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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 04.05.2006
Aktenzeichen: 12 LA 76/05
Rechtsgebiete: FeV
Vorschriften:
FeV § 24 Abs. 2 | |
FeV § 74 Abs. 1 Nr. 1 | |
FeV § 76 Nr. 9 |
Gründe:
Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts, mit dem dieses die Verpflichtungsklage des Klägers auf Erteilung einer Fahrerlaubnis der Klassen C und CE nach Erbringung des gesundheitlichen Nachweises abgewiesen hat, hat keinen Erfolg.
Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die dem Kläger im Jahr 1956 erteilte Fahrerlaubnis der früheren Klasse 2 sei nach den Übergangsbestimmungen in § 76 Nr. 9 FeV mit Ablauf des Jahres 2000 erloschen. Die in § 24 Abs. 2 FeV enthaltene Privilegierung von Inhabern früherer Fahrerlaubnisse, die eine Verlängerung auch einer abgelaufenen Fahrerlaubnis für den begrenzten Zeitraum von zwei Jahren ermögliche, könne der Kläger nicht in Anspruch nehmen, weil er den Antrag auf Erteilung der begehrten Fahrerlaubnis erst nach Ablauf dieses Zeitraums im August 2003 gestellt habe. Die Regelungen in § 76 Nr. 9 und § 24 Abs. 2 FeV seien nicht zu beanstanden. Sie seien mit höherrangigem Recht vereinbar und hielten sich insbesondere im Rahmen der vom Gesetzgeber eingeräumten Ermächtigungsgrundlagen des Straßenverkehrsgesetzes. Die vom Beklagten im Rahmen des Verwaltungsverfahrens eingeholte Entscheidung des gemäß § 74 Abs. 1 Nr. 1 FeV zuständigen Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr vom 28. November 2003, mit dem die Genehmigung einer Ausnahme von den allgemeinen Bestimmungen über die Erteilung von Fahrerlaubnissen abgelehnt worden sei, sei ebenfalls nicht zu beanstanden. Der Beklagte habe zutreffend entschieden, dass auf den Antrag des Klägers nur noch die Vorschriften für die Ersterteilung einer Fahrerlaubnis angewandt werden könnten.
Der vom Kläger dagegen geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist im Wesentlichen schon nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargetan und liegt jedenfalls in der Sache nicht vor.
Der Kläger wendet ein, er habe von der zeitlichen Beschränkung der Geltung seiner Fahrerlaubnis der früheren Klasse 2 erst Mitte 2003 erfahren. Bis zu diesem Zeitpunkt sei er von der zuständigen Behörde nicht auf einschlägige Neuregelungen hingewiesen worden und habe auf die weitere Geltung seiner ihm im Jahr 1956 unbefristet erteilten Fahrerlaubnis vertraut, so dass ihm die Versäumung einer Beantragungsfrist nicht entgegengehalten werden könne. Mit diesem Vortrag dringt der Kläger schon deshalb nicht durch, weil eine Pflicht der Fahrerlaubnisbehörde, betroffene Fahrerlaubnisinhaber auf etwaige Rechtsänderungen hinzuweisen, nicht zu erkennen ist. Der Zulassungsantrag legt nicht ansatzweise dar, woher, d. h. auf Grund welcher rechtlichen Grundlage, sich eine solche Verpflichtung ergeben soll. Die Fahrerlaubnis-Verordnung - FeV - (in ihrer ursprünglichen Fassung vom 18. August 1998) einschließlich der hier interessierenden Bestimmungen in §§ 76 Nr. 9 und 24 Abs. 2 ist im Bundesgesetzblatt ordnungsgemäß veröffentlicht worden (BGBl. I, 2214) und am 1. Januar 1999 in Kraft getreten. Der Kläger hat danach - wie jeder andere Fahrerlaubnisinhaber auch - hinreichend Zeit und Gelegenheit gehabt, sich von den ihn betreffenden Änderungen des Fahrerlaubnisrechts in Kenntnis zu setzen. Schlichte Rechtsunkenntnis geht zu seinen Lasten und kann ihn nicht entschuldigen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 1.11.2001 - 4 BN 53/01 -, BRS 64 Nr. 60; BayVerfGH, Beschl. v. 18.12.2002 - Vf.62-IV-01 -, BayVBl. 2003, 313; BSG, Urt. v. 24.11.2005 - B 12 RA 9/03 R -, ZfS 2006, 60). Denn andernfalls würde die Geltung der genannten Bestimmungen der FeV bzw. der Eintritt der sich aus ihnen ergebenden Rechtsfolgen in unzulässiger Weise zu seiner Disposition gestellt. Etwas anderes folgt nicht daraus, dass ihm seine frühere Fahrerlaubnis im Jahr 1956 unbefristet erteilt worden ist. Ein - quasi über Jahrzehnte hinweg bestehendes - Vertrauen in die unbefristete Weitergeltung dieser Erlaubnis kann daraus nicht hergeleitet werden und wäre im öffentlichen Interesse an der Sicherheit des Straßenverkehrs auch nicht schützenswert (vgl. auch Beschl. des Senats v. 5.6.2001 - 12 LA 1911/01 -, juris) .
Auf eine Verletzung des Grundrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG kann der Kläger sich ebenfalls nicht mit Erfolg berufen. Das Bundesverfassungsgericht ordnet das Recht zur Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr nicht dem Eigentumsschutz nach Art. 14 Abs. 1 GG zu, sondern sieht es als durch die allgemeine Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG geschützt an (BVerfG, Beschl. v. 20.6.2002 - 1 BvR 2062/96 -, NJW 2002, 2378; Beschl. v. 21.12.2004 - 1 BvR 2652/03 -, NJW 2005, 349). Die Handlungsfreiheit ist allerdings nicht unbegrenzt garantiert. Zum Schutz eines kollidierenden Rechtsguts dürfen unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Beschränkungen vorgenommen werden. Sie sind verfassungsgemäß, wenn sie zur Zielerreichung nicht nur geeignet und erforderlich sind, sondern auch zur Art und Intensität der Rechtsgutsgefährdung in einem angemessenen Verhältnis stehen (BVerfG, Beschlüsse v. 20.6.2002 und v. 21.12.2004, a.a.O.). Der Vortrag des Klägers ist in diesem Zusammenhang nur unsubstantiiert geblieben. Der Kläger zeigt nicht auf, weshalb die Regelungen in § 76 Nr. 9 Sätze 10 bis 15 FeV zur Umschreibung der Fahrerlaubnis der früheren Klasse 2 außer Verhältnis zur Erreichung des legitimen Gemeinwohlziels, die Fahreignung von Führern (schwerer) Kraftfahrzeuge sicherzustellen und ungeeignete Kraftfahrer von der Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr auszuschließen, stehen sollte. Es beschränkt sich im Wesentlichen auf die - wie bereits erwähnt - nicht nachvollziehbare Behauptung, die ihn betreffenden Rechtsänderungen hätten ihm bekannt gegeben werden müssen.
