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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 16.02.2009
Aktenzeichen: 11 ME 367/08
Rechtsgebiete: GlüStV, NGlüSpG, NGlüSpV, VwGO


Vorschriften:

GlüStV § 9 Abs. 2
NGlüSpG § 5
NGlüSpV § 1
NGlüSpV § 2
VwGO § 80 Abs. 7
Der Senat hält daran fest, dass die am 1. Jan. 2008 in Kraft getretenen Regelungen des GlüStV und des Nds. GlüSpG - nunmehr iVm der NGlüSpV v. 28. Nov. 2008 (Nds. GVBl 2008, 383) - bei isolierter Betrachtung des Sportwetten- und Lotteriemarktes den verfassungsrechtlichen Vorgaben (BVerfG v. 28. März 2006 - 1 BvR 1054/01) noch gerecht werden.

Ob bei einer Gesamtbetrachtung des Glücksspielmarktes der dann auch in den Blick zu nehmende Bereich der gewerblichen Geldspielautomaten (§ 33c ff GewO) mit dem Ziel der Bekämpfung der Wettleidenschaft in Übereinklag steht , kann (weiterhin) erst in einem Hauptsacheverfahren entschieden werden.

Die aufgrund der offenen Erfolgsaussichten vorzunehmende Interessenabwägung geht auch unter Berücksichtigung der aktuellen Entwicklung (weiterhin) zu Lasten des privaten Veranstalters aus.


Gründe:

Der Antragsteller betreibt in B. einen Gewerbebetrieb, in dem er u. a. Sportwetten (Oddset-Wetten) entgegennimmt und diese an die Firma Goalbetter LTD, Großbritannien, vermittelt. Der Antragsgegner untersagte mit für sofort vollziehbar erklärten Bescheid vom 22. Juni 2007 dem Antragsteller, Sportwetten für in Niedersachsen nicht konzessionierte Veranstalter oder Anbieter zu vermitteln oder zu bewerben. Dagegen hat der Antragsteller Klage erhoben (6 A 149/07), über die noch nicht entschieden ist. Einen gleichzeitig gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 12. Oktober 2007 (6 B 43/07) ab. Die hiergegen erhobene Beschwerde wies der Senat mit Beschluss vom 13. Dezember 2007 (11 ME 436/07) zurück.

Im Januar 2008 stellte der Antragsteller einen Abänderungsantrag nach § 80 Abs. 7 VwGO. Er vertrat die Auffassung, dass auch die ab 1. Januar 2008 geltenden neuen Rechtsgrundlagen (Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland, GlüStV und das Niedersächsische Gesetz zur Neuordnung des Glücksspielrechtes, NGlüSpG) weder mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes in seinem Urteil vom 28. März 2006 (1 BvR 1054/01 - NJW 2006, 1261 -, im folg. Sportwettenurteil) noch mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zur Dienstleistungsfreiheit vereinbar seien.

Das Verwaltungsgericht hat dem Abänderungsantrag stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die ab 1. Januar 2008 geltenden neuen gesetzlichen Rechtsgrundlagen für das Sportwetten- und Lotteriewesen in Niedersachsen entsprächen nicht den verfassungsrechtlichen Vorgaben. Danach sei gerade im Bereich der Sportwetten ein staatliches Monopol konsequent am Ziel der Bekämpfung von Wettsucht und der Begrenzung der Wettleidenschaft auszurichten. Um dieses zu erreichen, seien gesetzliche Vorgaben erforderlich, mit denen die Vermarktung von Sportwetten beschränkt werde. Zwar bedinge diese Forderung des Bundesverfassungsgerichts möglicherweise keine Reduzierung der bei Inkrafttreten der neuen Regelungen zum 1. Januar 2008 tatsächlich bereits vorhandenen Lottoannahmestellen, zumindest sei aber für die Zukunft eine zahlenmäßige Begrenzung derartiger Annahmestellen verlangt worden. Demgemäß bestimme § 10 Abs. 3 GlüStV, dass die Länder die Zahl der Annahmestellen zu begrenzen hätten. Dieser gesetzgeberische Auftrag sei im Land Niedersachsen jedoch nicht umgesetzt worden. Konkrete Kriterien, an denen die Begrenzung auszurichten sei, seien § 5 Abs. 5 NGlüSpG nicht zu entnehmen. Zwar sehe § 24 Satz 1 Nr. 2 NGlüSpG vor, dass die Kriterien für eine Begrenzung durch eine Verordnung festgelegt werden könnten. Eine derartige Verordnung sei jedoch bislang nicht erlassen, so dass die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in Niedersachsen derzeit tatsächlich nicht umgesetzt seien. Eine weitere "Übergangszeit" bis zum Erlass der - nach Darstellung des Antragsgegners in Arbeit befindlichen - Verordnung sei nicht einzuräumen, da dies auf eine unzulässige Verlängerung der vom Bundesverfassungsgericht eingeräumten Übergangsfrist, die am 31. Dezember 2007 abgelaufen sei, hinauslaufe.

