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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 18.01.2006
Aktenzeichen: 13 LC 467/03
Rechtsgebiete: AufenthG, HumHAG, GG
Vorschriften:
AufenthG § 104 Abs. 1 | |
HumHAG § 1 Abs. 3 | |
GG Art. 3 Abs. 1 |
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis.
Sie ist 1948 in E. /Aserbaidschan geboren. In ihrer Geburtsurkunde ist die Volkszugehörigkeit ihrer Eltern mit "Russe" bzw. "Russin" angegeben. Der Klägerin wurde am 22. August 1992 ein sowjetischer Reisepass ausgestellt, in dem die Deutsche Botschaft in Moskau am 30. September 1992 ein vom 6. Oktober bis 6. Dezember 1992 gültiges Visum mit der Einschränkung "nur für Besuchs- und Geschäftsreisen - Erwerbstätigkeit nicht gestattet" eintrug. Zusammen mit ihrem Ehemann, der ebenfalls aus Aserbaidschan stammt, verließ die Klägerin am 31. Oktober 1992 Aserbaidschan und reiste am 2. November 1992 in das Bundesgebiet ein.
Am 3./11. November 1992 beantragten die Klägerin und ihr Ehemann ihre Anerkennung als Asylberechtigte. Beide sind seitdem im Besitz einer Aufenthaltsgestattung. Im Rahmen ihrer Anhörung vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge am 20. September 1994 führten sie aus: Der Ehemann sei als Chefarzt entlassen worden, weil seine Mutter russische Volkszugehörige gewesen sei. Seine Großmutter sei armenische Volkszugehörige gewesen. Die Klägerin habe ihre Arbeitsstelle 1992 nach ihr gegenüber erfolgten Drohungen selbst gekündigt. Konkrete Schwierigkeiten mit dem KGB, der Miliz oder den Behörden habe es nicht gegeben. Einmal sei ihre Wohnung auf der Suche nach Armeniern durchsucht worden. Man habe ihren Ehemann wegen seiner christlich-orthodoxen Religion beschimpft. Außerdem sei er für einen Russen gehalten worden. Er habe als Arzt an die Front einberufen werden sollen.
Die Asylanträge der Klägerin und ihres Ehemannes lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit Bescheid vom 10. Oktober 1994 ab und stellte fest, dass weder die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG noch Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorliegen. Ferner drohte das Bundesamt der Klägerin und ihrem Ehemann die Abschiebung nach Aserbaidschan oder einen anderen Staat, in den sie einreisen dürfen oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet ist, an. Dagegen haben die Klägerin und ihr Ehemann Klage erhoben (4 A 4028/96). Gegenwärtig ruht dieses Verfahren.
Unter dem 24. März 1998 beantragte die Klägerin nachträglich ihre Aufnahme in der Bundesrepublik Deutschland im Härtefallverfahren und die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis entsprechend den seit 1991 für jüdische Emigranten aus der früheren UdSSR geltenden Erlassen. Sie machte geltend, nach der Geburtsurkunde ihrer Mutter (F.) sei ihre Großmutter (G.) Jüdin gewesen. Hierzu legte sie vor:
1. eine am 24. März 1996 (einem Sonntag) ausgestellte Geburtsurkunde für ihre am 10. Februar 1925 geborene Mutter F. (Übersetzung Bl. 15 BA A),
2. eine am 05. September 1950 ausgestellte Geburtsurkunde für ihre am 18. April 1894 geborene Großmutter G. (Übersetzung Bl. 20 BA A),
3. eine am 10. März 1996 von der Religiösen Gemeinde der Europäischen Juden in Baku ausgestellte Bescheinigung "als Nachweis dafür, dass die Großmutter H., in einigen Dokumenten als I. geführt wird" (Übersetzung Bl. 19 BA A),
4. einen am 05. Juni 1998 erstellten Auszug aus dem Geburtenregister für ihre am 10. Februar 1925 geborene Mutter F. (begl. Ablichtung Bl. 67 BA A).
Ferner berief sie sich auf das Vorliegen eines Härtefalles. Sie habe Aserbaidschan verfolgungsbedingt verlassen. Außerdem sei ihre 1944 geborene und in J. wohnhafte Schwester K. erkrankt und auf ihre Pflegeleistungen angewiesen.
Die (früher zuständige) Bezirksregierung Braunschweig holte Auskünfte der Deutschen Botschaft in Baku u.a. zu der Echtheit der Urkunden zu 1), 2) und 4) ein. Insoweit wird auf die Auskünfte vom 25. Februar 1999 (Bl. 86 BA A), 07. April 1999 (Bl. 89 BA A), 27. Mai 1999 (Bl. 99 BA A) und 05. Oktober 1999 (Bl. 141 BA A) - Az.: RK 516.20/3/L. - verwiesen.
Den Antrag der Klägerin vom 24. März 1998 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 18. Juli 2000 ab: Die Klägerin sei ohne erforderliches Visum für einen Daueraufenthalt nach Deutschland eingereist. Ihre trotz Pflegebedürftigkeit erwerbstätige Schwester könne einen ambulanten Pflegedienst in Anspruch nehmen. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis komme auch nach den Erlassregelungen über die Aufnahme jüdischer Emigranten aus der ehemaligen UdSSR nicht in Betracht. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die von der Klägerin eingereichten Unterlagen teilweise gefälscht seien. Im übrigen sei die behauptete Abstammung der Klägerin von einer jüdischen Institution nicht bestätigt worden. Ein Härtefall scheide schon deshalb aus, weil das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge die Ausreisegründe der Klägerin und ihres Ehemannes als nicht asylerheblich gewertet habe. Ein Anspruch auf Einbeziehung in das Kontingent als Härtefall bestehe nicht.
Den Widerspruch der Klägerin wies die Bezirksregierung Braunschweig mit Bescheid vom 30. Mai 2001 zurück und führte aus, dass eine Bescheinigung einer der in der Erlassregelung bezeichneten jüdischen Institutionen nicht vorliege, mit der allein die behauptete jüdische Abstammung der Klägerin bestätigt werden könne. Deshalb komme es nicht mehr darauf an, ob ein Härtefall vorliege. Ein solcher sei auch nicht gegeben. Da der Nachweis über ihre jüdische Abstammung bisher nicht erbracht sei, sei sie auch vor einer Abschiebung nicht geschützt.
Die Klägerin hat am 20. Juni 2001 Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt.
Der Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden Niedersachsen e.V. hat der Klägerin unter dem 2. August 2001 bescheinigt, dass sie jüdischer Abstammung aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion sei (Bl. 139 BA C), zugleich jedoch das Vorliegen eines Härtefalles verneint.
Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass sie den erforderlichen Nachweis über ihre Zugehörigkeit zu dem von der Aufnahmeregelung begünstigten Personenkreis nunmehr geführt habe. Das Vorliegen eines Härtefalles ergebe sich aus dem Ausreisedruck, dem sie aufgrund der politischen Verhältnisse in Aserbaidschan 1992 ausgesetzt gewesen sei, der seit 1997 bestehenden Pflegebedürftigkeit ihrer Schwester sowie ihrem langjährigen Aufenthalt in Deutschland. Im Zeitpunkt ihrer Ausreise habe sie im übrigen nicht gewusst, als jüdische Emigrantin aus der ehemaligen Sowjetunion im Rahmen eines geregelten Aufnahmeverfahrens nach Deutschland einreisen zu können. Die deutsche Auslandsvertretung in Baku habe erst 1993 ihre Arbeit aufgenommen.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 18. Juli 2000 und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Braunschweig vom 30. Mai 2001 aufzuheben sowie die Beklagte zu verpflichten, ihr eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Meinung, dass die Klägerin deshalb nicht zu dem begünstigten Personenkreis gehöre, weil sie eine jüdische Abstammung nicht von ihrer Mutter, sondern von ihrer Großmutter herleite. Maßgeblich seien jedoch die Aufnahmegrundsätze des Auswärtigen Amtes vom 25. März 1997. Danach müsse sich die jüdische Abstammung nach dem Recht des Herkunftsstaates aus den staatlichen Personenstandsurkunden des Herkunftslandes ergeben, in denen entweder die Klägerin selbst mit jüdischer Nationalität ausgewiesen oder für ihre Eltern - unabhängig ob Vater oder Mutter - in Personenstandsurkunden die jüdische Nationalität eingetragen sei. Dessen ungeachtet liege auch ein Härtefall nicht vor. Der Klägerin sei es zumutbar gewesen, das geregelte Aufnahmeverfahren von Aserbaidschan oder über die deutsche Botschaft in Moskau aus zu betreiben.
Das Verwaltungsgericht hat eine Auskunft des Auswärtigen Amtes zur Frage des Zeitpunktes der Arbeitsaufnahme der deutschen Auslandsvertretung in Baku eingeholt, die Klägerin informatorisch angehört und den Ehemann der Klägerin als Zeugen zu den Gründen vernommen, aus denen die Klägerin Aserbaidschan am 31. Oktober 1992 verlassen hat. Wegen des Ergebnisses wird auf die Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 6. Oktober 2003 und die Niederschrift über den Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage sowie zur Beweisaufnahme vom 4. September 2003 Bezug genommen.
Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 30. Oktober 2003 den Bescheid der Beklagten vom 18. Juli 2000 und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Braunschweig vom 30. Mai 2001 aufgehoben. Es hat die Beklagte verpflichtet, der Klägerin eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausführt: Der Klägerin stehe nach Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Nrn. 7 und 3 des zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung geltenden Runderlasses des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport über die "Aufnahme jüdischer Emigrantinnen und Emigranten aus der ehemaligen UdSSR" vom 30. April 2001 (MBl. S.411) ein Anspruch auf Erteilung der begehrten unbefristeten Aufenthaltserlaubnis zu, auch wenn die entsprechende Begünstigung sich nur aus einer von der Ministerpräsidentenkonferenz 1991 beschlossenen analogen Anwendung des § 1 Abs. 3 des HumHAG ergebe.
Nach Nr. 7.1 Aufnahmeerlass solle die Aufnahme jüdischer Emigranten aus der ehemaligen Sowjetunion nur in einem geregelten Verfahren erfolgen. Dieses Verfahren habe die Klägerin unstreitig nicht eingehalten. Den Personen, die - wie die Klägerin - außerhalb des geregelten Verfahrens mit einem Touristenvisum eingereist seien, könne die Rechtstellung nach dem HumHAG nur in besonderen Härtefällen eingeräumt werden, was den Nachweis der Zugehörigkeit zum begünstigten Personenkreis und das Vorliegen eines besonderen Härtefalles voraussetze. Zum begünstigten Personenkreis zählten Personen jüdischer Abstammung aus den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion. Die Zugehörigkeit zum begünstigten Personenkreis könne in Niedersachsen ausschließlich durch eine Bescheinigung des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen KdÖR oder des Landesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinden von Niedersachsen e.V. nachgewiesen werden. Diese Bescheinigung habe letzterer der Klägerin während des Klageverfahrens unter dem 2. August 2001 erteilt. Die Bescheinigung genüge auch den Anforderungen des Erlasses. Denn in ihr sei angegeben, aufgrund welcher Originaldokumente oder sonstigen Nachweise sie erstellt worden sei. Das Gericht habe keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass die von der Klägerin den Verwaltungsbehörden sowie dem Landesverband vorgelegten Urkunden gefälscht seien.
Ob jemand jüdischer Abstammung sei, sei nach dem Aufnahmeerlass ausschließlich von den dort näher bezeichneten jüdischen Institutionen und damit auch nach jüdischem Recht zu prüfen. Danach sei Jude, wer von einer jüdischen Mutter geboren sei oder zum Judentum übertrete. Da die Großmutter der Klägerin nach den vorgelegten Urkunden Jüdin gewesen sei, sei die Mutter der Klägerin ebenfalls Jüdin. Mithin sei auch die Klägerin nach ihrer Abstammung Jüdin. Dies sei ihr vom Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden e.V. bescheinigt worden. Die von der Beklagten zitierten Aufnahmegrundsätze des Auswärtigen Amtes seien für das Härtefallverfahren nachrangig. Sie bezögen sich nach der Auskunft der Deutschen Botschaft in Baku vom 7. April 1999 nicht auf die jüdische Abstammungslehre ("Halacha"), sondern auf Personenstandsurkunden der Herkunftsstaaten sowie einen nicht auf die (jüdische) Mutter beschränkten Abstammungsbegriff. Sie fänden nur im geregelten Aufnahmeverfahren Anwendung, nicht jedoch im Härtefallverfahren. Danach stehe fest, dass die Klägerin zum begünstigten Personenkreis gehöre. Auch die Voraussetzungen für die Annahme eines Härtefalles nach Maßgabe der Nr. 7.2 Abs. 8 Aufnahmeerlass lägen vor. Das Aufnahmeverfahren habe sie nicht einhalten können, weil die deutsche Auslandsvertretung in Baku nach der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 6. Oktober 2003 ihren Betrieb im Rechts- und Konsularbereich erst Anfang Mai 1993 und damit sieben Monate nach der Ausreise der Klägerin aufgenommen habe. Sie habe demnach zum maßgeblichen Zeitpunkt ihrer Ausreise aus Aserbaidschan am 31. Oktober 1992 ihre Aufnahme im Bundesgebiet als jüdische Emigrantin von ihrem Herkunftsland aus nicht in die Wege leiten können. Die Klägerin, die Verfolgung und Diskriminierung in Aserbaidschan geltend gemacht habe, könne danach auch nicht auf die Möglichkeit einer bevorzugten Behandlung ihres Aufnahmeantrages durch die deutsche Auslandsvertretung verwiesen werden, weil eine solche zu diesem Zeitpunkt in Aserbaidschan noch nicht bestanden habe. Aufgrund der pogromartigen Stimmung in Aserbaidschan gegen armenische Volkszugehörige, des Erstarkens der Volksfront 1992 und des im Oktober 1992 erfolgten Austritts Aserbaidschans aus der GUS sei es der Klägerin als arbeitslose Person, die zur russischen Minderheit gezählt habe, nicht zumutbar gewesen, ein geregeltes Aufnahmeverfahren als jüdische Emigrantin vom Ausland aus zu betreiben.
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Berufung der Beklagten. Sie macht geltend: Die Klägerin habe ihre jüdische Abstammung nicht nachgewiesen. Nachgewiesen sei lediglich, dass ihre Großmutter mütterlicherseits Jüdin gewesen sei. Nach den Aufnahmegrundsätzen des Auswärtigen Amtes reiche eine jüdische Abstammung nach den Großeltern jedoch nicht aus. Eine Abstammung von jüdischen Eltern habe die Klägerin bisher nicht nachgewiesen. Dass ihre Mutter jüdischer Abstammung gewesen sei, werde bestritten. Auch die Anwendung der Regeln der "Halacha" - wie durch den jüdischen Landesverband erfolgt - könne einen derartigen Nachweis nicht ersetzen. Nach der "Halacha" werde zwar die jüdische Abstammung von der Mutter an die Tochter weitergegeben. Dies schließe allerdings nicht aus, dass die Mutter der Klägerin "trotz Halacha" zu einem anderen Glauben konvertiert sei. Zwar wäre die Klägerin dann nach der "Halacha" immer noch als Jüdin anzusehen, aber lediglich als Jüdin mit Abstammung nach der Großmutter, was eine Zuordnung zu dem durch die Aufnahmevorschriften begünstigten Personenkreis ausschließe. Im Übrigen habe die Klägerin noch im Asylverfahren vorgetragen, orthodoxer Religionszugehörigkeit zu sein. Die Aufnahmevorschriften sähen eine uneingeschränkte und ungeprüfte Anwendung der "Halacha" durch den jüdischen Landesverband nicht vor. Vielmehr sei der jüdische Landesverband in seiner Entscheidungsbefugnis insoweit eingeschränkt, als er einer Person, die nachgewiesenermaßen nur eine Abstammung von jüdischen Großeltern belegen könne, eine jüdische Abstammung nicht bescheinigen dürfe. Die Begünstigung von Personen, die unter Umgehung des geregelten Verfahrens "einfach" in die Bundesrepublik Deutschland eingereist seien, sei durch nichts gerechtfertigt. Die Voraussetzungen für einen besonderen Härtefall seien im Falle der Klägerin ebenfalls nicht gegeben. Denn im Zeitpunkt ihrer Ausreise aus Aserbaidschan habe sie nicht die Absicht gehabt, als jüdische Emigrantin in der Bundesrepublik Deutschland Aufnahme zu finden. Eine Diskriminierung als Jüdin habe sie während des Asylverfahrens nicht geltend gemacht, sondern vorgetragen, orthodoxe Russin zu sein. Deshalb komme es auf die Frage, ob ihr das Stellen eines Aufnahmeantrages im geregelten Verfahren zumutbar gewesen sei, nicht an. Selbst wenn darauf abzustellen wäre, sei es ihr nicht unzumutbar gewesen, das geregelte Verfahren im Heimatland abzuwarten, da sie auch die Erteilung eines Besuchervisums durch die Deutsche Botschaft in Moskau betrieben und ferner ihren Arbeitsplatz erst mit der Ausreise aus Aserbaidschan aufgegeben habe. Die gegenteilige Auffassung des Verwaltungsgerichts müsse dazu führen, alle jüdischen Emigranten aus Aserbaidschan bis zum Mai 1993 als besondere Härtefälle einzustufen, da sie wegen des Fehlens einer deutschen Auslandsvertretung nicht die Möglichkeit gehabt hätten, entsprechende Anträge in Baku zu stellen.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, auf die Verwaltungsvorgänge der Beklagten, der Bezirksregierung Braunschweig sowie auf die Asylverfahrensakte des VG Göttingen (4 A 4028/96) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist begründet.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Der Klägerin steht der geltendgemachte Anspruch auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis nicht zu. Der Bescheid der Beklagten vom 18. Juli 2000 und der Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Braunschweig vom 30. Mai 2001 sind rechtmäßig.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. etwa Urt. v. 15. 2. 2001 - 1 C 23. 00 -, InfAuslR 2001, 350/351) ist bei Klagen auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung zwar grundsätzlich insoweit auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz abzustellen, als es um die Frage geht, ob aus Rechtsgründen eine Aufenthaltsgenehmigung erteilt oder abgelehnt werden muss. Ob ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung besteht, ergibt sich jedoch aus dem materiellen Recht. Dieses regelt auch die Frage nach dem zeitlich anzuwendenden Recht. Hier ist insoweit die Übergangsregelung des § 104 Abs. 1 des "Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz - AufenthG -)" vom 30. Juli 2004 (BGBl. I 1950) maßgeblich. Danach ist über - wie hier - vor dem 1. Januar 2005 gestellte Anträge auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis nach dem bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Recht zu entscheiden. Auch wenn das "Gesetz über Maßnahmen für im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen aufgenommene Flüchtlinge" - HumHAG - mit Wirkung vom 1. Januar 2005 außer Kraft getreten ist (Art. 15 Abs. 3 Nr. 3 des Zuwanderungsgesetzes vom 30.7.2004), kommt für die nach § 104 Abs. 1 AufenthG gebotene Entscheidung nach altem Recht als materielle Beurteilungsgrundlage § 1 Abs. 3 HumHAG in entsprechender Anwendung nach wie vor in Betracht (vgl. 104.1.2 der Vorläufigen Anwendungshinweise des BMI zu § 104 AufenthG). Maßgeblich ist ferner der Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) i.V.m. dem - letzten - Runderlass des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport vom 7. Juni 2004 (MBl. S. 454) über die "Aufnahme jüdischer Emigrantinnen und Emigranten aus der ehemaligen UdSSR" - Aufnahmeerlass - , mit dem die Vorgängerregelung im Runderlass des Nds. MI vom 30. April 2001 (MBl. S. 411), geändert durch Erlass vom 28. Februar 2003 (MBl. S. 243), aufgehoben worden ist.
Nach Nr. 7.1 Aufnahmeerlass soll die Aufnahme jüdischer Emigranten aus der ehemaligen Sowjetunion nur im sog. "geregelten" Verfahren erfolgen. Andernfalls würde eine geordnete Aufnahme und wirksame Integration nicht erreicht, und die Zielsetzung der Aufnahmeaktion wäre gefährdet. Das in Nr. 2 des Aufnahmeerlasses geregelte Verfahren hat die Klägerin unstreitig nicht eingehalten. Personen wie die Klägerin, die außerhalb des geregelten Verfahrens mit einem Touristenvisum eingereist sind, können die Rechtsstellung entsprechend § 1 HumHAG daher "nur in besonderen Härtefällen erhalten". Dies setzt nach Nr. 7.2 Abs.1 Aufnahmeerlass den Nachweis der Zugehörigkeit zum begünstigten Personenkreis und das Vorliegen eines "besonderen Härtefalles" voraus.
"Die Zugehörigkeit zum begünstigten Personenkreis kann in Niedersachsen ausschließlich durch eine Bescheinigung des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen KdöR oder des Landesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinden von Niedersachsen e.V. nachgewiesen werden. Die Bescheinigung muss erkennen lassen, aufgrund welcher Originaldokumente oder sonstiger Nachweise sie erstellt worden ist. In Zweifelsfällen kann auch eine zusätzliche Überprüfung durch die zuständige Deutsche Botschaft im Herkunftsstaat in Betracht kommen" (Nr. 7.2 Abs. 2 Aufnahmeerlass).
Im vorliegenden Fall hat der "Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden von Niedersachsen e.V." der Klägerin unter dem 2. August 2001 bescheinigt, dass sie "jüdischer Abstammung aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion" sei (Bl. 139 BA C). Zugleich hat er das Vorliegen eines Härtefalles verneint, weil die von der Klägerin bei ihrer (dortigen) Anhörung "vorgebrachten Gründe nicht den Regelungen gleichzusetzen" seien, "die einen besonderen Härtefall begründen". Aufgrund dieser Bescheinigung, die zudem erkennen lässt, aufgrund welcher auf Echtheit hin überprüfter Originaldokumente sie erstellt worden ist, ist davon auszugehen, dass die Klägerin ihre Zugehörigkeit zum begünstigten Personenkreis in der nach Nr. 7.2 Abs. 2 Aufnahmeerlass vorgeschriebenen Weise nachgewiesen hat. Da dieser Nachweis "ausschließlich" durch eine Bescheinigung der o.a. Landesverbände geführt werden kann und hier von der Klägerin auch geführt worden ist, kommt es auf die Aufnahmegrundsätze des Auswärtigen Amtes vom 25. März 1997 bereits nach dem Wortlaut des Erlasses in diesem Zusammenhang nicht an.
Nach Nr. 7.2 Abs. 3 Satz 3 Aufnahmeerlass "liegt ein Härtefall vor, wenn nach den Umständen des Einzelfalles die Einhaltung des geregelten Aufnahmeverfahrens unzumutbar war". Nach Satz 4 "sind maßgeblich die Umstände zum Zeitpunkt der Ausreise aus dem Herkunftsstaat (hier: 31. Oktober 1992), im Bundesgebiet später eingetretene Umstände können nicht berücksichtigt werden". Bereits deshalb ist im vorliegenden Zusammenhang die seit 1997 bestehende Pflegebedürftigkeit der Schwester der Klägerin ebenso unerheblich wie der langjährig gestattete Aufenthalt der Klägerin im Bundesgebiet.
"Vom Vorliegen eines Härtefalles" wird nach Nr. 7.2 Abs. 4 Aufnahmeerlass "insbesondere dann ausgegangen werden können, wenn enge Angehörige aus zwingenden Gründen Personen gefolgt sind, die bereits im geregelten Verfahren aufgenommen wurden, z.B. minderjährige Kinder, wehrpflichtige Söhne oder hilfsbedürftige Eltern". "Ein Härtefall kann auch vorliegen, wenn eine schwere Krankheit oder eine Risikoschwangerschaft eine kurzfristige Ausreise erforderlich gemacht hat".
Die Einbeziehung als Härtefall setzt danach grundsätzlich voraus, dass bereits nahe Angehörige als jüdische Emigranten im Bundesgebiet leben. Da diese Voraussetzungen im Fall der Klägerin nicht erfüllt sind, kann danach ein Härtefall nicht angenommen werden.
Nach Nr. 7.2 Abs. 5 Aufnahmeerlass "kommt eine Aufnahme im Härtefallverfahren ... nicht in Betracht", wenn "ein Aufnahmeantrag von einer deutschen Auslandsvertretung bereits abgelehnt worden ist oder er nach den Aufnahmegrundsätzen des Auswärtigen Amtes abgelehnt werden müsste". "Das Gleiche gilt, wenn die Anerkennung eines Härtefalles ausschließlich mit Gesichtspunkten begründet wird, die bereits in einem vorausgegangenen Asylverfahren erfolglos zum Nachweis politischer Verfolgung vorgetragen wurden oder als unglaubwürdig bewertet worden sind".
Nach Nr. 7.2 Abs. 6 Aufnahmeerlass "kann die Unzumutbarkeit der Einhaltung des geregelten Verfahrens ... nicht auf die allgemeine wirtschaftliche, soziale und politische Lage im Herkunftsland gestützt werden, da diese für die gesamte Bevölkerung gleich ist". "Wird die besondere Härte mit Verfolgung oder Diskriminierung im Herkunftsland begründet, ist darauf hinzuweisen, dass die deutsche Auslandsvertretung in diesen Fällen -insbesondere bei Opfern der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft - Anträge auf Einreise im geregelten Verfahren bevorzugt bearbeitet". "Ein derartiger Vortrag vermag daher ebenfalls nicht ohne weiteres das Vorliegen eines Härtefalles zu begründen".
Danach soll die Einreise und Aufnahme jüdischer Emigranten aus der ehemaligen Sowjetunion außerhalb des geregelten Verfahrens nach dem insoweit maßgeblichen Willen des Erlassgebers (vgl. BVerwG, Urt. vom 19.9.2000 - 1 C 19.99 -, NVwZ 2001, 210) lediglich als Ausnahme in Betracht kommen und nur auf besondere Härtefälle begrenzt werden, in denen nach den Umständen des Einzelfalles die Einhaltung des geregelten Aufnahmeverfahrens unzumutbar war. Die hierfür vom Erlassgeber genannten Beispiele liegen - wie bereits ausgeführt - im Fall der Klägerin nicht vor. Dagegen sind die vom Erlassgeber genannten Ausschlußgründe in mehrfacher Hinsicht gegeben:
Eine Aufnahme im Härtefallverfahren kommt nach Nr. 7.2 Abs. 5 Aufnahmeerlass nicht in Betracht, wenn ein Aufnahmeantrag von einer deutschen Auslandsvertretung nach den Aufnahmegrundsätzen des Auswärtigen Amtes abgelehnt werden müsste. Diese Regelung, die der Erlassgeber erst im Jahre 2004 in seinen Erlass aufgenommen hat, dürfte auf der Grundlage der hierzu erteilten Auskünfte der Deutschen Botschaft in Baku hier eingreifen:
Nach II. 3 der Aufnahmegrundsätze des Auswärtigen Amtes vom 25. März 1987 betreffend die "Zuwanderung von Juden aus der ehemaligen UdSSR" sind "alle Personen zuwanderungsberechtigt, die nach staatlichen Personenstandsurkunden selbst jüdischer Nationalität sind oder von mindestens einem jüdischen Elternteil abstammen. In Abweichung von der jüdischen Abstammungslehre ("Halacha") wird nicht nur die Abstammung von einer jüdischen Mutter, sondern auch von einem jüdischen Vater berücksichtigt. Eine Abstammung nach den Großeltern reicht dagegen nicht aus."
Die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Baku hat der Bezirksregierung Braunschweig unter dem 25. Februar 1999 zum Fall der Klägerin die Auskunft erteilt, dass im Rahmen des Programms "Jüdische Emigration" lediglich Personen aufnahmeberechtigt seien, die selbst jüdischer Nationalität seien oder die über einen Elternteil jüdischer Nationalität verfügten. Eine jüdische Abstammung von den Großeltern reiche für die Aufnahme nicht aus. Beide Elternteile der Klägerin seien russischer Nationalität, so dass auch sie selbst russischer Nationalität sein dürfte. Sie besitze auch keinen Elternteil, der jüdischer Nationalität sei. Zwar besitze die Mutter der Klägerin einen jüdischen Elternteil, nämlich ihre Mutter. Dieser Umstand sei für die Aufnahmeberechtigung der Klägerin aus obigen Gründen jedoch unerheblich. Die Botschaft würde den Aufnahmeantrag der Klägerin aufgrund der nicht gegebenen Berechtigung danach ablehnen.
In einer weiteren Auskunft der Deutschen Botschaft in Baku vom 7. April 1999 heißt es, dass die Ermittlung der Zuwanderungsberechtigung im Rahmen des Programms der Aufnahme jüdischer Emigranten aus der ehemaligen Sowjetunion von der jüdischen Abstammungslehre in erheblicher Weise abweiche. Die Botschaft ermittele die Zuwanderungsberechtigung nicht nach der jüdischen Abstammungslehre, sondern prüfe im Rahmen des Aufnahmeprogramms, welche "Nationalität" die aufnahmebegehrende Person besitze. Die Nationalität sei im sowjetischen Inlandspass der betreffenden Person eingetragen. In Aserbaidschan sei die Mehrzahl der Menschen aserbaidschanischer Nationalität, daneben gebe es Personengruppen russischer, deutscher, jüdischer, türkischer, armenischer und anderer Nationalität. "Nationalität" sei in diesem Zusammenhang kein religiöser Begriff. Die jüdische Nationalität werde in Aserbaidschan deshalb auch nicht entsprechend der jüdischen Abstammungslehre über die mütterliche Linie vermittelt, sondern von einem der beiden Elternteile erworben. Dies könnten theoretisch Vater oder Mutter sein, in der Praxis sei es jedoch zu 99,9 % der dort bekannten Fälle der Vater. Zuwanderungsberechtigt seien nach den Richtlinien diejenigen Personen, die selbst jüdischer Nationalität seien oder die einen Elternteil mit jüdischer Nationalität besäßen. Es sei dabei unerheblich, ob Vater oder Mutter jüdischer Nationalität seien. Es werde demnach eine große Gruppe von Personen existieren, deren Großmutter mütterlicherseits jüdischer Nationalität gewesen sei und die damit der jüdischen Abstammungslehre dem Judentum zuzuordnen seien. Diese Personen seien jedoch nicht als jüdische Emigranten im Rahmen des Aufnahmeprogramms zuwanderungsberechtigt, da sie lediglich über einen jüdischen Großelternteil und nicht über einen jüdischen Elternteil verfügten oder selbst jüdischer Nationalität seien. Zu dieser Gruppe gehöre auch die Klägerin, die zwar eine Großmutter jüdischer Nationalität besessen habe, die jedoch zwei russische Elternteile habe und selbst russischer Nationalität sei. Der Umstand, dass die Mutter der Klägerin mit russischer Nationalität in der Geburtsurkunde der Klägerin eingetragen sei, sei ein völlig üblicher Vorgang. Die Mutter der Klägerin habe die russische Nationalität ihres eigenen Vaters übernommen, sei damit selbst russischer Nationalität gewesen und sei als Russin in die Geburtsurkunde ihrer Tochter eingetragen worden. Die Mutter der Klägerin habe somit, da selbst Russin, nicht die jüdische Nationalität an ihre Tochter weitergeben können.
Danach wäre entsprechend den Aufnahmegrundsätzen des Auswärtigen Amtes, die schlicht auf die amtliche "Nationalität" abstellen, ein Aufnahmeantrag der Klägerin im geregelten Verfahren voraussichtlich abgelehnt worden, so dass nach Nr. 7.2 Abs. 5 Aufnahmeerlass eine Aufnahme im Härtefallverfahren ebenfalls nicht in Betracht kommt. Dafür könnte zusätzlich sprechen, dass die Klägerin im Zeitpunkt ihrer Ausreise sich nicht zur jüdischen, sondern zur orthodoxen Religion bekannt hat. Das folgt aus ihren Angaben in ihrem Asylantrag vom 11. November 1992. Voraussetzung für die Aufnahme nach II. 7 der Grundsätze des Auswärtigen Amtes ist jedoch, dass Personen sich nicht zu einer anderen als der jüdischen Religion bekennen.
Selbst wenn zugunsten der Klägerin unterstellt wird, dass aufgrund der Bescheinigung des "Landesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinde von Niedersachsen e.V." vom 2. August 2001 sowie des damit erbrachten Nachweises ein Aufnahmeantrag nach Maßgabe der von ihr lt. Schriftsatz vom 9. Januar 2006 bevorzugten Auslegung der Aufnahmegrundsätze des Auswärtigen Amtes und einer angeblich "gefestigten Verwaltungspraxis" nicht mehr abgelehnt werden könnte, sondern sie - entgegen den im Jahre 1999 noch anderslautenden Auskünften der Deutschen Botschaft in Baku - im geregelten Verfahren in das Kontingent der jüdischen Flüchtlinge (fiktiv) einzubeziehen wäre, fehlte es nach Auffassung des Senats jedenfalls am Vorliegen eines "besonderen Härtefalles". Dieser liegt nach dem insoweit allein maßgeblichen Willen des Erlassgebers (nur) dann vor, wenn nach den Umständen des Einzelfalles zum Zeitpunkt der Ausreise aus dem Herkunftsland die Einhaltung des geregelten Aufnahmeverfahrens unzumutbar war. Hieran jedenfalls fehlte es.
Die seit 1988/89 angespannte politische Lage in Aserbeidschan und vor allem die wegen des Arbeitsplatzverlustes eingetretene berufliche Perspektivlosigkeit mögen zwar für die Klägerin und ihren Ehemann in Anbetracht ihrer gemischt-nationalen Herkunft und ungewissen Zukunft zureichenden Anlass gegeben haben, im Oktober 1992 ihre Heimat auf Dauer zu verlassen. Der Senat vermag jedoch bei Abwägung aller wesentlichen Umstände des vorliegenden Falles nicht zu erkennen, dass es für die Klägerin - ihre Kenntnis des Aufnahmeprogramms für jüdische Emigranten aus der früheren UdSSR unterstellt - damals unzumutbar gewesen sein sollte, das geregelte Aufnahmeverfahren einzuhalten. