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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 14.04.2008
Aktenzeichen: 12 ME 41/08
Rechtsgebiete: FeV, StVG


Vorschriften:

FeV § 14 Abs. 1 S. 2
FeV § 46
StVG § 3 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts, mit dem sein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die mit einer Anordnung der sofortigen Vollziehung versehene Entziehung seiner Fahrerlaubnis durch Bescheid der Antragsgegnerin vom 22. Oktober 2007 abgelehnt worden ist, ist unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, es könne offenbleiben, ob der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO bereits deshalb unzulässig sei, weil die Klage gegen die Verfügung vom 22. Oktober 2007 nicht fristgerecht erhoben worden sei. Es sei zweifelhaft, ob die Fristversäumnis vorliegend unverschuldet sei oder nicht. Aber selbst wenn man die Fristversäumnis als unverschuldet ansehen und dem Antragsteller im Hinblick darauf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewähren würde, sei das Begehren des Antragstellers als erfolglos anzusehen. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung genüge in formeller Hinsicht den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO und sei auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Zum gegenwärtigen, für die Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren maßgeblichen Zeitpunkt sei davon auszugehen, dass die Entziehungsverfügung voraussichtlich im Klageverfahren Bestand haben werde. Die Interessenabwägung gebiete es daher, den Antragsteller von der Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr auszuschließen. Die Voraussetzungen für die Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 3 Abs. 1 StVG i. V. m. § 46 FeV lägen vor. Die Fahrerlaubnisbehörde habe gemäß § 11 Abs. 8 FeV auf die Nichteignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen dürfen, weil dieser trotz berechtigter Aufforderung seitens der Antragsgegnerin die Durchführung eines gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV angeordneten Drogenscreenings verweigert habe. Die Polizei habe am 9. April 2007 in einem im Kofferraum des Pkw des Antragstellers befindlichen Parka Opium aufgefunden. Zwar habe der Antragsteller der Polizei gegenüber angegeben, nicht zu wissen, wem der Parka gehöre. Diese Einlassung werte das Gericht jedoch als Schutzbehauptung, denn in dem Parka habe sich außer dem Opium auch ein an den Antragsteller gerichtetes Schreiben befunden. Der Antragsteller habe auch keinerlei Angaben dazu gemacht, wie ein fremder Parka unbemerkt in den Kofferraum seines Fahrzeugs hätte gelangen können. Im Übrigen sei am 1. August 2007 ein Strafbefehl wegen unerlaubten Besitzes eines Betäubungsmittels gegen den Antragsteller ergangen und rechtskräftig geworden. Die Antragsgegnerin habe deutlich gemacht, dass der Besitz des Opiums als hinreichend aussagekräftiges Anzeichen für klärungsbedürftige Eignungsbedenken im Hinblick auf die Frage eines Drogenkonsums gewertet werden könne. Die Anordnung eines Drogenscreenings in der Gestalt einer Haaranalyse sei entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht unverhältnismäßig. Während Morphin im Urin lediglich ein bis zwei Tage nach dem Konsum nachweisbar sei, ermögliche die Haaranalyse einen Überblick über einen längeren zurückliegenden Zeitraum. Letztere stelle damit ein erforderliches, geeignetes und auch verhältnismäßiges Mittel dar, um einen etwaigen Konsum des Antragstellers festzustellen. Benötigt werde für die Untersuchung lediglich ein etwa bleistiftgroßes Haarbündel, welches, damit es nicht so auffalle, regelmäßig unter dem Deckhaar abgeschnitten werde. Das besondere Vollziehungsinteresse folge aus der Befürchtung, dass der Antragsteller Drogen konsumiere und deshalb zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet sei und für andere Verkehrsteilnehmer eine Gefahr darstelle. Das berufliche Interesse des Antragstellers an seiner Fahrerlaubnis müsse wegen des vorrangigen öffentlichen Interesses an der Sicherheit des Straßenverkehrs zurücktreten.

Mit seiner dagegen erhobenen Beschwerde macht der Antragsteller geltend: Die Anordnung einer Haaranalyse sei unverhältnismäßig. Als milderes, aber ebenso geeignetes Mittel sei die Anordnung einer einmaligen Urinprobe in Betracht gekommen. Die Eingriffsintensität einer Haaranalyse sei im Vergleich zur Urinprobe deutlich höher. Im Übrigen habe die Antragsgegnerin allein den Besitz von Opium nicht als hinreichend aussagekräftiges Anzeichen für aufklärungsbedürftige Fahreignungszweifel werten dürfen. Dies gelte erst recht, wenn - wie in seinem Falle - das Betäubungsmittel nicht im Innenraum eines Kraftfahrzeugs, sondern in einer im Kofferraum aufbewahrten Jacke vorgefunden werde. Ein Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges lasse sich in einem derartigen Fall nicht herstellen. Die Anordnung eines Drogenscreenings sei auch deshalb zu beanstanden, weil die Antragsgegnerin sich mit den Umständen des Einzelfalles nicht befasst habe. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei lediglich formelhaft begründet worden und deshalb rechtswidrig. Er sei aus beruflichen Gründen auf seine Fahrerlaubnis angewiesen.

Mit diesen Einwendungen, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, kann der Antragsteller seiner Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Entziehungsbescheides genügt, wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, in formeller Hinsicht dem Begründungserfordernis gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Die Antragsgegnerin hat ausgeführt, der Antragsteller sei nicht geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen und stelle daher eine große Gefahr und ein unkalkulierbares Risiko für die Sicherheit im Straßenverkehr dar. Die Gefahr für hochwertige Rechtsgüter wie das Leben oder die Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer sei derart schwerwiegend, dass sie den anderen Verkehrsteilnehmern nicht zugemutet werden könne. Da durch eine motorisierte Teilnahme des Antragstellers am öffentlichen Straßenverkehr die Gefährdung dieser hochwertigen Rechtsgüter zu befürchten sei, sei schon allein aufgrund der zunehmenden Kraftfahrzeugdichte und der latenten Gefährdung ein sofortiges Einschreiten erforderlich. Somit sei das private Interesse des Antragstellers, nämlich dass er weiterhin von der Fahrerlaubnis Gebrauch und damit am motorisierten Verkehr teilnehmen könne, zugunsten des öffentlichen Interesses an der Sicherheit im Straßenverkehr zurückzustellen. Mit diesen Ausführungen hat die Antragsgegnerin hinreichend deutlich gemacht, aus welchen Gründen der Sofortvollzug der streitigen Fahrerlaubnisentziehung angeordnet worden ist.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist im Falle einer derart im Sinne des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO formell ordnungsgemäß begründeten Anordnung der sofortigen Vollziehung einem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO regelmäßig der Erfolg zu versagen, wenn sich in dem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergibt, dass der Antragsteller im Verfahren zur Hauptsache keinen Erfolg haben wird. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass das gerichtliche Eilverfahren ebenso wie ein etwaiges Hauptsacheverfahren der Durchsetzung des materiellen Rechts dient. Dem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes kommt nicht die Funktion zu, Positionen einzuräumen oder zu belassen, die einer Nachprüfung im Hauptsacheverfahren nicht Stand halten werden. Deshalb kann gegen eine voraussichtlich rechtmäßige Verfügung nicht mit Erfolg eingewandt werden, dass ein besonderes öffentliches Vollzugsinteresse nicht bestehe. Ein solches Interesse ist zwar gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO Voraussetzung für die Anordnung der sofortigen Vollziehung und deshalb von der zuständigen Behörde zu prüfen, dem entspricht aber ein eigenständiges subjektives Recht des Betroffenen nicht (vgl. grundlegend: Beschluss des Senats vom 3.6.1993 - 12 M 2023/93 -, OVGE 44, 327, zuletzt: Beschlüsse vom 22.3.2007 - 12 ME 137/07 -, VkBl. 2007, 402 f. und vom 13.12.2007 - 12 ME 369/07 -).

