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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 02.04.2009
Aktenzeichen: 12 ME 53/09
Rechtsgebiete: 4. BImSchV
Vorschriften:
4. BImSchV § 1 Abs. 1 S. 4 | |
4. BImSchV § 1 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 |
Gründe:
Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen eine der Beigeladenen erteilte und für sofort vollziehbar erklärte Genehmigung zum Betrieb eine Dampferzeugungsanlage.
Die Antragstellerin betreibt in C. unter der Bezeichnung "Campotel" einen Campingplatz nebst Saunalandschaft, Wellness- und Beautyanlagen etc. Etwa 1.900 m südöstlich des Campingplatzes betreibt die Firma D. Tierprodukte GmbH (Fa. D.) eine Anlage zur Herstellung von Tierfutter sowie anderen Produkten aus Schlachtabfällen. Die zu dem Antrieb von Maschinen und anderen Einrichtungen benötigte Prozesswärme/Prozessdampf sowie die elektrische Energie für diese Anlage produziert die Fa. D. bisher mit Hilfe der eigenen aus zwei Kesselanlagen bestehenden Dampferzeugungsanlage. Im März 2007 schloss die Fa. D. einen Vertrag mit der Beigeladenen, mit dem diese sich verpflichtete, die Versorgung des Betriebes der Fa. D. mit Dampf und Elektrizität für die Zeit von 13,5 Jahren sicherzustellen. Ob die bestehende Dampferzeugungsanlage der Fa. D. nur als Reserveanlage für Wartungs- und Ausfallzeiten der neuen Anlage bestehen bleiben soll oder - jedenfalls zum Teil - zur Deckung von "Spitzen" neben der geplanten Anlage betrieben werden soll, ist zwischen den Beteiligten streitig.
Im Oktober 2007 beantragte die Beigeladene, ihr eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung zum Bau und Betrieb einer Dampferzeugungsanlage in der Form eines mit Braunkohlestaub betriebenen Wasserkessels zur Produktion von Dampf mit einer Feuerungswärmeleistung von 14,8 MW und einer nachgeschalteten Dampfturbine mit einer elektrischen Leistung von 620 kW zu genehmigen. Standort sollte das Betriebsgelände der Fa. D. sein. In technischer Sicht stellt sich die Anlage wie folgt dar: Über eine Rohrleitung wird aus dem Betrieb der Fa. D. Wasser in den Dampferzeuger der Beigeladenen geleitet und dort verdampft. Der entstehende Dampf sowie die mittels der Dampfturbine im Betreib der Beigeladenen gewonnene Energie werden sodann über eine Rohrleitung in den Betrieb der Fa. D. zurückgeführt und dort verteilt. Das im Bereich des Heizkraftwerkes der Beigeladenen entstehende Schmutzwasser und das Oberflächenwasser sollen in die Abwasserentsorgungsanlage bzw. das entsprechende Entwässerungssystem der Fa. D. entsorgt werden.
Im Genehmigungsverfahren erhob die Antragsstellerin unter dem 23. April und 7. Mai 2008 Einwendungen. Sie machte insbesondere geltend, die von ihr betriebene Freizeit- und Erholungsanlage erfordere einen erheblichen Investitionsaufwand und schon der Voreigner habe u.a. wegen des zeitweise gesundheitlich nicht mehr zu vertretenen Gestanks der Fa. D. Insolvenz anmelden müssen. Schon die Diskussionen um das geplante Heizkraftwerk hätten zu sich häufenden Absagen früherer Kunden geführt.
