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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 14.02.2007
Aktenzeichen: 12 LC 37/07
Rechtsgebiete: BImSchG


Vorschriften:

BImSchG § 5 Abs. 1
BImSchG § 16
BImSchG § 19
1. Die Zuordnung eines in einem faktischen Baugebiet liegenden Immissionsorts gemäß Nr. 6.6 Satz 2 TA Lärm. In einem der in Nr. 6.1 genannten Gebiete ist anhand der tatsächlich vorhandenen Bebauung, die den bodenrechtlichen Charakter des Gebiets prägt, vorzunehmen. Lärmimmissionen, die von einem benachbarten Baugebiet einwirken, sind erst auf der Ebene des Gebots der Rücksichtnahme bzw. bei der Zwischenwertbildung gemäß Nr. 6.7 TA Lärm zu berücksichtigen.

2. In Fällen besonders ausgeprägter Nutzungskonflikte kann der Immissionsrichtwert für ein betroffenes Wohngebiet bei der Zwischenwertbildung für die Nachtzeit auch um deutlich mehr als 5 dB (A) erhöht werden; dies jedenfalls dann, wenn der Immissionsrichtwert gemäß Nr. 6.1 Satz 1 Buchst. c) TA Lärm nicht überschritten wird.


NIEDERSÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT LÜNEBURG URTEIL

Aktenz.: 12 LC 37/07

Datum: 14.02.2007

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen den Bescheid des Beklagten vom 13. Juli 1999, der die Zulassung höherer Geräuschimmissionen zum Gegenstand hat, die vom Industriebetrieb der Beigeladenen auf das Wohnhaus des Klägers einwirken.

Der Kläger ist seit 1973 Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten und von ihm selbst bewohnten Grundstücks Am H. 12 in I. am Harz. Das Grundstück liegt in einer Tallage am nordöstlichen Rand einer Grünfläche, d.h. des Kurparks, der sich über eine Länge von etwa 400 m keilförmig zwischen der J. Straße (L 521) im Nordwesten sowie bebauten Grundstücken an der K. und der Straße Am H. von Südwesten nach Nordosten erstreckt. Jenseits (nordwestlich) der J. Straße liegt der Industriebetrieb der Beigeladenen, dessen Gebäude über mehrere hundert Meter direkt an die L 521 grenzen. Die Entfernung zwischen dem Wohnhaus des Klägers und dem nächstgelegenen Betriebsgelände der Beigeladenen beträgt etwa 80 m. An das Grundstück des Klägers schließen sich in nordöstlicher Richtung ein weiteres, mit einem Wohnhaus bebautes Grundstück, eine unbebaute Fläche und schließlich - in der Verlängerung des Kurparks - teils gewerblich und teils zu Wohnzwecken genutzte Flächen sowie das zur Wellpappenherstellung genutzte Industriegebäude der Beigeladenen (J. Straße 6) an. In südlicher Richtung sind die an der Straße Am H. und der L. straße gelegenen Grundstücke mit Wohnhäusern bebaut. Im südwestlichen Bereich des Kurparks befindet sich eine Tennisanlage mit sechs Tennisplätzen; der Zu- und Abgangsverkehr mit Kraftfahrzeugen zu dieser Anlage verläuft über die angrenzenden Wohnstraßen. Ein Bebauungsplan existiert für die geschilderten Bereiche nicht. Im Flächennutzungsplan der Stadt I. am Harz ist das Betriebsgelände der Beigeladenen (J. Straße 1) als Industriegebiet und das Grundstück des Klägers ebenso wie der Kurpark als Grünfläche dargestellt.

Das Betriebsgelände der Beigeladenen in der J. Straße 1 wird seit mehr als 100 Jahren zur Fertigung von zunächst Papier und inzwischen Pappe genutzt. Die Produktion läuft - mit wenigen Ausnahmen - ganzjährig im Tag- und Nachtbetrieb.

Mit Bescheid vom 23. Juni 1992 (in der Fassung der Nachtragsgenehmigung vom 5.8.1992 und des Änderungsbescheids vom 3.12.1992) erteilte der Beklagte der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen, der M. GmbH & Co. KG, im vereinfachten Verfahren nach § 19 BImSchG die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur wesentlichen Änderung ihrer genehmigungsbedürftigen Anlagen. Die Genehmigung bezog sich unter anderem auf Änderungen der Kartonmaschinen I und III, der Stoffaufbereitung und der Wellpappenanlage, den Neubau eines Lager- und Versandgebäudes sowie die Errichtung einer Stärkesiloanlage. Die Genehmigung war unter anderem mit der Nebenbestimmung versehen, es sei sicherzustellen, dass die von den Anlagen zur Herstellung von Karton und Wellpappe verursachten Geräuschimmissionen an den benachbarten Grundstücken bestimmte Immissionsrichtwerte als Beurteilungspegel nicht überschreiten. Für das südlich des klägerischen Grundstücks gelegene Wohngebäude Am H. 2a wurden als maßgebliche Immissionsrichtwerte 55 dB(A)/tags und 40 dB(A)/nachts festgesetzt. Die Einhaltung der Immissionsrichtwerte sei durch Gutachten einer gemäß § 26 BImSchG amtlich anerkannten und zugelassenen Messstelle nachzuweisen.

In der Folgezeit wandte sich der Kläger mit zahlreichen Schreiben an den Beklagten wegen zunehmender, vom Betrieb der Papierfabrik ausgehender Lärmimmissionen auf seinem Grundstück, die seine Wohnruhe beeinträchtigten. Dabei machte er geltend, dass die Anlagen zur Wellpappenherstellung an sein Grundstück herangerückt seien.

In dem Messgutachten der N. GmbH vom 29. Dezember 1994/ 4. Mai 1995 wurde für den Messpunkt 1, der sich nunmehr anstelle des Wohnhauses Am H. 2a auf dem Grundstück des Klägers befand, ein Beurteilungspegel von jeweils 45 dB(A)/tags und nachts ermittelt. In dem Gutachten wurde das Grundstück des Klägers einem Mischgebiet zugeordnet. Als Hauptemissionsquellen wurden die Haubenabsaugung Kartonmaschine I, Zuluft Kartonmaschine III, Auslass Südwestecke Turbinenhaus und die Fassade Pumpenraum Kesselhaus ausgemacht. Hier könnten lärmreduzierende Maßnahmen noch durchgeführt werden.

Das Niedersächsische Landesamt für Ökologie (NLÖ) überprüfte auf Veranlassung des Beklagten das Gutachten vom 29. Dezember 1994 und kam in seiner Stellungnahme vom 23. August 1995 zu einem für das Grundstück des Klägers geringfügig abweichenden Mittelungspegel von 48,8 dB (gegenüber 48,4 dB im Gutachten). Der Abzug von 3 dB vom Messwert zur Bestimmung des Beurteilungspegels sei korrekt.

Mit Bescheid vom 16. April 1996 ordnete der Beklagte gegenüber der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen, die Hinweise in dem Gutachten vom 29. Dezember 1994 aufgreifend, die Durchführung von lärmreduzierenden Maßnahmen und den Nachweis ihrer Wirksamkeit durch ein vorzulegendes weiteres Lärmgutachten an.

In dem Gutachten der N. GmbH vom 18. Juli 1997 über die von den Betriebsanlagen der Papierfabrik verursachten Schallemissionen hieß es, dass die vom Industrieunternehmen inzwischen veranlassten Lärmminderungsmaßnahmen zu einer Reduzierung der abgestrahlten Schallleistungen um 6,6 dB(A) von zuvor 116 dB(A) auf 109,4 dB(A) geführt hätten. Die Minderungsmaßnahmen entsprächen dem Stand der Lärmminderungstechnik. In einem weiteren Gutachten der N. GmbH ebenfalls vom 18. Juli 1997 wurde zur Immissionsbelastung auf dem Grundstück des Klägers ausgeführt, für die Nachtzeit ergebe sich hier ein Mittelungspegel von 46,2 dB(A) und unter Einschluss eines Abzugs von 3 dB(A) ein Beurteilungspegel von 43 dB(A). Der Beurteilungspegel für den Tag liege unter 50 dB(A). Der Beklagte ließ das Gutachten wiederum vom NLÖ überprüfen, welches es in seiner Stellungnahme vom 7. Oktober 1997 für plausibel erachtete. Weitere Lärmminderungsmaßnahmen seien technisch und wirtschaftlich kaum durchführbar.

