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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 26.04.2007
Aktenzeichen: 12 LB 62/07
Rechtsgebiete: BauGB, BImSchG, GIRL


Vorschriften:

BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 4
BImSchG § 3 Abs. 1
BImSchG § 22
Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL)
1. Der in der Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) genannte Immissionswert von 0,15 (entsprechend einer relativen Geruchsstundenhäufigkeit von 15 v. H. der Jahresstunden) ist grundsätzlich auch im Außenbereich mit überwiegender landwirtschaftlicher Nutzung einzuhalten. Dieser Wert bietet ferner einen geeigneten Anhaltspunkt für die zulässige Häufigkeit von Geruchsimmissionen durch im baurechtlichen Außenbereich privilegierte nicht-landwirtschaftliche Vorhaben.

2. In begründeten Einzelfällen können Immissionswerte von 20 v. H. relativer Geruchsstundenhäufigkeit noch zumutbar sein.

3. Zur Irrelevanz einer von einem Vorhaben ausgehenden zusätzlichen Geruchsbelastung in dem Fall, dass der Immissionswert durch vorhandene Anlagen bereits ausgeschöpft ist.


NIEDERSÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT LÜNEBURG URTEIL

Aktenz.: 12 LB 62/07

Datum: 26.04.2007

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer der Beigeladenen durch den Beklagten erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Anlage zur Herstellung von Substrat durch Kompostierung.

Der Kläger ist Eigentümer des Wohngrundstücks G. 12 in H.. Die landwirtschaftliche Nutzung des Grundstücks ist vor rund 30 Jahren aufgegeben worden. Das Grundstück liegt im Einmündungsbereich der Straße G. in die Straße I..

Die beigeladene Gesellschaft beantragte im September 1998 die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Kompostanlage zur Herstellung von Substrat zur Champignonzucht mit einer maximalen Leistung von 200 t/Woche. Das Substratwerk sollte an der Straße G. (Gemarkung G., Flur 1, Flurstück 220) und damit südwestlich von dem Grundstück des Klägers in einem Abstand von etwa 1.300 Metern errichtet werden. Aus einer dem Antrag beigefügten gutachtlichen Stellungnahme der J. GmbH ergab sich, dass wegen der zu erwartenden Geruchsemissionen und des Emissionsrhythmus eine Errichtung des Werks nur im Außenbereich in Betracht kam.

Mit Bescheid vom 10. Februar 1999 erteilte der Beklagte der Beigeladenen die beantragte Genehmigung. In den der Genehmigung beigefügten Auflagen wurde unter Nr. 7 bestimmt, dass das Kompostwerk nach Inbetriebnahme so zu betreiben sei, dass an den nächstgelegenen Wohngebäuden die Geruchsschwelle gemäß der Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) Niedersachsen eingehalten werde.

Der Kläger legte gegen diesen Bescheid Widerspruch ein. Im Laufe des Widerspruchsverfahrens wurden im Auftrag der Beigeladenen von der Firma K. -Ingenieurgesellschaft mehrere geruchstechnische Berichte zu den Geruchsimmissionen der inzwischen in Betrieb gegebenen Anlage erstellt. Der geruchstechnische Bericht Nr. LG0459.1/05 vom 12. April 2001 (Beiakte F Bl. 5/173) enthielt u. a. Vorschläge zur Verringerung der von dem Werk ausgehenden Immissionen in einem Umfang, dass die sogenannte Irrelevanzgrenze gemäß Nr. 3.3 GIRL (Immissionswert IW 0,02 bzw. Geruchsbelastung von 2 % der Jahresstunden) bei dem Wohngrundstück des Klägers (Messpunkt MP 3) eingehalten werde.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14. September 2001 gab die Bezirksregierung Weser-Ems dem Widerspruch des Klägers insofern statt, als die Auflage 7 des Genehmigungsbescheides geändert und dem Beigeladenen zusätzliche Auflagen (Auflagen 7 a bis h) gemacht wurden. Im Übrigen wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Die Auflage 7 des Genehmigungsbescheides verpflichtete nunmehr dazu, die genehmigte Anlage so zu betreiben, dass an den nächstgelegenen Wohnhäusern im Bereich der im geruchstechnischen Bericht Nr. LG0459.1/05 der K. -Ingenieurgesellschaft angegebenen Immissionsaufpunkte MP1 und MP2 die Immissionswerte (IW) der GeruchsimmissionsRichtlinie (GIRL) eingehalten würden und an dem im geruchstechnischen Bericht Nr. LG0459.1/05 der K. -Ingenieurgesellschaft angegebenen Immissionsaufpunkt MP3 (beim Wohnhaus des Klägers) die von der Anlage verursachten Geruchszusatzbelastungen einen Immissionswert von höchsten 0,02, d.h. 2 % der Jahresstunden, nicht überstiegen.

Zur Begründung des Widerspruchsbescheides führte die Bezirksregierung im Wesentlichen aus: Auf Grund der genehmigten wöchentlichen Produktionsmenge von 200 t Substrat und der hieraus folgenden Ausgangsmengen der Vorprodukte von rd. 400 t habe der Beklagte das Vorhaben der Beigeladenen zu Recht dem vereinfachten immissionsschutzrechtlichen Verfahren ohne Beteiligung der Öffentlichkeit zugeordnet. Die Anlage halte den Stand der Technik ein. Entgegen der Auffassung des Klägers könne nicht davon ausgegangen werden, dass Anlagen der vorliegenden Art unter diesem Gesichtspunkt einer "Einhausung" bedürften. Auf Grund der nunmehr verfügten weiteren Auflagen sei auch nicht davon auszugehen, dass von dem Betrieb der genehmigten Anlage eine unzumutbare Beeinträchtigung des Klägers in Form von Geruchsimmissionen verursacht werde. Die mit dem Genehmigungsantrag von der Beigeladenen vorgelegte geruchsgutachterliche Stellungnahme der Firma J. vom 14. September 1998 habe ergeben, dass die Flächenbelastung bei dem Wohnhaus des Klägers rd. 1.300 Meter vom Substratwerk entfernt deutlich kleiner als 5% der Jahresstunden sei. Eine eventuell vorhandene Vorbelastung durch andere Emittenten sei bei der Erstellung des Gutachtens nicht berücksichtigt worden. Erst kurz vor der Antragseinreichung sei ein größerer Sauen- und Ferkelstall der Firma L. GbR ca. 800 bis 900 Meter nordöstlich des Substratwerkes und ca. 600 Meter südlich des Wohnhauses des Klägers in Betrieb genommen worden. Die von diesem Betrieb ausgehenden Geruchsbelästigungen seien in dem seinerzeit vom Landkreis M. durchgeführten Genehmigungsverfahren auf Grund der Abstände beurteilt worden mit dem Ergebnis, dass schädliche Geruchsbeeinträchtigungen nicht aufträten. Die erst im Rahmen des Widerspruchsverfahrens auf Grund einer Rasterbegehung festgestellte sehr hohe Vorbelastung habe der Beklagte im Zeitpunkt der Genehmigung noch nicht erkennen können und zwar insbesondere deshalb, weil rd. 60% der Vorbelastung von 20% der Jahresstunden von einem dem Kläger benachbarten landwirtschaftlichen Betrieb stammten. Hinzugekommen seien dann Mitte 1998 die Immissionen der Sauen- und Ferkelhaltung, die vom Gutachter mit rd. 8% der Jahresstunden ermittelt worden seien. Die Höhe dieses Geruchsanteiles sei auch deshalb erstaunlich, weil die topographische Situation mit einer exakt südlichen Lage des Stalls zum Wohnhaus des Klägers in Verbindung mit der sich aus der Windrichtungsverteilung ergebenden Hauptwindrichtung "aus Südwesten kommende Winde" etwas anderes hätte erwarten lassen. Mit den geruchlich deutlich herausfallenden, dafür aber mit einer geringeren Häufigkeit (ca. 6% der Jahresstunden) auftretenden Gerüchen des Substratwerkes habe sich schließlich eine Geruchssituation entwickelt, die das rechnerisch zulässige Maß überschreite. Diese bei Genehmigungserteilung nicht absehbare Kumulation der Gerüche stelle unzweifelhaft eine Ausnahmesituation dar, die bei der Bewertung des Einzelfalles, auch im Sinne der Nr. 5 der GIRL, Berücksichtigung finden müsse. Durch die verfügten zusätzlichen Nebenbestimmungen sei die Geruchsbelastung auf einen Wert von 22% der Jahresstunden reduziert worden. Dieser Wert überschreite zwar den im Einführungserlass des Landes Niedersachsen zur GIRL vom 14. November 2000 vorgegebenen Immissionshöchstwert von 20% der Jahresstunden. Diese durch vorhandene landwirtschaftliche Betriebe bereits in der Vergangenheit gegebene und von den Nachbarn offenbar akzeptierte Belastung begründe aber einen besonderen Ausnahmefall, der einen höheren Immissionswert rechtfertige. Es wäre auf Grund der vorgegebenen Situation eine unangemessene Härte, von dem Betreiber des Substratwerkes die Beseitigung der bereits betriebenen Anlage zu verlangen, da der Beitrag des Werkes verglichen mit der Vorbelastung nach den weitergehenden Anforderungen dieses Bescheides sehr gering sei. Das gelte auch vor dem Hintergrund der von dem Kläger subjektiv als ekelerregend empfundenen Geruchswahrnehmungen, die durch die von der Behörde durchgeführten Immissionskontrollen nicht bestätigt worden seien. Hierbei seien zwar an fast allen Immissionsaufpunkten eindeutig dem Substratwerk zuzuordnende Gerüche unterschiedlicher Intensität und Qualität festgestellt worden. Die festgestellten Geruchsintensitäten seien aber maximal als "stark" eingestuft worden. Hinsichtlich der Qualität der Gerüche sei eine Einschätzung bis hin zu "sehr unangenehm" vorgenommen worden. "Unerträgliche" bzw. "ekelerregende" Geruchsqualitäten seien von den Mitarbeitern des Beklagten aber in keinem Fall festgestellt worden. Eine weitergehende Einzelfallprüfung im Hinblick auf ekelerregende Gerüche und dadurch verursachte gesundheitliche Beeinträchtigungen sei somit nicht notwendig gewesen.

