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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 26.05.2006
Aktenzeichen: 12 LA 150/05
Rechtsgebiete: NStrG


Vorschriften:

NStrG § 16
NStrG § 18 Abs. 4
NStrG § 20 Abs. 4
NStrG § 22
Eine Gehwegüberfahrt kann bei funktionaler Betrachtungsweise zur Grundstückszufahrt im straßenrechtlichen Sinne zählen.
Gründe:

Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen, hat keinen Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die gegenüber dem Kläger am 2. Juli 2003 verfügte Aufforderung der Beklagten, zwei von der B.straße über einen Gehweg auf das ehemalige Erbbaugrundstück des Klägers führende Zufahrten im Bereich des Gehwegs in Stand zu setzen, sei rechtmäßig. Rechtsgrundlage für die Instandsetzungsverpflichtung sei § 22 i.V.m. §§ 20 Abs. 4, 18 Abs. 4 NStrG. Die beiden Gehwegüberfahrten gehörten zu den Zufahrten i.S. dieser Vorschriften. Auch wenn der Gehweg gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 NStrG Teil der öffentlichen Straße sei, sei er bei der gebotenen funktionsbezogenen Betrachtungsweise im Bereich der Gehwegüberfahrten (auch) den Zufahrten zuzurechnen. Eine rein grundstücksbezogene Betrachtungsweise dergestalt, dass die Zufahrten allein auf dem Grundstück des Klägers verliefen und sich nicht auf das Straßengrundstück erstreckten, verbiete sich demgegenüber. Die in Anlehnung an § 8a FStrG geschaffene Vorschrift des § 20 Abs. 4 NStrG wäre ansonsten ebenso überflüssig wie die gemäß der Vorschrift sinngemäß anwendbare Regelung in § 18 Abs. 4 Satz 2 NStrG zur Zustimmung des Trägers der Straßenbaulast bei Arbeiten an der Straße. Für die Richtigkeit dieser Auslegung des Zufahrtsbegriffs spreche im Übrigen auch das Veranlasserprinzip, dem § 20 Abs. 4 NStrG diene und das auch in § 16 NStrG zum Ausdruck komme. Die Beklagte habe rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Gehwegüberfahrten nicht mehr den Anforderungen der Sicherheit und den anerkannten Regeln der Technik genügten. Der Inanspruchnahme des Klägers stehe nicht entgegen, dass die Beschädigung der Gehwegüberfahrten seinem Vortrag zufolge nicht auf den Verkehr zu seinem Grundstück, sondern auf Lastkraftwagen zurückzuführen sei, die die Zufahrt zum Wenden benutzten. An der Verantwortlichkeit des Klägers für den Zustand der Gehwegüberfahrten ändere sich dadurch nichts.

Der vom Kläger dagegen sinngemäß geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor.