Mit Bescheid vom 13. Juli 1999 erteilte der Beklagte unter Änderung des Bescheids vom 23. Juni 1992 der (noch unter O. GmbH & Co KG firmierenden) Beigeladenen als der nunmehrigen Anlagenbetreiberin die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur wesentlichen Änderung des Betriebs der Kartonmaschinen I und III zur fabrikmäßigen Herstellung von Papier und Pappe. Die wesentliche Änderung bezog sich auf (1.) die Zulassung höherer Geräuschimmissionen am Immissionsort Wohnhaus des Klägers für die Nachtzeit von 44 dB(A) - bei unverändertem Wert für den Tag - und (2.) die Abtrennung der Anlage zur Herstellung von Wellpappen mit dazugehörenden Nebenanlagen auf dem Grundstück J. Straße 6. Als Nebenbestimmung wurde verfügt, die Einhaltung der Immissionsrichtwerte am Wohnhaus des Klägers sei durch ein weiteres Messgutachten nachzuweisen. In der Begründung zur Genehmigung führte der Beklagte aus, die Änderungsgenehmigung führe nicht zu schädlichen Umwelteinwirkungen auf dem Grundstück des Klägers. Die nähere Umgebung seines Wohnhauses entspreche keinem der in der BauNVO genannten Wohngebiete und liege im Einflussbereich der Papierfabrik. Für das Wohnhaus sei zunächst der Schutzanspruch eines allgemeinen Wohngebiets zu Grunde zu legen, wobei die zueinander unverträglichen Grundstücksnutzungen mit einer gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme belastet seien. Zur Beurteilung der dem Kläger noch zumutbaren Lärmimmissionen sei gemäß Nr. 6.7 der TA Lärm ein Zwischenwert zu bilden, der dem Kläger in der festgesetzten Höhe von bis zu 44 dB(A) zumutbar sei. Die Festsetzung berücksichtige einerseits, dass auf dem Betriebsgelände der Beigeladenen Lärmminderungsmaßnahmen durchgeführt worden seien, und andererseits, dass die gesunde Wohnverhältnisse noch gewährleistenden Immissionsrichtwerte für ein Kern-, Dorf- und Mischgebiet nicht überschritten seien.

Der Kläger legte gegen den Bescheid Widerspruch ein und machte geltend, dass vom Betrieb der Papierfabrik vor 1992 keine störende Wirkung für das Bewohnen seines Grundstücks ausgegangen sei. Die Störungen seien nach 1992 entstanden, als die Betriebs- und Fabrikgebäude um etwa 100 bis 150 m in Richtung seines Grundstücks verlagert worden seien. Aus dem Gutachten der N. GmbH vom 18. Juli 1997 gehe hervor, dass die Lärmemissionen durch 54 Lärmquellen verursacht seien. Welchen Stand der Technik diese Lärmquellen erreicht hätten, sei bisher nicht überprüft worden. Dies sei nachzuholen. Er wende sich gegen die undifferenzierte Genehmigung der Neuanlagen der Papierfabrik und fordere passiven Lärmschutz. Gemäß der bauplanungsrechtlichen Situation habe er als äußerste Belastung diejenige eines allgemeinen Wohngebiets hinzunehmen. Die von den Betriebsanlagen der Beigeladenen ausgehenden Emissionen seien für ein dem Charakter nach reines Wohngebiet, das wegen bestehender Lärmvorbelastungen als allgemeines Wohngebiet eingestuft werde, nicht statthaft.

Die Bezirksregierung P. wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29. Mai 2000 zurück und führte aus: Die Änderungsgenehmigung vom 13. Juli 1999 sei rechtmäßig ergangen. Sie führe nicht zu schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstigen Gefahren im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG; der Vorsorgepflicht gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG sei Genüge getan. Das Wohngrundstück des Klägers sei bei einer Gesamtbetrachtung der Gemengelage einem allgemeinen Wohngebiet zuzuordnen, die Bildung des dem Kläger zumutbaren Zwischenwerts sei nicht zu beanstanden. Sie berücksichtige in hinreichendem Maße die tatsächlichen Verhältnisse. Selbst wenn zu Gunsten des Klägers davon ausgegangen werde, dass sein Grundstück einem reinen Wohngebiet zuzuordnen sei, ändere sich an dieser Beurteilung nichts. Denn auch in diesem Falle sei der gebildete Zwischenwert gerechtfertigt. Die Einwendungen des Klägers seien demgegenüber unbegründet. Aus den eingeholten Lärmgutachten gehe hervor, dass die durch den Industriebetrieb der Beigeladenen verursachten Lärmbeeinträchtigungen in den letzten Jahren tatsächlich gesunken und nicht wie vom Kläger behauptet weiter gestiegen seien.

Der Kläger hat am 3. Juli 2000 gegen die Zulassung erhöhter Geräuschimmissionen auf seinem Grundstück Klage erhoben und zu ihrer Begründung ausgeführt: Die Beigeladene habe die angefochtene Genehmigung durch falsche Angaben erschlichen, die Ergebnisse der Messgutachten seien fehlerhaft. Die Bebauung an den Straßen Am H. und L.straße stelle ein einheitliches Wohngebiet dar, das faktisch als reines Wohngebiet zu qualifizieren sei. Soweit der Beklagte für sein Wohngrundstück wegen angeblicher Vorbelastungen ein allgemeines Wohngebiet zu Grunde gelegt habe, sei dies nicht richtig. Vor 1992 habe es keine Beeinträchtigungen des Baugebiets durch die Papierfabrik gegeben. Die störenden Lärmbeeinträchtigungen seien erst als Folge der Betriebserweiterungen der Beigeladenen in Richtung der Wohnhäuser Am H. eingetreten. Die Nutzung seines Wohngrundstücks sei wegen der Lärmbeeinträchtigungen inzwischen erheblich eingeschränkt. Die angefochtene Genehmigung führe zu einer abwägungsfehlerhaften und unverhältnismäßigen Heraufsetzung der Lärmgrenzwerte. Dies verstoße gegen das Gebot der Rücksichtnahme.

Der Kläger hat beantragt,

die der Beigeladenen vom Beklagten am 13. Juli 1999 erteilte Änderungsgenehmigung und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung P. vom 29. Mai 2000 insoweit aufzuheben, als an seinem - des Klägers - Wohngebäude Geräuschimmissionen zur Nachtzeit von 44 dB(A) statt bisher 40 dB(A) zugelassen werden.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die angefochtene Genehmigung verteidigt. Die eingeholten Messgutachten hätten verdeutlicht, dass sich die durch den Betrieb der Beigeladenen verursachten Lärmimmissionen auf den Wohngrundstücken am H. 2a und 12 seit 1992 verringert hätten. Die Betriebsgebäude der Beigeladenen seien entgegen der Behauptung des Klägers nicht in dessen Richtung herangerückt. Der bauliche Bestand der Beigeladenen sei im Wesentlichen noch der gleiche wie im Jahr 1985. Der Änderungsgenehmigungsbescheid vom 13. Juli 1999 habe das Vorliegen einer Gemengelage aufgegriffen und einen dem Kläger zumutbaren Geräuschpegel für die Nachtzeit festgesetzt. Die Festsetzung führe insoweit lediglich zu einer Anpassung an den tatsächlichen Zustand, der sich bereits 1991/1992 gezeigt habe, gleichwohl aber aus nicht mehr aufklärbaren Gründen im damaligen Genehmigungsbescheid vom 23. Juni 1992 nicht hinreichend berücksichtigt worden sei. Der festgesetzte Wert sei unter Beachtung des Gebots der Rücksichtnahme für den Kläger hinnehmbar.

Die Beigeladene hat ebenfalls beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Einschätzung des Beklagten gefolgt, dass das Grundstück des Klägers in einem faktischen allgemeinen Wohngebiet liege. Die Papierfabrik befinde sich seit über 100 Jahren an demselben Standort und habe die sie umgebende Bebauung mitgeprägt. Eine Zuordnung des Wohnhauses des Klägers zu einem reinen Wohngebiet komme demgegenüber nicht in Betracht. An dem Vorliegen einer Gemengelage im Sinne der Nr. 6.7 der TA Lärm bestünden keine Zweifel. Der Beklagte habe den geeigneten Immissionsrichtwert für das Grundstück des Klägers anhand der konkreten Situation ordnungsgemäß ermittelt. Sie, die Beigeladene, habe in den vergangenen Jahren die ihr technisch möglichen und wirtschaftlich zumutbaren Maßnahmen zur Verminderung von Lärmemissionen ergriffen. Dies lasse sich anhand der zwischen 1991 und 1997 durchgeführten Messungen nachvollziehen.

Während des Klageverfahrens hat der Beklagte der Beigeladenen am 6. November 2000 eine weitere Genehmigung zur wesentlichen Änderung ihres Betriebs (der Kartonmaschinen I und III) erteilt, gegen die der Kläger Widerspruch eingelegt hat. Gemäß den Nebenbestimmungen zu dieser Genehmigung hat die Beigeladene ein weiteres Lärmgutachten zur Einhaltung der Immissionsrichtwerte auf dem Grundstück des Klägers erstellen lassen. In dem Gutachten der R. GmbH vom 8. Oktober 2002 heißt es, die vom 3. Juni bis 2. Juli 2002 durchgeführten Lärmmessungen hätten am Messpunkt 1 einen Mittelungspegel von 45,9 dB(A) bzw. nach anderer Berechnungsmethode von 45,7 dB(A) ergeben. Für die Nachtzeit ergebe sich daraus ein Beurteilungspegel von 45,8 dB(A) +/- 0,5 dB(A). Der Immissionsrichtwert von 44 dB(A) werde gemäß Nr. 6.9 der TA Lärm nicht signifikant überschritten.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 1. September 2005 abgewiesen und ausgeführt, der auf der Grundlage der §§ 16, 6, 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG (i.d.F. des Gesetzes vom 3.5.2000, BGBl. I S. 632) ergangene Bescheid vom 13. Juli 1999 sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Das Grundstück des Klägers befinde sich in einer Gemengelage im Sinne von Nr. 6.7 der TA Lärm, deren Bestimmungen die Schutzpflichten gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG konkretisierten. Die Gemengelage sei dadurch gekennzeichnet, dass das Gebiet, in dem sich das Grundstück des Klägers befinde, einem reinen Wohngebiet entspreche, das Betriebsgelände der Beigeladenen einem Industriegebiet und das Gebiet nordöstlich des Wohngebiets einem Gewerbegebiet. Der vom Beklagten für das Grundstück des Klägers festgesetzte Immissionsgrenzwert von 44 dB(A)/nachts sei noch angemessen, um die widerstreitenden Interessen zum Ausgleich zu bringen. Wesentlich sei, dass der Industriebetrieb der Beigeladenen seit mehr als 100 Jahren bestehe und den nordöstlichen Teil des Ortsbildes der Stadt I. am Harz entscheidend präge. Der Kläger könne sich auf eine zeitliche Priorität der Wohnbebauung südöstlich des Kurparks und darauf, dass die industrielle Nutzung um etwa 200 m an seine Wohnbebauung herangerückt sei, nicht berufen. Vielmehr sei davon auszugehen, dass sich Wohn- und Industrienutzung hier parallel zueinander entwickelt hätten. Unter Berücksichtigung dieser Entwicklung und im Hinblick darauf, dass die Lärmimmissionen auf dem Grundstück des Klägers sich seit 1991 trotz erheblicher Betriebserweiterungen seitens der Beigeladenen nicht weiter erhöht, sondern verringert hätten, sei es gerechtfertigt, einen gegenüber dem für reine Wohngebiete geltenden Immissionsrichtwert um mehr als 5 dB(A) erhöhten Immissionsrichtwert von 44 dB(A) festzusetzen. Dieser Wert gewährleiste nach den Wertungen der TA Lärm gesunde Wohnverhältnisse noch ohne passiven Lärmschutz. Er sei dem Kläger, dessen Wohnhaus im Vergleich zu den übrigen Wohnhäusern des Wohngebiets die geringste Entfernung zum Industriebetrieb der Beigeladenen aufweise, auch zumutbar. Die Festsetzung berücksichtige im Übrigen, dass die Beigeladene die ihr technisch möglichen Lärmminderungsmaßnahmen durchgeführt habe.

Gegen das erstinstanzliche Urteil wendet sich der Kläger mit seiner vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Berufung. Zur Begründung seines Rechtsmittels trägt er vor: Das Verwaltungsgericht habe seiner Entscheidung zutreffend zu Grunde gelegt, dass sich sein Wohnhaus faktisch in einem reinen Wohngebiet befinde, für das gemäß Nr. 6.1 Satz 1 Buchst. e) TA Lärm ein Immissionsrichtwert von 35 dB(A) nachts gelte. Eine Erhöhung dieses Werts um mehr als 5 dB(A) sei aber nicht zulässig, auch nicht in einer Gemengelage. Die angefochtene Änderungsgenehmigung berücksichtige dies nicht und verstoße deshalb gegen seinen Schutzanspruch aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts habe sich die emittierende Industrienutzung in den letzten Jahrzehnten nachhaltig verändert und sei an sein Wohnhaus herangerückt. Die Wellpappenproduktion sei erst nach dem Bau seines Wohnhauses aufgenommen worden. Mit der Verlagerung der Stoffaufbereitung seit 1992 und der damit einhergehenden Inbetriebnahme der Kartonmaschine III seien die Lärmbeeinträchtigungen für ihn spürbar und belästigend geworden. Vorher habe es auch noch keinen Dauerschwerlastverkehr auf dem Industriegelände gegeben. Zu berücksichtigen sei weiterhin, dass die Stadt I. am Harz ihr Einvernehmen zu der am 23. Juni 1992 erteilten Änderungsgenehmigung nur im Hinblick darauf erteilt habe, dass der damalige Geschäftsführer der Papierfabrik unwiderruflich zugesichert habe, auf den benachbarten Wohngrundstücken einen Nachtwert von 40 dB(A) gewährleisten zu können. Daran müsse sich die Beigeladene festhalten lassen. Im Übrigen bezweifelt der Kläger weiterhin die Richtigkeit der eingeholten Lärmgutachten und beanstandet, die Beklagte habe nicht näher überprüft, ob die Beigeladene die von ihr zu fordernden Lärmminderungsmaßnahmen durchgeführt habe und die Betriebsanlagen dem Stand der Lärmminderungstechnik entsprächen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts zu ändern und die der Beigeladenen vom Beklagten am 13. Juli 1999 erteilte Änderungsgenehmigung sowie den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung P. vom 29. Mai 2000 insoweit aufzuheben, als mit diesen Bescheiden an dem Wohngebäude des Klägers Geräuschimmissionen zur Nachtzeit von 44 dB(A) statt bisher 40 dB(A) zugelassen worden sind.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil mit der Einschränkung, dass das Wohnhaus des Klägers entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts faktisch einem allgemeinen Wohngebiet zuzuordnen sei. Dafür sprächen nicht nur die Nähe zum Industriebetrieb der Beigeladenen, sondern auch die gewerblichen Nutzungen nordöstlich des Wohngebiets sowie die Tennisanlage im südöstlichen Teil des Kurparks. Davon abgesehen sei im Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung P. zutreffend ausgeführt worden, dass selbst unter Zugrundelegung eines reinen Wohngebiets die angefochtene Entscheidung nicht anders hätte ausfallen können. Bei der Zwischenwertbildung gemäß Nr. 6.7 der TA Lärm könnten die für die Gebietsarten vorgesehenen Immissionsrichtwerte im Einzelfall - so wie hier - auch um mehr als 5 dB(A) heraufgesetzt werden. Die Frage, welche der unverträglichen Nutzungen zuerst verwirklicht worden sei, sei zweifellos zu Gunsten der Papierfabrik zu beantworten. Die Beigeladene habe entgegen dem Vortrag des Klägers auch den Stand der Lärmminderungstechnik eingehalten. Sie habe die durch Bescheid vom 16. April 1996 angeordneten Lärmminderungsmaßnahmen durchgeführt, wie in dem Gutachten der N. GmbH vom 18. Juli 1997 bestätigt worden sei. Sie habe auch noch zusätzliche Maßnahmen zur Lärmminderung durchgeführt wie z.B. die Nachrüstung diverser technischer und baulicher Anlagen, Änderungen der Verkehrsführung auf dem Betriebsgelände, Erneuerung der Werksstraßen und räumliche Verlegung des Altpapierlagers in größerem Abstand zur Wohnbebauung.

