Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 08.07.2008
Aktenzeichen: 13 LA 7/08
Rechtsgebiete: FIHV, LFBG, LMBG, VO (EG) 853/2004


Vorschriften:

FIHV § 2 Nr. 7 a
FIHV § 10 Abs. 9
LFBG § 11 Abs. 1
LMBG § 17 Abs. 1 Nr. 5
VO (EG) 853/2004
1. "3-mm Fleisch) unterfällt auch nach der einschlägigen VO (EG) dem Begriff "Separatorenfleisch".

2. Steht die tatsächliche Beschaffenheit des gewonnenen Produkts - 3-mm Fleisch - fest, besteht kein Raum für die Einholung eines (weiteren) Sachverständigengutachtens.Bei der Feststellung, dass das Fleisch dem Begriff "Separatorenfleisch" unterfällt, handelt es sich um eine reine Rechtsanwendung.


Gründe:

Der Zulassungsantrag bleibt ohne Erfolg. Die von der Klägerin geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit umfassender und zutreffender Begründung zu Recht abgewiesen. Die angefochtene Untersagungsverfügung des Beklagten vom 28. Oktober 2004 ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat der Klägerin auf der Grundlage des § 17 Abs. 1 Nr. 5 LMBG iVm §§ 2 Nr. 7a, 10 Abs. 9 FIHV zu Recht untersagt, die in ihrem Betrieb unter den Artikelnummern 2804 und 2805 mit der Bezeichnung "MDM Verarbeitungsfleisch" hergestellten Produkte unter einer anderen als der Bezeichnung "Separatorenfleisch" geführten Bezeichnung bei der Abgabe der in Rede stehenden Produkte an im deutschsprachigen Verkaufsraum ansässige Dritte zu verwenden.

1. Der Senat hat keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Ernstliche Zweifel in diesem Sinne sind dann gegeben, wenn gegen die Richtigkeit des Urteils nach summarischer Prüfung gewichtige Gesichtspunkte sprechen, wovon immer dann auszugehen ist, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt wird. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

Entgegen der Auffassung der Klägerin handelt es sich bei dem betroffenen Fleisch um sog. "Separatorenfleisch", das jedenfalls im deutschsprachigen Verkaufsraum ausschließlich unter dieser Bezeichnung in den Verkehr gebracht werden darf. Jedes Inverkehrbringen unter einer anderen Bezeichnung ist irreführend und nach § 11 Abs. 1 LFBG verboten.

Bei der Bezeichnung "Separatorenfleisch" handelt es sich um einen Rechtsbegriff, dessen Bestimmung nach nationalem Recht, das von EU-Recht überlagert ist, zu erfolgen hat. Nach § 2 Ziffer 7a FIHV ist Separatorenfleisch ein Erzeugnis, "das nach dem Entbeinen durch maschinelles Abtrennen von frischem Fleisch (Restfleisch) von Knochen, ausgenommen Kopfknochen und Röhrenknochen sowie Gliedmaßenden unterhalb der Karpal- oder Tarsalgelenke und Schweineschwänze, gewonnen worden ist."

Nach der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 Anhang I Nr. 1.14 wird Separatorenfleisch als ein Erzeugnis definiert,

"das durch Ablösung des an fleischtragenden Knochen nach dem Entbeinen bzw. an den Geflügelschlachtkörpern haftenden Fleisches auf maschinelle Weise so gewonnen wird, dass die Struktur der Muskelfasern sich auflöst oder verändert wird."

Die Voraussetzungen des § 2 FIHV liegen unstreitig vor; denn die Klägerin gewinnt das infrage stehende Fleisch auf maschinellem Wege. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht die Auffassung des Beklagten bestätigt, dass darüber hinaus auch die Tatbestandsmerkmale der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 gegeben sind; denn das von der Klägerin gewonnene sog. "3-mm-Fleisch" unterfällt der dortigen Definition. Dabei hat das Verwaltungsgericht auch zu Recht auf das von der Klägerin selbst vorgelegte Gutachten des Prof. Dr. Erdmann vom 10. März 2003 abgestellt. Dort unterscheidet der Gutachter nämlich zwischen minderwertigem Separatorenfleisch, welches einen extrem hohen Zelldeformationsgrad und deshalb eine amorphe Struktur ohne natürlichen Zusammenhang aufweist, und dem 3-mm-Fleisch mit Verbänden weitgehend erhaltener Skelettmuskulatur, Fett- und Bindegewebe (Punkt 7 des Gutachtens), letztlich also höherwertigem Separatorenfleisch. Auch wenn die Verbände nach dem Gutachten weitgehend erhaltene Strukturen aufweisen, unterfällt ein Fleischprodukt, das (lediglich) einen Anteil von Fleisch enthält, bei dem sich die Struktur der Muskelfasern im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 aufgelöst hat oder verändert worden ist, ebenfalls dem Begriff des "Separatorenfleisches".