Auf die von dem Kläger erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 15. Juli 2004 den Bescheid des Beklagten vom 10. Februar 1999 und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Weser-Ems vom 14. September 2001 aufgehoben und zur Begründung u. a. ausgeführt:

Nach §§ 4, 6 und 19 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) i. V. m. §§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 2 Abs. 2 der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen (4. BImSchV) sowie dem Anhang Nr. 8.5 Spalte 2 zur 4. BImSchV seien die Errichtung und der Betrieb von Anlagen zur Herstellung von Substrat durch Kompostieren in der beantragten Größenordnung mit einer Durchsatzleistung von 0,75 t bis weniger als 10 t/Stunde dem vereinfachten Verfahren nach § 19 BImSchG zugeordnet. Danach sei einem Antragsteller eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung (nur dann) zu erteilen, wenn sichergestellt sei, dass die sich aus § 5 Abs. 1 BImSchG ergebenden Pflichten erfüllt seien. Das sei hier nicht der Fall, da von dem Betrieb der Beigeladenen schädliche Umwelteinwirkungen in Gestalt von Geruchsemissionen ausgingen und auf das Wohngrundstück des Klägers einwirkten, die nach Art, Ausmaß und Dauer geeignet seien, erhebliche Belästigungen für den Kläger herbeizuführen (§§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG).

Für die Ermittlung und Bewertung von Geruchsbelästigungen seien hier weder die TA Luft noch etwa die VDI-Richtlinie 3471 (Immissionsminderung Tierhaltung/Schweine) einschlägig und komme nur eine Heranziehung der Niedersächsischen Verwaltungsvorschrift zur Feststellung und Beurteilung von Geruchsimmissionen (GIRL) vom 14. November 2001 in Betracht. Die GIRL lege in Nr. 3.1 für verschiedene Baugebiete Immissionswerte (IW) fest und zwar für Wohn-/Mischgebiete den IW 0,10 und für Gewerbe-/Industriegebiete den IW 0,15. Das im Außenbereich gelegene Wohngrundstück des Klägers sei dem Baugebietstyp "Gewerbe-/Industriegebiet" zuzuordnen. Danach liege für dieses Grundstück eine erhebliche Belästigung durch Gerüche vor. Die relative Häufigkeit der Geruchsstunden überschreite den Wert von 15 v. H. der Jahresstunden, wobei eine Geruchsstunde dadurch bestimmt sei, dass während eines Messzeitintervalls (10 Minuten je Messstelle) in mindestens 10 v. H. der Zeit Geruchsimmissionen erkannt würden. Nach den Gutachten der Firma K. -Ingenieurgesellschaft sei für das Wohnhaus des Klägers (Messpunkt MP 3) bei einer Vorbelastung durch die in der näheren Umgebung angesiedelten landwirtschaftlichen Betriebe von 20% der Jahresstunden und einer von der Anlage der Beigeladenen ausgehenden Zusatzbelastung von 2% eine Gesamtbelastung von 22% der Jahresstunden erreichbar. Damit werde der maßgebliche Immissionsrichtwert von 15% der Jahresstunden bei weitem überschritten.

Soweit in Abs. 6 Satz 3 der Einführungshinweise zur GIRL ausgeführt werde, dass unter der Voraussetzung überwiegend landwirtschaftlicher Nutzung und daraus resultierender Emissionen aus Tierhaltungsanlagen Immissionswerte von bis zu 20 v. H. relativer Geruchsstunden zugelassen werden könnten, werde lediglich das allgemeine Rücksichtnahmegebot angesprochen, demzufolge in Dorfgebieten und Außenbereichen auf die Belange der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe einschließlich ihrer Entwicklungsmöglichkeiten Rücksicht zu nehmen sei. Bei der Genehmigung des Substratwerkes der Beigeladenen handele es sich aber gerade nicht um die Erweiterung eines bereits bestehenden und damit Bestandsschutz genießenden landwirtschaftlichen Betriebes, die eine geringere Schutzwürdigkeit der benachbarten Wohnbebauung rechtfertigen könnte.

Selbst wenn man aber für das Wohngrundstück des Klägers von einem zulässigen Immissionswert von 20% der Jahresstunden ausginge, werde dieser bei der gutachterlich festgestellten Vorbelastung von 20% der Jahresstunden und der Zusatzbelastung durch das Substratwerk von 2% der Jahresstunden in unzulässiger Weise überschritten. Eine solche Überschreitung lasse sich auch nicht unter Hinweis auf die Irrelevanzklausel der Nr. 3.3 GIRL rechtfertigen. Danach solle zwar die Genehmigung für eine Anlage auch bei Überschreitung des Immissionswertes der GIRL nicht wegen der Geruchsimmissionen versagt werden, wenn der von der zu beurteilenden Anlage zu erwartende Immissionsbeitrag (Kenngröße der zu erwartenden Zusatzbelastung) auf keiner Beurteilungsfläche den Wert von 2% der Jahresstunden überschreite, weil bei Einhaltung dieses Wertes grundsätzlich davon auszugehen sei, dass die Anlage die belästigende Wirkung der vorhandenen Bebauung nicht relevant erhöhe (Irrelevanz der zu erwartenden Zusatzbelastung). Diese Irrelevanzregelung sei hier aber schon deswegen nicht anwendbar, weil sie zu einer deutlichen Überschreitung der maximal zulässigen Gesamtbelastung durch Geruchsimmissionen (20% der Jahresstunden) führen würde.

Letztlich schließe auch die Art und Qualität der vom Substratwerk des Beigeladenen ausgehenden Gerüche die auf Regelfälle beschränkte Anwendbarkeit der Irrelevanzregelung aus. Nach § 3 Abs. 1 BImSchG sei nämlich nicht nur die Dauer der Immissionen, sondern auch deren Art und ihr Ausmaß in den Blick zu nehmen. Die von den Mitarbeitern des Beklagten u. a. für den Immissionspunkt MP 3, der dem Wohnhaus des Klägers zugeordnet sei, angefertigten Kontrollberichte über die Geruchsituation wiesen jedenfalls "starke", dem Substratwerk zuzuordnende Geruchsimmissionen aus, denen zum Teil eine "sehr unangenehme" Geruchsqualität zugewiesen werde. Das schließe die Anwendung der Irrelevanzklausel aus.

Gegen dieses Urteil wenden sich der Beklagte und die Beigeladene mit ihren von dem vormals zuständig gewesenen 7. Senat des Oberverwaltungsgerichts mit Beschluss vom 29. August 2005 wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zugelassenen Berufungen.