Unter dem 9. September 2008 erteilte der Antragsgegner der Beigeladenen die beantragte Genehmigung und ordnete unter Darlegung der entsprechenden Gründe die sofortige Vollziehung des Bescheides an. Die Genehmigung wurde am 24. September 2008 öffentlich bekannt gemacht. Gegen die Genehmigung hat die Antragstellerin unter dem 25. September 2008 Widerspruch erhoben und beim Verwaltungsgericht um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag der Antragstellerin stattgegeben und zur Begründung ausgeführt: Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache, an denen sich die im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes vorzunehmende Interessenabwägung regelmäßig orientiere, seien offen. Nachbarschutz könne die Antragstellerin aus dem Schutzgebot des § 5 Abs. 1 (Satz 1) Nr. 1 BImSchG herleiten. Es fehle derzeit an einer tragfähigen Beurteilungsgrundlage hinsichtlich der betriebsbedingten Immissionen, so dass nicht verlässlich eingeschätzt werden könne, ob die aus dem Schutzgebot folgenden Nachbarrechte der Antragstellerin verletzt seien. Eine solche Grundlage ergebe sich entgegen der Auffassung des Antragsgegners und der Beigeladenen nicht aus den im Zuge des Genehmigungsverfahrens eingeholten Gutachten des TÜV Nord. Die Gutachten zur Luft- und Lärmbelastung bezögen sich nämlich lediglich auf die Anlage der Beigeladenen, ohne die Immissionen aus der bestehenden Dampferzeugungsanlage der Fa. D. zu berücksichtigen. Beide Anlagen seien aber als gemeinsame Anlage im Sinne des Immissionsschutzrechts zu qualifizieren. Es sei nach Lage der Dinge nämlich davon auszugehen, dass sich der Einsatz der bestehenden (alten) Anlage der Fa. D. nicht auf ganz wenige Fälle beschränke und deshalb zu vernachlässigen sei. Auch unterstünden beide Anlagen faktisch demselben Betreiber, nämlich einer aus der Beigeladenen und der Fa. D. bestehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Vor dem Hintergrund der offenen Erfolgsaussichten in der Hauptsache sei unter Berücksichtigung der übrigen Interessen der Beteiligten zu entscheiden. Diese Abwägung der pekuniären Interessen der Beigeladenen mit dem Interesse der Antragstellerin am Schutz und der Nutzbarkeit ihres Grundstückes falle zugunsten der Antragstellerin aus.
Dagegen haben der Antragsgegner und die Beigeladene Beschwerde eingelegt. Der Antragsgegner macht im Wesentlichen geltend: Das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht von einer gemeinsamen Anlage ausgegangen. Schon vor dem Hintergrund, dass die beiden Dampferzeugungsanlagen unterschiedliche Betreiber hätten - einmal die Beigeladene und zum anderen die Fa. D. - könne nicht von einer gemeinsamen Anlage ausgegangen werden. Zudem diene die Dampferzeugungsanlage der Fa. D. als reine Reserveanlage und ein Parallelbetrieb beider Anlagen sei nicht geplant. Selbst wenn aber eine Gesamtbetrachtung beider Anlage vorgenommen werde, sei eine Verletzung der aus dem Schutzgebot abzuleitenden Nachbarrechte der Antragstellerin offensichtlich ausgeschlossen. Die Vorbelastung durch die Feuerungsanlage der Fa. D. sei nämlich so gering, dass selbst bei hypothetischer Verdoppelung der Zusatzbelastung an keiner Stelle im Beurteilungsgebiet mit schädlichen Umwelteinwirkungen zu rechnen sei. Insoweit bezieht sich der Antragsgegner auf eine Stellungnahme des Staatlichen Gewerbeaufsichtsamtes Hildesheim - Zentrale Unterstützungsstelle Luftreinhaltung und Gefahrstoffe.