Die Argumentation des Klägers, dass der Gehweg als Teil der Straße gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 NStrG in die Unterhaltungspflicht des Trägers der Straßenbaulast falle und der Gesetzgeber, wenn er hiervon vor den Grundstückszufahrten eine Ausnahme hätte machen wollen, dies im Gesetz ausdrücklich und unmissverständlich geregelt hätte, überzeugt nicht. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die Frage des Verlaufs einer Grundstückszufahrt im Straßenrecht anhand einer funktionalen Betrachtungsweise zu beantworten sei und eine über einen Gehweg führende Zufahrt sich auf das öffentliche Straßengrundstück, zu dem auch der Gehweg gehört, erstrecken könne. Der Begriff der Zufahrt wird allgemein definiert als die für die Benutzung mit Fahrzeugen bestimmte oder geeignete Verbindung von anliegenden Grundstücken oder von nichtöffentlichen Wegen mit einer Straße (BVerwG, Urt. v. 15.12.1972 - IV C 112.68 -, DVBl. 1973, 496; Wiget in: Zeitler, BayStrWG, Stand: Februar 2005, Art. 19 Rn. 10; Marschall/ Schroeter/Kastner, FStrG, 5. Aufl., § 8a Rn. 3). Dem entspricht die gesetzliche Definition in § 20 Abs. 1 NStrG. Die konkrete bauliche Ausgestaltung der Verbindung richtet sich dabei nach den tatsächlichen Gegebenheiten. Sie ist nicht darauf beschränkt, dem benachbarten Grundstück eine Zufahrtsmöglichkeit ohne technisch-bauliche Inanspruchnahme des Straßengrundstücks zu verschaffen, sondern kann in ihrer konkreten baulichen Anlage - wie im Falle einer Gehwegüberfahrt - auf beide zu verbindende Teile, nämlich das zufahrtsberechtigte Nachbargrundstück und das öffentliche Straßengrundstück übergreifen (vgl. auch Wiget, a.a.O.: Die Innengrenze (zur Straße hin) ist die Linie, wo der Rand der Fahrbahndecke bei regelmäßiger Verlängerung über den Zufahrtsbereich hinaus die Zufahrt schneidet). Gegen die vom Kläger favorisierte Auslegung, dass die Zufahrt (nur) auf dem Nachbargrundstück verlaufen kann und an der Grenze zum öffentlichen Straßengrund endet, spricht insbesondere, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, dass der zufahrtsberechtigte Straßenanlieger sowohl unter bestimmten Voraussetzungen im Falle einer gemeingebräuchlichen Zufahrt (vgl. § 16 NStrG) als auch bei einer sondererlaubnispflichtigen Zufahrt (vgl. insoweit den Verweis in § 20 Abs. 4 NStrG) für diese gemäß § 18 Abs. 4 Satz 1 NStrG unterhaltungspflichtig ist und dass nach dessen Satz 2 Arbeiten an der Straße der Zustimmung des Straßenbaulastträgers bedürfen. Die Bestimmungen wären für den Bereich der Zufahrten im Wesentlichen gegenstandslos, wenn sich Zufahrten grundsätzlich nicht auf das Grundstück der öffentlichen Straße erstrecken dürften. Das Argument des Klägers, der Sinn der Regelung in § 18 Abs. 4 Satz 1 NStrG bestehe darin, wegen des möglicherweise auch öffentlichen Verkehrs auf einer auf dem Anliegergrundstück verlaufenden Grundstückszufahrt dem Grundstückseigentümer dort auch eine öffentlich-rechtliche Unterhaltungspflicht aufzuerlegen, überzeugt im Hinblick auf die dem Grundstückseigentümer ohnehin (privatrechtlich) obliegenden Verkehrssicherungspflichten (vgl. dazu Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl., § 45 StVO Rdnrn. 51, 55; Sprau, in: Palandt, BGB, 65. Aufl., § 823 Rdnrn. 219 ff; jew. m.w.N.) nicht. Die Bestimmungen in §§ 20 Abs. 4, 18 Abs. 4 Satz 1 und 2 NStrG sind vielmehr als Ausnahmeregelung zu § 9 NStrG über die Unterhaltungspflicht des Straßenbaulastträgers zu verstehen.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen auch nicht im Hinblick auf den Vortrag des Klägers, nicht er, sondern die Beklagte habe den entscheidenden Verursachungsbeitrag für die Zerstörung von Gehwegplatten im Bereich seiner Zufahrt gesetzt, indem sie in der Nähe 160 Wohneinheiten genehmigt habe, ohne dass ausreichend Sorge für Stellplätze getragen worden sei. Die Bestimmungen in §§ 20 Abs. 4, 18 Abs. 4 Satz 1 NStrG begründen eine Zustandsverantwortlichkeit des zufahrtsberechtigten Straßenan­liegers, die durch tatsächliche oder vermeintliche Verursachungsbeiträge durch Dritte nicht beseitigt wird. Ob anderes gelten kann, wenn der Träger der Straßenbaulast bewusst oder willkürlich Ursachen für den Unterhaltungsbedarf gesetzt hat, kann hier dahinstehen. Denn in der schlichten Erteilung von Baugenehmigungen für Wohnungen in der Nähe kann eine derartige Verursachung durch die Beklagte nicht erblickt werden, selbst wenn die genehmigten Wohnvorhaben zu einer Veränderung der Verkehrssituation in der B.straße geführt haben sollten.

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