Der Beklagte trägt vor:

Die Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL) lege zwar für bestimmte Baugebiete Immissionswerte fest, der baurechtliche Außenbereich sei aber nicht automatisch dem Baugebietstyp "Gewerbe-/Industriegebiet" zuzuordnen. Bei überwiegend landwirtschaftlicher Nutzung gestatte Abs. 6 der Einführungshinweise zur GIRL der Genehmigungsbehörde, Anlagen zuzulassen, wenn sich ein Immissionswert von bis zu 20 % der Geruchsstunden ergebe. Dabei komme es für die Genehmigungsbehörde nur auf die Immissionen der zu genehmigenden Anlage an. Weder aus der GIRL noch aus § 5 BImSchG sei abzuleiten, dass bei einer Gesamtbelastung von 22 % der Jahresstunden - bestehend aus 20 % Vorbelastung und 2 % Zusatzbelastung - das Vorhaben nicht genehmigungsfähig sind. Das folge schon aus der bloßen Existenz der Irrelevanzklausel. Da Geruchseinwirkungen nur Belästigungen im Sinne der §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG seien, könne das Kriterium der "Erheblichkeit" nicht nur nach der Dauer der Einwirkungen beurteilt werden. Die Art und Qualität von Gerüchen komme, wie sich aus einer Zusammenschau der Nrn. 3.3 und der Nr. 1, letzter Absatz GIRL ergebe, nicht bei der Irrelevanzregelung und ihrer Berechnung selbst zum Tragen, sondern erst im Rahmen der Interessenabwägung mit anderen die Zumutbarkeit der Geruchsimmissionen beeinflussenden Kriterien. Soweit das Verwaltungsgericht auf die Angaben in den Kontrollberichten abstelle, in denen vereinzelt starke Geruchsimmissionen des Werkes mit sehr unangenehmer Geruchsqualität festgestellt worden seien, sei es von einem falschen Sachverhalt ausgegangen. Diese Bewertungen bezögen sich auf den Messpunkt "I 3" direkt am Substratwerk selbst (in den Berichten der K. -Ingenieurgesellschaft mit MP 1" bezeichnet). Für den von ihm, dem Beklagten, mit "I 1" bezeichneten Messpunkt am Wohngrundstück des Klägers (von der K. -Ingenieurgesellschaft mit "MP 3" bezeichnet) seien derart intensive Gerüche nicht festgestellt worden.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 15. Juli 2004 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Beigeladene trägt zur Begründung ihrer Berufung vor:

Seit der Neufassung des Anhangs Nr. 8.5 der 4. BImSchV vom 27. Juli 2001 sei die Genehmigungspflichtigkeit der Anlage nach dem BImSchG weggefallen. Das habe zur Folge, dass die erteilte Genehmigung gemäß § 18 Abs. 2 BImSchG entfallen sei, lediglich die darin enthaltene Baugenehmigung sei erhalten geblieben. Die Zulässigkeit der Anlage sei deshalb nur noch nach § 35 BauGB zu beurteilen. Der Anlage komme die Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 Alt. 2 BauGB zugute, weil von ihr für das unmittelbare Umfeld Geruchsimmissionen ausgingen, die eine Realisierung in einem Gewerbe- oder Industriegebiet der Gemeinde nicht zuließen. Im Außenbereich sei die Anlage zulässig, soweit öffentliche Belange nicht entgegenstünden. Von dem Werk gingen keine Immissionen im Sinne des § 35 Abs. 3 BauGB i. V. m. § 3 BImSchG von erheblichem Umfang aus. Jedenfalls sei hinsichtlich der Häufigkeit der Geruchswahrnehmung am Grundstück des Klägers die Irrelevanzgrenze von 2 % nach der GIRL nicht überschritten. Sie, die Beigeladene habe alles getan, um unzumutbare Beeinträchtigungen für die Anwohner auch bezüglich Art und Intensität der Gerüche auszuschließen. Die Kontrollberichte des Beklagten wiesen für den Messpunkt am Haus des Klägers (MP 3 bzw. I 1) gerade keine "starken" oder "sehr unangenehmen" Gerüche aus. Durch den Betrieb der Anlage werde deshalb das Gebot der Rücksichtnahme nicht verletzt. Die Aufzeichnungen der Anwohner zur Häufigkeit der Wahrnehmbarkeit der von dem Werk ausgehenden Gerüche und deren Bewertung entsprächen nicht den Vorgaben der GIRL und seien somit methodisch nicht korrekt. Ein Vergleich der Aufzeichnungen mit den zeitgleichen Windrichtungsdaten der nächstgelegenen meteorologischen Messstelle in Großkneten und dem Betriebstagebuch der Beigeladenen ergebe zudem, dass die von den Anwohnern festgestellten Gerüche nur teilweise von dem Substratwerk stammen könnten und im verbleibenden Umfang die Einhaltung des Irrelevanzkriteriums selbst nahelegten.

Der Beigeladene beantragt ebenfalls,

das Urteil des Verwaltungsgericht zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufungen zurückzuweisen.

Er verteidigt das angegriffene Urteil und hebt hervor: Er teile die Auffassung der Beigeladenen, dass die Zulässigkeit der Anlage inzwischen nur noch nach Baurecht zu beurteilen sei. Wegen des im Baurecht herrschenden Grundsatzes der gegenseitigen Rücksichtnahme, der auch nachbarschützend sei, ergebe sich daraus aber kein gegenüber dem BImSchG günstigerer Prüfungsmaßstab. Fraglich sei bereits, ob es sich bei der Anlage überhaupt um ein privilegiertes Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 1 BauGB handele, weil eine Kapselung und Einhausung der Vorrottefläche sowie die Installation einer Abluftreinigungsanlage möglich und die Immissionen damit maßgeblich zu vermindern seien. Der Grundsatz der gegenseitigen Rücksichtnahme gebiete auch eine Berücksichtigung der Vorbelastung durch die bestehende Landwirtschaft. Der Landkreis habe zudem im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides bereits weitere Stallbauten genehmigt gehabt, die in den Gutachten der K. -Ingenieurgesellschaft nicht berücksichtigt worden seien.

Von dem Werk der Beigeladenen gingen erhebliche Geruchsbelästigungen aus. Das ergebe sich nicht nur aus den Aufzeichnungen der Anwohner aus dem Jahr 2005, sondern auch aus den weitergeführten Aufzeichnungen aus dem Jahr 2006. Gerade letztere belegten eine durchschnittliche monatliche Zusatzbelastung durch das Kompostwerk von sogar 8,1 % der Jahresstunden. Gesundheitliche und psychische Beeinträchtigungen seien nicht unwahrscheinlich. Außerdem werde sein Grundeigentum durch die auftretenden Gerüche im Wert gemindert. Die Gutachten der K. -Ingenieurgesellschaft beschränkten sich in unzulässiger Weise auf die Feststellung des zeitlichen Umfangs der Geruchsimmissionen, berücksichtigten aber nicht deren Art und Ausmaß.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufungen des Beklagten und der Beigeladenen sind begründet. Die der Beigeladenen erteilte Genehmigung zum Betrieb des Substratwerkes verletzt rechtlich geschützte eigene Interessen des Klägers nicht.

Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der der Beigeladenen erteilten Genehmigung bezogen auf den Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides auf der Grundlage der §§ 4, 6 und 19 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes - BImSchG - (in der Fassung der Bekanntmachung vom 14.5.1990, BGBl. I S. 880, im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids zuletzt geändert durch Gesetz vom 27.7.2001, BGBl. I S. 1950) i. V. m. §§ 1 Satz 1 Nr. 2, 2 Abs. 2 der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen - 4. BImSchV - (in der Fassung der Bekanntmachung vom 14.3.1997, BGBl. I S. 1950, ebenfalls zuletzt geändert durch Gesetz vom 27.7.2001, BGBl. S. 1950) und Nr. 8.5 Spalte 2 des Anhangs zur 4. BImSchV getroffen. Es ist davon ausgegangen, dass es sich bei dem Substratwerk der Beigeladenen um eine Anlage im Sinne von Nr. 8.5 Spalte 2 zur 4. BImSchV handele (Anlagen zur Kompostierung mit einer Durchsatzleistung von 0,75 t bis weniger als 10 t je Stunde), so dass das Genehmigungsverfahren nach § 19 BImSchG im vereinfachten Verfahren durchgeführt werde (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 4. BImSchV). Nr. 8.5 Spalte 2 der Anlage zur 4. BImSchV ist allerdings durch das Gesetz vom 27. Juli 2001 - also während des hier durchgeführten Widerspruchsverfahrens - dahingehend geändert worden, dass nur noch "Anlagen zur Erzeugung von Kompost aus organischen Abfällen, auf die die Vorschriften des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes Anwendung finden, mit einer Durchsatzleistung von 3.000 t bis weniger als 30.000 t Einsatzstoffen je Jahr" erfasst werden. Gemäß § 18 Abs. 2 BImSchG erlischt eine bereits erteilte Genehmigung, soweit das Genehmigungserfordernis aufgehoben wird. Soweit die Genehmigung gemäß § 13 BImSchG andere die Anlage betreffende behördliche Entscheidungen - etwa nach dem Baugesetzbuch (BauGB) - eingeschlossen hat, gelten diese Bestandteile der Genehmigung fort (OVG NRW, Urt. v. 15.3.1993 - 21 A 1691/89 -, Baurecht 1993, 706 = NVwZ 1994, 184; Jarass, BImSchG, 6. Aufl. 2005, § 18 RdNr. 11) und bleiben damit Gegenstand eines noch anhängigen Verfahrens.