Dagegen richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners.

Die Beschwerde hat Erfolg.

Der angefochtene Beschluss war zu ändern und der Antrag des Antragstellers, unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 12. Oktober 2007 (6 B 43/07) und des Beschwerdebeschlusses des erkennenden Senats vom 13. Dezember 2007 (11 ME 436/07) die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers (6 A 149/07) gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 22. Juni 2007 anzuordnen, abzulehnen; denn er ist zwar zulässig, aber unbegründet.

Der Abänderungsantrag nach § 80 Abs. 7 VwGO ist zulässig, da sich die Umstände seit der letzten gerichtlichen Entscheidung verändert haben.

Eine Änderung der Rechtslage liegt vor, weil seit dem 1. Januar 2008 der Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland (Nds. GVBl. 2007, 768, GlüStV) und das Niedersächsische Gesetz zur Neuordnung des Glücksspielrechtes (vom 17. 12. 2007 - Nds. GVBl. 2007, 756), das in seinem Art. 2 das Niedersächsische Glücksspielgesetz - (NGlüSpG) enthält, in Kraft sind. Eine weitere Änderung ergibt sich daraus, dass nach dem Sportwettenurteil des Bundesverfassungsgerichts in der Übergangszeit (bis Ende 2007) nur ein "Mindestmaß an Konsistenz" zwischen dem gesetzlichen Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft einerseits und der tatsächlichen Ausübung des Monopols andererseits herzustellen war, während mit Ablauf der Übergangszeit (ab 2008) eine "vollständige Konsistenz" herzustellen ist (vgl. Beschl. d. Sen. v. 8. 5. 2007 - 11 ME 137/07 - u. v. 8. 7. 2008 - 11 ME 71/08 -). Diese neue Rechtslage ist maßgeblich, weil die Untersagungsverfügung als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung zu charakterisieren und für ihre Beurteilung mithin die Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich ist (OVG NRW, Beschl. v. 18. 4. 2007 - 4 B 1246/06 -; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 16. 10. 2008 - 6 S 1288/08 -; BayVGH, Urt. v. 18. 12. 2008 - 10 BV 07.558 -; Marcks, in: Landmann/Rohmer, GewO, Stand: August 2007, § 35 Rdnr. 21 m. w. N.; in diesem Sinne auch BVerfG, Beschl. v. 22. 11. 2007 - 1 BvR 2218/06 - NVwZ 2008, 301). Der Antragsgegner hat die aus dem Jahre 2007 stammende Untersagungsverfügung auch ausdrücklich (vgl. Schriftsatz v. 14. Februar 2008) unter Geltung der seit dem 1. Januar 2008 gültigen Rechtslage aufrechterhalten (zu diesem Vorgehen vgl. BVerfG, Beschl. v. 22. 11. 2007 - 1 BvR 2218/06 - NVwZ 2008, 301). Der Erlass eines neuen oder teilweise geänderten Bescheides war nicht erforderlich (vgl. Beschl. d. Sen. v. 8. 7. 2008 - 11 MC 71/08 u. v. 7. 10. 2008 - 11 ME 317/08).

