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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 20.10.2009
Aktenzeichen: 11 LB 56/09
Rechtsgebiete: AufenthG, BZRG, EMRK, GG, JGG, StPO


Vorschriften:

AufenthG § 5 Abs. 2 Nr. 1
AufenthG § 25 Abs. 4 S. 2
AufenthG § 25 Abs. 5
AufenthG § 104a Abs. 1 S. 1
AufenthG § 104a Abs. 1 S. 3
AufenthG § 104a Abs. 2 S. 1
AufenthG § 104a Abs. 5 S. 1
AufenthG § 104a Abs. 5 S. 2
AufenthG § 104a Abs. 5 S. 3
BZRG § 63 Abs. 1
BZRG § 63 Abs. 4
EMRK Art. 8
GG Art. 2 Abs. 1
GG Art. 6 Abs. 1
JGG § 13 Abs. 3
JGG § 45 Abs. 1
JGG § 47
StPO § 153 Abs. 1
StPO § 154 Abs. 1
StPO § 170 Abs. 2
1. Zum Ausweisungsgrund des § 55 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt AufenthG bei einem in Deutschland aufgewachsenen Ausländer

2. Zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der Altfallregelung in § 104 a Abs. 1 und 2 AufenthG


Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung und die Androhung der Abschiebung aus dem Bundesgebiet. Ferner begehrt er die Verpflichtung des Beklagten, eine ihm erteilte Aufenthaltsbefugnis als Aufenthaltserlaubnis zu verlängern.

Der nach eigenen Angaben am 10. September 1982 in Beirut (Libanon) geborene Kläger reiste mit seiner Mutter und fünf ebenfalls minderjährigen Geschwistern am 19. Juni 1986 vom Libanon kommend auf dem Luftweg über die ehemalige Deutsche Demokratische Republik in die Bundesrepublik Deutschland ein. Seine Mutter wies sich mit einem libanesischen Reisepass (Laissez Passer) aus. Bei der Asylantragstellung gab seine Mutter an, sie seien kurdische Volkszugehörige ungeklärter Staatsangehörigkeit. Der Vater des Klägers folgte im September 1986 auf demselben Weg nach. Bei seiner Asylantragstellung gab er ebenfalls an, staatenloser Kurde aus dem Libanon zu sein. Die Asylanträge des Klägers, seiner Eltern und Geschwister lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit Bescheid vom 19. August 1987 ab.

Nach Inkrafttreten der Niedersächsischen Bleiberechtsregelung in dem Runderlass des Nds. MI vom 18. Oktober 1990 erhielten der Kläger sowie seine Eltern und Geschwister befristete Aufenthaltserlaubnisse, die nach Inkrafttreten des neuen Ausländergesetzes (AuslG) als (befristete) Aufenthaltsbefugnisse fortgalten und als solche mehrfach verlängert wurden, im Falle des Klägers zuletzt am 1. März 2000 bis zum 11. März 2002.

Der Kläger erwarb im Juli 1999 den Hauptschulabschluss. Im Anschluss daran absolvierte er in B. das einjährige Berufsgrundbildungsjahr in der Fachrichtung Holz. Im Sommer 2000 begann er eine Lehre als Maler, die er aber nicht zu Ende führte. Anschließend war er bis März 2003 arbeitslos. Danach wurde ihm eine Weiterbildungsmaßnahme als Maurergehilfe bewilligt, die er aber abbrechen musste, weil seine Aufenthaltserlaubnis nicht verlängert wurde. In der Folgezeit erhielt der Kläger zunächst Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und später Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Zeitweise half er ohne Entlohnung in dem Geschäft seines Bruders C. aus. Seit dem 5. Januar 2009 ist ihm eine unselbständige Erwerbstätigkeit gestattet. Im Rahmen der ihm von der Landeshauptstadt Hannover seit dem 13. April 2007 erteilten ausländerbehördlichen Bescheinigungen nach § 50 Abs. 3 AufenthG war ihm vorher eine Erwerbstätigkeit generell untersagt worden. Er ist seit dem 23. September 2009 als Konfektionierer/Lagermitarbeiter bei der Firma D., E., eingestellt.

Seit Mai 2007 ist er mit der libanesischen Staatsangehörigen F. nach islamischem Ritus verheiratet. Am 22. Mai 2008 wurde die gemeinsame Tochter G. geboren. Lebensgefährtin und Tochter des Klägers leben in B., während er selbst ein Zimmer in der Wohnung seiner Schwester H. in I. hat. Über den Antrag von Frau F. auf Verlängerung der ihr erteilten Aufenthaltserlaubnis ist bisher nicht entschieden; sie ist im Besitz einer Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 4 AufenthG. Die Stadt B. beabsichtigt, ihren Einbürgerungsantrag abzulehnen (Anhörungsschreiben vom 8.9.2009). Frau F. bezieht Leistungen nach dem SGB II.

Der Kläger ist wie folgt strafrechtlich in Erscheinung getreten:

Ein Verfahren wegen Urkundenfälschung und Verstoßes gegen das Pflichtversicherungsgesetz wurde am 5. März 1998 nach § 45 Abs. 1 JGG eingestellt.

Ein Verfahren wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung wurde am 23. August 1999 nach § 47 JGG eingestellt.

Das Amtsgericht J. - Jugendgericht - verurteilte ihn am 22. Februar 2001 wegen vorsätzlicher Körperverletzung und verhängte gegen ihn eine richterliche Weisung und eine Geldauflage von 500,-- DM.

Das Amtsgericht B. - Jugendgericht - verurteilte ihn am 20. November 2003 wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung und Körperverletzung in Anwendung von Jugendrecht (vgl. § 105 JGG) zur Teilnahme an einem Wochenendseminar sowie zu 80 Stunden gemeinnütziger Arbeit.

Drei weitere Verfahren wegen Körperverletzung aus den Jahren 2003 und 2004 wurden gemäß § 153 Abs. 1 bzw. § 154 Abs. 1 StPO eingestellt. Ein Verfahren wegen Hehlerei (Tatzeit: 13.5.2006) wurde nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Ein Verfahren wegen Nötigung (Tatzeit: 12.10.2006) wurde gemäß § 153 Abs. 1 StPO eingestellt.

Der Kläger hat insgesamt neun Geschwister. Während die mit in das Bundesgebiet eingereisten Geschwister K., C., L., M. und H. im Libanon geboren wurden, sind die übrigen vier Geschwister N., O., P. und Q. in Deutschland zur Welt gekommen. K. verfügt über eine Niederlassungserlaubnis. C. hat die deutsche Staatsangehörigkeit erworben. H. und M. verfügen über eine Aufenthaltserlaubnis. L. ist im Besitz einer Duldung. Über den Aufenthaltsstatus von P. und Q. ist noch nicht rechtskräftig entschieden. Die Eltern des Klägers und seine Geschwister N. und O. sind unanfechtbar ausreisepflichtig, nachdem das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 15. Juli 2009 - 1 B 15.09 - ihre Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Senats vom 29. Januar 2009 - 11 LB 136/07 - verworfen hatte. An dem Berufungsverfahren 11 LB 136/07 waren ursprünglich auch der Kläger und seine Geschwister M., P. und Q. beteiligt. Der erkennende Senat hatte deren Verfahren jedoch mit Beschluss vom 29. Januar 2009 abgetrennt. Während sich das Verfahren von M. (11 LB 55/09) erledigt hat, nachdem ihr eine Aufenthaltserlaubnis erteilt worden war, sind neben dem Verfahren des Klägers noch die Verfahren seiner Brüder P. (11 LB 57/09) und Q. (11 LB 58/09) anhängig, die am 20. Oktober 2009 ebenfalls mündlich verhandelt worden sind.

Mit Schreiben vom 27. Februar 1997 legten die Eltern des Klägers eine unter dem Briefkopf der Botschaft des Libanon und dem Datum des 26. November 1996 erstellte Bescheinigung vor, wonach der Vater des Klägers im Libanon nicht registriert sei und keinen Anspruch auf ein libanesisches Reisedokument mit Rückkehrberechtigung in den Libanon habe. Daraufhin erteilte der Beklagte auch dem Kläger einen Reiseausweis für Staatenlose. Am 1. September 1997 teilte die Botschaft des Libanon dem Beklagten mit, dass es sich bei der Bescheinigung vom 26. November 1996 um eine Fälschung handele. Am 19. März 2001 sprach die Mutter des Klägers in Begleitung ihres Sohnes C., der als Dolmetscher auftrat, bei dem Beklagten vor und gab an, dass die Familie im Libanon eingebürgert worden sei; sie gab ferner an, dass die Familie ursprünglich aus der Gegend um Mardin in der Türkei stamme (Bl. 52 Beiakte M). Aufgrund dieser Angaben und weiterer Untersuchungsergebnisse verfügte der Beklagte mit Bescheiden vom 11. März 2002 die Rücknahme und Einziehung der Reiseausweise des Klägers und seiner Eltern. Dem Kläger und seinen Eltern wurden unter dem 7. Mai 2002 libanesische Pässe ausgestellt. Sie haben die libanesische Staatsangehörigkeit aufgrund des Dekrets Nr. 5247 vom 20. Juni 1994 im Zuge einer Sammeleinbürgerung erlangt. Der libanesische Pass des Klägers ist gültig bis zum 17. März 2010.