Zu der Frage, ob die von der Beigeladenen für die Kompostgewinnung verwendeten Einsatzstoffe sämtlich nicht Abfall im Sinne des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes sind, vertreten die Beteiligten unterschiedliche Auffassungen. Während der Beklagte den Wegfall der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbedürftigkeit erst im Hinblick auf die veränderte Bewertung von Nebenprodukten aus der Landwirtschaft durch die Einfügung des § 2 Abs. 2 Nr. 1 a KrW-/AbfG (durch Art. 2 Nr. 2 des Gesetzes zur Durchführung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften über die Verarbeitung und Beseitigung von nicht für den menschlichen Verzehr bestimmten tierischen Nebenprodukten vom 25.1.2004, BGBl I S. 82, mit Wirkung vom 29.1.2004) als gegeben ansieht und das Niedersächsische Umweltministerium in seiner Stellungnahme vom 13. Mai 2005 (Gerichtsakte Bl. 609) jedenfalls für die Zeit nach Abgabe einer Erklärung der Beigeladenen vom 11. März 2005 (ausdrücklicher Verzicht auf den Einsatz anderer Stickstoffquellen <als Hähnchenmist> - wie z.B. Pferdemist - und anderer Gipsarten <als Naturgips> - wie Industriegips aus Rauchgasentschwefelungsanlagen -) zum gleichen Ergebnis kommt, vertritt die Beigeladene die Auffassung, dass die immissionsschutzrechtliche Genehmigungsbedürftigkeit bereits im maßgeblichen Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung entfallen gewesen sei; Deren Erwägungen zur (Nicht-)Abfalleigenschaft der Einsatzstoffe hat sich der Kläger angeschlossen.

Ob die der Beigeladenen erteilte Genehmigung vom 10. Februar 1999, soweit sie nach Immissionsschutzrecht erteilt worden ist, hier während des Widerspruchsverfahrens mit der Gesetzesänderung vom 27. Juli 2001 oder zu einem späteren Zeitpunkt erloschen ist und nur noch insbesondere die baurechtlichen Teile der Genehmigung fortgelten, kann indessen offen bleiben. Änderungen der seinerzeitigen Zuständigkeit der Bezirksregierung als Widerspruchsbehörde ergäben sich nicht, da sie für die Widerspruchsentscheidung sowohl im Genehmigungsverfahren nach dem BImSchG als auch nach dem BauGB zuständig war. Die Beurteilungsmaßstäbe für die Bewertung der Anlage der Beigeladenen und der angegriffenen Genehmigung unterscheiden sich hier unter dem Gesichtspunkt des erforderlichen Nachbarschutzes nicht entscheidungserheblich danach, ob die Anlage nach dem BImSchG genehmigungsbedürftig ist oder nicht.

Die Betreiber nach dem BImSchG genehmigungsbedürftiger Anlagen sind nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG verpflichtet, diese so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können. Dieser immissionsschutzrechtlichen Schutzpflicht kommt - anders als der Regelung in Nr. 2 - drittschützende Wirkung zu (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.12.2003 - 7 C 19.02 -, BVerwGE 119, 329, 332, st. Rspr.).Vergleichbare Anforderungen bestehen, wenn die Anlage der Beigeladenen nicht nach dem BImSchG genehmigungsbedürftig ist, sondern nach § 22 BImSchG zu beurteilen ist und die Genehmigung vornehmlich baurechtlichen Grundsätzen unterliegt.

Das Vorhaben der Beigeladenen liegt außerhalb des räumlichen Geltungsbereiches eines Bebauungsplanes im Sinne des § 30 BauGB und außerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile, also im Außenbereich gemäß § 35 BauGB (Berliner Kommentar zum BauGB, Stand: September 2006, § 35 RdNr. 5). Nach § 35 Abs. 1 BauGB ist im Außenbereich ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und es sich um eines der in Absatz 1 Nrn. 1 bis 7 genannten Vorhaben handelt. Unter Nr. 4 fällt ein Vorhaben, wenn es wegen seiner besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen seiner nachteiligen Wirkungen auf die Umgebung oder wegen seiner besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden soll. Das Kriterium der nachteiligen Wirkungen auf die Umwelt bedeutet, dass das Vorhaben selbst in planerisch ausgewiesenen Industriegebieten nicht angesiedelt werden kann, weil die Emissionen derart stark sind, dass sie auch in solchen Bereichen das zumutbare Maß übersteigen (Berliner Kommentar a. a. O., § 35 RdNr. 40). Das letztgenannte Kriterium ist bei dem Substratwerk der Beigeladenen erfüllt. Nach Aktenlage gehen von den geruchsintensiven Arbeitsgängen erhebliche Immissionen u. a. von Ammoniak aus (vgl. die gutachterliche Äußerung der J. GmbH vom 19.2.1998), die einer Ansiedlung auch in Industriegebieten entgegenstehen.

Die Zulässigkeit des Vorhabens hängt weiter davon ab, dass ihm öffentliche Belange nicht entgegenstehen. Eine Unvereinbarkeit in diesem Sinn liegt nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB insbesondere vor, wenn das Vorhaben schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann. Auf diese Vorschrift kann sich im Einzelfall auch ein Anwohner berufen, soweit mit dem Vorhaben nicht hinreichend auf seine Belange Rücksicht genommen und er damit in eigenen Rechten beeinträchtigt wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.2.1977 - BVerwG IV C 22.75 -, BVerwGE 52, 122 <Schweinemast-Fall>). Inhaltlich wird § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB hier ausgefüllt durch § 22 BImSchG (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.09.1983 - BVerwG 4 C 71.73 -, BVerwGE 68, 58 <60 f.>; Roßnagel in GK-BImSchG, § 22 Rdnr. 169). § 22 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 BImSchG gibt den Betreibern nicht nach dem BImSchG genehmigungsbedürftiger Anlagen u. a. auf, diese so zu betreiben, dass 1. schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind, und 2. nach dem Stand der Technik nicht vermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden. Schädliche Umwelteinwirkungen sind nach § 3 Abs. 1 BImSchG alle "Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft hervorzurufen". Einwirkungen dieses Grades - und nicht erst enteignende Beeinträchtigungen oder "ernste Gesundheitsbeeinträchtigungen" - sind den davon Betroffenen grundsätzlich nicht zumutbar. Soweit § 22 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 i. V. m. § 3 Abs. 1 BImSchG der Verhinderung oder Beschränkung solcher konkreter schädlicher Umwelteinwirkungen im Einwirkungsbereich einer Anlage - also nicht nur der allgemeinen Vorsorge - dienen, haben sie ebenfalls drittschützende Wirkung (vgl. BVerwG, Urt. v. 04.07.1986 - 4 C 31.84 -, BVerwGE 74, 315; Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand 01.12.2006, § 22 BImSchG Rdnr. 4 m. w. N.).