Rechtsgrundlage der angefochtenen Verfügung ist daher (nunmehr) § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV i. V. m § 22 Abs. 4 Satz 2 NGlüSpG).

Der Abänderungsantrag ist in der Sache nicht begründet.

Nach der derzeitigen Erkenntnislage des Senats sind die Erfolgsaussichten eines Hauptsacheverfahrens (nach wie vor) als offen anzusehen. Bei der gebotenen Interessenabwägung überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Untersagungsverfügung (vgl. auch Beschl. d. Sen. v. 8. 7. 2008 - 11 MC 71/08 u. v. 7. 10. 2008 - 11 ME 317/08).

1. Ohne Erfolg macht der Antragsteller geltend, der Glücksspielstaatsvertrag und das Niedersächsische Glücksspielgesetz verstießen gegen Verfassungsrecht.

Zur Begründung verweist der Senat zunächst auf seinen Beschluss vom 7. Oktober 2008 (11 ME 317/08), der den Beteiligten bekannt ist; denn die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers haben auch den Antragsteller jenes Verfahrens vertreten.

Der weitere Vortrag im Beschwerdeverfahren rechtfertigt keine andere Bewertung.

Hierzu im Einzelnen:

Am 28. November 2008 ist die Niedersächsische Glücksspielverordnung (NGlüSpV - Nds. GVBl. 2008, 383) auf der Grundlage des § 24 Satz 1 Nr. 2 NGlüSpG erlassen worden. Soweit gerügt wird, dass die Regelungen in der Verordnung zu unbestimmt seien, ist dem nicht zu folgen. § 1 der Verordnung begrenzt die Annahmestellen ab Januar 2009 auf 2450 und die Zahl der Annahmestellen für Sportwetten und Lotterien mit besonderem Gefährdungspotential ab Juli 2009 auf (nur noch) 2000. Darüber hinaus wird vorgeschrieben, dass die Annahmestellen ab Januar 2010 und Januar 2011 jeweils um 25 zu mindern sind. Die Zahl der Annahmestellen für die als suchtgefährlich einzustufenden Lotterien mit besonderem Gefährdungspotential und Sportwetten ist somit deutlich reduziert worden. Die schon in der Begründung zum Entwurf des Niedersächsischen Gesetzes zur Neuordnung des Glücksspielrechtes (LT-Drs. 15/4090 S. 47) enthaltene Aussage, zukünftig werde es Annahmestellen geben, die nur Lotto (Mittwochs- und Samstags-Lotto) anböten und solche, die darüber hinaus auch die gefährlicheren Lotterien und Sportwetten im Angebot hätten, ist durch die NGlüSpV umgesetzt worden. § 2 NGlüSpV bestimmt, dass die Annahmestellen bezogen auf die Bevölkerung in Niedersachsen gleichmäßig verteilt sein sollen und das Einzugsgebiet 2800 bis 3700 Einwohner umfassen soll. Das ist sachgerecht und lässt Raum, Besonderheiten in ländlichen und städtischen Bereichen Rechnung zu tragen. Im Rahmen des Erlaubnisantrages ist zudem anzugeben, ob sich in einem Umkreis von 200 m von der Annahmestelle ein Kindergarten oder eine Schule befinden, so dass davon auszugehen ist, dass die Nähe einer Schule oder eines Kindergartens bei der Entscheidung über die Erlaubnis Berücksichtigung finden wird. Zwar sind Jugendfreizeitstätten nicht ausdrücklich mit aufgeführt, es kann aber ebenfalls davon ausgegangen werden, dass auch die Lage von Jugendfreizeitstätten bei der Entscheidung über einen Erlaubnisantrag mit einfließt. Durch die NGlüSpV sind mithin die Vorgaben aus § 5 Abs. 5 NGlüSpG in zureichendem Maße weiter konkretisiert worden.

Die Länder waren nicht verpflichtet, das Vertriebssystem komplett umzuorganisieren. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar den Missbrauch des bestehenden Vertriebsnetzes zu einer fiskalisch motivierten Ausweitung des Spiel- und Wettgeschehens kritisiert, aber nicht eine völlige Aufgabe gefordert. Mit Beschluss vom 1. 4. 2008 (2 BvR 2680/07 -, NVwZ-RR 2008, 611) hat es vielmehr klargestellt, dass das Sportwettenurteil keine Vorgabe zu den Modalitäten der Vertriebsstruktur enthält (ebenso BayVGH, Urt. v. 18. 12. 2008 - 10 BV 07.558- juris). Gerade weil die nicht erlaubten Wettanbieter über das Internat (illegal) einen leichten Zugang zum Kunden haben, kann es der Gesetzgeber als notwendig ansehen, das Bestehen von kundennahen Vertriebssystemen für die staatlichen Sportwette aufrecht zu erhalten, um eine Verlagerung des Wettgeschehens in den illegalen Bereich zu verhindern.

Die der Toto-Lotto Niedersachsen GmbH (TLN) am 22. Dezember 2008 erteilte Erlaubnis steht ebenfalls in Übereinstimmung mit dem Ziel der Bekämpfung der Spielsucht. Es wird eine engmaschige Berichtspflicht festgelegt. So ist z. B. wöchentlich eine Abrechnung vorzulegen, aus der sich u. a. die Entwicklung der Spielumsätze im Verhältnis zur Jackpothöhe ergibt. Die Höhe des Jackpots der Lotterien (Lotto 6 aus 49 und Spiel 77) ist in der Erlaubnis von ursprünglich 14 auf 12 Ziehungen begrenzt worden. TLN hat quartalsweise zur Einhaltung des Minderjährigenschutzes zu berichten. Zum Ende des Jahres 2009 hat TLN zudem einen Bericht zur Wirksamkeit des Sperrsystems vorzulegen. In der Erlaubnis ist festgehalten, dass Sportwetten nur auf den Ausgang von Sportereignissen zulässig sind, nicht dagegen auf einzelne während der Sportveranstaltung auftretende Ereignisse. Die "Werberichtlinien der Glücksspielaufsichtsbehörden" sind ausdrücklich zum Bestandteil der Erlaubnis gemacht worden. Soweit darauf hingewiesen wird, Vorgaben zur Werbung würden weiterhin nicht eingehalten, vermögen einzelne Verstöße gegen die gesetzlichen Vorgaben nicht zur Rechtswidrigkeit der gesetzlichen Konzeption in ihrer Gesamtheit führen. Die Verstöße sind vielmehr Anlass für die in §§ 22 und 23 NGlüSpG geregelten Maßnahmen der Glücksspielaufsichtsbehörde. (vgl. ebenso VGH München, Beschl. v. 13. 10. 2008 - 10 CS 08.1869 - juris). Es ist derzeit nicht erkennbar, dass der Antragsgegner notwendige Aufsichtsmaßnahmen nicht ergreifen wird.

Der aktuelle Internetauftritt der TLN entspricht ebenfalls den gesetzlichen Vorgaben. So informiert TLN Niedersachsen die Kunden auf ihrer Homepage über das ab 1. Januar 2009 gültige Internatverbot. Die Hinweise auf die Glücksspiele (Lotto 6 aus 49, Glücksspirale, Keno oder Bingo - die Lotterie Quicky befindet sich in der Prüfphase, sie wird z.Zt geduldet) sind im Internet sachlich gehalten, ohne aufreizende Werbung. Es werden zudem ausdrücklich Angaben zur theoretischen Gewinnwahrscheinlichkeit, zur Spielsuchtprävention und zum Ausschluss Minderjähriger gemacht.

Vor diesem Hintergrund kann offen bleiben, welche Bedeutung dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Oktober 2008 (1 BvR 928/08 - GewArch 2009, 260ZfWG 2008, 351) beizumessen ist. In jenem Verfahren waren der Glücksspielstaatsvertrag und die Landesregelungen von Berlin und Niedersachsen Streitgegenstand. Dies könnte dafür sprechen, dass das Bundesverfassungsgericht in jenem Beschluss die ab 1. Januar 2008 geltenden Rechtsgrundlagen und damit das staatliche Monopol insgesamt als verfassungsgemäß angesehen hat. Dagegen könnte aber sprechen, dass jenem Verfahren lediglich die Verfassungsbeschwerde eines gewerblichen Spielvermittlers zugrunde lag, der ausschließlich Wetten an die TLN bzw. legale Veranstalter in anderen Bundesländern vermittelt; die Rechtmäßigkeit des staatlichen Monopols war mithin nicht ausdrücklich Gegenstand des Verfahrens.

