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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 17.12.2008
Aktenzeichen: 12 OA 347/08
Rechtsgebiete: GKG


Vorschriften:

GKG § 52 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Der Antragsteller hat sich im erstinstanzlichen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb eines Jungsauenaufzuchtstalles gewandt, die der Antragsgegner dem Beigeladenen mit Bescheid vom 3. Juni 2008 erteilt hat. Zur Begründung hat er im Wesentlichen geltend gemacht, in nahe gelegenen besonders geschützten Gebieten sei insbesondere wegen Ammoniakemissionen mit erheblichen Umwelteinwirkungen auf Tiere, Pflanzen und Wasser zu rechnen.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes durch den im Tenor bezeichneten Beschluss abgelehnt und den Wert des Streitgegenstandes auf der Grundlage der §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung der Nrn. 1.2 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit auf 7.500,-- Euro festgesetzt.

Mit seiner Streitwertbeschwerde begehrt der Prozessbevollmächtigte des Beigeladenen eine Heraufsetzung des Streitwertes auf 60.000,-- Euro.

II.

Die Beschwerde hat teilweise Erfolg.

Sie ist zulässig. Sie konnte insbesondere durch den Prozessbevollmächtigten des Beigeladenen im eigenen Namen erhoben werden (§ 32 Abs. 2 Satz 1 RVG).

Die so verstandene Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Beigeladenen ist zum Teil begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auf der Grundlage der §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung der Nrn. 1.2 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit mit einem Betrag von 7.500,-- Euro zu niedrig festgesetzt. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts war daher zu ändern und der Streitwert auf 15.000,-- Euro festzusetzen.

Nach § 52 Abs. 1 GKG, der nach § 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG Anwendung findet, ist der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Antragstellers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Der Senat orientiert sich dabei in seiner ständigen Streitwertpraxis regelmäßig an den Streitwertempfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327). Nach Nr. 1.2 sind für den Streitwert bei Verbandsklagen die Auswirkungen der begehrten Entscheidung auf die vertretenen Interessen maßgeblich; der Streitwert soll mindestens 15.000,-- Euro betragen. Es kommt also maßgeblich auf die Auswirkungen der begehrten Entscheidung auf die vom Antragsteller vertretenen naturschutzfachlichen Interessen an. Daher sind insbesondere entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten des Beigeladenen - wie auch sonst bei Klagen/Anträgen eines Drittbetroffenen grundsätzlich nicht die Bau- oder Investitionskosten des streitigen Vorhabens maßgeblich. Der Antragsteller fördert als nach Bundes- und Landesnaturschutzrecht anerkannter Naturschutzverband die Ziele des Umwelt- und Naturschutzes einschließlich der Landschaftspflege (§ 2 der Satzung des Antragstellers vom 19. April 2008). Dieses Eintreten für öffentliche Belange entzieht sich zwar regelmäßig einer wirtschaftlichen Bewertung. § 52 Abs. 1 GKG stellt aber allgemein auf die "sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebende Bedeutung der Sache" ab und lässt damit zu Zwecken einer angemessenen Streitwertbemessung auch die Bewertung ideeller - also nicht wirtschaftlicher - Interessen zu (BVerwG, Urt. v. 22.3.1995 - 11 A 1.95 -, NVwZ-RR 2006, 237, insoweit in BVerwGE 98, 100 nicht abgedruckt). Der Senat orientiert sich insoweit an der Streitwertpraxis des Bundesverwaltungsgerichts, das den Streitwert in Verfahren von Naturschutzvereinen üblicherweise mit 30.000,-- Euro festsetzt (zusammenfassend und mit weiteren Nachweisen: Beschl. v. 31.1.2006 - 4 B 49.05 -, NVwZ 2006, 823). Der Antragsteller machte im Wesentlichen geltend, in nahe gelegenen besonders geschützten Gebieten sei insbesondere wegen Ammoniakemissionen mit erheblichen Umwelteinwirkungen auf Tiere, Pflanzen und Wasser zu rechnen. Betroffen seien das FFH-Gebiet "Beuster", das Naturschutzgebiet "Schwarze Heide", ein kartiertes Biotop mit landesweiter Bedeutung für Arten und Lebensgemeinschaften (Keupermergelhang), ein wertvoller Bereich für Brutvögel mit landesweiter Bedeutung, ein wertvoller Bereich für Brutvögel mit regionaler Bedeutung, die für die Fauna wertvollen Bereiche "Beuster" und "Schwarze Heide" und das kartierte Biotop "Schwarze Heide". Die Berechnungen zu Geruchs-, Staub- und Ammoniakemissionen und -immissionen seien fehlerhaft. Dieses Vorbringen und die damit mit dem erstinstanzlichen Verfahren verfolgten Interessen bewegten sich in dem in solchen Verfahren nicht unüblichen Rahmen. Daher hält es der Senat für angemessen und sachgerecht, dem Bundesverwaltungsgericht folgend grundsätzlich und auch hier von einem Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren in Höhe von 30.000,-- Euro auszugehen.

Demgegenüber wäre es nicht angezeigt, lediglich den Mindestwert von 15.000,-- Euro als Basis für die Streitwertfestsetzung zugrunde zu legen. Ein Streitwert in dieser Höhe oder ausnahmsweise sogar darunter kommt nach Auffassung des Senats beispielsweise dann in Betracht, wenn es dem jeweiligen Verein oder Verband nur um die Wahrnehmung seiner Beteiligungsrechte geht oder das jeweilige Verfahren aus anderen Gründen eine vom Üblichen abweichenden, geringeren Prüfungsumfang oder eine mindere Bedeutung hat (vgl. Senatsbeschl. v. 24.4.2008 - 12 ME 102/08 -, in dem es lediglich um den Erlass eines sog. Hängebeschlusses ging). Dafür ist vorliegend jedoch nichts ersichtlich. Auch der Antragsteller zeigt insoweit keine Besonderheiten auf.

Eine noch höhere Wertfestsetzung hält der Senat nach dem zuvor Gesagten nicht für geboten, so dass die weitergehende Beschwerde zurückzuweisen war. Ohne Erfolg beruft sich der Prozessbevollmächtigte des Beigeladenen insbesondere auf Nr. 2.3 des Streitwertkatalogs. Dort wird für die Klagen einer drittbetroffenen Gemeinde ein Streitwert in Höhe von 60.000,-- Euro empfohlen. Angesichts der unterschiedlichen Verfahrensgegenstände erscheint es nicht angemessen und sachgerecht, den Streitwert in Verfahren der vorliegenden Art in gleicher Höhe anzusetzen (vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 31.1.2006, a.a.O.).

Die auf der Basis der Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs vorgenommene Halbierung des Streitwertes ist sachgerecht, entspricht der ständigen Streitwertpraxis des Bundesverwaltungsgerichts und des Senats in Verfahren dieser Art und wird mit der Beschwerde auch nicht angegriffen.

Diese Streitwertfestsetzung und die auf dieser Grundlage vom Antragsteller zu tragenden Kosten stehen auch nicht im Widerspruch zu europarechtlichen Vorgaben. Das Gesetz über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Umweltangelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/35/EG (Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz) dient der Umsetzung der Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG des Rates in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten (ABl. L 156 vom 25. Juni 2003, S. 17). Durch Art. 3 dieser Richtlinie wurde die EG-Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. L 175 vom 5. Juli 1985, S. 40) - UVP-RL - geändert und ergänzt. Nach dem neu eingefügten Art. 10a UVP-RL stellen die Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicher, dass Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit - wozu nach Art. 1 Abs. 2 UVP-RL auch Nichtregierungsorganisationen gehören, die sich für den Umweltschutz einsetzen - Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle haben, um die materiellrechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten, für die die Bestimmungen dieser Richtlinie über die Öffentlichkeitsbeteiligung gelten. Die Verfahren werden nach Art. 10a UVP-RL "fair, gerecht, zügig und nicht übermäßig teuer durchgeführt". Die Belastung mit Verfahrenskosten ist einem klagebefugten Verein danach gemeinschaftsrechtlich zumutbar, wenn und soweit diese nicht übermäßig hoch sind. Dem wird mit der Streitwertpraxis des Bundesverwaltungsgerichts und hier mit der Festsetzung eines Streitwertes in Höhe von 15.000,-- Euro für das Eilverfahren hinreichend Rechnung getragen. Dieser Betrag ist unter Berücksichtigung von Art und Bedeutung des hier angegriffenen Vorhabens, des Umfangs der im erstinstanzlichen Verfahren angezeigten Überprüfung und der geltend gemachten weit reichenden Interessen nicht unangemessen. Schon die bisherige Rechtsprechung zu Verbandsklagen lässt erkennen, dass Kosten der hier in Rede stehenden Höhe nicht dazu führen, dass gesetzlich eröffnete Klagemöglichkeiten ungenutzt bleiben (vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 30.4.2008 - 8 D 20/08.AK -, DVBl. 2008, 1139 - nur Leitsatz).

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