Der Senat teilt bei der im vorliegenden Verfahren nur gebotenen summarischen Prüfung des Sachverhalts die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Entziehungsverfügung im Klageverfahren voraussichtlich Bestand haben werde, wobei im Hinblick auf den vom Antragsteller gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Klagefrist von der Zulässigkeit der Klage auszugehen sein dürfte. Die mit der Beschwerde geltend gemachten Einwendungen sind nicht geeignet, die Rechtmäßigkeit der Verfügung der Antragsgegnerin vom 13. September 2007 über die Anforderung eines ärztlichen Gutachtens (Drogenscreening) in Zweifel zu ziehen. Die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens kann gemäß § 46 Abs. 3 i. V. m. § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV angeordnet werden, wenn der Betroffene Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes widerrechtlich besitzt und besessen hat. Die Voraussetzung hat hier aller Voraussicht nach vorgelegen. Denn am 9. April 2007 wurde anlässlich seiner polizeilichen Festnahme in einer anderen Angelegenheit im Fahrzeug des Antragstellers in einem im Kofferraum aufbewahrten Parka ein in ein Stück Papier gewickelter Brocken (ca. 2 g) Opium gefunden. Da sich in der Tasche des Parkas ein an den Antragsteller adressiertes Schreiben befand und das Kleidungsstück keiner anderen Person zugeordnet werden konnte, ist die Schlussfolgerung, der Antragsteller habe das dem BtMG unterfallende Rauschmittel widerrechtlich besessen, nicht zu beanstanden. Im Übrigen hat das Amtsgericht Hannover gegen den Antragsteller wegen des Vorfalls einen rechtskräftig gewordenen Strafbefehl wegen unerlaubten Besitzes eines Betäubungsmittels im Sinne von § 1 BtMG verhängt. Dass der Antragsteller dagegen (verspätet) Einspruch und wegen der Versäumung der Einspruchsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt hat, steht der Richtigkeit dieser Maßnahme nicht entgegen und lässt (allein) nicht darauf schließen, der im Strafbefehl zugrunde gelegte Sachverhalt könne fehlerhaft ermittelt worden sein. Auf der Grundlage dieses Sachverhalts ist das Verwaltungsgericht zu Recht der Einschätzung der Antragsgegnerin gefolgt, der Besitz des Betäubungsmittels habe auf einen Eigenkonsum des Antragstellers hingedeutet und deshalb aufklärungsbedürftige Fahreignungszweifel begründet, aufgrund derer die Beibringung eines Drogenscreenings von ihm gefordert werden durfte. Das vorgefundene Betäubungsmittel mit den Hauptbestandteilen Codein, Morphin, Thebain, Papaverin und Narkotin (vgl. dazu den im staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren erstellten Untersuchungsbericht vom 24. Juli 2007) gehört zu den sog. harten Drogen, bei denen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. nur Beschlüsse v. 14.8.2002 - 12 ME 566/02 -, DAR 2002, 471, u. zuletzt v. 11.3.2008 - 12 ME 15/08 -) bereits der einmalige Konsum die Fahreignung ausschließt. Ein Zusammenhang zwischen Konsum und der Teilnahme am Straßenverkehr ist dabei entgegen dem Vortrag des Antragstellers nicht erforderlich, er ist hier im Übrigen wegen des im Fahrzeug des Antragstellers vorgefundenen Betäubungsmittels nicht auszuschließen. Die vom Antragsteller zitierte Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (Beschl. v. 14.1.2002 - 2 TG 3008/01 -, zfs 2002, 599), derzufolge sich ein Kraftfahrer nicht schon durch den einmaligen Konsum (konkret: von Kokain oder Amphetamin) als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweisen soll, es zu dieser Feststellung vielmehr noch eines ärztlichen Gutachtens bedürfe, ist demgegenüber - soweit ersichtlich - nur vereinzelt geblieben und veranlasst den Senat nicht dazu, von seiner ständigen Rechtsprechung abzuweichen (vgl. auch Dauer, in: Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 39. Aufl., § 2 StVG Rdn. 17; Jagow, in: Janiszewski/Jagow/Burmann, Straßenverkehrsrecht, 19. Aufl., § 3 StVG Rdn. 4; jew. m.w.N. aus der obergerichtlichen Rechtsprechung). Davon abgesehen geht es hier nicht um die Beurteilung eines bereits festgestellten Konsums, sondern um den Schluss auf die Nichteignung des Antragstellers wegen dessen Weigerung, sich dem angeordneten Drogenscreening zu unterziehen (§ 11 Abs. 8 FeV).