Die Anträge des Klägers und seiner Eltern auf Verlängerung der Aufenthaltsbefugnisse lehnte der Beklagte mit Bescheiden vom 29. Juli 2003 - zugestellt am 30. Juli 2003 - ab. Der Beklagte wies sie zugleich mit unbefristeter Wirkung aus der Bundesrepublik Deutschland aus und drohte ihnen für den Fall der nicht freiwilligen Ausreise die Abschiebung in den Libanon oder in einen anderen Staat an. Zur Begründung führte der Beklagte im Wesentlichen aus: Bei den Klägern liege ein Ausweisungsgrund nach § 46 Nr. 2 AuslG vor. Sie hätten in zweifacher Hinsicht nicht nur vereinzelt oder geringfügig gegen Rechtsvorschriften verstoßen. Hinsichtlich ihrer Personalien und Herkunft hätten sie unrichtige Angaben gemacht, die den Straftatbestand des § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG erfüllten. Zum Zeitpunkt der Einreise in das Bundesgebiet und bei Erteilung der Aufenthaltserlaubnis am 6. Dezember 1990 hätten die Eltern des Klägers verschwiegen, dass sie türkische Staatsangehörige seien. Der Vater des Klägers sei der Sohn des türkischen Staatsangehörigen R., der nach dem vorliegenden Personenstandsregisterauszug im Jahr 1920 in Ückavak in der Türkei geboren und am 1. Mai 1992 verstorben sei. Nach dem in der Türkei herrschenden Abstammungsprinzip sei auch der Vater des Klägers türkischer Staatsangehöriger. Seine Mutter sei die Tochter der türkischen Staatsangehörigen S. und T.. Sie sei deshalb ebenfalls türkische Staatsangehörige. Es sei davon auszugehen, dass die Eltern des Klägers zum Zeitpunkt der Einreise in die Bundesrepublik und auch zum Zeitpunkt der Erteilung der ersten Aufenthaltserlaubnis von der türkischen Staatsangehörigkeit gewusst hätten. Ferner hätten sie über einen langen Zeitraum unberechtigt Sozialhilfeleistungen in Anspruch genommen. Diese Leistungen hätten nicht gewährt werden müssen, wenn sie seinerzeit angegeben hätten, türkische Staatsangehörige zu sein. Angesichts der Rechtsverstöße gegen Rechtsvorschriften überwiege das öffentliche Interesse das private Interesse des Klägers und seiner Eltern, ihren langjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet fortsetzen zu dürfen. Wegen der Sperrwirkung der Ausweisung hätten sie auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis. Der Kläger sei aufgrund der Abstammung von seinen Eltern ebenfalls türkischer Staatsangehöriger. Ihm sei das Verhalten seiner Eltern zuzurechnen, soweit er damals noch minderjährig gewesen sei. Es sei davon auszugehen, dass die türkische Abstammung und Herkunft in der Großfamilie U. bekannt gewesen seien. Nach Vollendung des 16. Lebensjahres habe er selbst unrichtige Angaben gemacht bzw. nicht zur Aufklärung der wahren Familienverhältnisse beigetragen. Darüber hinaus sei der Kläger mit verschiedenen Delikten strafrechtlich in Erscheinung getreten. Im Übrigen sei auch aus generalpräventiven Überlegungen die Ausweisung des Klägers und seiner Familie geboten.

Der Kläger und seine Familie, die vorher im Zuständigkeitsbereich des beklagten Landkreises Hildesheim gewohnt hatten, verzogen am 1. August 2003 in die Stadt B.. Der Kläger zog am 27. Februar 2007 nach I. um. Er stellte dort am 24. August 2009 einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG, über den noch nicht entschieden ist.

Die Bezirksregierung Hannover wies den Widerspruch des Klägers mit Bescheid vom 13. Januar 2004 zurück und führte ergänzend aus, es werde nicht verkannt, dass die Rückkehr in den Libanon für ihn zu einer erheblichen Belastung führe. Aufgrund des langen Zeitraums, über den der Kläger unwahre Angaben gemacht habe und angesichts der beträchtlichen Höhe der in dieser Zeit gewährten Sozialhilfeleistungen, könne dieser Umstand aber nicht zugunsten des Klägers berücksichtigt werden. Auf die langjährige Dauer seines Aufenthalts im Bundesgebiet könne er sich nicht mit Erfolg berufen, da dieser rechtswidrig gewesen sei. Zu seinen Lasten müsse ferner berücksichtigt werden, dass die Staatsanwaltschaft B. am 30. Juli 2003 erneut Anklage wegen Körperverletzung und Beleidigung gegen ihn erhoben habe.

Der Kläger hat am 20. Januar 2004 Klage erhoben. Das Verwaltungsgericht ordnete mit Beschluss vom 5. März 2004 - 6 B 7323/03 - die aufschiebende Wirkung der Klage an, soweit der Antrag des Klägers auf Verlängerung der Aufenthaltsbefugnis abgelehnt und die Abschiebung angedroht worden ist.

Der Kläger hat zur Begründung der Klage vorgetragen: Er sei Mitglied einer weit verzweigten Großfamilie, die mit verschiedenen Staatsangehörigkeiten in unterschiedlichen Ländern lebe. Aus dem Umstand, dass andere Personen der Großfamilie möglicherweise die türkische Staatsangehörigkeit besäßen, könne nicht zwingend darauf geschlossen werden, dass er selbst auch türkischer Staatsangehöriger sei. Die von dem Beklagten vorgelegten Registerauszüge seien nicht beweiskräftig. Es werde bestritten, dass R. ein Vorfahre seines Vaters sei. Eine positive Kenntnis seiner türkischen Staatsangehörigkeit sei im Übrigen nach den Umständen ihres Lebensweges und ihrer sozialen, kulturellen und ethnischen Einbindung in den Libanon unwahrscheinlich.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 29. Juli 2003 und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Hannover vom 13. Januar 2004 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, seine Aufenthaltsbefugnis als Aufenthaltserlaubnis gemäß § 23 Abs. 1 AufenthG zu verlängern.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat erwidert: Angesichts der Vielzahl der vorliegenden Indizien und der Angaben der Großmutter des Klägers bleibe kein Raum für Zweifel an einer türkischen Staatsangehörigkeit des Klägers. Die türkische Staatsangehörigkeit seines Vaters werde durch einen türkischen Registerauszug bestätigt, in dem er mit dem Namen V., geboren am 1. Januar 1957 in Ückavak (Vater: W., Mutter: X.) eingetragen sei. Dies stimme auch mit den Angaben der Großmutter (väterlicherseits) des Klägers vom 2. September 2002 überein. In einem weiteren Registerauszug seien Y. und Z. eingetragen, wobei es sich bei Y. um eine Schwester des Vaters des Klägers handele. Diese habe gegenüber der Ausländerbehörde Angaben zu ihren Eltern gemacht, die mit den hier vorliegenden übereinstimmen. Der Vater des Klägers habe zudem in einem Schreiben gegenüber der Ausländerbehörde der Stadt B. angegeben, dass er eine Schwester namens AA. habe, die in Adana in der Türkei wohne. Auf Wunsch von AA. sei die verstorbene Großmutter (väterlicherseits) des Klägers am 9. Februar 2006 nach Adana überführt worden, um dort beerdigt zu werden.

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 29. Juni 2006 die angefochtenen Bescheide aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, die Aufenthaltsbefugnis des Klägers als Aufenthaltserlaubnis gemäß § 23 Abs. 1 AufenthG zu verlängern. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils verwiesen.

Auf den Antrag des Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 23. März 2007 die Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zugelassen.

Der Beklagte trägt vor: Mit dem Verschweigen der türkischen Staatsangehörigkeit hätten die Eltern des Klägers über ihre Identität getäuscht und damit einen Ausweisungstatbestand verwirklicht. Sie wären verpflichtet gewesen, die Herkunft ihrer Familie aus der Türkei zu offenbaren. Dies gelte auch für den Kläger spätestens ab dem Eintritt seiner Volljährigkeit. Einer Beendigung des Aufenthalts des Klägers stehe auch nicht das durch Art. 6 GG und Art. 8 EMRK geschützte Recht auf Achtung des Familien- und Privatlebens entgegen. Zu Lasten des Klägers falle ins Gewicht, dass er in nicht unerheblichem Umfang strafrechtlich in Erscheinung getreten sei. Auch verfüge er nicht über eine Berufsausbildung. Soweit er vortrage, er habe keine Ausbildung aufnehmen können, da die Aufenthaltserlaubnis zum damaligen Zeitpunkt lediglich für drei Monate verlängert worden sei, sei dieses nicht nachvollziehbar. Die damalige Aufenthaltsbefugnis habe bis zum 11. Februar 2002 gegolten. Im Jahr 2001 sei noch nicht absehbar gewesen, dass die Aufenthaltsbefugnis nicht mehr verlängert werden würde. Es sei deshalb nicht ersichtlich, aus welchem Grund es ihm nicht möglich gewesen sei, eine Berufsausbildung zu absolvieren. Nachteilig wirke sich auch aus, dass er seit Langem Sozialleistungen bezogen habe. Bei einer Rückkehr in den Libanon wäre er nicht auf sich allein gestellt. Es bestünden vielfältige familiäre Verbindungen in den Libanon. Auch existierten Verbindungen in die Türkei. Dort lebe beispielsweise eine Schwester seines Vaters.