Im vorliegenden Fall kommt es somit unabhängig davon, ob die Anlage der Beigeladenen genehmigungspflichtig nach dem BImSchG ist oder nicht, darauf an, ob von ihr schädliche Umwelteinwirkungen (§ 3 Abs. 1 BImSchG) ausgehen und der Kläger hierdurch in seinen Rechten verletzt wird. Eine Beeinträchtigung Dritter kommt hier nur durch von der Anlage der Beigeladenen verursachte Geruchsimmissionen in Betracht. Als Entscheidungshilfe, ob Geruchsbelästigungen erheblich im Sinne von §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG bzw. § 35 Abs. 3 BauGB und §§ 3 Abs. 1, 22 Abs. 1 BImSchG sind, kann das Gericht zunächst die Geruchsimmissions-Richtlinie (nachfolgend GIRL) in der Fassung vom 13. Mai 1998 heranziehen, die nach dem Gemeinsamen Runderlass vom 14. November 2000 (Nds. MBl. 2001, S. 224) zur Sicherstellung eines einheitlichen Vollzugs bei der Erteilung von Genehmigungen nach den §§ 4 ff. BImSchG sowie bei der Überwachung nach § 52 BImSchG zu Grunde zu legen ist. Für nicht genehmigungsbedürftige Anlagen kann die GIRL sinngemäß angewendet werden (2. Absatz des Einführungserlasses zur GIRL). Dies gilt auch nach ihrem zwischenzeitlichen Außerkrafttreten (vgl. dazu Nds. OVG, Urt. v. 3.5.2006 - 1 LB 259/04 -, Nds. VBl. 2006, 343 = DWW 2006, 340; Beschl. v. 16.5.2006 - 7 ME 6/06 -, RdL 2006, 212). Ferner ist als Entscheidungshilfe die Neufassung der GIRL vom 21. September 2004 in den Blick zu nehmen, die (nach Erteilung der hier angegriffenen Genehmigung) durch den Gemeinsamen Runderlass vom 30. Mai 2006 (Nds. MBl. S. 657) eingeführt worden ist. Für den Bereich der Landwirtschaft sind zwar im Rahmen ihres Geltungsbereichs zunächst die TA Luft sowie die VDI-Richtlinien 3471 und 3472 anzuwenden, die hier jedoch für die Beurteilung der von dem Substratwerk ausgehenden Geruchsimmissionen nicht einschlägig sind (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 16.5.2006, a. a. O.).

Die Überprüfung der Immissionssituation darf nicht schematisch erfolgen. Vielmehr sind die örtlich spezifischen Aspekte (z.B. Orographie, Nutzung der Grundstücke entsprechend den Festsetzungen in Bebauungsplänen, Bestandsschutz, historische Entwicklung unterschiedlicher Nutzungen, Rücksichtnahmegebot im Nachbarschaftsverhältnis, Geruchsintensität, Hedonik, vegetationstypische Gerüche, sonstige atypische Verhältnisse) in die Entscheidungsfindung einzubeziehen. Als Ergebnis einer intensiven Einzelfallprüfung kann unter Abwägung aller Randbedingungen ein abweichender Immissionswert festgesetzt werden (4. Absatz des Einführungserlasses zur GIRL). Bei alledem bleibt allerdings zu beachten, dass dieses Regelwerk - wie andere untergesetzliche Handreichungen auch - im Wesentlichen nur eine methodische Anleitung darstellt, die Details des Einzelfalles zutreffend zu erfassen, die bei der umfassenden Würdigung der konkurrierenden Interessen in den Blick zu nehmen und zu würdigen sind. Soweit in Regelwerken dieser Art bestimmte Einwirkungshäufigkeiten genannt sind, bei deren Einhaltung die Verträglichkeit miteinander konkurrierender Nutzungen und bei deren Überschreitung die Rücksichtslosigkeit und Unzumutbarkeit der angegriffenen Nutzung anzunehmen sei, stellt dies nur einen mehr oder weniger groben Anhaltspunkt (vgl. zu diesem Gesichtspunkt BVerwG, Urt. v. 19.1.1989 - BVerwG 7 C 77.87 -, BVerwGE 81, 197, 203 f.) für die ins Einzelne gehende Prüfung dar, ob das in Rede stehende Vorhaben zu unzumutbaren Immissionen führt (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.2.1977 a. a. O.). Das kommt auch in der GIRL und ihren Anwendungshinweisen hinreichend zum Ausdruck. Danach stellen etwa von der GIRL vorgegebene maßgebliche Häufigkeiten der Jahresstunden, in denen Gerüche - beurteilt nach 1 GE/m³ Luft (= Geruchsschwelle) - auf benachbarte Bebauung und Nutzungen einwirken dürfen (Immissionswerte - IW -), keine starre Grenze dar. Zu berücksichtigen ist vielmehr eine ganze Reihe von Gesichtspunkten wie namentlich die, ob ein besonders positiv zu wertender Geruch ("Duft") in Rede steht oder ob sich dieser durch eine sog. negative Hedonik, d.h. besondere Lästigkeit auszeichnet. Zu berücksichtigen sind des Weiteren Besonderheiten von Tages-, Nacht- oder sonstiger Rhythmen, mit denen die Gerüche auftreten, Vorbelastungen auf Grund der Situation, in die die konkurrierenden Nutzungen gestellt sind, sowie Möglichkeiten zu ihrer Minderung (Anlage 1 zum Einführungserlass vom 14. November 2000, Nr. 1 = Allgemeines). Diese gestatten es, ausgehend von in der GIRL vorgegebenen Immissionswerten eine Lösung zu suchen, welche den Einzelheiten des zu beurteilenden Sachverhalts gerecht wird (Nds. OVG, Urt. v. 3.5.2006 - 1 LB 259/04 - <betreffend Imbiss-Anlage mit unangenehmer Hedonik in einem Kerngebiet mit einer Schutzwürdigkeit zwischen Wohn-/Mischgebiet und Gewerbe-/Industriegebiet>, Nds. VBl. 2006, 243 = DWW 2006, 340).

Nach Nr. 3.1 der GIRL ist eine Geruchsimmission in der Regel als erhebliche Belästigung zu bewerten, wenn die Gesamtbelastung - also die vorhandene Belastung und die zu erwartende Zusatzbelastung zusammen (GIRL Nr. 1. Allgemeines, Nr. 4.6) - die in Tabelle 1 angegebenen Immissionswerte (IW) überschreitet. Genannt wird dort für Wohn-/Mischgebiete ein Immissionswert von 0,10 und für Gewerbe-/Industriegebiete ein Immissionswert von 0,15. Sonstige Gebiete sind entsprechend den Grundsätzen des Planungsrechts diesen Werten zuzuordnen. Für den Außenbereich - das Grundstück des Klägers liegt im Außenbereich gemäß § 35 BauGB -, der den genannten Gebieten nicht zugeordnet werden kann, gibt die GIRL einen allgemeinen Immissionswert ausdrücklich nicht vor. Die Auslegungshinweise zu Nr. 5 der GIRL deuten aber darauf hin, dass der Immissionswert 0,15 regelmäßig nicht überschritten werden soll. Denn nur so verstanden ergeben der Hinweis, dass "in begründeten Einzelfällen über den Immissionswert von 0,15 hinausgegangen werden" könne, und die Hervorhebung der häufigen besonderen Belastungen durch landwirtschaftliche Betriebe im Außenbereich einen Sinn (4. Absatz der Auslegungshinweise zu Nr. 5 der GIRL, Stand 11/2000; Abs. 2 6. Spiegelstrich der Auslegungshinweise zu Nr. 5, Stand 9/2004). Das entspricht auch Absatz 6 des Einführungserlasses zur GIRL (Fassung 2000, ebenso Fassung 2004), wo es heißt: "In Dorfgebieten und im Außenbereich ist auf die Belange der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe einschließlich ihrer Entwicklungsmöglichkeiten Rücksicht zu nehmen. Die Hinweise zur Prüfung im Einzelfall gelten auch für die Anlagen der Landwirtschaft. Unter der Voraussetzung überwiegend landwirtschaftlicher Nutzung und daraus resultierender Emissionen aus Tierhaltungsanlagen können Immissionswerte von bis zu 20 v. H. relativer Geruchsstundenhäufigkeit zugelassen werden." Zwar geht es im vorliegenden Fall nicht um eine solche landwirtschaftliche Nutzung, so dass auch dieser Hinweis nicht einschlägig ist. Der Immissionswert von 20 v. H. relativer Geruchsstundenhäufigkeit (IW 0,20) ist aber als Anhaltspunkt für eine Begrenzung der zulässigen Immissionshäufigkeit zum einen deswegen in den Blick zu nehmen, weil "die erhebliche Belästigung durch Geruchsimmissionen nach wissenschaftlichen Aussagen zwischen 10 und 20 v. H. relativer Geruchsstundenhäufigkeit beginnt" (Absatz 4 des Einführungserlasses zur GIRL). Zum anderen wird eine Gleichbehandlung der Anlage der Beigeladenen mit landwirtschaftlichen Betrieben durch die Privilegierungsregelung des § 35 Abs. 1 BauGB nahegelegt, die landwirtschaftliche Betriebe (Nr. 1) und Vorhaben, die wegen ihrer besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen ihrer nachteiligen Wirkung auf die Umgebung oder wegen ihrer besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden sollen (Nr. 4), gerade wegen der von ihnen ausgehenden Beeinträchtigungen der Umgebung gleichermaßen als im Außenbereich zulässige Vorhaben privilegiert.