Die Beigeladene beantragt ebenfalls,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie vertritt ebenso wie der Beklagte die Auffassung, dass das Wohngrundstück des Klägers einem allgemeinen Wohngebiet zuzuordnen sei, es letztlich aber keinen Unterschied mache, wenn zu Gunsten des Klägers von einer Lage in einem reinen Wohngebiet ausgegangen werde. Sie verweist auf ihre seit 1991 durchgeführten Lärmschutzmaßnahmen und ergänzend auf ein weiteres Gutachten der S. GmbH vom 15. Januar 2007, in dem die Schallemissionen und -immissionen ihrer Anlagen erneut überprüft worden seien.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte einschließlich der darin enthaltenen Lichtbilder und Ansichten von den streitgegenständlichen Örtlichkeiten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der Bezirksregierung P. Bezug genommen, die in ihren wesentlichen Teilen Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht gemäß § 124 Abs. 1 VwGO statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.

Die gegen die Zulassung erhöhter nächtlicher Geräuschimmissionen auf seinem Grundstück gerichtete Anfechtungsklage des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Geräuschimmissionen an seinem Wohngebäude den Immissionsrichtwert von 40 dB(A) nachts nicht überschreiten. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend festgestellt, dass die der Beigeladenen auf der Grundlage des § 16 i.V.m. §§ 6 Abs. 1 Nr. 1, 19 Bundes-Immissionsschutzgesetz - BImSchG - (in der im Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids geltenden Fassung des Gesetzes vom 3.5.2000, BGBl. I S. 632) erteilte Änderungsgenehmigung vom 13. Juli 1999 - soweit sie vom Kläger angefochten wird - subjektive Rechte des Klägers nicht verletzt. Nach diesen Vorschriften ist bei einer wesentlichen Änderung genehmigungsbedürftiger Anlagen u. a. sicherzustellen, dass schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG) sowie Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen zur Emissionsbegrenzung (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG).

Was den Bestand der emittierenden Anlage anbelangt, so ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Bescheid vom 13. Juli 1999 entgegen der darin enthaltenen missverständlichen Standortbezeichnung (J. Straße 1, Flurstücke 55/2, 61/6 und 127/1 der Flur 20) sich nicht nur auf einen Teil der Industrieanlagen der Beigeladenen bezieht. Der Bescheid lässt die der Wellpappenherstellung dienenden Anlagenteile nicht außer Acht, wie sich schon aus der unter Nr. I. 2. des Bescheids genehmigten Abtrennung dieses Anlagenteils ergibt. Unter I. 1. der Änderungsgenehmigung ist der Bescheid vom 23. Juni 1992 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 3. Dezember 1992 (lediglich) in Bezug auf die Höhe der am Immissionsort Wohnhaus des Klägers zulässigen Immissionen geändert worden. Dadurch wird nicht in Frage gestellt, dass es zur Beurteilung der Lärmsituation auf die Gesamtbelastung am Immissionsort ankommt (vgl. dazu Nrn. 2.4, 3.2.1 i.V.m. Nr. A.1.2 des Anhangs der TA Lärm; Feldhaus/Tegeder in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Bd. 4, B 3.6 Nr. 3 (Stand: März 2006) Rdnr. 19 und Nr. 2 (Stand: Januar 2006) Rdnrn. 51 ff.). Ob die Abtrennung der Anlage zur Wellpappenherstellung gemäß I. 2. der Änderungsgenehmigung vom 13. Juli 1999 zur Folge haben könnte, dass für diesen (verselbständigten) Anlagenteil die Lärmschutzauflagen aus dem Bescheid vom 23. Juni 1992 nicht mehr gelten, bedarf vorliegend keiner Vertiefung. Denn der Kläger hat diesen Teil der Änderungsgenehmigung nicht zum Gegenstand seines Anfechtungsbegehrens gemacht.

Die Änderungsgenehmigung vom 13. Juli 1999 genügt den Anforderungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG. Sie führt nicht dazu, dass - worauf es im Rahmen der hier zu beurteilenden Drittanfechtung durch den Kläger ankommt - auf dem Grundstück des Klägers während der Nachtzeit schädliche Umwelteinwirkungen oder sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG hervorgerufen werden. Im Zusammenhang mit den streitigen Lärmbeeinträchtigungen ist das Verwaltungsgericht vom Ansatz her zutreffend davon ausgegangen, dass die Schutzpflichten des Anlagenbetreibers aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG durch die auf der Grundlage des § 48 BImSchG erlassene TA Lärm (vom 26.8.1998, GMBl. S. 503) konkretisiert werden, die als Allgemeine Verwaltungsvorschrift normkonkretisierende Wirkung entfaltet und ein einheitliches Ermittlungs- und Beurteilungssystem zur Feststellung der maßgeblichen Geräuschkenngrößen sowie bestimmte Immissionsrichtwerte als Zumutbarkeitsmaßstab festlegt (Nds. OVG, Urt. v. 21.1.2004 - 7 LB 54/02 -, BauR 2004, 1419). Die TA Lärm ist für die Verwaltungsbehörde und auch für die Verwaltungsgerichte grundsätzlich verbindlich (BVerwG, Urt. v. 20.12.1999 - 7 C 15/98 -, BVerwGE 110, 216; Nds. OVG, a. a. O.).

Die TA Lärm sieht in Nr. 6.1 für verschiedene Baugebiete Immissionsrichtwerte für Immissionsorte außerhalb von Gebäuden vor, die Anhaltspunkte für das Maß der jeweils zumutbaren Lärmimmissionen liefern. Abweichend davon können gemäß Nr. 6.7, wenn gewerblich, industriell oder hinsichtlich ihrer Geräuschauswirkungen vergleichbar genutzte und zum Wohnen dienende Gebiete aneinandergrenzen (Gemengelage), die für die zum Wohnen dienenden Gebiete geltenden Immissionsrichtwerte auf einen geeigneten Zwischenwert der für die aneinandergrenzenden Gebietskategorien geltenden Werte erhöht werden, soweit dies nach der gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme erforderlich ist. Die Immissionsrichtwerte für Kern-, Dorf- und Mischgebiete sollen dabei nicht überschritten werden. Es ist vorauszusetzen, dass der Stand der Lärmminderungstechnik eingehalten wird.

Der Beklagte ist zutreffend von einer Gemengelage ausgegangen. Sie ergibt sich daraus, dass die Lärmemissionen des Industriebetriebs der Beigeladenen auf die Wohnbebauung südöstlich des Kurparks einwirken mit der Folge, dass industrielle Nutzung einerseits und Wohnnutzung andererseits mit einer gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme belastet sind. Ein unmittelbares Aneinandergrenzen der unterschiedlichen Gebiete ist dabei nicht erforderlich (Feldhaus/Tegeder, a.a.O., B 3.6 Nr. 6 Rdnr. 60; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 26.2.2004 - 10 S 951/03 -, UPR 2004, 280).

Bei der Ermittlung der für die aneinandergrenzenden Gebiete geltenden Immissionsrichtwerte ist hier zu berücksichtigen, dass sowohl die Betriebsanlagen der Beigeladenen als auch das Wohnhaus des Klägers nicht in bauplanungsrechtlich festgesetzten Baugebieten liegen und sich ihre Schutzwürdigkeit deshalb anhand der tatsächlichen Bebauung und ihrer Zuordnung zu den in Nr. 6.1 Satz 1 Buchst. a) bis f) TA Lärm genannten Gebieten beurteilt, die wiederum den in §§ 3 ff. BauNVO aufgeführten Baugebieten entsprechen. Für den Industriebetrieb der Beigeladenen ist zugrunde zu legen, dass er schon wegen seiner Größe - seine zahlreichen (Teil-)Anlagen erstrecken sich über mehrere hundert Meter entlang der J. Straße - für sich gesehen städtebauliche Relevanz hat und einem Industriegebiet im Sinne von Nr. 6.1 Satz 1 Buchst. a) TA Lärm/§ 9 BauNVO zugeordnet werden kann, für das gemäß Nr. 6.1 Satz 1 Buchst. a) TA Lärm ein Immissionsrichtwert von nachts 70 dB(A) vorgesehen ist. Der - unklar gebliebenen - Einschätzung des Klägers, die Betriebsanlagen der Beigeladenen befänden sich möglicherweise im Außenbereich gemäß § 35 BauGB, folgt der Senat deshalb nicht. Für das Wohnhaus des Klägers ist dem Verwaltungsgericht darin zu folgen, dass sich dessen Schutzwürdigkeit an den Richtwerten für ein reines Wohngebiet (von nachts 35 dB(A), vgl. Nr. 6.1 Satz 1 Buchst. e) TA Lärm) zu orientieren hat, in dem gemäß § 3 Abs. 2 BauNVO nur Wohngebäude allgemein zulässig sind. Für diese Annahme spricht, dass die südlich des klägerischen Grundstücks gelegenen Grundstücke an der Straße Am H. und der L. straße ebenfalls ausschließlich mit Wohnhäusern bebaut sind. Das Wohnhaus des Klägers stellt sich zusammen mit dem nordöstlich angrenzenden Wohngrundstück Am H. 16 als Abschluss des Bebauungszusammenhangs an diesen Straßen dar, auch wenn es nicht in der Bauflucht der zur Straße hin errichteten Wohnhäuser an der L. straße liegt, sondern sich an diese Bebauung in westlicher Richtung anschließt. Soweit sich im südlichen Verlauf der Straße Am H. eine in einem reinen Wohngebiet nicht - auch nicht ausnahmsweise - zulässige Tennisanlage mit sechs Freiplätzen und einem Vereinsheim befindet, hat das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt, dass diese Anlage für das Wohngrundstück des Kläger nicht mehr prägend ist. Die Anlage ist an etwa drei Seiten von Bäumen des Kurparks umgeben, in den sie "hineingebaut" worden ist. Der Zu- und Abgangsverkehr von und zur Anlage wird zwar über die angrenzenden Wohnstraßen geführt, allerdings ist die Straße Am H. nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts in diesem Bereich nur ein unbefestigter Feldweg und bis zum Wohnhaus des Klägers straßenverkehrsrechtlich nicht vollständig befahrbar. Demgemäß weist auch die in der Berufungsverhandlung vorgelegte Anfahrtskizze des Tennisclubs Grün-Weiß I. auf die Erreichbarkeit der Tennisanlage (nur) über die südlich angrenzenden Straßen hin (T. straße, L. straße, Zum U.). Überdies schließt sich an das Grundstück des Klägers in südlicher Richtung zunächst eine etwa 80 m lange und 20 m breite bewaldete Fläche an, die das Wohnhaus des Klägers gegenüber der Tennisanlage noch zusätzlich abschirmt. Das Verwaltungsgericht hat weiterhin zutreffend festgestellt, dass ein Bebauungszusammenhang zwischen den betrieblichen Anlagen der Beigeladenen und den östlich des Kurparks gelegenen Wohnhäusern, insbesondere dem Wohnhaus des Klägers, nicht besteht. Dagegen spricht, dass sich nordwestlich an die Wohnbebauung zunächst die baumbestandenen Flächen des Kurparks anschließen, die bis an die J. Straße (L 521) heranreichen und keilförmig zwischen der Wohnbebauung und dieser Straße angelegt sind. Erst jenseits der Straße liegt das Betriebsgelände der Beigeladenen. Dieses ist gegenüber der Wohnbebauung (süd-) östlich des Kurparks deutlich abgesetzt und kann deshalb bauplanungsrechtlich nicht mehr als nähere Umgebung des klägerischen Grundstücks angesehen werden. Daran ändert nichts, dass das Wohnhaus des Klägers nur etwa 80 m entfernt vom Betriebsgelände der Beigeladenen steht und den Lärmeinwirkungen durch den Industriebetrieb ausgesetzt ist. Denn für die Einordnung von (faktischen) Baugebieten kommt es auf die tatsächlich vorhandene Bebauung an, die den bodenrechtlichen Charakter des Baugebiets prägt (BVerwG, Urt. v. 18.10.1974 - IV C 77.73 -, BauR 1975, 29; Rieger in: Schrödter, BauGB, 7. Aufl., § 34 Rdnr. 25); ein Baugebiet verliert oder ändert den Charakter nach der Art seiner Bebauung nicht dadurch, dass es den Auswirkungen eines angrenzenden Baugebiets ausgesetzt ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 6.7.1984 - 4 C 28/83 -, BauR 1984, 606; zur Beeinflussung von Innenbereichsvorhaben durch Bauten im Außenbereich auch BVerwG, Urt. v. 10.12.1982 - 4 C 28/81 -, DVBl. 1983, 349; a.A.: Dürr in: Brügelmann, BauGB, Stand: September 2006, § 34 Rdnr. 26; Rieger, a.a.O., Rdnr. 26). Die gegenteilige Sichtweise würde bei der immissionsschutzrechtlichen Beurteilung von Gemengelagen zu unbefriedigenden Ergebnissen führen, nämlich - worauf der Kläger zutreffend hinweist - zu einer doppelten Berücksichtigung von Immissionsbelastungen einerseits bei der Zuordnung zu einem Baugebiet gemäß Nr. 6.6 TA Lärm und dann nochmals bei der Zwischenwertbildung nach Nr. 6.7. Das Problem, dass das Grundstück des Klägers Lärmbeeinträchtigungen durch den benachbarten Industriebetrieb zu gewärtigen hat und in diesem Zusammenhang auch vorbelastet ist (vgl. dazu nachfolgend), wird dadurch nicht ausgeblendet, es ist immissionsschutzrechtlich vielmehr auf der Ebene des Gebots der Rücksichtnahme bzw. bei der weiteren Bildung des Zwischenwerts gemäß Nr. 6.7 TA Lärm zu lösen. Gegen die Zuordnung des Wohngrundstücks des Klägers zu einem reinen Wohngebiet spricht schließlich auch nicht, dass sich in nordöstlicher Richtung ein Getränkegroßhandel mit einer größeren Lagerhalle und Lagerfreiflächen befindet und sich daran die Anlagen zur Wellpappenherstellung der Beigeladenen anschließen. Auch diese Nutzungen prägen das Grundstück des Klägers nicht mehr, denn sie sind Teil einer Bebauung, die jenseits des Grundstücks Am H. 16 und einer sich in nördlicher Richtung anschließenden, nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts etwa 40 m breiten Freifläche liegt. Die Freifläche bewirkt eine Trennung, die es ausschließt, die gewerblichen und industriellen Nutzungen noch als nähere Umgebung des Wohngrundstücks des Klägers aufzufassen.