Ein Anspruch des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen scheide aus. Allerdings stünde die Tatsache, dass der Kläger in den letzten Jahren nicht im Besitz einer Duldung, sondern lediglich einer ausländerrechtlichen Bescheinigung nach § 50 Abs. 3 AufenthG gewesen sei, der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 104 a AufenthG nach Auskunft des Niedersächsischen Innenministeriums nicht entgegen. Für den Kläger komme allenfalls die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104 a Abs. 2 AufenthG in Betracht. Ihm könne aber die erforderliche positive Integrationsprognose aufgrund seiner Straftaten nicht gestellt werden. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 Satz 2 AufentG scheitere daran, dass die erforderliche außergewöhnliche Härte im Fall des Klägers nicht zu erkennen sei.

Der Beklagte beantragt,

das den Kläger betreffende Urteil des Verwaltungsgerichts zu ändern und seine Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen und ihn zu verpflichten, ihm eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen zu erteilen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil und macht ergänzend geltend: Seine türkische Herkunft habe nie in Frage gestanden. Seine Eltern hätten auch in der Vergangenheit deutlich gemacht, dass ihre Vorfahren in der Türkei ansässig gewesen seien. Für sie sei aber nicht annähernd erkennbar gewesen, dass sie die türkische Staatsangehörigkeit besitzen sollten. Sie hätten sich als Libanesen gefühlt, da sie im Libanon geboren seien und bis zu ihrer Einreise nach Deutschland auch dort ihren Lebensmittelpunkt gehabt hätten. Sie hätten immer gesagt, dass es sich bei ihnen um Kurden aus dem Libanon mit ungeklärter Staatsangehörigkeit handele. Entscheidend sei ihre Sichtweise.

Der Ausweisung stünde ferner entgegen, dass die gesamte Familie durch ihren langjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet zu faktischen Inländern geworden sei. Ihnen sei die Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse gelungen. Sie hätten sich nicht auf ihren eigenen Kulturkreis zurückgezogen, sondern verfügten über Kontakte zur deutschen Bevölkerung. Sie hätten stets deutsche Nachbarn gehabt, mit denen sie sich sehr gut verstanden hätten. Seine Geschwister und er beherrschten die deutsche Sprache, auch verfüge er über eine abgeschlossene Schulausbildung. Er habe sich in der Vergangenheit jederzeit bemüht, eine Berufsausbildung zu absolvieren. Auch sei er wenigstens teilweise einer Arbeit nachgegangen. Dies habe sich erst geändert, nachdem seine Aufenthaltsbefugnis nicht mehr verlängert worden sei. Bis zum 31. Dezember 2008 sei ihm eine Erwerbstätigkeit nicht gestattet gewesen. Danach habe er sich mehrfach vergeblich beworben. Erst im September 2009 sei es ihm gelungen, einen Arbeitsplatz zu erhalten.

Er habe einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen. Allerdings verzichte er auf eine Weiterverfolgung seines Antrags auf Verlängerung der ihm erteilen Aufenthaltsbefugnis als Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG. Stattdessen stünde ihm ein Anspruch nach § 104 a bzw. § 25 Abs. 5 oder § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG zu. Was seine Straftaten angehe, handele es sich im Wesentlichen um die üblichen Jugendsünden. Insbesondere müsse berücksichtigt werden, dass die meisten Ermittlungsverfahren eingestellt worden sind. Die gesamte Familie habe ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland. Bei ihm komme hinzu, dass er nach islamischem Recht verheiratet sei und ein Kleinkind habe. Er führe eine familiäre Lebensgemeinschaft. Zwar sei seine Wohnanschrift in I., doch übernachte er dort nur etwa dreimal in der Woche, die restliche Zeit verbringe er bei seiner Frau und Tochter in B.. Einer Ausweisung stünde deshalb auch Art. 6 GG entgegen.

Eine Rückführung in den Libanon würde eine unzumutbare Härte für ihn bedeuten. Er verfüge über keine wirtschaftlichen Beziehungen im Libanon. Dort würde ihm keine Existenzgrundlage zur Verfügung stehen. Es würde deshalb eine außerordentliche Härte bedeuten, wenn er in den Libanon übersiedeln müsste.

Der Beklagte übersandte mit Schriftsatz vom 8. Januar 2009 eine Erklärung der Landeshauptstadt Hannover vom 30. Dezember 2008, mit der diese ihre Zustimmung zur Weiterführung des gerichtlichen Verfahrens durch den Beklagten gemäß § 3 Abs. 3 VwVfG erteilt.

Der Senat führte in dem - inzwischen rechtskräftig abgeschlossenen - Berufungsverfahren 11 LB 136/07 am 21. Februar 2008 und am 29. Januar 2009 mündliche Verhandlungen durch. Auf die darüber gefertigten Niederschriften wird verwiesen. Der Senat hörte den Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 20. Oktober 2009 an.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten 11 LB 136/07, 11 LB 55-58/09 sowie die Verwaltungsvorgänge des Beklagten, der Landeshauptstadt Hannover und der Stadt Hildesheim Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Beklagten ist teilweise begründet.

Die Klage des Klägers hat Erfolg, soweit sie auf Aufhebung der im Bescheid des Beklagten vom 29. Juli 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheids der Bezirksregierung Hannover vom 13. Januar 2004 verfügten Ausweisung gerichtet ist. Dagegen ist die Berufung des Beklagten insoweit begründet, als das Verwaltungsgericht ihn verpflichtet hat, die Aufenthaltsbefugnis des Klägers als Aufenthaltserlaubnis gemäß § 23 Abs. 1 AufenthG zu verlängern. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Erteilung bzw. Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis nach §§ 104 a Abs. 1 und 2, 25 Abs. 5 oder 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG.

Trotz des am 27. Februar 2007 erfolgten Umzugs des Klägers in die Landeshauptstadt Hannover bestehen gegen die Passivlegitimation des beklagten Landkreises Hildesheim, in dessen Zuständigkeitsbereich der Kläger früher gewohnt hatte, keine Bedenken. Für die Anfechtungsklage auf Aufhebung der Ausweisung des Klägers ergibt sich dies schon daraus, dass es insoweit auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des Ausgangsbescheids ankommt (vgl. etwa BayVGH, Beschl. v. 5.9.2002 - 10 ZB 02.1830 -, AuAS 2003, 54; Renner, AuslR, 8. Aufl., § 81 AufenthG Rn. 9). Der Beklagte war im Zeitpunkt der Zustellung des angefochtenen Bescheides am 30. Juli 2003 noch die für den Kläger örtlich zuständige Ausländerbehörde. Dagegen hat der Wegzug eines Klägers aus dem örtlichen Zuständigkeitsbereich der Ausländerbehörde bei einer Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Folge, dass die Behörde mangels Fortbestehens einer Passivlegitimation zum Erlass des begehrten Verwaltungsakts nicht mehr verpflichtet werden kann, so dass sich ihr gegenüber das Begehren erledigt hat und ein Kläger deshalb (lediglich) die Möglichkeit hat, zur Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO oder zur isolierten Anfechtungsklage überzugehen (vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 10.12.1996 - 1 C 19.94 -, InfAuslR 1997, 239; Urt. v. 29.3.1996 - 1 C 28.94 -, Buchholz 402.240 § 20 AuslG 1990 Nr. 2). Davon hat der Kläger jedoch keinen Gebrauch gemacht, sondern verfolgt sein Verpflichtungsbegehren gegen den Beklagten weiter. Dies ist auch zulässig. Denn ein derartiges Verfahren darf gegen die bisher zuständige Ausländerbehörde fortgeführt werden, wenn die nunmehr örtlich zuständige Behörde zustimmt (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.5.1995 - 1 C 7.94 -, BVerwGE 98, 313; OVG NRW, Beschl. v. 19.11.2007 - 18 E 124/07 -, AuAS 2008, 68; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 27.6.2007 - 13 S 1663/06 -, InfAuslR 2007, 376). Die seit dem 27. Februar 2007 für den Kläger örtlich zuständige Landeshauptstadt Hannover hat am 30. Dezember 2008 ihre Zustimmung zur Weiterführung des gerichtlichen Verfahrens durch den Beklagten gemäß § 3 Abs. 3 VwVfG (i.V.m.§ 1 Abs. 1 Nds. VwVfG) schriftlich erteilt. Damit ist die Passivlegitimation des Beklagten auch für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis weiterhin gegeben.