Die Beigeladenen führt aus, der Antrag der Antragsstellerin sei schon unzulässig. Den Widerspruch habe eine "Campotel Dr. E. GmbH" erhoben und Antragstellerin sei eine "Dr. E. GmbH". Diese könne aber nicht die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines "fremden" Widerspruchs verlangen. Darüber hinaus sei die vom Verwaltungsgericht angenommene Verknüpfung der beiden Dampferzeugungsanlagen zu einer gemeinsamen Anlage rechtlich unhaltbar. Die bestehende Dampferzeugungsanlage der Fa. D. stelle vielmehr eine Nebeneinrichtung zur bestehenden Hauptanlage der Fa. D. zur Herstellung von Futtermitteln aus Schlachtabfällen dar. Aus dieser genehmigungsrechtlichen Verklammerung könne die bestehende Dampferzeugungsanlage nicht gelöst werden. Eine Anlage könne aber nicht zugleich genehmigte Nebeneinrichtung einer Hauptanlage sein und zugleich als "gemeinsame Anlage" mit einer neuen Dampferzeugungsanlage eines anderen Betreibers einer eigenständigen Genehmigung bedürfen. Darüber hinaus treffe die Annahme des Verwaltungsgerichtes, beide Dampferzeugungsanlagen stünden faktisch unter der gemeinsamen Leitung der Fa. D. und der Beigeladenen im Rahmen einer GbR nicht zu. Tatsächlich habe sie - die Beigeladene - keinerlei Mitspracherecht hinsichtlich der bestehenden Dampferzeugungsanlage und die Fa. D. keinerlei Befugnisse hinsichtlich der neuen Anlage. Die bestehende Dampferzeugungsanlage bleibe zudem lediglich als reine Reserveanlage bestehen. Auch sei der aus dem Schutzgebot des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG resultierende Nachbarschutz auch noch bei einer Verdoppelung der Zusatzbelastung sichergestellt.
II.
Die zulässigen Beschwerden des Antragsgegners und der Beigeladenen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts, mit dem dieses die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die der Beigeladenen erteilte Genehmigung vom 9. September 2008 wiederhergestellt hat, haben in der Sache Erfolg.
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts ist zu ändern und der Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die der Beigeladenen erteilten Genehmigung abzulehnen, weil der Widerspruch voraussichtlich keinen Erfolg haben wird. Nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage auf der Grundlage des Beschwerdevorbringens (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) ist überwiegend wahrscheinlich, dass durch die erteilte Genehmigung an die Beigeladene Rechte der Antragstellerin nicht verletzt werden (§ 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Interesse der Beigeladenen, möglichst bald von der Genehmigung Gebrauch machen zu können, überwiegt deshalb das Interesse der Antragstellerin, vor Eintritt der Bestandskraft des angegriffenen Bescheides von Auswirkungen, die mit dem Betrieb der Anlage verbunden sind, verschont zu bleiben.
1. Die Antragstellerin kann - wie vom Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt - Nachbarschutz für sich allein aus dem Schutzgebot des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG herleiten. Danach sind genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können. Diese Bestimmung ist für die Nachbarn drittschützend. Nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung verstößt die der Beigeladenen erteilte Genehmigung nicht gegen dem Schutz der Antragstellerin dienende Vorschriften des öffentlichen Rechts. Insbesondere bieten - entgegen der Einschätzung des Verwaltungsgerichts - die Gutachten des TÜV Nord vom 21. März 2007 i.d.F. vom 6. März 2008 und 3. April 2008 sowie vom 20. September 2007 eine hinreichende Grundlage für die Beurteilung der zu erwartenden Immissionen der geplanten Anlage. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Gutachter bei der Erstellung der Stellungnahmen die Anlage der Beigeladenen als eigenständig und nicht als gemeinsame Anlage mit der bestehenden Dampferzeugungsanlage der Fa. D. eingestuft haben.