2. Soweit es um die Übereinstimmung der ab 1. Januar geltenden Bestimmungen mit Gemeinschaftsrecht geht, verweist der Senat zunächst ebenfalls auf seine bisherige Rechtsprechung (Beschl. v. 7. 10. 2008 - 11 ME 317/08 -). Danach erfordert eine kohärente und systematische Bekämpfung der Spielsucht auch unter dem Blickwinkel des Art. 3 GG aller Voraussicht nach, dass der Gesetzgeber die gesamten Sparten des Glücksspiels bewertend in den Blick nimmt. Dabei kann allerdings nicht verlangt werden, dass alle Bereiche des Glücksspiels (z.B.Geldspielautomaten nach GewO, Spielbanken, Sportwetten, Lotterien etc.) auf die gleiche Art und Weise geregelt werden. Nach Maßgabe des jeweils ermittelten Gefährdungs- bzw. Suchtpotentials können vielmehr unterschiedliche Maßnahmen getroffen werden. Denkbar ist auch, dass zunächst nur Teilmaßnahmen, z.B. zur Bekämpfung nur der Wettsucht umgesetzt werden. Es muss jedoch erkennbar sein, dass dem ein Gesamtkonzept zugrunde liegt und dass mit der Verwirklichung entsprechender Begrenzungen auch in anderen Sektoren des Glücksspieles zu rechnen ist. (ähnlich OVG NW, Beschl. v. 22.2.2008 - 13 B 1215/07 -; VGH Kassel, Beschl. v.13.8.2008 -7 B 29/08 - NVwZ-RR 2009, 21; vgl. hierzu auch Koenig und Ciszewski, Darlegungs- und Nachweismaßstäbe bei regulatorischen Systemwidersprüchen im Glücksspielbereich, ZfWG 2008, 397 und die St. der Europäischen Kommission v. 19.5.2008 in dem Vorlageverfahren C-46/08 (VG Schleswig), Rdn. 37; a.A. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 16.10.2008 -6 S 1288/08 -ZfWG 2008, 446; Bay. VGH Urt. v. 18.12.2008 - 10 BV 07.558 - juris; sowie Ruttig, Anm. z. Beschl. d. VGH Bad.-Württ. v. 16. 10. 2008; ZfWG 2008, 451 und Schlussantrag des Generalanwalts Bot v. 14. 10. 2008 in der Rechtssache C-42/07 (Liga Portuguesa) Rdn. 305. ZfWG 2008, 323; St. d. Europäischen Kommission v. 19. 5. 2008, a. a. O., Rdn. 30).

Auch insoweit führt das Vorbringen des Antragstellers im Beschwerdeverfahren zu keiner anderen Bewertung.

Soweit im Rahmen der nach vorläufiger Auffassung des Senats gebotenen Gesamtbetrachtung des Glücksspielmarktes auch die Sportwett- und Lotterieregelungen in anderen Bundesländern (hier: Rheinland-Pfalz und die Beitrittsländer) zu berücksichtigen sind, ist ergänzend Folgendes auszuführen:

Im Hinblick auf die besondere Rechtslage in Rheinland-Pfalz hat das Oberlandesgericht Düsseldorf zwischenzeitlich mit Beschluss vom 17. September 2008 (VI-Kart 19/07 - ZfWG 2008, 381) im Hauptsacheverfahren entschieden, dass das Bundeskartellamt nicht berechtigt sei, den Erwerb einer Mehrheitsbeteiligung (des Landes) an der Rheinland-Pfälzischen Lotto GmbH zu untersagen. Das Bundeskartellamt müsse es vielmehr hinnehmen, dass sich Rheinland-Pfalz entschieden habe (das bisherige System zu ändern und), ein staatliches Lotteriemonopol zu schaffen. Damit ist der zum gleichen Verfahrensgegenstand ergangene Beschluss im vorläufigen Rechtsschutzverfahren des Oberlandesgerichtes Düsseldorf vom 3. März 2008 (VI Kart 19/07 (V) - juris -) überholt. Da das Oberlandesgericht Düsseldorf die Rechtsbeschwerde gegen seinen (Hauptsache-)Beschluss vom 17. September 2008 nicht zugelassen hat, kann das Land Rheinland-Pfalz aller Voraussicht nach seine Absicht, von den bislang den Sportwetten- und Lotteriesektor betreibenden drei Sportbünden insgesamt 51 % der Anteile zu übernehmen, um dadurch maßgeblichen Einfluss auf das Glücksspiel in Rheinland-Pfalz nehmen zu können, durchsetzen. Die Situation in Rheinland-Pfalz steht also auch bei einer Gesamtbetrachtung nicht im Widerspruch zu dem vom niedersächsischen Glücksspielrecht und dem Glücksspielstaatsvertrag verfolgten Zielen der Bekämpfung der Wettleidenschaft.

Auch hinsichtlich der "DDR-Sportwetten" bleibt der Senat bei seiner bisherigen Bewertung. Allerdings hat zwischenzeitlich (neben dem OVG Bautzen, Beschl. v. 12. 12. 2007 - 3 Bf 286/06 - juris) auch das OVG Greifswald (Beschl. v. 29. 1. 2009 - 2 M 151/08 - V. n. b.) in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren entschieden, dass das private Unternehmen bwin mit Sitz in Sachsen "jedenfalls in allen neuen Bundesländern" aufgrund früherer Genehmigungen Sportwetten anbieten kann. Da es sich aber auch hier bislang lediglich um eine Entscheidung in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren handelt, eine Klärung im Hauptsacheverfahren mithin noch aussteht, kann der derzeit möglichen Tätigkeit des privaten Wettunternehmers bwin auf dem Sportwetten- und Lotteriesektor in den Beitrittsgebieten im Rahmen der Prüfung einer Gesamtkohärenz (noch) keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen werden.

Nach Kenntnis des Senats ist zudem auch weiterhin nicht davon auszugehen, dass die an sich zulässige Internetspielbank (vgl. Urt. d. VG Hannover v. 20. 8. 2007 - 10 A 1224/07 - juris; Nichtzulassungsbeschl. d. erk. Sen. v. 31. 3. 2008 - 11 LA 458/07 - Nds. Rpfl. 2008, 229) den Spielbetrieb im Internet aufnimmt. Wie sich aus der Mitteilung der Bundesregierung vom 20. Mai 2008 zum Vertragsverletzungsverfahren ergibt (ZfWG 2008, 173, Rdnr. 106), verhandelt das Land Niedersachsen weiterhin mit der Spielbanken Niedersachsen GmbH über den freiwilligen Verzicht auf diese Genehmigung. Sollten diese Verhandlungen nicht zu einer Einigung führen, will das zuständige Niedersächsische Finanzministerium die Genehmigung zur Veranstaltung von Glücksspielen im Internet widerrufen (vgl. VG Hannover, Urt. v. 1. 12. 2008 - 10 A 963/07 - S. 26).

Dass Pferdewetten seit langem aufgrund des Bundesrenn- und Lotteriegesetzes (v. 8. 4. 1922 - RGBl. I 1922, 335) von konzessionierten privaten Buchmachern angeboten werden dürfen, ist im Rahmen der Prüfung der Gesamtkohärenz nicht von ausschlaggebender Bedeutung, weil die Pferdewetten nur einen geringen Prozentsatz (0,5 bis 1 %) des Glücksspielmarktes ausmachen, etwaige von Pferdewetten ausgehende Suchtgefahren daher nur einen sehr geringen Teil der Bevölkerung treffen (vgl. schon Beschl. d. Sen. v. 7. 10. 2008 - 11 ME 317/08). Auch sind erhöhte Suchterkrankungen aus diesem Bereich bislang nicht bekannt. Das nur eingeschränkte Marktsegment steht der Heranziehung des Pferdewettenmarktes als Vergleichsgröße daher aller Voraussicht nach entgegen.

Soweit geltend gemacht wird, zureichende Gutachten, die die Notwendigkeit eines staatlichen Monopols belegten, lägen nicht vor, hat der Senat bereits im Beschluss vom 7. Oktober 2008 (11 ME 317/08) die Auffassung vertreten, dass die gesetzlichen Regelungen auch durch zeitlich später erstellte Gutachten untermauert werden können und es als ausreichend anzusehen ist, dass § 27 GlüSpV eine Verpflichtung zur begleitenden Evaluierung der Auswirkungen des Staatsvertrages vorschreibt. Gerade im Hinblick auf den dem Gesetzgeber für eine Gefahrenprognose grundsätzlich zuzugestehenden Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum bei der Bekämpfung von Suchtgefahren muss es daher der Beurteilung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben, welche Anforderungen an den Gesetzgeber hinsichtlich der Beurteilung einer Suchtgefahr durch Sportwetten bzw. Lotterien zu stellen sind und ob unter Berücksichtigung der danach relevanten Untersuchungen und Ergebnisse angenommen werden kann, der Gesetzgeber habe den ihm zustehenden Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum überschritten (vgl. Hess. VGH, Beschl. v. 13. 8. 2008 - 7 B 29/08 -, NVwZ-RR 2009, 21).

Der Senat sieht es allerdings weiterhin als nicht unproblematisch an, dass die gewerblichen Geldspielautomaten nach §§ 33 c ff. GewO durch Private betrieben werden können, obgleich der Anteil der Geldspielautomaten an dem Glücksspielmarkt etwa gleich groß ist wie der Anteil des Toto-Lotto-Blocks und - zumindest nach bisheriger Erkenntnislage - das Spiel an Geldspielautomaten ein höheres Suchtpotential enthält als die Sportwetten/Lotterien. Ob die Regelungen im Bereich der Geldspielautomaten nach §§ 33 c ff. GewO in (noch) zureichendem Maße z. B. aufgrund der Bauartzulassung und der technischen Ausgestaltung der Geräte der Bekämpfung der Wettsucht dienen, ist weiterhin als offen anzusehen (zweifelnd insoweit auch Hess. VGH, Beschl. v. 13. 8. 2008 - 7 B 29/08 - NVwZ-RR 2009, 21; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 28. 11. 2008 - OVG 1 S 3.08 -Vnb.; a. A.: OVG NRW, Beschl. v. 27. 10. 2008 - 4 B 1774/07 - juris, wonach es dem Gesetzgeber grundsätzlich gestattet ist, neu hinzukommende Glücksspielangebote, die zu erheblichen zusätzlichen Gefahren führen stärkeren Begrenzungen zu unterwerfen als das bereits vorhandene Glücksspielangebot; ebenso BayVGH, Urt. v. 18. 12. 2008 - 10 BV 07.558 - juris) und daher dem Hauptsacheverfahren vorzubehalten.

3) Ist die angefochtene Untersagungsverfügung nach alledem weder als offensichtlich rechtmäßig noch als offensichtlich rechtswidrig anzusehen, sind die Interessen der Beteiligten gegeneinander abzuwägen. Diese Interessenabwägung ergibt, dass das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der Untersagungsverfügung gegenüber dem privaten Interesse an der Suspensivwirkung des eingelegten Rechtsmittels überwiegt.

Zu Lasten des Antragstellers ist dabei zu berücksichtigen, dass er seine Vermittlungstätigkeit trotz des Bewusstseins aufgenommen hat, dass wegen des bestehenden staatlichen Sportwettenmonopols keine Erlaubnis zur Vermittlung von Sportwetten für ausländische Wettveranstalter erteilt werden kann bzw. dass er sein Gewerbe zumindest während einer äußerst unklaren rechtlichen Situation begründet hat. Wenn er unter Inkaufnahme des mit dieser Betätigung verbundenen Risikos gleichwohl eine Wettannahmestelle eröffnet, kann er sich für die Fortsetzung dieser Betätigung nicht auf besonderen Vertrauensschutz berufen.