Mit seinem Vortrag zur Unverhältnismäßigkeit einer Haarprobenuntersuchung im Vergleich zu einer Urinprobenuntersuchung dringt der Antragsteller ebenfalls nicht durch. Entgegen seinem Vortrag ist die Urinuntersuchung im Verhältnis zur Haaranalyse keine ebenso geeignete, den Betroffenen aber weniger belastende Untersuchungsmaßnahme. Zu beachten ist, dass ein Nachweis von Betäubungsmitteln im Urin nur während einer begrenzten Zeitspanne möglich ist, so dass es, um die Frage des Konsums bzw. einer dauerhaften Abstinenz verlässlich beurteilen zu können, mehrerer kurzfristig angeordneter Urinentnahmen - unter Sichtkontakt - bedarf (vgl. allg. zu den Untersuchungsmethoden Schubert/Schneider/Eisenmenger/Stephan, Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahrereignung, Kommentar, S. 115 f; Möller, DAR 1993, 7, 9 f; Meininger, in: Berz/Burmann, Handbuch des Straßenverkehrsrechts, Band 2, Stand: Nov. 2007, 15 B Rdnrn. 68, 71 ff). Dies führt zwangsläufig zu Belastungen des Betroffenen und beeinträchtigt ihn auch in seiner Intimsphäre. Eine Haaranalyse ist demgegenüber darauf gerichtet, über einen in der Vergangenheit liegenden Konsum aufzuklären, wobei zu beachten ist, dass nur ein Konsum mit einer gewissen Häufigkeit sich in den Haaren niederschlägt und außerdem, dass die Zeitspanne, über die zu einem Konsum Auskunft gegeben werden kann, abhängig ist vom Haarwachstum sowie der Länge der entnommenen Haarprobe (vgl. zum Konsum von Cannabis: Bay. VGH, Beschl. v. 25.1.2006 - 11 CS 05.1453 -, zfs 2006, 294; vgl. auch VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 28.9.1995 - 1 OS 2474/95 -, DAR 1996, 35, demzufolge eine Haaranalyse eher weniger stark in das allg. Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG des Betroffenen eingreift; in diesem Sinne auch: OVG Hamburg, Beschl. v. 27.8.2003 - 3 Bs 185/03 -, DAR 2004, 411). Beide Maßnahmen - Urinuntersuchung einerseits und Haaranalyse andererseits - haben somit sowohl in der Durchführung als auch in Bezug auf ihr Ergebnis Vor- und Nachteile, wobei die Haaranalyse den Betroffenen allerdings insoweit weniger belastet, als sie sich in der Regel auf die Untersuchung einer einmalig entnommenen Haarprobe beschränkt und nicht mit Beeinträchtigungen der Intimsphäre verbunden ist. Dass die Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller die Durchführung einer Haaranalyse und lediglich ersatzweise eine Urinuntersuchung angeordnet hat, ist danach nicht zu beanstanden. Die Anordnung hat den Antragsteller nicht unverhältnismäßig belastet.

Ohne Erfolg macht der Antragsteller schließlich geltend, dass er beruflich auf den Besitz seiner Fahrerlaubnis angewiesen sei. Ist wie hier die Fahrerlaubnis zu entziehen, müssen die privaten, insbesondere beruflichen Interessen des betroffenen Fahrerlaubnisinhabers zurücktreten angesichts der hohen Bedeutung der Verkehrssicherheit und des Interesses der übrigen Verkehrsteilnehmer daran, dass ungeeignete Kraftfahrer vom öffentlichen Straßenverkehr ferngehalten werden.

Ende der Entscheidung

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