Wie der Verordnungsgeber mit der Ergänzung in § 1 Abs. 1 Satz 4 der 4. BImSchV klargestellt hat (Art. 1 der Verordnung vom 20.6.2005, BGBl. I S. 1687), kann eine Anlage grundsätzlich nur einen Anlagenbetreiber haben. Deshalb ist dasselbe Betriebsgelände im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 der 4. BImSchV und damit eine gemeinsame Anlage regelmäßig dann nicht mehr gegeben, wenn die einzelnen Teilanlagen von verschiedenen natürlichen oder juristischen Personen betrieben werden (vgl. Jarass, BImSchG, 7. Auflage, § 4 Rn. 18 a und 21 a; Ludwig, in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht Bd. 2, § 1 4. BImSchV, Rn. 22; Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. 2, § 1 4. BImSchV, Rn. 26; Böhm, in: GK-BImSchG, § 4 Rn. 63). Betreiber einer Anlage ist derjenige, der die Anlage in seinem Namen, auf seine Rechnung und in eigener Verantwortung führt. Maßgeblich ist, wer unter Berücksichtigung sämtlicher konkreter rechtlicher, wirtschaftlicher und tatsächlicher Gegebenheiten bestimmenden Einfluss auf die Errichtung, die Beschaffenheit und den Betrieb der Anlage ausübt. Regelmäßig richtet sich die Möglichkeit des bestimmenden Einflusses nach den privatrechtlichen Verhältnissen an der Anlage, also danach, wer nach den zu Grunde liegenden Verhältnissen weisungsfrei und selbständig entscheiden kann. Betreiber ist danach bei rechtlicher und wirtschaftlicher Betrachtungsweise derjenige, dem die Entscheidung über die für die Erfüllung umweltrechtlicher Pflichten relevanten Umstände obliegt. Betreiber in diesem Sinne kann ausnahmsweise auch eine Personenmehrheit sein. Die dafür erforderlichen Voraussetzungen dürften im vorliegenden Fall nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen summarischen Prüfung im Falle der Fa. D. und der Beigeladenen jedoch nicht vorliegen.
Es ist anerkannt, dass auch dann nur ein Anlagenbetreiber vorhanden ist, wenn zwar juristisch verschiedene Träger der einzelnen Anlagen geschaffen worden sind, diese aber in einem solchen Abhängigkeitsverhältnis zueinander stehen, dass letztlich doch eine Person, eine bestimmte Personenmehrheit oder aber die Gesamtheit den bestimmenden Einfluss auf den Betrieb der Gesamtanlage hat (vgl. Jarass, a.a.O., § 3 Rn. 81, 83 und 84 sowie § 4 Rn. 18 a und 21 a; Hansmann, a.a.O., § 1 der 4. BImSchV Rn. 26; Ludwig, a.a.O., § 1 4. BImSchV Rn. 23; Friedrich, Umweltrechtliche Folgen einer Aufteilung bestehender Anlagen auf mehrere Betreiber, NVwZ 2002, 1174 ff, Müggenborg, Umweltrechtliche Anforderungen an Chemie und Industrieparks, 2008, S. 75; ders., Das Phänomen von Industrieparks, DVBl. 2001, 417 ff, OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 27.11.2008 - 8 B 1476/08 -, juris).). Diese Definition soll dem Konzernrecht Rechnung tragen (vgl. Jarass, aaO, § 4 Rn. 22a; Müggenborg, Umweltrechtliche Anforderungen an Chemie und Industrieparks, S. 75) und Fälle erfassen, in denen etwa eine Konzernmutter einen derart starken Einfluss auf die Tochtergesellschaft hat, dass sich ihr Einfluss tatsächlich auf den Betrieb der Anlage auswirkt. Dies belegt, dass der Begriff des "Abhängigkeitsverhältnisses" sich insoweit auf die "Träger" und nicht auf die "Anlagen" bezieht. Demnach kommt es nicht darauf an, wie sich die verschiedenen Anlagen bzw. Anlagenteile zueinander verhalten, sondern ob die betreffenden Unternehmen rechtlich in derart enger Beziehung zueinander stehen, dass insoweit von einem "Abhängigkeitsverhältnis" der verschiedene Träger ausgegangen werden kann. Dieses Ergebnis wird auch dadurch bekräftigt, dass bei der Bestimmung der Betreibereigenschaft immer maßgeblich darauf abgestellt wird, wer weisungsfrei und selbständig die Entscheidung über die für die Erfüllung umweltrechtlicher Pflichten relevanten Umstände trifft. Dieses ist nach derzeitigem Kenntnisstand im vorliegenden Fall aber unstreitig die Fa. D. für die von ihr betriebenen Anlagen und die Beigeladene für ihre Dampferzeugungsanlage. Zwar bestehen in tatsächlicher Hinsicht zwischen den Anlagen unstreitig sehr enge Verflechtungen. Es ist jedoch auch von der Antragstellerin nicht geltend gemacht, dass die Beigeladene eine Entscheidungsbefugnis hinsichtlich der Dampferzeugungsanlage oder gar des Haupt(produktions)betriebes der Fa. D. hätte, und auch die Einwirkmöglichkeiten der Fa. D. auf die Dampferzeugungsanlage der Beigeladenen sind nach Lage der Dinge wohl nicht rechtlicher, sondern eher tatsächlicher Art. Der Umstand, dass die Betreiber zum Betrieb ihrer jeweiligen Anlagen in tatsächlicher Hinsicht aufeinander angewiesen sind und ohne den jeweils anderen nicht produzieren können, reicht jedoch für sich genommen - selbst bei einer derart engen Verquickung wie hier - nicht aus, um unter dem Gesichtspunkt der Abhängigkeit von einer gemeinsamen oder etwa einer einheitlichen aus den beiden Dampferzeugungsanlagen und der Hauptanlage der Fa. D. bestehenden Anlage auszugehen.
