsvorschriften zum Aufenthaltsgesetz (Stand: 30.6.2007, Vorl. Nds. VV-AufenthG) bestimmen unter Beachtung der o. a. Kriterien unter Ziff. 11.1.5.1:
"Für die Bestimmung der Dauer der Frist ist maßgebend, ob und ggf. wann der mit der Ausweisung bzw. Abschiebung verfolgte Zweck durch die vorübergehende Fernhaltung des Ausländers aus dem Bundesgebiet erreicht ist. Dabei ist grundsätzlich auf den der Ausweisung zugrunde liegenden Tatbestand abzustellen, dessen Gewicht der Gesetzgeber bereits durch die Abstufung in Ermessens-, Regel- und Ist-Ausweisung berücksichtigt hat. Im Interesse einer einheitlichen Ermessensausübung soll die Frist im Regelfall wie folgt festgesetzt werden:
- 4 Jahre bei Ausweisungen nach § 55,
- 8 Jahre bei Ausweisungen nach § 54 und
- 12 Jahre bei Ausweisungen nach § 53.
Ist aufgrund besonderen Ausweisungsschutzes nach § 56 eine Ausweisung ... zu einer Regel- oder Ermessensausweisung herabgestuft worden, bleibt dies bei der Bemessung der Frist unberücksichtigt. Dies gilt auch für Fälle, in denen die Ausweisungsentscheidung für vom ARB 1/80 begünstigte türkische Staatsangehörige herabgestuft wurde (vgl. Nr. 53.0.5.5). Den besonderen Umständen des Einzelfalles ist vielmehr durch Verkürzung oder Verlängerung der regelmäßigen Frist um bis zu drei Jahre Rechnung zu tragen. Eine weitergehende Verkürzung der Frist kann grundsätzlich nur in Betracht kommen, wenn ohne Ausweisung ein gesetzlicher Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels bestünde oder die Umstände, die den besonderen Ausweisungsschutz begründet haben auch weiterhin vorliegen und deshalb schutzwürdige Belange des Ausländers für eine frühere Wiedereinreisemöglichkeit sprechen. Im Wesentlichen wird es sich um Fälle handeln, in denen der Familiennachzug angestrebt oder das Recht auf Wiederkehr geltend gemacht wird. Diese Prüfung kann frühestens drei Jahre vor Ablauf der Regelfrist bzw. der im Einzelfall bereits um bis zu drei Jahre verkürzten Frist erfolgen, da ihr die dann aktuellen Umstände zugrunde gelegt werden müssen. Auf die Möglichkeit einer entsprechenden erneuten Antragstellung ist in der ersten Befristungsentscheidung hinzuweisen."
1. Nach diesen Kriterien ist die Befristungsentscheidung der Beklagten ermessensfehlerfrei ergangen, so dass kein Anspruch auf eine erneute ermessensfehlerfreie Entscheidung besteht.
Die Ausweisung des Klägers erfolgte aufgrund seiner Verurteilung wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren. Damit hatte er den Tatbestand des § 53 Nr. 1 AufenthG für eine zwingende Ausweisung erfüllt. Nach den o. a. Vorl. Nds. VV-AufenthG beträgt daher die regelmäßige Befristung 12 Jahre.
Besondere Umstände, die zu einer Verkürzung dieser regelmäßigen Frist Anlass geben könnten, hat die Beklagte ermessensfehlerfrei verneint.
a) Ein Verwertungsverbot nach § 51 Abs. 1 BZRG besteht nicht. Die Tilgungsfrist bei einer Verurteilung zu sechs Jahren Freiheitsstrafe beträgt 15 Jahre (§ 46 Abs. 1 Nr. 4 BZRG) und verlängert sich um die Dauer der Freiheitsstrafe (§ 46 Abs. 2 BZRG). Da der Kläger gut vier Jahre in Haft war, beträgt die Tilgungsfrist 19 Jahre. Das Strafurteil erging am 6. Oktober 1992, so dass die Tilgungsfrist erst im Oktober 2011 endet. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Eintritt eines Verwertungsverbotes nicht zwangsläufig einer Berücksichtigung der betreffenden Straftat im Rahmen der Befristungsentscheidung entgegensteht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 15.6.1990, a.a.O.).