Ist als Ausgangspunkt danach von Immissionsrichtwerten für die Nachtzeit von 70 dB(A) für ein Industriegebiet und 35 dB(A) für ein reines Wohngebiet auszugehen, so steht dem vom Beklagten gebildeten Zwischenwert von 44 dB(A) nicht entgegen, dass der Beklagte im Ausgangsbescheid vom 13. Juli 1999 das Wohnhaus des Klägers nicht einem reinen Wohngebiet, sondern einem allgemeinen Wohngebiet zugeordnet hat. Denn jedenfalls die Bezirksregierung Braunschweig hat im Widerspruchsbescheid vom 29. Mai 2000 hilfsweise erwogen, wie es zu beurteilen wäre, wenn das Wohnhaus des Klägers in einem reinen Wohngebiet läge. Auch für diesen Fall hat die Widerspruchsbehörde den gebildeten Zwischenwert für geeignet erachtet, so dass der vom Kläger geltend gemachte Mangel des Ausgangsbescheids jedenfalls im Widerspruchsverfahren geheilt worden ist.

Der durch den angegriffenen Änderungsbescheid vom 13. Juli 1999 genehmigte Immissionsrichtwert von 44 dB(A)/nachts am Wohnhaus des Klägers stellt - jedenfalls im Ergebnis - einen geeigneten Zwischenwert gemäß Nr. 6.7 TA Lärm dar und ist deshalb nicht zu beanstanden. Ein Zwischenwert ist geeignet, wenn er ein zutreffender Maßstab dafür ist, dass in dem zum Wohnen dienenden Gebiet keine unzumutbaren Geräuschimmissionen und damit keine schädlichen Umwelteinwirkungen auftreten (vgl. Hansmann in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht II, Stand: Oktober 2006, 3.1 Nr. 6, Rn. 26). Für die Festlegung der Höhe des Zwischenwertes kommt es maßgeblich auf die konkrete Schutzwürdigkeit des betroffenen Gebietes an; insofern stellt die TA Lärm lediglich beispielhaft Kriterien auf, ohne feste Vorgaben zu machen. Wesentliche Kriterien sind danach die Prägung des Einwirkungsgebietes durch den Umfang der Wohnbebauung einerseits und durch Gewerbe- und Industriebetriebe andererseits, die Ortsüblichkeit eines Geräusches und die Frage, welche der unverträglichen Nutzungen zuerst verwirklicht wurde (Nr. 6.7 Abs. 2 Satz 1 und 2). Daneben können weitere Gesichtspunkte, wie die Schutzbedürftigkeit der Wohnnutzung und der Abstand zwischen den unverträglichen Nutzungen von Einfluss auf die Höhe des geeigneten Zwischenwertes sein.

Im vorliegenden Fall wird das Einwirkungsgebiet in besonderem Maße durch die Ausdehnung und Intensität der industriellen Nutzung der Beigeladenen geprägt. Der Zwischenwert von 44 dB(A) liegt gleichwohl noch unterhalb des für Kern-, Dorf- und Mischgebiete gemäß Nr. 6.1.Satz 1 Buchst. c) TA Lärm geltenden Immissionsrichtwerts von 45 dB(A)/nachts und gewährleistet, worauf der Beklagte zu Recht hingewiesen hat, am Wohnhaus des Klägers gesunde Wohnverhältnisse auch noch ohne besonderen passiven Lärmschutz (vgl. Hansmann, a.a.O., Nr. 6 Rdnrn. 4, 28). Hinzu kommt, dass die Schutzwürdigkeit der Wohnnutzung des Klägers nach den in Nr. 6.7 Abs. 2 Satz 2 TA Lärm genannten Kriterien erheblich herabgesetzt ist und dem Kläger trotz der Zuordnung seines Grundstücks zu einem reinen Wohngebiet eine gesteigerte Pflicht zur Rücksichtnahme abverlangt werden kann. Wie bereits erwähnt, ist die in Rede stehende Konfliktsituation dadurch gekennzeichnet, dass das Grundstück des Klägers am nördlichen Rand des Wohngebiets liegt. Der Abstand seines Wohnhauses vom Betriebsgelände der Beigeladenen beträgt nur etwa 80 m. Die Pufferwirkung des in diesem Bereich entsprechend schmalen Kurparks ist demgemäß nur eingeschränkt vorhanden, so dass das betroffene Wohngrundstück im Vergleich zu den übrigen des Wohngebiets in besonderem Maße den Emissionen des benachbarten Industriebetriebs ausgesetzt ist und durch diesen immissionsschutzrechtlich geprägt wird. Dabei kann der Kläger sich auch nicht mit Erfolg auf das in Nr. 6.7 Abs. 2 Satz 2 TA Lärm angeführte Kriterium der zeitlichen Priorität berufen. Denn das Betriebsgelände der Beigeladenen wird seit mehr als 100 Jahren industriell genutzt, d.h. zur Papierherstellung und inzwischen zur Produktion von Pappe. Der Kläger hat das Grundstück Am H. 12 demgegenüber erst 1973 erworben, also zu einer Zeit, als die Papierfabrik bereits seit Jahrzehnten bestanden hatte. Wie sich anhand der vom Kläger vorgelegten Postkartenansichten aus den Jahren 1965 und 1970 deutlich nachvollziehen lässt, standen bereits in dem damaligen Zeitraum zahlreiche Industriegebäude, Gebäudeteile und Anlagen auf dem Betriebsgelände bis hin zum nordöstlich gelegenen Rand des damals wie heute vorhandenen Kurparks. Auch die Wellpappenherstellung ist, wovon der Kläger selbst ausgeht, im Jahr 1970 bereits mit entsprechenden Fertigungsanlagen im nordöstlichen Bereich des Betriebsgeländes vorhanden gewesen, ebenfalls das mit einem Schornstein versehene Kraftwerk. Es unterliegt deshalb keinen durchgreifenden Zweifeln, dass die Wohnnutzung des Klägers in erheblicher Weise durch die benachbarte Industrienutzung vorbelastet war und ist. Dass der Industriebetrieb in den letzten Jahren, insbesondere seit der im Jahr 1992 erteilten immissionsschutzrechtlichen Änderungsgenehmigung, seine Kapazitäten erweitert und seinen baulichen Bestand (z.B. die Stoffaufbereitung) geändert hat, dabei auch - was zugunsten des Klägers unterstellt werden kann - weiter an dessen Wohnhaus herangerückt ist bzw. sich verdichtet hat, ändert nichts daran, dass die Konfliktsituation bereits vorher bestanden hat. Dies lässt sich auch dem Lärmgutachten der S. GmbH vom 11. November 1991 entnehmen, in dem für den Aufpunkt 1 (Am H. 2 a) ein Beurteilungspegel von 45 dB(A) und den Aufpunkt 5 (J. Straße 2) 51 dB(A) ermittelt wurden. Das Grundstück des Klägers liegt zwischen diesen beiden Aufpunkten und weist im Verhältnis zum damaligen Aufpunkt 1 eine geringere Entfernung zum Betriebsgelände der Beigeladenen auf. Deshalb kann davon ausgegangen werden, dass am Wohnhaus des Klägers vergleichbar hohe, jedenfalls nicht signifikant niedrigere Lärmimmissionen als am Wohnhaus Am H. 2a bestanden haben. Der Einwand des Klägers, der Aufpunkt 1 habe in der Diagonalen gemessen um etwa 150 m näher zu den seinerzeit lärmemittierenden Betriebsanlagen gelegen, überzeugt nicht. Denn für diesen Fall wären die noch deutlich höheren Beurteilungspegel am weiter nordöstlich gelegenen Aufpunkt 5 nicht zu erklären gewesen.