Durch die Anlage der Beigeladenen wird der Immissionswert 0,20 (entsprechend 20 % der Jahresstunden), der bereits durch die vorhandene Vorbelastung durch landwirtschaftliche Betriebe ausgeschöpft wird, nicht relevant überschritten. Das ergibt sich aus Folgendem: Der geruchstechnische Bericht der Firma K. -Ingenieurgesellschaft vom 12. April 2001 (Nr. LG0459.1/05 <Beiakte F Bl. 5/173>) kommt unter Zugrundelegung der in der GIRL vorgesehenen Berechnungsmodelle für den Immissionsmesspunkt MP 3, der dem Wohnhaus des Klägers zugeordnet ist, bei einer Vorbelastung durch die in der näheren Umgebung befindlichen landwirtschaftlichen Betriebe (insbesondere Tierhaltungsanlagen zur Schweinezucht und -mast) von 20 % der Jahresstunden (IW 0,20) und einer Zusatzbelastung durch die Anlage zur Substratherstellung der Beigeladenen von 6 % der Jahresstunden zu einer Gesamtbelastung von 26 % der Jahresstunden. Durch die von der Firma K. in diesem Bericht vorgeschlagenen Immissionsminderungsmaßnahmen, die durch den Widerspruchsbescheid Bestandteil der Genehmigung geworden sind, lässt sich die von der Anlage der Beigeladenen ausgehende Zusatzbelastung auf 2 % der Jahresstunden (IW 0,02) reduzieren, wie durch den späteren Messbericht der Firma K. -Ingenieurgesellschaft vom 12. Februar 2002 (Nr. LG0459.03/01 <Gerichtsakte Bl. 135>) bestätigt wurde. Damit ergibt sich aus der Vorbelastung und der Zusatzbelastung durch das Substratwerk der Beigeladenen für das Grundstück des Klägers eine Immissionsbelastung von max. 22 % der Jahresstunden (IW 0,22). Dabei bringt der Messbericht (S. 63) zugleich zum Ausdruck, dass zur Ermittlung der Geruchsimmissionen einige für den Betrieb der Beigeladenen ungünstige Annahmen berücksichtigt worden seien, die zusammengefasst eher zu einer ungünstigeren Beurteilung der Geruchsimmissionssituation führten.

Die Überschreitung des Immissionswertes 0,20 um den Wert 0,02 steht der Genehmigung der Anlage der Beigeladenen hier nicht entgegen.

Das folgt - erstens - aus der sog. Irrelevanz der von dem Kompostwerk selbst ausgehenden Zusatzbelastung. Sowohl die GIRL i. d. F. vom 13. Mai 1998 (eingeführt durch den Erlass vom 14.11.2000) als auch die GIRL in der Fassung vom 21. September 2004 (eingeführt durch den Erlass vom 30.5.2006) enthalten unter Nr. 3.3 eine sog. Irrelevanzklausel dergestalt, dass die Genehmigung für eine Anlage auch bei Überschreitung der Immissionswerte der GIRL nicht wegen der Geruchsimmissionen versagt werden soll, wenn der von der zu beurteilenden Anlage zu erwartende Immissionsbeitrag (Kenngröße der zu erwartenden Zusatzbelastung) auf keiner Beurteilungsfläche den Wert 0,02 überschreitet. Bei Einhaltung dieses Wertes ist davon auszugehen, dass die Anlage die belästigende Wirkung der vorhandenen Geruchsbelastung nicht relevant erhöht. Mit Blick auf dieses für die Zusatzbelastung geltende Irrelevanzkriterium hat die Bezirksregierung Weser-Ems der Beigeladenen im Widerspruchsbescheid (Anlage 1 Nr. 1) als Auflage aufgegeben, dass der Immissionsbeitrag der nach der GIRL zu beurteilenden Gerüche durch den Betrieb des Substratwerks im Bereich des Grundstücks des Klägers den Wert von 0,02 (2 % der Jahresstunden) nicht überschreiten darf. Damit ist gewährleistet, dass der Betrieb der Anlage nicht zu erheblichen Geruchsbelästigungen im Sinne der GIRL führt. Einen Anlass, den Betrieb des Werkes gleichwohl wegen der sich daraus ergebenden Gesamtbelastung von über 20% der Jahresstunden (IW mehr als 0,20) ausnahmsweise nicht zu genehmigen, hat die Bezirksregierung deswegen nicht gesehen, weil die Immissionsbelastung aus dem Werk an den relevanten Immissionsorten für sich gesehen gering ist und sich die Vorbelastung erst unmittelbar vor Beginn des Genehmigungsverfahrens durch vom Kläger nicht beanstandete Erhöhungen der Geruchsimmissionen aus nahegelegenen landwirtschaftlichen Betrieben und damit aus von der Beigeladenen nicht zu beeinflussenden Gründen erheblich verstärkt hat (Widerspruchsbescheid vom 14.9.2001, dort S. 6 f.). Diese Abwägung und Einzelfallbeurteilung ist gerichtlich nicht zu beanstanden.

Der in diesem Zusammenhang erhobene Einwand des Klägers, die begutachtende Firma K. -Ingenieurgesellschaft habe die Ausbreitungsberechnung, d. h. die rechnerisch ermittelte Immissionsbelastung auf den einzelnen Beurteilungsflächen fehlerhaft bewertet, greift nicht durch. Der Kläger verweist darauf, dass die Irrelevanzklausel der Nr. 3.3 der GIRL fordere, dass auf keiner Beurteilungsfläche der Wert 0,02 überschritten werden dürfe, während die Ausbreitungsberechnung des Gutachters auf einer großen Zahl von Beurteilungsflächen einen höheren Wert ausweise. Das ist aber für die Anwendung der Irrelevanzklausel nicht maßgeblich. Denn gemäß den Auslegungshinweisen zu Nr. 3.3 der GIRL bezieht sich die Irrelevanzklausel nur auf die Flächen, auf denen sich Personen nicht nur vorübergehend aufhalten. Damit greift die GIRL die Regelung in Nr. 4.6.2.6 TA Luft auf, derzufolge die Beurteilungspunkte für Immissionsmessungen so festzulegen sind, "dass eine Beurteilung der Gesamtbelastung an den Punkten mit mutmaßlich höchster relevanter Belastung für dort nicht nur vorübergehend exponierte Schutzgüter ... ermöglicht wird". Dementsprechend hat der Gutachter bei seinen Feststellungen zur Irrelevanz auf die Beurteilungsflächen insbesondere im Bereich von Wohnbebauung abgestellt. Dort haben sich Überschreitungen des Immissionswertes 0,02 nicht ergeben. Damit ist der Schutzanspruch des Klägers hinreichend gewahrt.

Der Anwendung der Irrelevanzklausel steht schließlich auch nicht entgegen, dass es sich bei der Vorbelastung durch von landwirtschaftlichen Betrieben ausgehenden Immissionen und der durch die Anlage der Beigeladenen hervorgerufenen Zusatzbelastung um unterschiedliche Arten von Gerüchen handelt. Eine Beschränkung der Anwendbarkeit auf gleichartige Gerüche sieht Nr. 3.3 der GIRL weder i. d. F. vom 13. Mai 1998 noch i. d. F. vom 21. September 2004 vor (Nds. OVG, Beschl. v. 14.12.2005 - 7 ME 6/06 -, a. a. O.).

Dass die Überschreitung des IW 0,20 um den Wert 0,02 der Genehmigung hier nicht entgegensteht, ergibt sich - zweitens und die Entscheidung selbstständig tragend - auf Grund der von der GIRL (Abs. 4 des Einführungserlasses, Nr. 5 der GIRL) eröffneten Einzelfallprüfung und der danach bestehenden Möglichkeit, einen abweichenden Immissionswert zu bestimmen. Gemäß Nr. 5 der GIRL ist für die Beurteilung, ob schädliche Umwelteinwirkungen durch Geruchsimmissionen hervorgerufen werden, ein Vergleich der nach dieser Richtlinie zu ermittelnden Kenngrößen mit den ... festgelegten Immissionswerten nicht ausreichend, wenn a) ... (hier nicht einschlägig) oder b) Anhaltspunkte dafür bestehen, dass wegen der außergewöhnlichen Verhältnisse hinsichtlich Hedonik und Intensität der Geruchswirkung, der ungewöhnlichen Nutzungen in dem betroffenen Gebiet oder sonstiger atypischer Verhältnisse entweder trotz Einhaltung der Immissionswerte schädliche Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden (z.B. Ekel und Übelkeit auslösende Gerüche) oder trotz Überschreitung der Immissionswerte eine erhebliche Belästigung der Nachbarschaft oder der Allgemeinheit durch Geruchsimmissionen nicht zu erwarten ist. Nur diejenigen Geruchsbelästigungen sind als schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG zu werten, die erheblich sind. Die Erheblichkeit ist keine absolut festliegende Größe, sie kann in Einzelfällen nur durch Abwägung der dann bedeutsamen Umstände festgestellt werden (GIRL Nr. 5, 1. Absatz).