b) Der Kläger kann im Befristungsverfahren nicht geltend machen, aufgrund seiner früheren Tätigkeit als Arbeitnehmer (Taxifahrer) unterfalle er weiterhin dem ARB 1/80.; denn spätestens mit der bestandskräftig gewordenen Ausweisungsverfügung vom 9. März 1993 hatte er eine (etwaige) Berechtigung nach dem ARB 1/80 verloren (vgl. EuGH, Urt. v. 10.2.2000 - C 340/97 - Nazli, InfAuslR 2000, 161; v. 7.7.2007 - C 383/03 - Dogan, DVBl. 2005, 1258; BVerwG, Urt. v. 6.10.2005 - 1 C 5.04 -, InfAuflR 2006, 114 = DVBl 2006, 376).
c) Der Kläger kann auch nicht darauf verweisen, zumindest im Zeitpunkt der Ausweisungsentscheidung (1993) habe er noch zu dem assoziationsberechtigten Personenkreis nach Art. 6 Abs. 1 3. Spiegelstrich ARB 1/80 gehört, die Ausweisung habe daher seinerzeit (unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, Urt. v. 3.8.2004 - 1 C 29.02 -, a.a.O.) nur als Ermessensentscheidung ergehen dürfen mit der Konsequenz, dass nach den Vorl. Nds. VV-AufenthG allenfalls eine Befristung auf vier Jahre möglich sei.
Zwar trifft es zu, dass nach der o.a. Rechtsprechung des BVerwG assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige lediglich aufgrund einer Ermessensausweisung ausgewiesen werden können und zwingende Ausweisungen oder Regelausweisungen gegen sie nicht (mehr) verfügt werden dürfen.
Hieraus kann jedoch nicht gefolgert werden, bei Assoziationsberechtigten sei generell nur eine Befristung von vier Jahren rechtmäßig. Die in den o. a. Vorl. Nds. VV-AufenthG vorgenommene Stufung der Dauer der Befristung knüpft nur deswegen an die jeweilige Art der Ausweisungsentscheidung (zwingende Ausweisung, Regel-, Ermessensausweisung) an, weil sich nach der Systematik des nationalen deutschen Aufenthaltsrechts in den §§ 53, 54, 55 AufenthG bereits in der Art der Ausweisung die Schwere des der Ausweisung zugrunde liegenden Tatbestandes widerspiegelt. Dem Gewicht der jeweils verwirklichten Straftaten hat der Gesetzgeber also bereits durch die Abstufung der verschiedenen Ausweisungsarten Rechnung getragen. Dies rechtfertigt(e) es, die Höhe der Befristung in den Vorl. Nds. VV-AufenthG wesentlich an der Ausweisungsart auszurichten. Dieser Gesichtspunkt trifft aber in all jenen Fällen nicht (mehr) zu, in denen eine Ausweisung - unabhängig von dem Gewicht des zur Ausweisung führenden Tatbestandes - generell nur (noch) als Ermessensausweisung ergehen darf, wie z.B. gegenüber Unionsbürgern oder Assoziationsberechtigten nach dem ARB 1/80; denn in diesen Fällen lässt die allein noch zulässige Ausweisungsart (Ermessen) keinen Rückschluss mehr auf die Schwere des zur Ausweisung führenden Sachverhalts zu. In Fällen, in denen eine Ausweisung generell nur noch im Wege eines Ermessens erfolgen darf, ist daher für die Bestimmung der Dauer der Befristung auf den der Ausweisung zugrunde liegenden Sachverhalt abzustellen, dessen Gewicht in einem Vergleich mit den Tatbeständen der §§ 53, 54 oder 55 AufenthG zu ermitteln ist. Entsprechend bestimmen die Vorl. Nds. VV-AufenthG, dass der (zur bloßen Ermessensausweisung führende) Ausweisungsschutz nach ARB 1/80 bei der Bemessung der Frist unberücksichtigt zu bleiben hat.
d) Soweit der Kläger sinngemäß geltend machen will, dass die Zugehörigkeit zu dem vom ARB 1/80 erfassten Personenkreis generell zu Gunsten des Betreffenden in die Ermessenserwägungen hinsichtlich der Dauer der Befristung einzustellen sei, führt dieser Vortrag im vorliegenden Verfahren schon deswegen nicht weiter, weil der Kläger während seines Aufenthalts im Bundesgebiet keine Rechtsposition nach dem ARB 1/80 erlangt hat.