Eine Gesamtverantwortung mehrerer Personen kann auch dann vorliegen, wenn eine Anlage gemeinschaftlich genutzt wird, ohne dass nach den zu Grunde liegenden Vereinbarungen den Einzelnen bestimmte räumliche und/oder technische Anlagenbereiche zugewiesen sind (vgl. Friedrich, NVwZ 2002, 1174, 1176). Liegt insoweit eine ausdrückliche Organisation nicht vor, kann die Gesamtheit der Beteiligten als Gesellschaft Bürgerlichen Rechts (GbR) zu qualifizieren sein (vgl. Friedrich, aaO, S. 1177). Im vorliegenden Fall wird jedoch nach derzeitigem Kenntnisstand schon nicht eine Anlage gemeinschaftlich genutzt. Vielmehr existieren abgegrenzte Anlagen der Fa. D. und der Beigeladenen, auch wenn sie für die Produktion aufeinander angewiesen sind. Darüber hinaus ist angesichts der Umstände hier aber auch nicht von einem Willen der Fa. D. und der Beigeladenen zum gemeinsamen Betrieb einer "Gesamtanlage" auszugehen, der den für die Annahme einer GbR erforderlichen gemeinsamen Zweck im Sinne des §§ 705 ff BGB darstellen könnte. Zwar bestehen unstreitig Liefer- und Abnahmeverträge zwischen der Fa. D. und der Beigeladenen. Dass die Beigeladene damit zugleich Betreiberpflichten für die Dampferzeugungsanlage der Fa. D. bzw. die Gesamtanlagen der Fa. D. übernehmen wollte, erscheint jedoch fernliegend. Dies gilt insbesondere, da sie unstreitig insoweit keine Einflussmöglichkeit auf Entscheidungen hinsichtlich der für die Erfüllung umweltrechtlicher Pflichten relevanten Umstände hat, wie es für die Betreibereigenschaft gerade vorausgesetzt wird. Auch die Fa. D. will nach Lage der Dinge die (neue) Dampferzeugungsanlage gerade nicht selbst betreiben, sondern sich den bisher im eigenen Kraftwerk produzierten Dampf und die Energie in Zukunft liefern lassen.
Angesichts dessen ist es nicht zu beanstanden, dass die Gutachter des TÜV Nord davon ausgegangen sind, dass das Heizkraftwerk der Beigeladenen eigenständig und nicht als gemeinsame Anlage mit den Anlagen der Fa. D. zu beurteilen ist. Auf den Vortrag der Antragsgegners auch bei einer Gesamtbetrachtung der Feuerungsanlagen der Fa. D. und der Beigeladenen würden die Immissionswerte für Luftschadstoffe und Schwermetalldepositionen deutlich unterschritten, kommt es somit vor diesem Hintergrund nicht entscheidungserheblich an.
2. Durchgreifende Zweifel an der Brauchbarkeit der Stellungnahmen des TÜV Nord zur Emissionsrelevanz und Immissionsprognose vom 21. März 2007, 6. März 2008 und 3. April 2008 sowie des schalltechnischen Gutachtens vom 20. September 2007 sind nicht ersichtlich. Soweit die Antragstellerin Aussagen der Gutachten anzweifelt und zur Begründung Bezug nimmt auf ein Gutachten des Dipl.-Ing. Peter F. vom 5. Mai 2008, so ist darauf hinzuweisen, dass dieses Gutachten im Gerichtsverfahren nicht vorgelegt wurde. Auch in den Verwaltungsvorgängen findet sich insoweit nur die von der Antragstellerin in ihrem Einwendungsschreiben in Bezug genommene "Zusammenfassung und Schlussfolgerung". Nur die dortigen Darlegungen konnten daher bei der Entscheidung berücksichtigt werden.
Hinsichtlich des Einwandes der Antragstellerin, das TÜV Gutachten gehe zu Unrecht von einer Schornsteinhöhe von 43 m aus, bei korrekter Berechnung ergäbe sich aber eine Mindesthöhe von 60 m, ist schon nicht dargelegt, wie die Antragstellerin auf eine Höhe von 60 m kommt. Sofern sich diese daraus begründet, dass nach ihrer Auffassung statt der angenommenen 8 m als durchschnittliche Höhe des Bewuchses "15 und 25 m" zugrunde gelegt werden müssten, fehlt es insoweit an konkreten Darlegungen zu den tatsächlichen Verhältnissen. Darüber hinaus ist nicht erkennbar, dass sich die - nach Einschätzung der Antragstellerin zu geringe - Höhe des Schornsteins auf ihre subjektiven Rechte auswirken würde. Dass sich bei einer Erhöhung des Schornsteins auf die von ihr geforderte Höhe von 60 m die Immissionen auf ihrem Grundstück verringern würden, ist nicht geltend gemacht und erscheint angesichts der hier gegebenen Abstände auch eher unwahrscheinlich. Darüber hinaus könnte aber selbst bei einer erhöhten Immissionsbelastung ein Nachbarrechtsbehelf nur dann Erfolg haben, wenn die betreffenden Immissionswerte berührt oder überschritten würden. Dies ist hier schon nicht geltend gemacht und zudem nach Lage der Dinge auch bei einer Schornsteinhöhe von 43 m nicht ersichtlich.
Die Antragstellerin hat auch keinen Anspruch darauf, dass die Anlage mit einer Rauchgasentschwefelungsanlage ausgerüstet wird. Dies gilt unabhängig davon, ob - wie in der Zusammenfassung des Gutachtens von Dipl.-Ing. F. geltend gemacht wird - es ausgereifte Technologien gibt, mit denen die Schwefeldioxidkonzentrationen weiter reduziert werden könnten. Die Antragstellerin macht selbst nicht geltend, dass die sich aus der TA Luft ergebenden Immissionswerte insoweit nicht eingehalten seien. Dies erscheint vor dem Hintergrund, dass die vom TÜV Nord ermittelte Zusatzbelastung sich nur knapp oberhalb der Irrelevanzschwelle bewegt, auch fernliegend. Vor diesem Hintergrund kann der Vortrag nur dahingehend verstanden werden, dass trotz Einhaltung der Immissionswerte die Schwefeldioxidkonzentrationen im Sinne der Vorsorge weiter reduziert werden sollten. Dies wird belegt dadurch, dass Dipl.-Ing. F. in der Zusammenfassung ausführt, "insbesondere vor dem Hintergrund der Bemühungen um eine Senkung der vorhandenen Belastung durch Schwefeldioxid in der Atmosphäre ist eine solche Zusatzbelastung nicht akzeptabel". Die immissionsschutzrechtliche Vorsorgepflicht (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG) entfaltet jedoch grundsätzlich keine Schutzwirkung zu Gunsten Drittbetroffener (st. Rsp. vgl. nur jüngst BVerwG, Beschl. v. 16.01.2009 - 7 B 47.08 -, juris, m.w.N), weil sie nicht der Begünstigung eines individualisierbaren Personenkreises, sondern dem Interesse der Allgemeinheit daran dient, potentiell schädlichen Umwelteinwirkungen auch dort vorzubeugen, wo sie keinem bestimmten Emittenten zuzuordnen sind (BVerwG, Urt. v. 17.02.1984 - 7 C 8.82 -, BVerwGE 69, 37 ff). Dementsprechend kann sich die Antragstellerin, selbst wenn sie die Anlage entgegen der Vorgabe des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG nicht im Einklang mit dem Stand der Technik sieht, sich hierauf mangels Rechtsbetroffenheit nicht berufen.
Der Einwand der Antragstellerin, der Dipl.-Ing. F. habe festgestellt, dass sowohl bei PSDD/F als auch bei krebserregenden Stoffen der Klassen 1 und 2 die Massenströme nach Nr. 5.3.3.2 der TA Luft überschritten seien und deshalb eine kontinuierliche Überwachung dieser Parameter festgeschrieben werden müsse, ist mangels Vorlage des Gutachtens nicht nachvollziehbar. Gleiches gilt für die Behauptung, für Gesamtkohlenstoff sei ein Grenzwert von 50 mg/m nach 5.2.5 der TA Luft festzusetzen. Selbst wenn die beiden Behauptungen zuträfen, so würden sie einem Rechtsbehelf der Antragstellerin nicht zum Erfolg verhelfen. Alle unter Nr. 5 der TA Luft genannten Anforderungen - und damit auch die hier erwähnten Nr. 5.3.3.2 und 5.2.5 - dienen ausweislich der Überschrift der "Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen". Die Vorsorgepflicht ist aber - wie dargelegt - gerade nicht drittschützend. Darüber hinaus ist in den Nebenbestimmungen der der Beigeladenen erteilten Genehmigung unter E. Nr. 62 in Verbindung mit Nr. 60 ausdrücklich vorgesehen, dass nach Erreichen des ungestörten Betriebes der Anlage die Emissionen der Dioxine und Furane ermittelt werden. Sollte sich dabei herausstellen, dass tatsächlich der Massenstrom das 5-fache eines der in Nr. 5.2.7 genanten Massenströme überschreitet, so könnte die zuständige Behörde immer noch nach Nr. 5.3.3.2 der TA Luft die kontinuierliche Messung zur Ermittlung der Massenkonzentration fordern.
Entgegen der Darlegung der Antragstellerin begegnet es auch keinen Bedenken, dass die Vorbelastung hinsichtlich der Immissionen nicht ermittelt worden ist; dieses steht vielmehr im Einklang mit Nr. 4.6.1.1 der TA Luft. Danach ist, wenn - wie im vorliegenden Fall vom TÜV Nord in dem Gutachten vom 6. März 2008 in der Tabelle 5.1 dargestellt - die festgelegten Massenströme die Werte nach Tabelle 7 der TA Luft nicht überschreiten, eine Ermittlung der Immissionskenngrößen der Vorbelastung, der Zusatzbelastung und der Gesamtbelastung für das Vorhaben nicht erforderlich. In den dort genannten Fällen wird vielmehr schon nach der Vorschriftenlage davon ausgegangen, dass schädliche Umwelteinwirkungen durch die Anlage nicht hervorgerufen werden. Dass die in dem Gutachten des TÜV Nord in der Tabelle 5.1 aufgeführten Werte nicht zutreffen, hat die Antragstellerin nicht substantiiert geltend gemacht. Soweit im Sinne einer Akzeptanzerhöhung seitens der Antragsgegnerin gleichwohl eine Immissionsbetrachtung veranlasst worden ist, bewegen sich die ermittelten Werte zudem deutlich unterhalb der Immissionswerte. Der Einwand der Antragstellerin, es fehlten Angaben zur Rauigkeitslänge und Verdrängungshöhe und gerade diese seien entscheidend für das Ergebnis einer Immissionsprognose, übersieht, dass sich in der Anlage 3 des Gutachtens diese Angaben finden.