Diese Auffassung vertritt auch das Bundesinstitut für Risikobewertung in seiner Stellungnahme Nr. 038/2006 vom 16. Juni 2006. Das Bundesinstitut geht davon aus, dass grundsätzlich bei einer Körnung von Fleisch im 3-mm-Bereich die Muskelfaserstruktur zumindest teilweise verändert und in Teilen auch aufgelöst wird.

Der Beklagte verweist ferner zu Recht auf den Erlass des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 13. November 2006. Darin wird die Auffassung der Europäischen Kommission mitgeteilt, wonach in Anhang III Abschnitt IV Kapitel III Punkt 3 und 4 der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 zwei Arten von Separatorenfleisch deutlich zu unterscheiden seien, aber beide Arten - also auch das sog. "3-mm-Fleisch" - als Separatorenfleisch zu gelten hätten. Die von der Klägerin geäußerten Zweifel an der Richtigkeit dieser Aussage sind unsubstantiiert. Besichtigungen der Kommission in einem der Betriebe der Klägerin sowie von der Kommission veranlasste Laboruntersuchungen stehen demnach ersichtlich nicht mit der erörterten Frage in Zusammenhang. Der Beklagte hat darauf hingewiesen, dass lediglich eine Neufassung der Kennzeichnungsrichtlinie erwogen werde.

Der Anhang I Nr. 1.14 der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 stellt nach seinem Wortlaut nur darauf ab, ob sich die Struktur der Muskelfasern - und nicht etwa auch die Zellstrukturen der Muskeln - infolge der mechanischen Gewinnung auflösen oder verändern. Der Erwägungsgrund 20 Satz 1 der VO spricht davon, dass die Definition von Separatorenfleisch so allgemein gefasst sein soll, dass sie alle Verfahren des mechanischen Ablösens abdeckt. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift soll ein maschinelles Abtrennen allerdings - aber auch nur dann - nicht erfasst werden, wenn die Struktur der Muskelfasern bezogen auf das gesamte Fleischstück nur punktuell verändert wird, also derart große und zusammenhängende Fleischstücke gewonnen werden, dass diese für sich genommen faktisch verkehrsfähig sind, wie z.B. eine Hähnchenbrust (OVG Münster, Beschl. v. 28.03.2007 - 13 B 2254/06 -, zit. nach Juris). Davon kann bei dem von der Klägerin gewonnenen "3-mm-Fleisch" aber nicht die Rede sein.

Unbeachtlich ist schließlich die offenbar im Verhältnis zu anderem mechanisch gewonnenen Fleisch höhere Qualität des "3-mm-Fleisches". Die unterschiedliche Qualität von Separatorenfleisch führt nur zu Veränderungen der Hygienebedingungen (OVG Münster, aaO., mit Nachweis).

Nach allem handelt es sich bei den infrage stehenden Produkten der Klägerin um "Separatorenfleisch", das lediglich unter dieser Bezeichnung im deutschen Sprachraum in den Verkehr gebracht werden darf.

Entgegen der Auffassung der Klägerin führt die Untersagungsverfügung des Beklagten auch nicht zu einer sog. "Inländerdiskriminierung", weil ausländische Hersteller vergleichbare Fleischprodukte im deutschsprachigen Raum nicht unter der Bezeichnung "Separatorenfleisch" in den Verkehr bringen. Aus einem etwaigen Vollzugsdefizit der einschlägigen Rechtsvorschriften kann die Klägerin nicht den Anspruch herleiten, sich selbst nicht gesetzeskonform verhalten zu dürfen (so auch OVG Münster, aaO.). Es gibt keine Gleichheit im Unrecht. Art. 3 Abs. 1 GG erfasst aber auch nur Ungleich- bzw. Gleichbehandlungen innerhalb der deutschen Kompetenzordnung (OVG Münster, aaO.) Im Übrigen verwenden ausländische Hersteller offenbar den englischsprachigen Ausdruck für "Separatorenfleisch", nämlich die Kennzeichnung "mechanically separated meat (MSM)", so dass der Einwand der Klägerin ins Leere geht.