Dabei kann offen bleiben, ob der Kläger tatsächlich - wie es von dem zwischenzeitlich verstorbenen Taxiunternehmer L., Hannover, (mit allerdings widersprüchlichen Angaben zum Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme) bestätigt worden ist - 4 Jahre (von 1982 oder 1983 bis 1987) ununterbrochen als Arbeitnehmer (Taxifahrer) tätig war. Ebenso kann offen bleiben, welchen Einfluss die in jener Zeitspanne teilweise verspätet gestellten Anträge auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltserlaubnis auf die Entstehung eines Rechts nach Art. 6 Abs. 1 3. Spiegelstrich ARB 1/80 haben.
Eine Stellung als Assoziationsberechtigter nach Art. 6 ARB 1/80 hat der Kläger in jener Zeit nämlich schon deswegen nicht erlangen können, weil es an einem ordnungsgemäßen Aufenthalt fehlte. Die ihm erteilten befristeten Aufenthaltserlaubnisse begründeten keinen ordnungsgemäßen Aufenthalt, weil er sie durch eine Täuschung erlangt hatte. Die Aufenthaltserlaubnisse waren ihm wegen seiner Heirat mit der deutschen Staatsangehörigen B. erteilt worden. Nach Auswertung der Verwaltungsvorgänge hatte es sich jedoch um eine Scheinehe gehandelt. Unerheblich ist dabei, ob der Täuschende wegen seines Verhaltens bestraft worden ist oder ob eine ihm erteilte Aufenthaltserlaubnis zurückgenommen worden ist (BVerwG, Urt. v. 12.4.2005 - 1 C 9/04 -, BVerwGE 123, 190 = DVBl. 2005, 1452).
Allerdings ist die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid vom 2. Mai 2005 auf das Vorliegen der Scheinehe nicht eingegangen, hat den Aufenthalt des Klägers in jener Zeit vielmehr als ordnungsgemäß angesehen. Der Gesichtspunkt ist von der Beklagten erst im Zulassungsverfahren aufgegriffen worden, nachdem der Kläger seinerseits kurzfristig vor der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht erstmals auf seine (angebliche) Berechtigung nach dem ARB 1/80 hingewiesen hatte. Gemäß § 114 Satz 2 VwGO kann die Verwaltungsbehörde ihre Ermessenserwägungen jedoch auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen. Der von der Beklagten nunmehr erhobene Vorhalt ist für den Kläger auch nicht überraschend; denn schon der früher für den Kläger zuständige Landkreis Hannover hatte den Kläger und seine damalige Ehefrau mehrmals vorgeladen und zur ehelichen Gemeinschaft befragt. Auch hatte die Beklagte bereits im Zusammenhang mit der beantragten Abschiebehaft auf das mögliche Vorliegen einer Scheinehe hingewiesen
Der Vorhalt der Beklagten, der Kläger habe lediglich eine Scheinehe geführt, trifft nach Auswertung der vorliegenden Verwaltungsvorgänge zu.
So hat der Kläger seine frühere Frau, B., während seines Asylverfahrens Ende 1982 geheiratet und das Asylverfahren nach der Heirat nicht weiter verfolgt. Bereits Mitte Januar 1993 und damit nur wenige Wochen nach der Heirat hat B. in einem förmlich gehaltenen Brief (der Kläger wurde von ihr gesiezt) um die Bezahlung des ihr versprochenen Geldes gebeten und gleichzeitig darauf hingewiesen, dass sie sich nur noch kurze Zeit in C. (dem Wohnort des Klägers) aufhalten werde. Die Förmlichkeit des Briefes und die Forderung nach der Begleichung eines ihr zugesagten Geldbetrages sind deutliche Indizien für das Vorliegen einer Scheinehe.