Der gegen das Lämgutachten erhobene Einwand, zur Bestimmung der meteorologischen Korrektur hätte nicht pauschal ein Wert von 2 dB(A) angenommen worden werden dürfen, sondern dieser hätte konkret ermittelt werden müssen, führt ebenfalls nicht zum Erfolg. Selbst wenn man - im Sinne der Antragstellerin - diese 2 dB(A) gänzlich außer Betracht ließe und deshalb statt des seitens des TÜV Nord ermittelten Wertes von 8 dB(A) unterhalb des Richtwertes von einem Wert von 6 dB(A) unterhalb des Richtwertes ausginge, hätte es der von der Antragstellerin geforderten Ermittlung der Vorbelastung nicht bedurft. Nach Nr. 3.2.1 der TA Lärm kann ein Vorhaben unabhängig von der bestehenden Vorbelastung genehmigt werden, wenn die Zusatzbelastung durch die geplante Anlage mindestens 6 dB(A) unterhalb der Immissionsrichtwerte liegt.
Hinsichtlich der Ausführungen zu der Beschaffenheit des Bodens ist darauf zu verweisen, dass die von der Antragstellerin insoweit zitierten Stellungnahmen der unteren Bodenschutzbehörde überholt sind. Den dortigen Bedenken wurde durch die nach der Genehmigung Teil III. H Nr. 87 einzubauende Gasdrainage Rechnung getragen. Wie unter "13.3 Angaben zum Bodenschutz" der Antragsunterlagen i.V.m. Abschn. II der Genehmigung dargestellt, soll diese Gasdrainage, gerade vor dem Hintergrund, dass die Bodenluftuntersuchungen keine eindeutige Aussage zuließen, aus Vorsorgegesichtpunkten evtl. Methangasbildung aus dem Untergrund erfassen und gefahrlos an die Oberfläche ableiten (Konzept zur Errichtung eines Gasfassungssystems vom 21.4.2008, S. 3).
Dass die Antragstellerin geltend macht, die Entsorgung des Schmutz- und des Regenwassers sei nicht gewährleistet, führt ebenfalls nicht zum Erfolg des Antrages. Zunächst ist schon fraglich, ob die Antragstellerin, deren Grundstück in 1.900 m Entfernung gelegen ist, diesen Belang überhaupt zulässigerweise rügen kann. Darüber hinaus tragen die Einwände aber auch in der Sache nicht. Die Genehmigung sieht vor, dass das anfallende Schmutzwasser an die Kläranlage der Fa. D. übergeben und Regenwasser in das Entwässerungssystem der Fa. D. geleitet wird. Soweit die Antragsgegnerin meint, es stehe zu befürchten, dass die Kapazitäten der Fa. D. zur Wasserspeicherung und ordnungsgemäßen Entsorgung nicht ausreichten und daher Überschwemmungen drohten, ist nicht erkennbar, worauf sich ihre Befürchtungen gründen. Dies gilt insbesondere, weil unstreitig ist, dass die Anlage der Beigeladenen im Wesentlichen an die Stelle der bisherigen Dampferzeugungsanlage der Fa. D. treten soll. Vor diesem Hintergrund scheint auch die Aussage durch den Neubau entstünden "keine Mehrmengen an Abwasser" (vgl. Antragsunterlagen unter "10.1.2. Produktionsabwasser") plausibel. Selbst wenn man aber mit der Antragstellerin davon ausgeht, dass die Heizkraftanlage der Fa. D. zur Spitzenlastabdeckung zusätzlich zur Anlage der Beigeladenen betrieben werden kann (so auch Stellungnahme des TÜV Nord vom 6.3.2008, S. 10), ist nicht erkennbar, dass die nur in diesen Zeiten entstehenden Mehrmengen an Abwasser von der Kläranlage der Fa. D. nicht bewältigt werden könnten.
Ende der Entscheidung
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