Für das öffentliche Interesse spricht der Zweck der gesetzlichen Regelungen, nämlich so weit wie möglich Suchtprävention sowie Jugend- und Spielerschutz zu gewähren. Hier bietet ein Staatsmonopol auch nach Auffassung des Senats grundsätzlich eher die Möglichkeit, Wettleidenschaft systematisch zu bekämpfen. Weiteres Ziel der gesetzlichen Bestimmungen ist der Schutz vor Manipulationen im Wettbereich, vor unzulässiger Einflussnahme auf sportliche Ergebnisse und vor damit im Zusammenhang stehender Begleitkriminalität. Auch insoweit ist ein Staatsmonopol eher geeignet, den Betrieb der Sportwetten/Lotterien in geordnete Bahnen zu lenken sowie die Risiken im Hinblick auf Betrug und andere Straftaten weitgehend auszuschalten. Für ein Überwiegen des öffentlichen Interesses spricht zudem, dass die Durchführung einer verantwortlichen Politik im Bereich des Glücksspiels voraussetzt, dass ein Mitgliedstaat diese Tätigkeit wirksam überwachen kann, weil sich unter Umständen die Notwendigkeit ergeben kann, unverzüglich handeln zu müssen. Der Staat kann erforderliche Schutzmaßnahmen aber wirksamer und schneller umsetzen als mehrere voneinander unabhängig agierende Wirtschaftsteilnehmer.

Um die Erreichung dieser Ziele wirksam zu sichern, schließt § 9 Abs. 2 GlüStV (ab 1. Januar 2008) iVm § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO die aufschiebende Wirkung von Widersprüchen und Klagen gegen Untersagungsbescheide aus. Auch unter Berücksichtigung dieser gesetzgeberischen Wertung muss das Interesse des Antragstellers zurücktreten, wobei unerheblich ist, dass die Untersagungsverfügung noch unter Geltung der alten Rechtslage erlassen worden ist.

Lediglich ergänzend ist noch darauf hingewiesen, dass die Ausführungen des Generalanwaltes Bot (aaO) ebenfalls für ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung sprechen dürften; denn Generalanwalt Bot weist darauf hin, dass die hinter der europäischen Marktordnung stehenden Überlegungen (Öffnung des Wettbewerbs, um die Qualität zu steigern und die Kosten im Interesse der Bürger niedrig zu halten) für den Bereich der Glücks- und Geldspiele nicht zuträfen, weil sich eine Öffnung des Marktes angesichts der Vielzahl der dann möglichen Wetten nachteilig auf die finanziellen Verhältnisse des einzelnen Bürgers auswirke (vgl. Schlussantrag Bot, aaO, Rdnr. 242ff).

Soweit das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 10. November 2008 (1 BvR 2783/06 - juris) zum Lotterie- und Sportwettenrecht in Rheinland-Pfalz ausgeführt hat, die Verhinderung der zwischenzeitlichen Entstehung eines Sportwettenmarktes stelle keinen Belang dar, der losgelöst von der verfassungsgerichtlich geforderten Herstellung eines Mindestmaßes an Konsistenz geeignet sei, ein besonderes Vollzugsinteresse zu begründen, führt diese Rechtsprechung zu keiner anderen Interessenbewertung; denn in Niedersachsen bestand sowohl während der Übergangszeit (Beschl. d. Sen. v. 3.5.2007 - 11 ME 160/07) als auch unter Geltung der neuen Rechtslage ab 1. Januar 2008 (Beschl. d. Sen. v. 7. 10. 2008 - 11 ME 317/98) die verfassungsrechtlich geforderte Konsistenz zwischen dem Verhalten des staatlichen Lotterie- und Wettanbieters einerseits und seiner Zielsetzung der Eindämmung der Wettleidenschaft andererseits. Darüber hinaus ist - wie dargelegt - auch kein offensichtlicher Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht gegeben.

Ende der Entscheidung

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