Weitere Indizien ergeben sich aus dem nachfolgenden Verhalten des Klägers und seiner damaligen Ehefrau. So hatte der Kläger mit seiner Ehefrau nach einer Vorladung durch den Landkreis Hannover im Februar 1983 erklärt, sie lebten zusammen. Allerdings war B. in C. lediglich mit der Nebenwohnung und mit ihrer Hauptwohnung in E. gemeldet und hatte sich im Februar 1984 endgültig nach E. abgemeldet. Nachdem der Landkreis daraufhin den Kläger erneut angeschrieben und nach dem Fortbestand der Ehe gefragt hatte, hatte dieser zunächst erklärt, sie lebten zurzeit getrennt. Im März 1985 war er dann mit seiner Frau gemeinsam erschienen und hatte erklärt, sie lebten wieder zusammen. Im Juni 1985 hatte sich B. mit Hauptwohnsitz in C. angemeldet und den Nebenwohnsitz nach E. verlegt. Im Dezember 1987 hatte sich die Ehefrau erneut nach E. abgemeldet. Bei einer Vorsprache vor der Ausländerbehörde erklärte der Kläger im Juni 1988, er lebe von seiner Ehefrau getrennt, sie würden sich "evtl." scheiden lassen. Tatsächlich reichte B. bereits im Juli 1988 die Scheidung ein. Aus der beigezogenen Akte des für die Scheidung zuständigen Familiengerichts (Amtsgericht M.) ergibt sich, dass sowohl der Kläger als auch seine Ehefrau vor dem Scheidungsrichter übereinstimmend angegeben hatten, bereits seit Herbst 1985 getrennt zu leben.
Für das Vorliegen einer Scheinehe spricht weiter, dass der Kläger mit der zwischenzeitlich eingebürgerten früheren türkischen Staatsangehörigen G. bereits während der Zeit seiner Ehe mit B. zwei gemeinsame Kinder hatte (H., geb. 10.12.1984 und I., geb. 24.3.1988). Zudem ergibt sich aus der beigezogenen Ausländerakte von G., dass sie sich z.B. Anfang November 1984 in C., F.ring 50 c, angemeldet hatte. Unter dieser Anschrift waren auch der Kläger und B. gemeldet. Zwar hatte sich B. - wie oben dargelegt - im Februar 1984 nach E. abgemeldet, sich dann aber im Juni 1985 wieder in C.,F. ring 50 c, angemeldet, nachdem die Ausländerbehörde sie und den Kläger zum Fortbestand der Ehe befragt hatte. Damit zeitlich in Einklang steht, dass sich G. zum Mai 1985 wieder aus dem F.ring 50c abgemeldet und (zumindest formell) in einer anderen Wohnung angemeldet hatte. Seit 28. Juli 1987 war G. wieder in C., F.ring 50 c, gemeldet. Dort wohnte zu jener Zeit auch der Kläger.
Wesentliches Indiz für das Vorliegen einer Scheinehe ist schließlich, dass sich nach Erlass der Ausweisungsverfügung im März 1993 sowohl der Kläger als auch G. mit Schreiben an die Landesregierung gewandt haben, um eine Ausweisung des Klägers zu verhindern. Beide haben in getrennten Schreiben vom 6. bzw. 9. Oktober 1995 angegeben, sie seien "seit 14 Jahren zusammen" und hätten zwei Kinder.
Nach alldem ist bei lebensnaher Betrachtung davon auszugehen, dass der Kläger seit ca. 1981 in eheähnlicher Gemeinschaft mit Frau G. gelebt hat und die Ehe mit B. von Anfang an nur eine Scheinehe zur Erlangung eines Aufenthaltsrechts im Bundesgebiet war.
Da der Kläger mangels ordnungsgemäßen Aufenthaltes kein Assoziationsrecht über Art. 6 ARB 1/80 erworben hat, kommt es auf die weiter von der Beklagten aufgeworfenen Fragen, ob der Kläger eine etwaige nach Art. 6 ARB 1/80 erlangte Rechtsstellung vor der Ausweisung möglicherweise dadurch verloren hat, dass er
- seit 1987 als Gastwirt selbständig tätig gewesen ist (die Frage ist in der Rechtsprechung umstritten; für einen Verlust: Bay. VGH Beschl. v. 9.8.2007 - 19 CS 07.1393 -, juris; Hess. VGH, Beschl. v. 9.2.2004 - 12 TG 3548/03 - DÖV 2004,539; VGH BW, Beschl. v. 21.7.2004 - 11 S 1303/04; gegen einen Verlust: VG München, Urt. v. 26.4.2006 - M 23 K 05.661; OVG Magdeburg, Beschl. v. 15.8.2006 - 19 LS 07.1393)
- und/oder sich ab August 1991 in längerer Strafhaft befunden hat,
nicht an.
e) Der Kläger kann eine Herabsetzung der Regelbefristung auf weniger als 12 Jahre auch nicht damit begründen, seit dem Handeln mit den Betäubungsmitteln (Januar 1989 bis April 1991) seien bis zu seiner Wiedereinreise in das Bundesgebiet (ca. August 2004) nahezu 13 Jahre und bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats ca. 17 Jahre vergangen, in denen er sich straffrei verhalten habe, so dass von einer Wiederholungsgefahr nicht mehr auszugehen sei. Allerdings ist bei der vorliegenden Verpflichtungsklage für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Gerichts maßgeblich. Gleichwohl ist die Beklagte der Wertung des Klägers ermessensfehlerfrei nicht gefolgt.
Zum einen war der Kläger seit seiner Festnahme 1991 bis Anfang 1996 in Haft (U-Haft; Strafhaft und kurzfristig Abschiebehaft). Der Straffreiheit in diesem Zeitraum kommt kein besonderes Gewicht zu; denn in jenen Jahren befand sich der Kläger unter der Kontrolle von Justizvollzugsanstalten. Die Aussetzung der Strafvollstreckung zur Bewährung und die damit verbundene Entlassung Anfang Januar 1996 vermag eine Herabsetzung der Regelbefristung von 12 Jahren ebenfalls nicht zu begründen. Die strafrechtliche Einschätzung, die zur Aussetzung der weiteren Vollstreckung geführt hat, ist für die Verwaltungsbehörden und das Verwaltungsgericht nicht bindend, allerdings in die Gesamtbetrachtung mit einzubeziehen. Diese Gesamtbetrachtung ist aber - worauf die Beklagte hingewiesen hat - davon geprägt, dass der Kläger mit dem Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren einen gravierenden Gesetzverstoß begangen hat. Zu Lasten des Klägers konnte die Beklagte weiter berücksichtigen, dass der Kläger seit 1982 lediglich aufgrund einer Täuschung (Scheinehe) über einen Aufenthaltstitel verfügte.
Zwar mag es sein, dass der Kläger während seines Aufenthalts in der Türkei (Juli 1998 bis August 2004) dort strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist. Jedoch belegt die Tatsache, dass der Kläger 2004 illegal in das Bundesgebiet eingereist ist, sich seitdem entgegen § 3 AufenthG im Bundesgebiet ohne Pass aufhält und damit die Straftatbestände des § 95 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AufenthG verwirklicht und durch seine Passivität gegen seine Mitwirkungspflicht nach § 82 AufenthG verstößt, dass er weiterhin nicht bereit ist, sich an die Rechtsordnung im Bundesgebiet zu halten und getroffene Entscheidungen (hier Ausweisung mit der Verpflichtung, vom Ausland eine Befristung zu beantragen und nur mit einem Pass einzureisen) zu akzeptieren.
Zutreffend hat die Beklagte dabei darauf verwiesen, dass der Kläger seine illegale Einreise und Passlosigkeit nicht den türkischen Behörden anlasten könne. Der Kläger ist gemäß § 25 c des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes Nr. 403 durch Beschluss des Ministerrates vom 22. Januar 2003 ausgebürgert worden, weil er sich (nach Auffassung der türkischen Behörden) im Ausland befunden habe und trotz Aufforderung seiner obligatorischen Wehrpflicht innerhalb von drei Monaten nicht nachgekommen sei. Dem Kläger wäre es bei Erhalt der Ausbürgerung möglich und zumutbar gewesen, gegenüber den türkischen Behörden klarzustellen, dass er sich bereits seit Juli 1998 wieder in der Türkei aufgehalten habe, und sich mit den türkischen Behörden darüber auseinander zu setzen, ob und in welchem Umfang er gegebenenfalls den Wehrdienst noch ableisten muss, um wieder eingebürgert zu werden. Der Kläger hat sich jedoch weder in der Türkei noch im Bundesgebiet darum bemüht, die Ausbürgerung rückgängig zu machen. Von einer Zwangslage, in der sich der Kläger aufgrund der Ausbürgerung einerseits und seines Wunsches, seine Familie wiederzusehen, andererseits angeblich befunden haben will, ist die Beklagte daher zu Recht nicht ausgegangen.