1. Die auf § 45 Abs. 1 i.V.m. § 46 Nr. 2 1. Alt. AuslG (jetzt: § 55 Abs. 2 Nr. 1 1. Alt. AufenthG) gestützte Ermessensausweisung des Klägers erweist sich im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Senats (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 15.11.2007 - 1 C 45.06 -, NVwZ 2008, 434) als rechtswidrig. Zwar hat der Senat in dem die Eltern des Klägers und seiner Geschwister N. und O. betreffenden Berufungsverfahren 11 LB 136/07 mit rechtskräftig gewordenem Urteil vom 29. Januar 2009 die Rechtmäßigkeit der gegen sie ebenfalls ergangenen Ermessensausweisung bejaht, doch gilt dies nicht für den heute 27-jährigen Kläger. Allerdings hat der Senat keine Zweifel, dass der Kläger neben der libanesischen Staatsangehörigkeit auch die türkische Staatsangehörigkeit besitzt. Der Senat hat im rechtskräftigen Urteil vom 29. Januar 2009 (a.a.O.) festgestellt, dass der Vater des Klägers (Kläger zu 1)) türkischer Staatsangehöriger war und seine Mutter (Klägerin zu 2)) türkische Staatsangehörige ist. Dazu ist Folgendes ausgeführt worden:

Die von dem Beklagten zusammengetragenen Indizien tragen seine Annahme, die Klägerin zu 2) sei türkische Staatsangehörige. Der Beklagte verweist zunächst auf die Aussage der Eltern der Klägerin zu 2), die unter dem Namen AB. und AC. im Bundesgebiet in AD. leben. Diese gaben bei getrennten Befragungen durch die Ausländerbehörde der Stadt AD. am 17. September 1998 an, dass sie eine Tochter mit dem Vornamen AE. hätten, die in B. lebe. Bei dieser Tochter handelt es sich um die Klägerin zu 2), die diese Angaben nicht angreift. Die Eltern der Klägerin zu 2) gaben ferner übereinstimmend an, dass sie eine weitere Tochter mit dem Vornamen AF. hätten. Mit Hilfe der Ausländerbehörde AG. stellte der Beklagte fest, dass die Tochter AF. mit einem türkischen Staatsangehörigen verheiratet ist und den Nachnamen AH. trägt. Eine Überprüfung des türkischen Reisepasses von Frau AH. ergab, dass dort als Vornamen der Eltern der Passinhaberin S. und AI. eingetragen sind. Mit Hilfe der Registerdaten dieses Ausweispapieres gelangte der Beklagte in den Besitz eines Registerauszuges aus dem türkischen Personenstandsregister für die Familie AJ. aus dem Dorf Ückavak bei der Kreisstadt Savur (Provinz Mardin) mit der Registernummer (Hane) 107. Dort sind unter den laufenden Nummern 1 und 2 Personen mit dem Namen S. und AI. sowie unter der laufenden Nummer 7 eine Person mit dem Namen AF. aufgeführt, für die als Geburtsort Ückavak und als Geburtsdatum der 22. Juli 1961 genannt werden. Diese Angaben decken sich wiederum mit Eintragungen in dem türkischen Reisepass von Frau AF.. Angesichts dieser Übereinstimmungen ist davon auszugehen, dass es sich bei S. und AI. um die Eltern der Klägerin zu 2) und bei AF. um die Schwester der Klägerin zu 2) handelt. Wegen ihrer Abstammung von türkischen Eltern ist auch die Klägerin zu 2) türkische Staatsangehörige (Artikel 1 des Türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes Nr. 403 vom 11.2.1964 - tStAG -). Dass die Klägerin zu 2) im Registerauszug der Familie nicht aufgeführt ist, spricht nicht gegen ihre türkische Abstammung. Zwar besteht in der Türkei eine standesamtliche Registrierungspflicht für türkische Staatsangehörige. Dieser wird aber häufig nicht oder nicht in dem vorgeschriebenen Zeitraum nachgekommen, insbesondere dann nicht, wenn sich die türkischen Staatsangehörigen im Ausland aufhalten.

Der Kläger zu 1) hat im Verfahren auf Verlängerung seiner Aufenthaltsbefugnis (vgl. etwa die Folgeanträge vom 20.1.1992, 14.12.1993 und 1.11.1994) ebenfalls unrichtige Angaben zu seiner Staatsangehörigkeit gemacht. Er war zum Zeitpunkt der Antragstellung türkischer Staatsangehöriger. Nach den Feststellungen des Beklagten wurde der Kläger zu 1) erst am 27. März 2003 aus der Türkei ausgebürgert. Der Beklagte stützt sich hinsichtlich seiner Annahme, der Kläger zu 1) sei türkischer Staatsangehöriger gewesen, auf eine Aussage der Mutter des Klägers zu 1), der Frau AK., die diese anlässlich einer Vorsprache am 2. September 2002 bei seiner Ausländerbehörde gemacht hat. Sie gab an, in Mardin in der Türkei geboren worden zu sein, später in der Türkei ihren Ehemann AL. geheiratet zu haben und mit diesem nach der Eheschließung in den Libanon ausgewandert zu sein. Ihr Ehemann habe in der Türkei Wehrdienst geleistet und sei Ende der 60er Jahre verstorben. Die Eltern ihres Ehemannes hießen AM. und AF.. Ihr Ehemann habe neben einer Schwester noch einen Bruder AN. in AD.. Diese Angaben glich der Beklagte mit dem Inhalt eines weiteren Auszugs aus dem türkischen Personenstandsregister der Familie AJ. aus Ückavak ab. Dabei stellte er zahlreiche Übereinstimmungen fest. In dem Auszug werden als Eltern von AO., dem Vater der Klägerin zu 2), AP. und AF. genannt. Ferner ist als Sohn von AP. und AF. und Bruder von S. ein R. erwähnt, der nach der alten türkischen Zeitrechnung im Jahre 1336 (entspricht nach der gregorianischen Zeitrechnung dem Jahr 1920) geboren wurde und am 1. Mai 1972 verstorben ist. Angesichts dieser namentlichen Übereinstimmungen ist als erwiesen anzusehen, dass es sich bei dem von der Mutter des Klägers zu 1) mit dem Vornamen AL. bezeichneten Ehemann um R. handelt. Dieser wiederum ist ein Bruder von AQ.. Der Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) sind somit Cousin und Cousine. Für die türkische Herkunft des Klägers zu 1) sprechen nicht nur die Übereinstimmung zwischen den Angaben seiner Mutter zu einzelnen Familienmitgliedern und den namentlichen Registrierungen im standesamtlichen Auszug der Familie U.. AQ., der Vater der Klägerin zu 2), hat bei seiner Vorsprache in der Ausländerbehörde des Beklagten die Vornamen seiner Eltern mit AP. und AF. angegeben. Der Kläger zu 1) selbst hat im Rahmen einer Vorsprache bei der Ausländerbehörde des Beklagten als Onkel väterlicherseits AN. benannt. Hierbei handelt es sich offenkundig um AQ., den Vater der Klägerin zu 2).

Die Beklagte hat ferner recherchiert, dass R. in der Türkei seinen Wehrdienst vom 23. Februar 1942 bis zum 4. Oktober 1945 geleistet hat. Diese von der deutschen Botschaft in Ankara übermittelten Daten decken sich mit der Angabe der Mutter des Klägers zu 1), ihr Ehemann habe seinen Wehrdienst in der Türkei absolviert. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Mutter des Klägers zu 1) am 2. September 2002 angegeben hat, in Mardin in der Türkei geboren worden zu sein. Auch dieser Gesichtspunkt spricht für eine türkische Staatsangehörigkeit der Mutter des Klägers zu 1) und damit auch des Klägers zu 1) im Zeitpunkt der Abgabe seiner Erklärungen im ausländerrechtlichen Verfahren.

Besonderes Gewicht für die Annahme des Beklagten, der Kläger zu 1) sei türkischer Staatsangehöriger gewesen, hat auch ein dritter Auszug aus dem türkischen Personenstandsregister, der dem Beklagten am 29. Oktober 2003 zuging. In diesem ist ein V. unter der laufenden Nummer 3 aufgeführt. Dabei kann es sich nur um den Kläger zu 1) handeln. Diese Gewissheit ist abzuleiten aus den Angaben des Klägers zu 1), der in seiner aktenkundigen Erklärung zu seinen Familienverhältnissen den Namen seines Vaters mit "AR." und den Namen seiner Mutter mit "AS." angegeben hat. Im Registerauszug werden als Eltern von V. "W." und "AT." bezeichnet. Bei der in dem erwähnten Registerauszug neben V. aufgeführten AU. handelt es sich um eine Schwester des Klägers zu 1). AU. hat in einer Befragung vor der Ausländerbehörde in Pinneberg am 5. Oktober 1998 angegeben, dass sie einen Bruder AV. habe, der in der Nähe von B. in AW. lebe. Hierbei handelt es sich um den Kläger zu 1), der zum damaligen Zeitpunkt tatsächlich in dem genannten Ort lebte. Die Personalien ihrer Eltern gab AX. mit "AY." (Mutter) und "AR." (Vater) an.

Auffällig ist zudem, dass nach dem Tod der Mutter des Klägers zu 1) am 6. Februar 2006 in Deutschland und der Überführung des Leichnams in die Türkei am 9. Februar 2006 der türkische Registerauszug, in dem V. erwähnt wird, unter der laufenden Nummer 1, wo eine AZ. aufgeführt ist, um den Eintrag des Todes dieser Person am 9. Februar 2006 ergänzt wurde.

Bei einer Gesamtschau der vorstehend wiedergegebenen und teilweise bereits bewerteten Indizien ist die Einschätzung des Beklagten, die Klägerin zu 2) sei türkische Staatsangehörige und der Kläger zu 1) sei bis zu seiner Ausbürgerung türkischer Staatsangehöriger gewesen, nicht zu beanstanden. Zu Unrecht wenden die Kläger dagegen ein, aus den Eintragungen in den Registerauszügen, die nur in Fragmenten auf sie zuträfen, könne nicht der Schluss einer Personenidentität gezogen werden. Angesichts der Fülle des Erkenntnismaterials, insbesondere der zahlreichen Übereinstimmungen in den familiären Verhältnissen der Kläger zu 1) und zu 2) und der Familie U., ist ein Zufall ausgeschlossen. Soweit bei der Nennung von Namen Abweichungen aufgetreten sind (z.B. "AL." statt "W." oder "BA." statt "AT."), beruhen diese auf der unterschiedlichen Schreibweise der Vornamen im türkischen und arabischen Sprachraum, aus dem die Kläger zu 1) und zu 2) stammen.

Die Kläger zu 1) und zu 2) wenden auch vergeblich ein, dass die von dem Beklagten vorgelegten Unterlagen Unstimmigkeiten hinsichtlich einzelner persönlicher Daten enthielten, die einer Verwertung entgegenstünden. Dieser Vortrag zielt auf den auch vom 10. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts in seinem Beschluss vom 28. April 2004 (10 ME 15/04), mit dem die Beschwerde des Beklagten gegen die dem Kläger zu 1) vorläufigen Rechtsschutz gewährende Entscheidung des Verwaltungsgerichts zurückgewiesen wurde, aufgegriffenen und zu Lasten des Beklagten gewerteten Gesichtspunkt, dass der türkische Registerauszug für den Kläger zu 1) das Geburtsdatum "01/01/1957" enthalte, während in den von dem Kläger zu 1) vorgelegten Dokumenten (Eheurkunde vom 16.2.1985 und Ehebestätigung des Religiösen Gerichts für moslemische Sunniten vom 24.12.1983) das Geburtsdatum "1955" genannt werde. Diese Abweichung spricht nicht gegen die Richtigkeit der Annahme des Beklagten. Es liegt in der Natur von Registern, dass es für deren sachliche Richtigkeit nie eine absolute Sicherheit geben kann. Die mangelnde Plausibilität einzelner Daten gibt keinen Anlass, die inhaltliche Richtigkeit des von dem Beklagten vorgelegten Registerauszugs insgesamt in Frage zu stellen (vgl. hierzu auch OVG NRW, Beschl. v. 29.3.2004 - 17 B 928/03 -, juris). Außerdem ist nicht auszuschließen, dass die von den Klägern zu 1) und zu 2) vorgelegten Unterlagen aus dem Libanon unrichtige Angaben enthalten. Beide Dokumente sind von dem Beklagten nicht auf ihre Echtheit überprüft worden. Darüber hinaus bleibt unklar, mit welchen Legitimationspapieren die Kläger zu 1) und zu 2) die vorgelegte Eheurkunde erlangt haben.

An dieser Einschätzung hält der Senat nach erneuter Überprüfung fest. Der Kläger hat keine Gesichtspunkte vorgetragen, die zu einer davon abweichenden Beurteilung Anlass geben könnten.

Nach dem in der Türkei herrschenden Abstammungsprinzip (vgl. jetzt Art. 7 Abs. 1 des am 12.6.2009 in Kraft getretenen neuen Staatsangehörigkeitsgesetzes; ebenso schon die zuvor geltende Regelung des Art. 1 tStAG) hat der Kläger als Kind türkischer Eltern die türkische Staatsangehörigkeit erworben. Dass sein Vater am 27. März 2003 aus der Türkei ausgebürgert worden ist, führt nicht zum Verlust der türkischen Staatsangehörigkeit seiner Kinder (vgl. Art. 30 Abs. 2 tStAG n.F.; Art. 32 u. 34 tStAG a.F.).

Die Eltern des Klägers haben unrichtige bzw. unvollständige Angaben zu ihrer Identität und Staatsangehörigkeit gemacht und damit gegen die Vorschriften des § 92 Abs. 1 Nr. 7 AuslG 1965 bzw. § 92 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. AuslG 1990 verstoßen. Dieses Fehlverhalten ihrer Eltern mussten sich ihre minderjährigen Kinder, d.h. die Klägerinnen zu 5) (N.) und 6) (O.) des Berufungsverfahrens 11 LB 135/07, zurechnen lassen (Senatsurt. v. 29.1.2009, a.a.O., S. 20 d. UA). Beim Kläger verhält sich dies anders. Zwar war er bei der Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis am 1. März 2000 noch nicht 18 Jahre alt, doch wurde er bereits am 10. September 2000 volljährig. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann einem Ausländer die Täuschung seiner Eltern über ihre Identität und Staatsangehörigkeit nur für die Zeit seiner Minderjährigkeit zugerechnet werden (vgl. Urt. v. 27.1.2009 - 1 C 40.07 -, NVwZ 2009, 979; ebenso Burr, in: GK-AufenthG, § 25 Rn. 156 u. Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, § 104 a Rn. 38). Dem Kläger kann auch nicht der Vorwurf gemacht werden, dass er nach Eintritt seiner Volljährigkeit eigene Täuschungshandlungen begangen hat. Seine Mutter hat erstmalig bei der Vorsprache am 19. März 2001 im Ausländeramt des Beklagten eingeräumt, dass die Familie ursprünglich aus der Gegend um Mardin in der Türkei stamme. Ab diesem Zeitpunkt konnte deshalb bei dem Beklagten keine falsche Vorstellung über die Herkunft der Eltern des Klägers mehr bestehen. Der Kläger selbst hat als Volljähriger seine türkische Herkunft nicht verschleiert, sondern lediglich bestritten, positive Kenntnis von seiner türkischen Staatsangehörigkeit gehabt zu haben. Dies kann mit den jahrelangen bewussten Täuschungshandlungen seiner Eltern nicht gleichgesetzt werden. Seine libanesische Staatsangehörigkeit hat er bei Stellung seines Antrags auf Verlängerung der Aufenthaltsbefugnis vom 13. Mai 2002 angegeben.

Die Ausweisung des Klägers kann auch nicht darauf gestützt werden, dass er in der Vergangenheit mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten ist.

Die Erfüllung des Ausweisungsgrundes des § 55 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. AufenthG (= § 46 Nr. 2 1. Alt. AuslG) setzt nicht voraus, dass der Ausländer wegen eines Gesetzesverstoßes, der eine Straftat darstellt, verurteilt worden ist (vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 17.6.1998 - 1 C 27.96 -, InfAuslR 1998, 424). Es können deshalb auch staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren, die nicht zu einer Verurteilung geführt haben, sondern gemäß §§ 153 ff. StPO eingestellt worden sind, berücksichtigt werden (vgl. etwa Hailbronner, AuslR, § 55 AufenthG Rn. 30). Allerdings kann in solchen Fällen ein geringfügiger Verstoß gegen Rechtsvorschriften im Sinne des § 55 Abs. 2 Nr. 2 1. Halbs. AufenthG vorliegen (vgl. Discher, in: GK-AufenthG, § 55 Rn. 530). Die Verwaltungspraxis nimmt darüber hinaus in Anlehnung an Nr. 55.2.2.3.1 der Vorläufigen Anwendungshinweise des BMI zum Aufenthaltsgesetz bei der Verurteilung zu einer Geldstrafe bis zu 30 Tagessätzen eine Geringfügigkeit an (vgl. Albrecht, in: Storr/Wenger/Eberle/Albrecht/Harms, Kommentar zum Zuwanderungsrecht, 2. Aufl., § 55 AufenthG Rn. 11; HK-AuslG/Alexy, 1. Aufl., § 55 AufenthG Rn. 22; Discher, a.a.O., § 55 AufenthG Rn. 528). Das Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 BZRG gilt auch im Ausländerrecht (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.1.1997 - 1 C 17.94 -, InfAuslR 1997, 296; Renner, a.a.O., § 55 AufenthG Rn. 21; Hailbronner, a.a.O., § 55 AufenthG Rn. 32; Discher, a.a.O., vor §§ 53 ff. AufenthG Rn. 1136 ff.). Auch Eintragungen im Erziehungsregister fallen darunter (vgl. § 63 Abs. 4 i.V.m. § 51 Abs. 1 BZRG). Nach Jugendstrafrecht abgeurteilte Verfehlungen können bei der Ausweisung milder beurteilt werden als die Straftaten eines Erwachsenen (vgl. Hailbronner, a.a.O., § 55 AufenthG Rn. 91). Dies hat auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte für die Straftaten von Ausländern, die ihre gesamte Kindheit und Jugend oder den größten Teil davon im Gastland verbracht haben, in ständiger Rechtsprechung betont (vgl. Urt. v. 23.6.2008 - 1638/03 -, InfAuslR 2008, 333; Urt. v. 17.4.2003 - 32853/99 -, NJW 2004, 2147). Danach müssen zur Rechtfertigung der Ausweisung dieses Personenkreises besonders dann, wenn die zur Ausweisung führenden Straftaten als Jugendliche oder Heranwachsende begangen worden sind, sehr gewichtige Gründe vorgebracht werden. Hieran gemessen vermögen die strafrechtlichen Verfehlungen des Klägers eine Ermessensausweisung nicht zu begründen.

Der am 10. September 1982 geborene Kläger war im Zeitpunkt der Vorfälle, die Gegenstand staatsanwaltschaftlicher Ermittlungsverfahren und jugendgerichtlicher Verfahren in den Jahren 1998 bis 2003 waren, noch Jugendlicher bzw. Heranwachsender. Ein Teil dieser Verfahren wurde nach § 45 Abs. 1 oder nach § 47 JGG eingestellt. In zwei Fällen (Urt. d. AG J. - Jugendgericht - v. 22.2.2001 u. Urt. d. AG B. - Jugendgericht - v. 22.11.2003) wurden ihm Auflagen erteilt (vgl. §§ 13 Abs. 2 u. 15 JGG). Diese Zuchtmittel haben aber - ebenso wie Erziehungsmaßregeln - nicht die Rechtswirkungen einer Strafe (vgl. § 13 Abs. 3 JGG). Alle diese Maßnahmen waren zwar in das Erziehungsregister einzutragen (vgl. § 60 Abs. 1 Nr. 2 u. 7 BZRG). Sie unterliegen aber mit Vollendung des 24. Lebensjahres des Klägers im September 2006 einem Verwertungsverbot (§ 63 Abs. 1 u. 4 i.V.m. § 51 Abs. 1 BZRG; vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 28.1.1997, a.a.O.). Die gegen den Kläger in der Folgezeit bis zum Jahr 2006 eingeleiteten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren wurden entweder gemäß § 153 Abs. 1 bzw. § 154 Abs. 1 StPO oder nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Hieran wird deutlich, dass es sich auch insofern nicht um schwerwiegende Verfehlungen des Klägers handelte. Allerdings war bei ihm bis einschließlich zum Jahr 2004 eine gewisse Neigung zu Körperverletzungsdelikten zu beobachten, die aber nicht zur Verhängung einer Geld- oder Freiheitsstrafe geführt haben. In dieser Hinsicht ist er zudem seit dem Jahr 2005 nicht mehr auffällig geworden. Unter diesen Umständen reichen die strafrechtlichen Verfehlungen des Klägers für die Rechtfertigung einer Ermessensausweisung nicht aus. Aber selbst wenn man den Tatbestand des § 55 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. AufenthG (= § 46 Nr. 2 1. Alt. AuslG) als erfüllt ansehen würde, wäre eine Ausweisung des Klägers jedenfalls mit Blick auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrecht (vgl. Urt. v. 23.6.2008, a.a.O.) im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK unverhältnismäßig. Der Kläger, der im Alter von ca. 3 3/4 Jahren eingereist ist, hat den größten Teil seiner Kindheit und Jugend in Deutschland verbracht. Er hat keine schwerwiegenden Straftaten begangen. Auch bestehen Anzeichen dafür, dass er seinen früheren Hang zur Gewalttätigkeit überwunden hat.

2. Dagegen steht dem Kläger kein Anspruch auf Verlängerung oder Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen zu, wie sie sich aus Abschnitt 5 des Kapitels 2 des Aufenthaltsgesetzes ergibt. Nicht zu prüfen war, ob der Kläger einen Anspruch auf Verlängerung der ihm erteilten Aufenthaltsbefugnis als Aufenthaltserlaubnis gemäß § 23 Abs. 1 AufenthG in Verbindung mit den früheren Niedersächsischen Bleibeerlassen hat. Denn sein damaliger Prozessbevollmächtigter hat in der mündlichen Verhandlung vom 29. Januar 2009 ausdrücklich erklärt, dass er auf eine Weiterverfolgung dieses - vom Verwaltungsgericht positiv beschiedenen - Antrags verzichte. Da aber die vom Kläger begehrte Verlängerung der Aufenthaltsbefugnis als Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen auch Ansprüche erfasst, die auf Neuerteilung gerichtet sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.1.2009, a.a.O.), und bei ausländerrechtlichen Verpflichtungsklagen grundsätzlich auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz abzustellen ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 4.9.2007 - 1 C 43.06 -, BVerwGE 129, 226), kommt als neue Anspruchsgrundlage die am 28. August 2007 in Kraft getretene Altfallregelung des § 104 a AufenthG in Betracht. Allerdings vermag diese Vorschrift nur einen Anspruch für die Zeit ab ihrem Inkrafttreten zu begründen (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.1.2009, a.a.O.). Des Weiteren ist die Erteilung bzw. Verlängerung eines - ebenfalls humanitär begründeten - Aufenthaltsrechts nach § 25 Abs. 5 und § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG Streitgegenstand des Berufungsverfahrens. Die Voraussetzungen dieser Bestimmungen sind jedoch nicht erfüllt.

a) Nach § 104 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG soll einem geduldeten Ausländer abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn er sich am 1. Juli 2007 seit mindestens acht Jahren oder, falls er zusammen mit einem oder mehreren minderjährigen ledigen Kindern in häuslicher Gemeinschaft lebt, seit mindestens sechs Jahren ununterbrochen geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen im Bundesgebiet aufgehalten hat und weitere, im Einzelnen unter Nr. 1 bis 6 bezeichnete Voraussetzungen vorliegen. Dass der Kläger nicht - wie von der Vorschrift vorausgesetzt - förmlich geduldet wird, ist nach Auffassung des erkennenden Senats unschädlich. Die Situation des Klägers ist mit der eines geduldeten Ausländers vergleichbar. Zwar ist er ausreisepflichtig, doch war die Ausreisepflicht nicht vollziehbar, da das Verwaltungsgericht im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die aufschiebende Wirkung seiner Klage angeordnet hatte. Ihm konnte keine Duldung erteilt werden, weil diese voraussetzt, dass die Ausreisepflicht vollziehbar ist (vgl. Funke-Kaiser, a.a.O., § 60 AufenthG Rn. 111). Eine Ungleichbehandlung dieser Personengruppen wäre nur schwer verständlich. Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Frage im Urteil vom 27. Januar 2009 (a.a.O.) nicht abschließend entschieden. Der Beklagte geht nach Absprache mit dem Niedersächsischen Innenministerium ebenfalls davon aus, dass der Umstand einer fehlenden förmlichen Duldung bzw. Duldungsbescheinigung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104 a AufenthG an den Kläger nicht entgegensteht.

Zwar dürfte der Kläger auch die übrigen aufenthaltsrechtlichen Anforderungen des § 104 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG erfüllen, doch liegen keine tragfähigen Anhaltspunkte dafür vor, dass es ihm künftig gelingen wird, seinen Lebensunterhalt einschließlich Krankenversicherungsschutz (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 3 AufenthG) vollständig oder überwiegend durch eigene Erwerbstätigkeit zu sichern. Bei Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 104 a Abs. 1 AufenthG "soll" die Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Dies bedeutet, dass die Aufenthaltserlaubnis in der Regel erteilt werden muss und nur bei Vorliegen von atypischen Umständen nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden ist (vgl. 10. Sen. d. erk. Ger., Beschl. v. 31.3.2009 - 10 LA 411/08 -, juris; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 29.7.2008 - 11 S 158/08 -, juris; BVerwG, Urt. v. 22.11.2005 - 1 C 18.04 -, BVerwGE 124, 326 zur Soll-Vorschrift des § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG).

Zweck dieser gesetzlichen Altfallregelung ist es, dem Bedürfnis der seit Jahren im Bundesgebiet geduldeten und hier integrierten Ausländer nach einer dauerhaften Perspektive in Deutschland Rechnung zu tragen, wobei die in § 104 a Abs. 1 AufenthG genannten Kriterien diejenigen begünstigen sollen, "die faktisch und wirtschaftlich im Bundesgebiet integriert sind und sich rechtstreu verhalten haben" (BT-Drs. 16/5065 S. 201 f.). Ausweislich des Wortlauts des § 104 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG soll eine Aufenthaltserlaubnis nach dieser Vorschrift "abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1" AufenthG erteilt werden. Dies bedeutet, dass der Lebensunterhalt im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 3 AufenthG im Regelfall nicht gesichert sein muss. Sichert der Ausländer seinen Lebensunterhalt dagegen eigenständig durch Erwerbstätigkeit, wird die Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 Satz 1 AufenthG erteilt (§ 104 a Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Anderenfalls wird sie bis zum 31. Dezember 2009 sozusagen auf Probe ausgestellt (§ 104 a Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 AufenthG). Sie soll um weitere zwei Jahre als Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 Satz 1 AufenthG verlängert werden, wenn der Lebensunterhalt des Ausländers bis zum 31. Dezember 2009 überwiegend eigenständig durch Erwerbstätigkeit gesichert war oder wenn der Ausländer mindestens seit dem 1. April 2009 seinen Lebensunterhalt nicht nur vorübergehend eigenständig sichert (§ 104 a Abs. 5 Satz 2 AufenthG). Ab dem 1. Januar 2010 müssen also auch diejenigen, die bisher nur eine Aufenthaltserlaubnis auf Probe erhalten haben, die eigenständige Sicherung des Lebensunterhalts nachweisen. Nach § 104 a Abs. 5 Satz 3 AufenthG müssen dabei Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Lebensunterhalt - mit Blick auf den Zeitraum der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis - überwiegend gesichert sein wird. An diesen Vorschriften wird deutlich, dass die Aufenthaltserlaubnis "auf Probe" darauf angelegt ist, in eine eigenständige Sicherung des Lebensunterhalts zu münden (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 29.7.2008, a.a.O.; Funke-Kaiser, a.a.O., § 104 a Rn. 64).

Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/5065, S. 203) ist vor diesem Hintergrund ein atypischer Fall in Bezug auf die künftige Sicherung des Lebensunterhalts anzunehmen, wenn bereits abzusehen ist, dass eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nicht erfolgen kann, also davon auszugehen ist, dass die "Probe" nicht bestanden wird. Im Einzelnen heißt es dort:

"Bei Ausländern, bei denen bereits zum Zeitpunkt der ersten Antragstellung auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach Absatz 1 die Sicherung des Lebensunterhalts ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel nicht gewährleistet ist, kommt der das Ermessen bindenden Formulierung in Absatz 1 "soll erteilt werden" eine besondere Bedeutung zu. Ist bereits zu diesem Zeitpunkt der Lebensunterhalt nicht ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel gesichert und liegen auch keine begründeten Anhaltspunkte dafür vor, dass zukünftig die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel entfällt, ist damit ein hinreichender Grund gegeben, von dem im Regelfall ermessensbindenden "soll" abzuweichen, denn es ist mit den Zielen des § 104 a nicht vereinbar, Ausländern eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn bereits bei der Erteilung feststeht, dass eine Verlängerung nicht erfolgen kann."

Diese Ausführungen verdeutlichen die gesetzgeberische Absicht (vgl. BT-Drs. 16/5065, S. 202), dass auch die Altfallregelung eine dauerhafte Zuwanderung in die Sozialsysteme nicht ermöglichen soll. Ist demnach offenkundig, dass der Ausländer auch nach Ablauf der Probezeit den Lebensunterhalt nicht selbständig ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann und deshalb nach dem 31. Dezember 2009 eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nicht in Betracht kommt, ist es gerechtfertigt, abweichend von der Soll-Regelung in § 104 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis abzulehnen (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 21.3.2009, a.a.O.; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 29.7.2008, a.a.O.; Maaßen, in: Kluth/Hund/Maaßen, Zuwanderungsrecht 2008, S. 325 f. Rn. 719; Funke-Kaiser, a.a.O., § 104 a Rn. 64; Albrecht, in: Storr/Wenger/Eberle/Albrecht/ Harms, Komm. zum Zuwanderungsrecht, 2. Aufl., § 104 AufenthG Rn. 17, a.A. Huber/ Göbel/Zimmermann, a.a.O., S. 233 Rn. 607). Ein derartiger Fall liegt hier vor.

Der Kläger lebt seit mehr als 23 Jahren in Deutschland. Zwar erwarb er im Juli 1999 den Hauptschulabschluss, doch ist es ihm nicht gelungen, sich in wirtschaftlicher Hinsicht zu integrieren. Er verfügt über keine abgeschlossene Berufsausbildung und war von Oktober 2003 bis zum 23. September 2009 arbeitslos. Während dieser Zeit bezog er zunächst Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und später Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Allerdings war er vom 13. April 2007 bis zum 4. Januar 2009 an einer Erwerbstätigkeit aus Rechtsgründen gehindert (vgl. die entsprechenden ausländerbehördlichen Bescheinigungen der Landeshauptstadt Hannover). Der erkennende Senat kann offen lassen, ob ein derartiges Hindernis in diesem Zusammenhang rechtlich beachtlich ist oder nicht (vgl. einerseits 10. Sen. d. erk. Ger., Beschl. v. 17.11.2006 - 10 ME 222/06 -, AuAS 2007, 28; BayVGH, Beschl. v. 14.9.2006 - 24 C 06.1327 -, juris; Burr, a.a.O., § 25 AufenthG Rn. 157; andererseits OVG Bremen, Beschl. v. 6.8.2007 - 1 B 315/07 -, juris; Huber/Göbel/Zimmermann, a.a.O., S. 235 Rn. 611; Kirsch, Die erste bundesrechtliche Altfallregelung in § 104 a Aufenthaltsgesetz, ZAR 2008, 130, 133). Denn der Kläger muss sich vorhalten lassen, dass es ihm auch in den von diesem rechtlichen Hindernis nicht erfassten Zeiträumen bis zum 23. September 2009 nicht gelungen ist, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Dass er seit dem 23. September 2009 als Konfektionierer/Lagermitarbeiter bei einer Speditionsgesellschaft beschäftigt ist, vermag zu keiner für ihn günstigeren Beurteilung zu führen. Der Senat kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der entsprechende Arbeitsvertrag vom 18. September 2009 in erster Linie wegen des dem Kläger spätestens seit Anfang September 2009 bekannten Verhandlungstermins des Senats abgeschlossen worden ist. Auch hat er die Nachweise darüber erst in der mündlichen Verhandlung vom 20. Oktober 2009 vorgelegt. Es erscheint zudem völlig ungewiss, wie lange der Kläger diese Tätigkeit ausüben kann und wird. Wie sich aus dem Arbeitsvertrag ergibt, gelten die ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses als Probezeit, während der ihm jederzeit unter Einhaltung einer Frist von sieben Tagen gekündigt werden kann. Darüber hinaus bestehen erhebliche Zweifel, ob in dem Speditionsunternehmen ausreichend Arbeit für den Kläger zur Verfügung steht. Sein Bruder P., der in diesem Unternehmen ebenfalls (und zwar seit dem 3.9.2009) beschäftigt ist, hat in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass alle Mitarbeiter im Monat September für zweieinhalb Wochen keine Arbeit gehabt und keinen Lohn erhalten hätten. Angesichts dessen ist für den Kläger auch mit Blick auf den Stichtag des 31. Dezember 2009 eine verlässliche berufliche Perspektive nicht absehbar.

Hiervon abgesehen hat der Kläger bisher in keiner Weise belegt, dass er mittels der jetzt aufgenommenen Beschäftigung den Lebensunterhalt für sich bestreiten kann und künftig auf den Bezug von Sozialleistungen nicht mehr angewiesen ist. In § 3 des Arbeitsvertrages ist lediglich ein Leistungslohn angegeben. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung dazu erklärt, dass er bisher keine genaue Lohnabrechnung erhalten habe. Er wisse aber von den übrigen Kollegen, dass der Arbeitslohn etwa zwischen 800 bis 1.200,-- EUR brutto monatlich betrage. Es erscheint äußerst fraglich, ob er von diesem Gehalt nach Abzug sämtlicher in § 11 Abs. 2 SGB II angeführten Beträge (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 26.8.2008 - 1 C 32.07 -, BVerwGE 131, 370) seinen Lebensunterhalt sichern kann, zumal er auch noch gegenüber seiner Tochter unterhaltspflichtig ist. Diese Unsicherheiten sprechen ebenfalls dagegen, dass der Kläger die erforderliche eigenständige Sicherung des Lebensunterhalts auf Dauer erreichen wird. Seine Lebenspartnerin kann ihn nicht finanziell unterstützen, weil sie selbst Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II erhält. Schließlich ist auch ein Härtefall im Sinne des § 104 a Abs. 6 AufenthG nicht ersichtlich.

Ebenso wenig ergibt sich ein Anspruch des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus § 104 a Abs. 2 Satz 1 AufenthG. Danach kann einem geduldeten volljährigen ledigen Kind eines geduldeten Ausländers, der sich am 1. Juli 2007 seit mindestens acht Jahren oder, falls er zusammen mit einem oder mehreren minderjährigen ledigen Kindern in häuslicher Gemeinschaft lebt, seit mindestens sechs Jahren ununterbrochen geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen im Bundesgebiet aufgehalten hat, eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn es bei der Einreise minderjährig war und gewährleistet erscheint, dass es sich aufgrund seiner bisherigen Ausbildung und Lebensverhältnisse in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland einfügen kann. Abs. 1 des § 104 a AufenthG schließt die Anwendung dieser Regelung nicht aus (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.1.2009, a.a.O.; Funke-Kaiser, a.a.O., § 104 AufenthG Rn. 66). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist der Kläger auch als "lediges" Kind im Sinne des § 104 a Abs. 2 Satz 1 AufenthG anzusehen, obwohl er nach islamischem Ritus verheiratet ist, da eine derartige Eheschließung auch sonst im Aufenthaltsrecht nicht anerkannt werde (Urt. v. 27.1.2009, a.a.O.). Der Kläger erfüllt aber deshalb nicht die Voraussetzungen dieser Vorschrift, weil - selbst wenn man ihn einem geduldeten Ausländer gleichstellen würde - seine Eltern nicht mehr als geduldete Ausländer anzusehen sind. Denn sie sind seit der am 20. Juli 2009 eingetretenen Rechtskraft des Senatsurteils 11 LB 136/07 vom 29. Januar 2009 unanfechtbar ausreisepflichtig (vgl. § 50 Abs. 1 u. 2. AufenthG). Ihre (aktuelle) aufenthaltsrechtliche Stellung unterscheidet sich deshalb grundlegend von der eines förmlich geduldeten bzw. eines vorläufigen Rechtsschutz genießenden Ausländers.

Aber selbst wenn man dieser Auffassung nicht folgen sollte, würde die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104 a Abs. 2 Satz 1 AufenthG an dem Fehlen der erforderlichen positiven Integrationsprognose scheitern. Allerdings dürften die strafrechtlichen Verfehlungen des Klägers der Erteilung nicht entgegenstehen. Wie der Senat bereits ausgeführt hat, greift hier zugunsten des Klägers zum einen das Verwertungsverbot des § 63 Abs. 1 u. 4 i.V.m. § 51 BZRG ein. Zum anderen sind die gegen den Kläger später eingeleiteten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren nach § 153 Abs. 1 bzw. § 154 Abs. 1 und § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Die strafrechtlichen Verfehlungen des Klägers haben deshalb nicht ein solches Gewicht, dass sie einer positiven Integrationsprognose entgegenstehen könnten.

Etwas Anderes gilt aber für die in die Gesamtbewertung ebenfalls einzustellenden Gesichtspunkte der wirtschaftlichen und beruflichen Integration. Zu Lasten des Klägers ist insofern zu berücksichtigen, dass er - wie bereits ausgeführt - über keine Berufsausbildung verfügt, einer Erwerbstätigkeit erst seit Kurzem nachgeht und jahrelang öffentliche Sozialleistungen bezogen hat, ohne dass sich eine grundlegende Besserung seiner wirtschaftlichen und beruflichen Lage abzeichnet. Gerade die fehlende Berufsausbildung, die seine Beschäftigungsmöglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt erschwert, ist bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 104 a Abs. 2 AufenthG - wie ihre besondere Hervorhebung in Satz 1 deutlich macht - von wesentlicher Bedeutung.

Dass der Kläger seit nunmehr über 23 Jahren im Bundesgebiet lebt und die deutsche Sprache beherrscht, vermag die festgestellten wirtschaftlichen und beruflichen Defizite nicht auszugleichen. Er konnte auch kein schutzwürdiges Vertrauen in den Fortbestand seines Aufenthalts entwickeln. Insbesondere muss er sich entgegenhalten lassen, dass sein Aufenthaltsrecht in Deutschland durch eine bewusste Täuschung seiner Eltern begründet worden ist. Diese Täuschung muss er sich jedenfalls für die Zeit seiner Minderjährigkeit zurechnen lassen. Damit kommt seiner langjährigen Aufenthaltsdauer insgesamt nicht das Gewicht zu, wie wenn der Aufenthalt formell und materiell in jeder Hinsicht unbedenklich wäre (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 27.1.2009, a.a.O.).

Nach alledem ist der Kläger nicht derart in den Verhältnissen der Bundesrepublik Deutschland verwurzelt, dass ihm im Hinblick auf den in Art. 6 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG sowie in Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleisteten Schutz des Familien- und Privatlebens ein Bleiberecht eingeräumt werden müsste. Ein solches ergibt sich auch nicht aus den Beziehungen des volljährigen Klägers zu seinen in Deutschland lebenden Eltern und Geschwistern. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass diese auf die Lebenshilfe des Klägers oder umgekehrt dieser auf deren Unterstützung angewiesen ist. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Eltern des Klägers und seine Schwestern N. und O. unanfechtbar ausreisepflichtig sind. Schließlich kann sich der Kläger auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Bindungen an seine Lebensgefährtin, die ebenfalls die libanesische Staatsangehörigkeit besitzt, und das gemeinsame Kind einer Aufenthaltsbeendigung entgegenstünden. Weder aus Art. 6 Abs. 1 GG noch aus Art. 8 Abs. 1 EMRK folgt die Verpflichtung des Staates, dem Wunsch ausländischer Familienmitglieder auf Zusammenleben im Bundesgebiet zu entsprechen. Dies gilt erst recht, wenn - wie hier - der Lebenspartner und das gemeinsame Kind über kein gesichertes Aufenthaltsrecht in Deutschland verfügen. Sie müssen sich deshalb auf eine gemeinsame Übersiedlung in den Libanon verweisen lassen.

Dass dem Kläger ein Leben im Libanon nicht zugemutet werden könnte, ist nicht feststellbar. Er besitzt die libanesische Staatsangehörigkeit und verfügt über einen gültigen libanesischen Pass. Außerdem kann davon ausgegangen werden, dass er die arabische Sprache - die Muttersprache seiner Eltern - wenigstens in den Grundzügen beherrscht. Es kann erwartet werden, dass er diese Kenntnisse gegebenenfalls mit Hilfe seiner Eltern im Libanon ausbaut. Außerdem ist dem Senat aus dem Parallelverfahren 11 LB 136/07 bekannt, dass im Libanon Verwandte von ihm leben. Dem heute 27-jährigen Kläger dürfte es auch durch Verrichtung einfacher Tätigkeiten möglich sein, im Libanon seinen Lebensunterhalt hinreichend zu sichern. Sollte ihm dieses wider Erwarten nicht gelingen, müsste er auf die wirtschaftliche Unterstützung seiner dort lebenden Verwandten und/oder in Deutschland wohnender Familienangehöriger zurückgreifen, etwa auf die seines Bruders C., der - wie dem Senat ebenfalls bekannt ist - als Geschäftsmann erfolgreich tätig ist und sich durchschnittlich ein- bis zweimal im Jahr im Libanon aufhält. Nach alledem hält der Senat die (Re-)Integration des Klägers in den Libanon trotz seines langen Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland nach Überwindung gewisser Eingewöhnungsschwierigkeiten für möglich und zumutbar.

b) Ein Anspruch des Klägers nach § 25 Abs. 5 AufenthG scheidet von vornherein aus, da er - wie nach Satz 1 erforderlich - nicht vollziehbar ausreisepflichtig ist. Er genießt aufgrund des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 5. März 2004 - 6 B 7323/03 - vorläufigen Rechtsschutz (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.1.2009, a.a.O.).

c) Schließlich kommt auch die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG nicht in Betracht. Nach dieser Vorschrift kann eine Aufenthaltserlaubnis abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 AufenthG, also unabhängig vom Wegfall der Erteilungsvoraussetzungen verlängert werden, wenn aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außerordentliche Härte bedeuten würde. Die in der bisherigen Rechtsprechung zur Vorgängerbestimmung des § 30 Abs. 2 AuslG 1990 aufgestellten hohen Anforderungen gelten auch im Rahmen des § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG (BVerwG, Beschl. v. 8.2.2007 - 1 B 69.06 u.a. -, NVwZ 2007, 844). Dies hat das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 27. Januar 2009 (a.a.O.) bekräftigt und ergänzend Folgendes ausgeführt:

"Die Beendigung des Aufenthalts in Deutschland muss für den Ausländer mit Nachteilen verbunden sein, die ihn deutlich härter treffen als andere Ausländer in einer vergleichbaren Situation. Die Beendigung des Aufenthalts muss für den Ausländer bei dieser Vergleichsbetrachtung unzumutbar sein (vgl. etwa Urteil des Senats vom 19. September 2000 - BVerwG 1 C 14.00 - Buchholz 402.240 § 6 AuslG Nr. 16 sowie Beschluss vom 8. Februar 2007 - BVerwG 1 B 69.06 - a.a.O.). In einem anderen aufenthaltsrechtlichen Zusammenhang hat der Senat eine außergewöhnliche Härte angenommen, wenn die mit der Versagung der Aufenthaltserlaubnis eintretenden Schwierigkeiten nach ihrer Art und Schwere so ungewöhnlich groß sind, dass die Ablehnung der Erlaubnis schlechthin unvertretbar ist (Beschluss vom 25. Juni 1997 - BVerwG 1 B 236.96 - Buchholz 402.240 § 22 AuslG Nr. 4 zu der früheren Familiennachzugsregelung in § 22 AuslG 1990). Die Kommentarliteratur sieht eine außergewöhnliche Härte im Sinne des § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG erst bei einer exzeptionellen Ausnahmesituation als gegeben an (Hailbronner, Kommentar zum Ausländerrecht, § 25 AufenthG Rn. 92; Burr, in: Gemeinschaftskommentar zum Aufenthaltsgesetz, § 25 Rn. 93; jeweils m.w.N.).

Bei der Beurteilung, ob die Beendigung des Aufenthalts eines in Deutschland aufgewachsenen Ausländers eine außergewöhnliche Härte darstellt, kommt auch dem Umstand Bedeutung zu, inwieweit der Ausländer in Deutschland verwurzelt ist. Das Ausmaß der Verwurzelung bzw. die für den Ausländer mit einer "Entwurzelung" verbundenen Folgen sind unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben der Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG sowie der Regelung des Art. 8 EMRK zu ermitteln, zu gewichten und mit den Gründen, die für eine Aufenthaltsbeendigung sprechen, abzuwägen. Dabei ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten.

...

Alle diese Umstände sind im Wege einer Gesamtbewertung zu gewichten und im Hinblick auf das Vorliegen einer außergewöhnlichen Härte gemäß § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG zu beurteilen."

Hiervon ausgehend kann im Fall des Klägers keine außergewöhnliche Härte im Sinne des § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG festgestellt werden. Der erkennende Senat hat sich bereits im Rahmen der Prüfung des § 104 a Abs. 2 Satz 1 AufenthG eingehend mit den Lebensverhältnissen des Klägers befasst und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass er in Deutschland nicht hinreichend verwurzelt ist und für ihn die Möglichkeit und Zumutbarkeit der (Re-)Integration im Libanon besteht. Diese Ausführungen gelten hier entsprechend, zumal § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG auch nach der oben wiedergegebenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts strenge Anforderungen an die Annahme einer außerordentlichen Härte stellt.

Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach dieser Vorschrift steht ferner entgegen, dass die allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG (Sicherung des Lebensunterhalts) nicht vorliegt und auch ein Ausnahmefall im Sinne des § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG nicht ersichtlich ist.

3. Schließlich begegnet die auf § 59 AufenthG gestützte Androhung des Beklagten, den Kläger bei Nichtbeachtung der Ausreisepflicht in den Libanon abzuschieben, keinen rechtlichen Bedenken. Der Kläger ist libanesischer Staatsangehöriger und ist im Besitz eines gültigen libanesischen Reisepasses.

Ende der Entscheidung

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