In diesem Zusammenhang ist - wie dargelegt - bedeutsam, dass die gesamte Umgebung um das Grundstück des Klägers durch die Geruchsemissionen landwirtschaftlicher Betriebe, insbesondere solcher mit Intensiv-Tierhaltung, so massiv vorbelastet ist, dass bereits hierdurch ein Immissionswert bei dem Grundstück des Klägers von 20 % der Jahresstunden (IW 0,20) erreicht ist. Gegen die Verstärkung der Belastung durch die Ausweitung von landwirtschaftlichen Betrieben in der Zeit kurz vor der Antragstellung der Beigeladenen und - wie der Kläger vorträgt - auch noch während des Widerspruchsverfahrens hat der Kläger sich, soweit ersichtlich, nicht gewendet. Die von dem Betrieb der Beigeladenen ausgehende zusätzliche Geruchsbelastung von 2 % der Jahresstunden (IW 0,02) entspricht demgegenüber nur einem Zehntel der Vorbelastung, ist also relativ gering.

Die sich daraus ergebende Gesamtbelastung kann auch absolut gesehen (noch) nicht als schlechthin unzumutbar bezeichnet werden. In der Rechtsprechung werden, worauf die Beigeladene und der Beklagte hinweisen, im landwirtschaftlichen Bereich zum Teil weit über den Wert von 20 % der Jahresstunden hinausgehende Immissionswerte für zulässig gehalten (vgl. NdsOVG, Urt. v. 25.07.2002 - 1 LB 980/01 -, RdL 2002, 313 = NVwZ-RR 2003, 24 = AgrarR 2003, 58 <30,5% bei Intensivtierhaltung>; ferner OVG NRW, Beschl. v. 03.11.2000 - 7 B 1533/00 -, JURIS <bei Gerüchen aus Rinderhaltung Wahrnehmungshäufigkeit über 20% der Jahresstunden noch zumutbar>; Beschl. v. 18.03.2002 - 7 B 315/02 -, NVwZ 2002, 1390 = BauR 2002, 1684 <dass möglicherweise in mehr als 50% der Jahresstunden Gerüche - primär aus Rinderhaltung - wahrnehmbar sein mögen, vermag eine Unzumutbarkeit jedenfalls für landwirtschaftsbezogenes Wohnen noch nicht ohne weiteres zu begründen>; ebenso Beschl. v. 19.12.2002 - 10 B 435/02 -, BauR 2004, 292 = NWVBl 2004, 307 und Beschl v. 19.05.2003 - 22 A 5565/00 -, AUR 2003, 279; Urt. v. 25.06.2003 - 7 A 4042/00 -, RdL 2003, 293 = BauR 2003, 1850 = NWVBl 2004, 95 <In einem faktischen Dorfgebiet, das bestimmungsgemäß auch durch noch praktizierende landwirtschaftliche Betriebe mit Tierhaltung geprägt ist, kann jedoch ein in zeitlicher Hinsicht auch höheres Maß - Anm.: als eine Geruchsstundenhäufigkeit von 0,10 bis 0,20 - an landwirtschaftlichen Gerüchen zuzumuten sein>). Dies wird mit folgenden Erwägungen begründet: Nach Tabelle 1 der GIRL liegen die Immissionswerte bei 10 % der Jahresstunden für Wohn-/Mischgebiete und 15 % für Gewerbe-/Industriegebiete. Der niedersächsische Einführungserlass zur GIRL vom 14. November 2000 (Nds. MBl. S. 224) betont ebenso wie der vom 30. Mai 2006 für Dorfgebiete und Außenbereich die nach § 6 BauNVO gebotene Rücksichtnahme auf die Belange landwirtschaftlicher Betriebe und ihrer Entwicklungsmöglichkeiten und lässt unter der Voraussetzung überwiegend landwirtschaftlicher Nutzung und daraus resultierender Immissionen aus Tierhaltungen Immissionswerte von bis zu 20 v. H. relativer Geruchsstundenhäufigkeit zu. Dieser vom Erlass bezeichnete Wert stellt jedoch nicht die Grenze zu gesundheitsschädlichen Geruchsbelästigungen dar. Es ist nämlich einerseits zu bedenken, dass die Wahrnehmungshäufigkeit an die Geruchsstoffkonzentration von 1 GE/m³ anknüpft und 1 GE/m³ die Geruchsschwelle markiert, bei der 50% der geschulten Probanden einen Geruchseindruck haben. Außerdem relativiert sich die tatsächliche Belastung dadurch, dass Gerüche schon dann im Umfang einer Geruchsstunde zu berücksichtigen sind, wenn an mindestens sechs Minuten die Geruchsschwelle überschritten wird (vgl. Nr. 4.4.7 letzter Absatz der GIRL). Der Immissionswert von 0,2 wäre z.B. schon dann erreicht, wenn an 176 Stunden (über das Jahr verteilt) die Geruchsschwelle überschritten wird (365 <Tage> x 24 <Stunden>) : 10 <Geruchsstunden> x 0,2 <Immissionswert>). (so Nds. OVG, Urt. v. 25.07.2002 - 1 LB 980/01 -, a. a. O. mit weiteren Nachweisen).

Einer Übertragung dieser Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall kann nicht schon entgegengehalten werden, dass sie sich auf Immissionen aus Tierhaltung bezieht, während dies bei dem Betrieb des Beigeladenen nicht der Fall ist. Denn ein Betrieb wie der der Beigeladenen ist, wie bereits erwähnt, gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB ebenso wie ein landwirtschaftlicher Betrieb im Außenbereich privilegiert, weil er wegen seiner nachteiligen Wirkungen auf die Umgebung nur im Außenbereich ausgeführt werden soll. Stehen einander wie hier das von Gesetzes wegen privilegierte Interesse des Anlagenbetreibers und das nicht in gleicher Weise schutzwürdige Interesse eines Nachbarn am nicht durch erhebliche Geruchsbelästigungen beeinträchtigten Wohnen im Außenbereich gegenüber, sprechen keine durchgreifenden Gesichtspunkte dafür, hinsichtlich der zulässigen Häufigkeit der Geruchsimmissionen (Prozentsatz der Jahresstunden bzw. Immissionswert IW) im Außenbereich von vornherein andere Maßstäbe anzulegen als in den genannten Fällen der Geruchsimmissionen durch Tierhaltung.