Die Beklagte konnte daher ermessensfehlerfrei von einer Wiederholungsgefahr ausgehen.
f) Soweit die Beklagte im Berufungsverfahren nunmehr von einer bestehenden familiären Lebensgemeinschaft zwischen dem Kläger und Gülsen Tunagün und den drei noch mit im Haushalt lebenden Kindern (die älteste Tochter ist verheiratet und lebt nicht mehr im Haushalt der Eltern) ausgeht, ist auch insoweit eine Ergänzung ihrer Ermessenserwägungen (§ 114 S. 2 VwGO) zulässig.
Das Bestehen einer familiären Lebensgemeinschaft ist allerdings lediglich in eine Abwägung nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit mit einzubeziehen, da Art. 6 GG (entsprechendes gilt für Art. 8 EMRK) auch bei Ehen mit deutschen Staatsangehörigen nicht generell eine Befristung gebietet (vgl. BVerwG v. 11.8.2000 - 1 C 5.00 -, BVerwGE 111, 369 = DVBl. 2001, 212). Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang die Äußerung des Bundesrates im Gesetzgebungsverfahren zum Aufenthaltsgesetz. Der Bundesrat hielt eine Regelbefristung der Ausweisung in besonders gravierenden Fällen, wozu auch Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz gehören sollten, nicht für angebracht (BT-Drs. 11/6541 Satz 2, zit. nach BVerwG v. 11.8.2000, a.a.O.). Zwar hat sich diese Auffassung im Gesetzgebungsverfahren nicht durchgesetzt, gleichwohl wird daraus ersichtlich, dass bei gravierenden Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz von einem baldigen Erreichen des Ausweisungszweckes generell nicht auszugehen ist, so dass grundsätzlich an der vorgegebenen Regelbefristung festzuhalten ist. Dies gilt insbesondere im vorliegenden Fall. Die Beklagte weist ermessensfehlerfrei darauf hin, dass die Verurteilung des Klägers zu sechs Jahren Freiheitsstrafe eine ganz erhebliche kriminelle
Energie offenlege, so dass der dem Handeln mit Betäubungsmitteln in der Regel immanenten Wiederholungsgefahr und der durch die illegale Einreise bereits verwirklichten erneuten Missachtung der Rechtsordnung der Bundesrepublik nur durch Festlegung einer deutlichen Frist entgegengewirkt werden könne (vgl. auch Beschl. d. Sen. v. 30.10.2007 - 11 PA 374/07 -, in dem die Befristung auf 11 Jahre bei einer Verurteilung zur Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln als rechtmäßig angesehen wurde). Da Gülsen Tunagün und die Kinder über die türkische Sprache verfügen dürften, ist es ihnen zumutbar, die Beziehung während der zukünftigen weiteren Abwesenheit des Klägers gegebenenfalls durch Telefonate, Briefe oder Besuche in der Türkei aufrechtzuerhalten, wie es aller Wahrscheinlichkeit nach auch schon während der langjährigen Haft des Klägers und seinem späteren langjährigen Aufenthalt in der Türkei geschehen sein dürfte.
Ist daher die Befristung auf 12 Jahre nicht zu beanstanden, hat die Beklagte zutreffend eine erneute Ausreise des Klägers für einen Zeitraum von (nochmals) 5 Jahren, 10 Monaten und 18 Tagen verlangt, da er sich (erst) 6 Jahre, 1 Monat und 12 Tage seit seiner ersten Ausreise in der Türkei aufgehalten hat.
2. Aus den obigen Ausführungen ergibt sich zugleich, dass der Kläger keinen Anspruch auf eine 4-jährige Befristung hat.
Ende der Entscheidung
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