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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 10.03.2006
Aktenzeichen: 12 ME 48/06
Rechtsgebiete: StVZO, VwVfG


Vorschriften:

StVZO § 31 a
VwVfG § 41 Abs. 2
1. Zur Glaubhaftmachung des Vortrags eines Adressaten einer Fahrtenbuchauflage, er habe vor der Zustellung des angefochtenen Bescheides keines der Schreiben erhalten, die die ermittelnde Verwaltungsbehörde zuvor an ihn gerichtet haben wolle, wenn diese Schreiben mit einfachem Brief und ohne "Ab-Vermerk" in der Verwaltungsakte versandt worden sein sollen.

2. Auch eine nicht zu widerlegende Behauptung des Fahrzeughalters, ihm seien vor der Zustellung des Bescheides mit der Fahrtenbuchauflage keine Schreiben zugegangen, die die ermittelnde Behörde als einfache Briefsendungen an ihn gesandt haben wolle, steht der Anordnung zum Führen eines Fahrtenbuchs nicht von vornherein entgegen (wie HessVGH, Urt. v. 22.03.2005 - 2 UE 582/04 -, NJW 2005, 2411).

3. Die ermittelnde Behörde hat alle im Sinne des § 31a StVZO angemessenen und ihr zumutbaren Maßnahmen zur Ermittlung des Fahrzeugführers getroffen, wenn die Ermittlungen so geführt worden sind, dass - aus der Sicht der Behörde - mit vertretbarem Aufwand erfahrungsgemäß ein hinreichender Aufklärungserfolg zu erwarten ist.


Gründe:

I.

Die Antragstellerin ist Halterin eines Pkw VW Golf mit dem amtlichen Kennzeichen .... . Mit diesem Fahrzeug wurde am 17. Juli 2005 die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften von an dieser Stelle 70 km/h um 44 km/h überschritten. Das Fahrzeug wurde nicht angehalten. Das automatisch aufgenommene Foto des Fahrzeugs zeigt eine männliche Person als Fahrer.

Aus der Verwaltungsakte ergeben sich folgende an die Antragstellerin gerichtete Schreiben:

- Anhörungsschreiben vom 26. Juli 2005,

- Schreiben vom 25. August 2005 mit der Aufforderung an die Antragstellerin mitzuteilen, wer das Kraftfahrzeug zum Tatzeitpunkt geführt habe,

- Schreiben vom 26. Oktober 2005 mit der Anhörung der Antragstellerin zu der Absicht des Antragsgegners, ihr die Führung eines Fahrtenbuches aufzuerlegen.

Außerdem forderte der Antragsgegner am 7. September 2005 beim Einwohnermeldeamt ein Passfoto des Bruders der Antragstellerin an, ohne dass dies zu einer Ermittlung des gesuchten Fahrers geführt hätte. Ferner bat der Antragsgegner mit Schreiben vom 19. September 2005 die Polizei in B., die Antragstellerin nach den Personalien des Fahrzeugführers zu befragen. Gemäß einer Mitteilung der Polizeistation B. vom 17. Oktober 2005 konnte die Antragstellerin auch bei mehrmaligen Versuchen nicht angetroffen werden.

Mit Bescheid vom 8. Dezember 2005 gab der Antragsgegner der Antragstellerin als Halterin des Kraftfahrzeugs auf, für die Dauer von sechs Monaten ab dem Tag der Zustellung der Verfügung - der Bescheid wurde der Antragstellerin am 14. Dezember 2005 zugestellt - ein Fahrtenbuch zu führen. Zugleich ordnete er die sofortige Vollziehung des Bescheides an.

Die Antragstellerin hat am 6. Januar 2006 bei dem Verwaltungsgericht Klage erhoben und zugleich die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage beantragt. Diesen Antrag hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 8. Februar 2006 abgelehnt.

Mit der Beschwerde wendet sich die Antragstellerin gegen diesen Beschluss und trägt im Wesentlichen vor: Sie habe keines der Schreiben vom 26. Juli, 25. August und 26. Oktober 2005 erhalten. Bis zum Eingang des Bescheides vom 8. Dezember 2005 sei ihr nicht bekannt gewesen, dass mit ihrem Pkw ein Verkehrsverstoß begangen worden sei. Es treffe deshalb nicht zu, dass sie trotz Aufforderung keine Angaben zu dem Fahrzeugführer gemacht habe.

II.

Die Beschwerde der Antragstellerin ist nicht begründet.