Ausgehend von der erheblichen Vorbelastung der Wohnnutzung des Klägers ist zu Gunsten der Beigeladenen zu berücksichtigen, dass sie seit der ihr erteilten Änderungsgenehmigung vom 23. Juni 1992 erhebliche Lärmminderungsmaßnahmen durchgeführt hat, um dadurch dem Stand der Lärmminderungstechnik zu entsprechen (vgl. dazu Nr. 6.7 Abs. 1 Satz 3 TA Lärm). Nachdem die S. GmbH in dem Messgutachten vom 29. Dezember 1994/4. Mai 1995, in dem für das Wohnhaus des Klägers Beurteilungspegel von jeweils 45 dB(A) für die Tag- und Nachtzeit ermittelt worden waren, ausgeführt hatte, dass an den Hauptemissionsquellen Haubenabsaugung Kartonmaschine I, Zuluft Kartonmaschine III, Auslass Südwestecke Turbinenhaus und Fassade Pumpenraum Kesselhaus lärmreduzierende Maßnahmen noch durchgeführt werden könnten, hat die Beigeladene dem auf Grund entsprechender Anordnung des Beklagten vom 16. April 1996 - zum Teil auch schon vorher - Folge geleistet. Die Wirksamkeit der von ihr veranlassten lärmreduzierenden Maßnahmen ist sodann von der S. GmbH überprüft worden. In ihrem Gutachten vom 18. Juli 1997 heißt es, dass die Maßnahmen zu einer Reduzierung der abgestrahlten Schallleistungen von zuvor 116 dB(A) um 6,6 dB(A) auf 109,4 dB(A) geführt hätten. Die Minderungsmaßnahmen entsprächen dem Stand der Lärmminderungstechnik. In einem weiteren, ebenfalls unter dem 18. Juli 1997 erstellten Gutachten zu den Schallimmissionen am Wohnhaus des Klägers führte die S. GmbH aus, für die Nachtzeit ergebe sich nunmehr ein Mittelungspegel von 46,2 dB(A) und ein Beurteilungspegel von 43 dB(A). Nachdem beide Gutachten, wie schon zuvor das Gutachten vom 29. Dezember 1994, durch das NLÖ überprüft worden waren, dieses die gutachterlichen Feststellungen für einwandfrei erachtet und die getroffenen Maßnahmen als dem Stand der Lärmminderungstechnik entsprechend bezeichnet hatte, konnte der Beklagte zu Recht davon ausgehen, dass die Beigeladene die ihr zumutbaren Lärmminderungsmaßnahmen veranlasst und mit Erfolg umgesetzt hatte. Dass im Zuge nachfolgender, hier nicht streitgegenständlicher Umbaumaßnahmen weitere Lärmminderungsmaßnahmen durchgeführt worden sind - nach dem Vortrag des Beklagten u.a. die Nachrüstung diverser technischer und baulicher Anlagen, Änderung der Verkehrsführung auf dem Betriebsgelände, Erneuerung der Werksstraßen und räumliche Verlegung des Altpapierlagers in größerem Abstand zur Wohnbebauung -, steht dieser Beurteilung nicht entgegen.

Der Einwand des Klägers, der Beklagte habe es unterlassen, die im Gutachten vom 18. Juli 1997 ausgemachten 56 unterschiedlichen Lärmquellen zu überprüfen, greift nicht durch. Die Beanstandung bezieht sich offenbar auf die Stellungnahme des NLÖ vom 7. Oktober 1997, in der im Hinblick auf die Gutachten der S. GmbH vom 29. Dezember 1994 und 18. Juli 1997 ausgeführt wird, weitere Lärmminderungsmaßnahmen mit dem Ziel, am Aufpunkt Wohnhaus des Klägers einen Nachtrichtwert von 40 dB(A) zu erreichen, seien technisch und wirtschaftlich kaum durchführbar. Das NLÖ hat diese Auffassung mit der theoretischen Überlegung untermauert, dieses Ziel sei selbst bei einer Minderung der Schallpegel von rund 54 Einzelquellen mit Pegeln zwischen 15 und 34 dB(A) um jeweils 10 dB(A) nicht zu erreichen. Anlass dazu, diesen Einzelquellen nachzugehen, hat die Stellungnahme des NLÖ dem Beklagten danach gerade nicht gegeben.

Die vom Kläger gegen die Gutachten der S. GmbH gerichteten Einwendungen überzeugen nicht. Dass es sich bei dieser Gesellschaft um die "Hausgutachter" der Beigeladenen handeln soll, steht der Richtigkeit ihrer Feststellungen nicht entgegen. Die Behauptung des Klägers, etliche Lärmmessungen seien unter irrealen Bedingungen durchgeführt worden, ist substanzlos geblieben und lässt sich anhand der vorgelegten Gutachten nicht nachvollziehen. Grundlage für die Gutachten vom 29. Dezember 1994/4. Mai 1995 und 18. Juli 1997 sind jeweils mehrwöchige Immissionsmessungen am Wohnhaus des Klägers vom 17. November bis 13. Dezember 1994 bzw. vom 13. Mai bis 3. Juni 1997 gewesen, wobei die Anordnung der Messstation mit dem Kläger zuvor abgestimmt worden war. In beiden Gutachten wurde auch ausdrücklich festgehalten, dass die Messungen unter den üblichen Betriebsbedingungen der emittierenden Anlagen ohne längere Stillstände durchgeführt worden seien. Der Kläger hat die Richtigkeit dieser Feststellungen nicht substantiiert in Zweifel gezogen. Bedenken gegen die Brauchbarkeit und Aussagekraft der Gutachten bestehen auch nicht deshalb, weil darin der Beurteilungspegel jeweils mit einem Messabschlag von 3 dB(A) versehen worden ist. Bei dem Messabschlag gemäß Nr. 6.9 TA Lärm handelt es sich um einen einseitigen, den Geräuschverursacher begünstigenden Abschlag. Er ist untrennbarer Bestandteil des Mess- und Beurteilungsverfahrens und unabhängig von einer konkreten, in welcher Höhe auch immer bestehenden Mess- oder Ermittlungsunsicherheit anzuwenden (Feldhaus/Tegeder, a.a.O., B 3.6 Nr. 6 Rdnrn. 72 ff.; BVerwG, Urt. v. 16.5.2001 - 7 C 16.00 -, NVwZ 2001, 1167; kritisch demgegenüber Hansmann, a.a.O., Nr. 6 Rdnrn. 35 ff). Der Messabschlag geht auf die in den Gutachten vom 29. Dezember 1994/4. Mai 1995 und 18. Juli 1997 noch anwendbare TA Lärm 1968 (Beilage zum Bundesanzeiger Nr. 137 vom 26..7.1968) zurück, die in Nr. 2.422.5 lit. c) im Hinblick auf Messunsicherheiten ebenfalls einen Abzug von 3 dB(A) vorsah. Der Abzug war auch nach der TA Lärm 1968 unabhängig von einer im Einzelfall tatsächlich vorliegenden oder anzunehmenden Messunsicherheit vorzunehmen und ist vom Bundesverwaltungsgericht für rechtens befunden worden (BVerwG, Beschl. v. 22.10.1996 - 7 B 132/96 -, NVwZ-RR 1997, 279). Das vorliegende Verfahren gibt für eine hiervon abweichende Sichtweise keinen Anlass. Ungeachtet der Fortschritte der Messtechnik ist der Abzugswert auch heute noch gerechtfertigt. Der Vorschriftengeber trägt damit den statistisch bedingten Unsicherheiten bei der Beurteilung der Immissionsbelastung durch eine pauschale Korrekturgröße Rechnung. Bei der Überwachung bestehender Anlagen sollen Unsicherheiten, wie sie Immissionsmessungen zwangsläufig eigen sind, zu Gunsten des Anlagenbetreibers berücksichtigt werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.5.2001, a.a.O.; Feldhaus/Tegeder, UPR 2005, 208 ff.).

Der Kläger beanstandet weiterhin zu Unrecht, in den Lärmgutachten seien die Lärmwerte für die Nacht fehlerhaft ermittelt worden, weil in ihnen ein unter Berücksichtigung sämtlicher Nachtwerte gemittelter Pegel und nicht die ungünstigste Nachtstunde zugrunde gelegt worden sei. Die TA Lärm 1968, die zurzeit der Gutachten vom 29. Dezember 1994 und 18. Juli 1997 anwendbar war, sah noch eine Mittelung der Lärmimmissionen über die ganze Nacht vor (vgl. Feldhaus, UPR 1999, 1, 3). Erst auf der Grundlage der jetzt geltenden TA Lärm gemäß deren Nr. 6.4 Abs. 3 Satz 2 ist für die Beurteilung der Nacht maßgeblich die volle Nachtstunde (z.B. 1.00 bis 2.00 Uhr) mit dem höchsten Beurteilungspegel, zu dem die zu beurteilende Anlage relevant beiträgt. Im Übrigen haben die von der Beigeladenen beauftragten Gutachter Besonderheiten während der Nachtzeit nicht ausgeblendet. In ihrem Gutachten vom 29. Dezember 1994 hat die S. GmbH für die Nachtzeit bereits ausdrücklich die ungünstigste Stunde zugrunde gelegt (vgl. S. 9 des Gutachtens). Soweit der Kläger im Zusammenhang mit der Messung im Jahr 1997 auf einen auffälligen Anstieg des Lärms in der Zeit zwischen 4.00 Uhr und 6.00 Uhr in der Nacht bzw. morgens hinweist, ist dies in dem Gutachten vom 18. Juli 1997 berücksichtigt und auf Vogelgezwitscher zurückgeführt worden, das die Pegeldifferenz beim Mittelungspegel erkläre. Für die Vermutung des Klägers, der Anstieg des Lärms in diesem Zeitraum sei durch die Arbeitsvorbereitungsphase im Betrieb der Beigeladenen verursacht, gibt es danach keinen hinreichenden Anhalt. In dem Gutachten der R. GmbH vom 8. Oktober 2002 ist schließlich - ohne dass es für den hier streitgegenständlichen Zeitraum bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides vom 29. Mai 2000 darauf ankäme - der Beurteilungspegel für die Nachtzeit unter Anwendung von Nr. 6.4 Abs. 3 Satz 2 TA Lärm ermittelt worden. Davon abgesehen kommt es im vorliegenden Verfahren letztlich nicht darauf an, ob die jeweiligen Beurteilungspegel am Wohnhaus des Klägers exakt ermittelt worden sind. Denn das Klagebegehren des Klägers richtet sich gegen die Genehmigung erhöhter Geräuschimmissionen auf seinem Grundstück, es umfasst nicht die Frage, ob die Beigeladene gegen ihr erteilte Genehmigungen verstoßen haben könnte. Die Gutachten der S. GmbH und auch das im Klageverfahren vorgelegte Messgutachten der R. GmbH vom 8. Oktober 2002, demzufolge der Immissionsrichtwert von 44 dB(A) am Wohnhaus des Klägers durch den ermittelten Beurteilungspegel von 45,8 dB(A) (+/- 0,5dB(A)) unter Berücksichtigung des gemäß Nr. 6.9 der TA Lärm möglichen Messabschlags nicht signifikant überschritten wird, sind im vorliegenden Verfahren lediglich insoweit von Interesse, als sie einerseits hinreichenden Aufschluss geben über das Ausmaß des zu beurteilenden Nutzungskonflikts, und andererseits darüber, ob der Stand der Lärmminderungstechnik eingehalten wird.

Der Kläger kann auch aus sonstigen Gründen die Einhaltung eines Immissionsrichtwertes von 40 dB(A) nicht beanspruchen. Der Zwischenwertbildung steht nicht entgegen, dass der für ein reines Wohngebiet geltende Immissionsrichtwert von 35 dB(A)/nachts um mehr als 5 dB(A) erhöht und insoweit eine Gebietskategorie (gemäß Nr. 6.1 Satz 1 Buchst. d) TA Lärm) übersprungen wird. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht ausgeführt, dass die TA Lärm für eine dem entgegen stehende Beschränkung keine Grundlage liefert. Aus den Regelungen zur Gemengelage in Nr. 6.7 geht vielmehr hervor, dass der Zwischenwert maßgeblich anhand der konkreten Schutzwürdigkeit des betroffenen Gebiets zu bestimmen ist. Dies schließt es nicht aus, in Fällen besonders ausgeprägter Nutzungskonflikte - wie hier - den Immissionsrichtwert für ein betroffenes Wohngebiet auch um deutlich mehr als 5 dB(A) heraufzusetzen (vgl. Feldhaus/Tegeder, a.a.O., B 3.6 Nr. 6 Rdnrn. 46, 61). In der vom Kläger zitierten Literatur (Kutscheidt, NVwZ 1999, 577) heißt es dementsprechend auch nur, dass die für das schutzbedürftige Wohngebiet geltenden Werte "wohl regelmäßig" nicht um mehr als 5 dB(A) erhöht werden dürfen, was eine abweichende Beurteilung in Einzelfällen nicht ausschließt. Ob und unter welchen Bedingungen auch die Immissionsrichtwerte für Kern-, Dorf- und Mischgebiete überschritten werden dürfen - dies ist nach Soll-Bestimmung in Nr. 6.7 Abs. 1 Satz 2 TA Lärm nur im Regelfall ausgeschlossen -, bedarf vorliegend keiner Vertiefung. Denn durch die streitige Änderungsgenehmigung vom 13. Juli 1999 wird diese Grenze nicht überschritten.

Der Kläger kann sich weiterhin nicht mit Erfolg auf Erklärungen berufen, die der damalige Geschäftsführer der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen im Genehmigungsverfahren für die am 23. Juni 1992 erteilte Änderungsgenehmigung in einer Sitzung des Verwaltungsausschusses der Stadt I. am Harz abgegeben haben soll. Der Vortrag des Klägers, der Geschäftsführer habe verbindlich und "unwiderruflich" zugesichert, auf dem Wohngrundstück des Klägers einen Nachtrichtwert von 40 dB(A) zu gewährleisten, ist ohne Substanz geblieben. Er lässt nicht erkennen, dass die Erklärung über einen bloße Einschätzung der tatsächliche Situation hinaus auf eine rechtlich verbindliche Zusicherung gerichtet sein sollte, erst recht nicht auf eine entsprechende Zusicherung gegenüber dem Beklagten als der zuständigen Immissionsschutzbehörde oder mit Rechtsbindungswillen auch gegenüber dem Kläger. Die Erklärung soll im Zusammenhang mit dem damals bauplanungsrechtlich zu erteilenden gemeindlichen Einvernehmen der Stadt I. am Harz abgegeben worden sein. Das Recht der Beigeladenen bzw. zunächst ihrer Rechtsvorgängerin, zukünftig bei wesentlichen Änderungen ihrer Anlage entsprechende Genehmigungen gemäß § 16 BImSchG einzuholen, ist dadurch nicht in Frage gestellt worden.

Unter Berücksichtigung der deutlich herabgesetzten Schutzwürdigkeit der Wohnnutzung des Klägers und der von der Beigeladenen durchgeführten Lärmminderungsmaßnahmen hat der Beklagte nach allem einen geeigneten und dem Kläger zumutbaren Zwischenwert von 44 dB(A) für die Nachtzeit festgesetzt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschl. v. 29.10.2002 - 4 B 60/02 -, Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 165) kommt im Falle eines Nebeneinanders von Wohnen und gewerblicher Betätigung dem Schutz der Wohnnutzung situationsbedingt ein geringerer Stellenwert zu als in einem gegen gewerbliche Nutzungen gänzlich oder weitgehend abgeschirmten Gebiet. Dies schlägt sich darin nieder, dass Beeinträchtigungen in einem weitergehenden Maße zumutbar sind als in einer Umgebung, die in dieser Richtung nicht oder weniger vorbelastet ist. Die äußerste Grenze für die Herabsetzung des Lärmschutzniveaus ist bei der Schwelle der Gesundheitsgefährdung zu ziehen. Im vorliegenden Fall ist die Unverträglichkeit der Grundstücksnutzungen noch ausgeprägter, weil die Wohnnutzung des Klägers durch eine industrielle Nutzung beeinträchtigt wird. Der festgesetzte Immissionsrichtwert von 44 dB(A) liegt indes deutlich unterhalb der Schwelle einer Gesundheitsgefährdung. Er gewährleistet - wie bereits erwähnt - am Immissionsort noch gesunde Wohnverhältnisse und berücksichtigt andererseits, dass der im Gutachten der S. GmbH vom 18. Juli 1997 ermittelte Beurteilungspegel von 43 dB(A) sich zukünftig noch geringfügig erhöhen könnte, insbesondere durch weitere Änderungen der Betriebsanlagen der Beigeladenen.

Ende der Entscheidung

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