Die Berufung ist nicht, wie vom Kläger geltend gemacht, wegen besonderer rechtlicher Schwierigkeiten im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Soweit der Kläger auf die Möglichkeit des Verzichts auf eine Fahrerlaubnisprüfung gemäß § 20 Abs. 2 FeV hinweist und vorträgt, er habe die Frist zur Beantragung der Verlängerung bzw. Erteilung seiner Fahrerlaubnis nur um acht Monate überschritten, lässt er außer Acht, dass das Verwaltungsgericht diese Bestimmung - zu Recht - für nicht anwendbar erachtet hat, weil sie die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach vorangegangener Entziehung oder nach vorangegangenem Verzicht betreffe, während hier die spezielleren Regelungen in §§ 76 Nr. 9 und 24 FeV anwendbar seien. Im Übrigen ist auch nicht zu erkennen, weshalb der Umstand der genannten Fristüberschreitung um acht Monate der Rechtssache besondere rechtliche Schwierigkeiten verleihen soll. Entsprechendes gilt, soweit der Kläger unter Hinweis auf die Möglichkeit einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 74 Abs. 1 Nr. 1 FeV geltend macht, er habe die Fristüberschreitung "unstrittig" nicht zu vertreten und verfüge über die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten. Abgesehen davon, dass sein Vortrag substanzlos geblieben ist und er nicht ansatzweise begründet, weshalb er die durch seine angebliche Rechtsunkenntnis verursachte Fristüberschreitung nicht zu vertreten und er trotz seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Lokführer über die erforderliche Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen der Klassen C und CE verfügen soll, ergeben sich im Zusammenhang mit der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten im Sinne des Zulassungsgrundes gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO. Der Kläger setzt sich auch nicht mit der Begründung des Verwaltungsgerichts auseinander, dass die im Verwaltungsverfahren eingeholte Entscheidung des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr vom 28. November 2003 über die Ablehnung der beantragten Ausnahmegenehmigung nicht zu beanstanden sei.
Der Einwand des Klägers, das Verwaltungsgericht habe die Möglichkeit einer Befreiung nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 FahrschAusbO nicht in Erwägung gezogen, geht ebenfalls fehl. Besondere rechtliche Schwierigkeiten des Falles ergeben sich aus diesem Einwand schon deshalb nicht, weil § 7 Abs. 1 Nr. 3 FahrschAusbO eine Befreiung von der Fahrschulausbildung ermöglicht, nicht aber von der Fahrerlaubnisprüfung nach § 15 FeV, gegen die sich der Kläger wendet.
Die Berufung ist nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache im Sinne dieses Zulassungsgrundes nur dann zu, wenn sie in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht eine Frage aufwirft, die im Rechtsmittelzug entscheidungserheblich und fallübergreifender Klärung zugänglich ist sowie im Interesse der Rechtseinheit geklärt werden muss. Der Zulassungsantrag muss eine konkrete Frage aufwerfen, deren Entscheidungserheblichkeit erkennen lassen und (zumindest) einen Hinweis auf den Grund enthalten, der das Vorliegen der grundsätzlichen Bedeutung rechtfertigen soll (st. Rspr. d. Sen.; vgl. auch Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 124 Rn. 10; Meyer-Ladewig/Rudisile in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: Okt. 2005, § 124 Rn. 30).
Das Vorbringen des Klägers genügt diesen Anforderungen nicht. Die von ihm aufgeworfene Frage, ob die zweijährige Frist (gemeint des § 24 Abs. 2 FeV) auch dann zu laufen beginnt, wenn der Betroffene keine Kenntnis von der einschneidenden Gesetzesänderung hat und damit auf den Bestand seiner im Jahr 1956 erlangten Fahrerlaubnis vertraut, beantwortet sich ohne weiteres anhand des Wortlauts der Bestimmungen in § 76 Nr. 9 Sätze 12 bis 15 FeV, die für die Rechtsauffassung des Klägers, die genannte Frist sei in seinem Falle infolge seiner Rechtsunkenntnis nicht abgelaufen, nichts hergeben. Einer grundsätzlichen Klärung in einem Berufungsverfahren bedarf die Frage deshalb nicht. Entsprechendes gilt für die weiterhin aufgeworfene Frage, ob auch eine Überschreitung der zweijährigen Frist um acht Monate trotz Unkenntnis von der Frist und der Gesetzesänderung eine geringfügige Überschreitung im Sinne des § 74 Abs. 1 Nr. 1 FeV darstellt und damit ein Verzicht auf die Fahrerlaubnisprüfung zulässig ist. Die Frage lässt sich bereits im Zulassungsverfahren dahingehend beantworten, dass eine Überschreitung der in Rede stehenden Zwei-Jahres-Frist um acht Monate keineswegs als geringfügig angesehen werden kann.
Ende der Entscheidung
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