Eine unterschiedliche Beurteilung der Immissionen aus Tierhaltung und aus nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB privilegierten Betrieben kann allerdings auf Grund von Unterschieden in der Geruchsart (Hedonik) geboten sein (Nr. 5 der GIRL). Der Kläger betont insoweit, dass die von dem Substratwerk der Beigeladenen ausgehenden Gerüche besonders intensiv, stechend und häufig ekelerregend seien. Dieses Vorbringen wird aber durch die für den Bereich seines Grundstücks - die Situation unmittelbar am Werk selbst ist hier nicht maßgeblich - getroffenen Feststellungen nicht gestützt. Soweit das Verwaltungsgericht die Auffassung vertreten hat, die Kontrollberichte am Immissionsmesspunkt MP 3 am Wohnhaus des Klägers wiesen "starke" von dem Substratwerk stammende Geruchsimmissionen aus, denen zum Teil eine "sehr unangenehme" Geruchsqualität zugewiesen werde, bewertet es die Messberichte nicht zutreffend. Die Immissionskontrollen des Beklagten in der Zeit vom 31. Januar 2000 bis zum 3. Juni 2001 haben gemäß dem Bericht vom 4. Juli 2001 (Beiakte G Bl. 6/35) für den Messpunkt am Wohnhaus des Klägers (G. /I.) - von der K. -Ingenieurgesellschaft als "MP 3", von dem Beklagten als "I 1" bezeichnet - bei 52 Messtagen an 25 Tagen keine, an 3 Tagen sehr schwache, an 1 Tag schwache und an 2 Tagen (30.5. und 12.12.2000) mittlere Immissionen ergeben (an verbleibenden 21 Tagen wurde der Messpunkt z.B. wegen entgegengesetzter Windrichtung nicht angefahren). Diese Werte unterscheiden sich deutlich von den Messwerten direkt am Werk in der Straße G. - von der K. -Ingenieurgesellschaft als "MP 1", von dem Beklagten als "I 3" bezeichnet -, die im selben Zeitraum an immerhin 11 Tagen starke Geruchsauswirkungen ergaben, die als "unangenehm" bis "sehr unangenehm", aber noch nicht als "ekelerregend" charakterisiert wurden. Damit stimmen auch die von der K. -Ingenieurgesellschaft gewonnenen Erkenntnisse überein. Aus dem geruchstechnischen Bericht vom 31. Januar 2001 ergibt sich, dass an 7 der insgesamt 104 Untersuchungstage Geruchsimmissionen des Substratwerkes am Messpunkt 3 in einer Intensität von (lediglich) schwach oder deutlich (bei einer Skala von schwach-deutlich-stark-extrem) gefunden wurden (dort S. 27 = Bl. 5/91 der Beiakte F). Ein weiterer Kontrollbericht des Beklagten vom 16. Oktober 2001 (Beiakte H Bl. E 88) rechtfertigt eine abweichende Beurteilung nicht. Darin werden als Kontrollorte die Messstellen "I 1" bis "I 5" genannt und festgestellt: "I 3-Substratwerk > Geruch stark bis sehr stark, I 4-BEB > Geruch mittel bis stark". Als Windrichtung wird WNW (West-Nordwest) angegeben. Unter "sonstige Bemerkungen" heißt es: "Geruch auch bei der BEB noch deutlich wahrnehmbar. An der Straße N. war der Geruch sehr stark. Ein Aufenthalt im Bereich des Substratwerks war auf Grund des Geruchs kaum möglich." Auch aus diesem Bericht ergibt sich aber keine besondere Belastung des Grundstücks des Klägers. Es liegt nordöstlich des Substratwerks. Wenn bei der angegebenen Windrichtung der Geruch von dem Substratwerk bei der etwas südöstlich gelegenen Anlage der BEB "noch deutlich wahrnehmbar", also bereits abgeschwächt war, ist nicht ersichtlich, wie der Geruch an der wesentlich weiter östlich gelegenen Straße N. (richtig: I.) sehr stark gewesen sein kann. Das gilt vor allem für den nordöstlich des Werks gelegenen Bereich der Einmündung der Straße G. in die Straße I., in dem das Grundstück des Klägers liegt. Es liegt deshalb offensichtlich eine Verwechslung bzw. Vermischung der Straßennamen G. und I. durch den Kontrolleur vor. Nur so verstanden ergibt sich auch ein sinnvoller Zusammenhang der Sätze "An der Straße N. war der Geruch sehr stark. Ein Aufenthalt im Bereich des Substratwerks war auf Grund des Geruchs kaum möglich."

Soweit der Kläger auf Aufzeichnungen der Anwohner zur Häufigkeit der Wahrnehmbarkeit der von dem Werk ausgehenden Gerüche und deren Bewertung abstellt, kommt es darauf für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Genehmigung nicht entscheidungserheblich an. Sie stammen im Wesentlichen aus den Jahren seit 2002, also aus der Zeit nach dem für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Genehmigung maßgeblichen Erlass des Widerspruchsbescheids. Sie könnten deshalb allenfalls darauf hinweisen, dass die Beigeladene die Auflagen aus dem Widerspruchsbescheid inzwischen nicht mehr einhält, und deshalb u. U. dem Beklagten Anlass zu Ermittlungen und weiteren Maßnahmen geben. Die Rechtmäßigkeit der Genehmigung können sie nicht in Frage stellen und deshalb auch nicht Anlass für weitere Ermittlungen des Senats sein. Soweit der Kläger sich auf Be-obachtungen aus der Zeit vor Ergehen des Widerspruchsbescheides bezieht, kommt ihnen auch deshalb keine Bedeutung zu, weil für die Beurteilung des Betriebs des Werks die mit dem Widerspruchsbescheid verfügten, betriebsbeschränkenden Auflagen maßgebend sind, die seinerzeit noch keine Wirkungen entfalten konnten. Im Übrigen ist nicht nachvollziehbar, nach welcher Methode die Aufzeichnungen gefertigt worden sind. Die GIRL gibt eine wissenschaftlich begründete Methodik zur Ermittlung und Beurteilung von Geruchsimmissionen vor. Dieser Vorgabe entsprechen die Aufzeichnungen der Anwohner ersichtlich nicht. Sie sind deshalb nicht geeignet, die von der K. -Ingenieurgesellschaft bzw. dem Beklagten nach der Methodik entsprechend der GIRL getroffenen Feststellungen und Bewertungen zu entkräften. Der von dem Beigeladenen ergänzend vorgelegte exemplarische Vergleich der Aufzeichnungen der Anwohner für November 2005 mit den höchsten von diesen wahrgenommenen Geruchshäufigkeiten (GA Bl. 757) mit den zeitgleichen Windrichtungsdaten der nächstgelegenen meteorologischen Messstelle in Großkneten und dem Betriebstagebuch der Beigeladenen deutet ferner darauf hin, dass die von den Anwohnern festgestellten Gerüche nur teilweise von dem Substratwerk stammen können. Die Geruchsimmissionen wurden von den Anwohnern danach zum Teil zu Zeiten festgestellt, in denen der Wind aus einer Richtung blies, die eine Ausbreitung von Gerüchen des Substratwerks in Richtung des Wohnhauses des Klägers als unwahrscheinlich erscheinen lässt. Die von dem Kläger vorgelegten Aufzeichnungen der Anwohner über die Zeiten der Wahrnehmung von Gerüchen aus dem Kompostwerk differenzieren darüber hinaus nicht nach den Feststellungen der einzelnen Anwohner so dass sie nichts darüber aussagen können, inwieweit der Kläger selbst betroffen ist.

Anhaltspunkte dafür, dass die Anlage der Beigeladenen nicht dem Stand der Technik entsprechend betrieben wird, hat der Senat nicht feststellen können. Zwar gibt § 22 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 BImSchG den Betreibern nicht nach dem BImSchG genehmigungsbedürftiger Anlagen ausdrücklich auf, diese so zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind, und dass nach dem Stand der Technik nicht vermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden. Drittschützende Wirkung hat diese Norm, wie bereits oben ausgeführt, aber - siehe auch § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG - nur insoweit, als es um die Verhinderung oder Beschränkung konkreter schädlicher Umwelteinwirkungen (§ 3 Abs. 1 BImSchG) geht. Derartige, für den Kläger unzumutbare Einwirkungen sind hier aber nicht festzustellen. Der nicht näher begründeten Meinung des Klägers, der Stand der Technik fordere eine Einhausung der Anlage und Installation einer Abluftreinigung und erlaube damit eine deutliche Minderung der Immissionen, ist die Beigeladene im Übrigen mit dem von dem Kläger nicht näher in Frage gestellten und nachvollziehbaren Vortrag entgegengetreten, dass und weshalb dies bei einer Anlage der vorliegenden Art technisch nicht möglich sei. Auch in dem Widerspruchsbescheid vom 14. September 2001 (dort Seite 5) ist bereits im Einzelnen ausgeführt worden, dass der Stand der Technik eingehalten werde und technische Regelwerke für mit der Anlage der Beigeladenen vergleichbare Anlagen eine Einhausung nicht forderten.

Soweit der Kläger auf eine Minderung des Wertes seines Anwesens durch gerade die von dem Substratwerk der Beigeladenen ausgehenden Geruchsbelästigungen verweist, ist sein Vorbringen nicht hinreichend substantiiert. Die Annahme einer Wertminderung durch den Betrieb der Anlage drängt sich angesichts der Art und des Umfangs der festgestellten Gerüche einerseits und des Umfangs der Vorbelastung auch nicht auf. Im Übrigen bilden Wertminderungen als Folge der Ausnutzung der einem Dritten erteilten Genehmigung nicht für sich genommen einen Maßstab dafür, ob Beeinträchtigungen zumutbar sind oder nicht. Einen allgemeinen Rechtssatz des Inhalts, dass der Einzelne einen Anspruch darauf hat, vor jeglicher Wertminderung bewahrt zu werden, gibt es nicht. Eine Schutzgewähr besteht insoweit nur nach Maßgabe des einschlägigen Rechts (BVerwG, Beschl. v. 13.11.1997 - 4 B 195.97 -, NVwZ-RR 1998, 540).

Nach alledem ist für das Wohngrundstück des Klägers eine unzumutbare Beeinträchtigung durch von dem Substratwerk der Beigeladenen ausgehende "Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft hervorzurufen" (§ 3 BImSchG), und die einer Genehmigung der Errichtung des Werks und seines Betriebes entgegenstehen könnten, nicht feststellbar.

Ende der Entscheidung

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