2. Ohne Erfolg macht die Klägerin im Berufungszulassungsverfahren einen Verfahrensmangel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) geltend, weil das Verwaltungsgericht zu Unrecht davon abgesehen habe, ein Sachverständigengutachten zu der Frage einzuholen, ob das von ihr hergestellte Fleisch unter den Begriff "Separatorenfleisch" zu subsumieren ist.

Für die Einholung eines Sachverständigengutachtens bestand insoweit kein zusätzlicher Aufklärungsbedarf, weil unstreitig ist, dass die Klägerin sog. "3-mm-Fleisch" gewinnt. Die tatsächliche Beschaffenheit dieses Produkts ist bereits im erstinstanzlichen Verfahren durch das Gutachten des Prof. Dr. Erdmann und die gutachterliche Stellungnahme des Bundesinstituts für Risikobewertung geklärt worden. Die danach noch erforderliche rechtliche Einordnung und Subsumtion unter nationales und EG-Recht stellt eine reine Rechtsanwendung dar. Entgegen der Auffassung der Klägerin hat sich das Verwaltungsgericht also gerade nicht eine eigene naturwissenschaftliche oder technische Sachkunde über das von der Klägerin hergestellte Produkt angemaßt, sondern lediglich die allein ihm obliegende rechtliche Beurteilung durchgeführt.

3. Die von der Klägerin behauptete Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) liegt nicht vor.

Sämtliche Entscheidungen der Bundesgerichte, auf die sich die Klägerin in diesem Zusammenhang beruft, befassen sich mit der Frage der gerichtlichen Aufklärungspflicht und Sachkunde. Dabei wird von der Klägerin jeweils zu Unrecht unterstellt, dass das Verfahren Anlass zur Aufklärung im tatsächlichen Bereich geboten habe. Oben unter Nr. 2 ist ausgeführt worden, dass dies nicht der Fall war, weil die Klägerin ein bestimmtes, fachlich definiertes Fleischprodukt gewinnt, dessen Struktur nach den vorliegenden gutachterlichen Stellungnahmen bereits geklärt war. Eine Abweichung von den genannten Entscheidungen der Bundesgerichte liegt mithin nicht vor.

4. Die Rechtssache weist auch nicht besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).

Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten weist eine Rechtssache dann auf, wenn sie voraussichtlich in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht größere, d.h. überdurchschnittliche, das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursacht. Diese Voraussetzungen sind hier zu verneinen.

Die im vorliegenden Verfahren zu beantwortenden tatsächlichen und rechtlichen Fragen auch des EG-Rechts können nicht als besonders schwierig bewertet werden. Dies gilt sowohl für die Qualifizierung des "3-mm-Fleisches" als Separatorenfleisch als auch hinsichtlich der von der Klägerin unterstellten, jedoch zu verneinenden "Inländerdiskriminierung". Jedenfalls verursachen diese Fragen im Verhältnis zu sonstigen Verfahren nicht überdurchschnittliche, das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten.

5. Die Rechtssache hat auch nicht grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

Grundsätzliche Bedeutung in diesem Sinne weist eine Rechtsstreitigkeit dann auf, wenn sie eine rechtliche oder tatsächliche Frage aufwirft, die für die Berufungsinstanz entscheidungserheblich ist und im Sinne der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung einer Klärung bedarf. Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben.

Nicht klärungsbedürftig ist eine Frage, deren Beantwortung sich ohne weiteres aus dem Gesetz ergibt. Davon ist nach den Ausführungen oben unter Nr. 1 aber auszugehen. Im Übrigen hat sich der für das Rechtsgebiet früher zuständige 11. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts bereits in seinem Beschluss vom 10. August 2006 - 11 ME 74/05 - zu der rechtlichen Einordnung des "3-mm-Fleisches" als "Separatorenfleisch" geäußert. Dabei kam es entgegen der Auffassung der Klägerin gerade nicht darauf an, ob in jenem Verfahren (von ihr nicht produziertes) Hackfleisch/Faschiertes betroffen war; denn dies hat der 11. Senat in seiner Entscheidung ausdrücklich offen gelassen. Zur Weiterführung dieser Rechtsprechung bedarf es nicht der Durchführung eines Berufungsverfahrens. Es reicht vielmehr aus, dass sich der Senat im Rahmen dieses Berufungszulassungsverfahrens zu der Frage äußert.

Nach allem kommt eine Zulassung der Berufung hier nicht in Betracht.

Ende der Entscheidung

Zurück