Das Verwaltungsgericht hat ihren Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage zu Recht abgelehnt. Der Senat macht sich die zutreffenden Erwägungen des angefochtenen Beschlusses zu eigen und verweist deshalb auf sie (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Das Antragsvorbringen rechtfertigt eine andere Entscheidung nicht.

Die Behauptung der Antragstellerin, sie habe keines der vor dem Erlass der Fahrtenbuchauflage an sie gerichteten Schreiben des Antragsgegners erhalten und deshalb nicht an der Ermittlung des Fahrers mitwirken können, überzeugt nicht. Zwar enthalten die in der Verwaltungsakte enthaltenen Schreiben keine "Ab-Vermerke", also Vermerke darüber, dass sie tatsächlich abgesandt worden seien. Der Antragsgegner hat aber auf Anfrage des Senats den bei ihm gängigen und der üblichen Verwaltungspraxis entsprechenden Verfahrensablauf beschrieben und zusätzlich durch Computerausdrucke belegt. Zum Beispiel für den Zeugenfragebogen vom 26. Juli 2005 enthält das Computerprotokoll auch einen ausdrücklichen Erledigungsvermerk für denselben Tag. Nach dieser Darstellung der Verwaltungspraxis, der die Antragstellerin nicht entgegengetreten ist, ist der Senat davon überzeugt, dass die der Fahrtenbuchauflage vorausgegangenen Anschreiben an die Antragstellerin nicht nur gefertigt, sondern auch abgesandt worden sind.

Nach § 41 Abs. 2 VwVfG gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt bei der Übermittlung durch die Post im Inland am 3. Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zuganges nachzuweisen. Diese Grundsätze lassen sich sinngemäß auf einfache Schreiben der Verwaltungsbehörde übertragen. Es kann deshalb hier davon ausgegangen werden, dass die Schreiben des Antragsgegners die Antragstellerin jeweils drei Tage nach ihrer Ausfertigung und Absendung erreicht haben. Zwar bestreitet die Antragstellerin, eines dieser Schreiben erhalten zu haben. Diese allgemeine Bestreiten genügt aber nicht, um nunmehr die Behörde zum Nachweis des Zugangs und des Zeitpunkts zu verpflichten. Denn dass die Antragstellerin keines der drei Schreiben erhalten haben will, ist nicht glaubhaft. Zum einen widerspricht es jeder Wahrscheinlichkeit, dass nacheinander drei Behördenschreiben verloren gehen. Zum anderen hat die Antragstellerin nicht besondere Umstände wie etwa häufigen Verlust auch anderer Poststücke dargelegt, die ihre Angaben zu den hier in Rede stehenden drei Behördenschreiben glaubhaft machen könnten.

Im Übrigen ist die Fahrtenbuchauflage auch dann rechtmäßig, wenn die Antragstellerin die drei Schreiben des Antragsgegners tatsächlich nicht erhalten haben sollte. Nach § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO kann die Verwaltungsbehörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein Fahrzeug die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Entscheidend ist danach, ob die Behörde vor dem Eintritt der Verfolgungsverjährung alle aus ihrer Sicht notwendigen und zumutbaren Ermittlungen durchgeführt hat, die mit vertretbarem Aufwand erfahrungsgemäß einen hinreichenden Aufklärungserfolg versprechen, und dass diese Ermittlungsbemühungen erfolglos geblieben sind (ebenso HessVGH, Urt. v. 22.03.2005 - 2 UE 582/04 -, NJW 2005, 2411). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Antragsgegner hat die Antragstellerin mehrfach angeschrieben. Da keines dieser Schreiben z.B. von der Post als unzustellbar zurückgesandt worden ist, hatte er nicht Anlass zu der Annahme, dass auch nur eines der Schreiben die Antragstellerin nicht erreicht habe. Der Antragsgegner hat darüber hinaus Ermittlungen dazu angestellt, ob der Bruder der Antragstellerin als Fahrer in Frage komme. Er hat ferner die Polizei in B. mit einer persönlichen Befragung der Antragstellerin beauftragt, die aber trotz wiederholter Versuche nicht zu Stande kam. Weitere Ermittlungsversuche waren für den Antragsgegner aus seiner Sicht damit nicht mehr geboten und waren ihm auch nicht zuzumuten. Damit sind die Voraussetzungen nach § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO für den Erlass einer Fahrtenbuchauflage auch unabhängig davon, ob die Antragstellerin die Schreiben der Behörde erhalten hat oder ob sie eine Stellungnahme einfach unterlassen hat, erfüllt.

Ende der Entscheidung

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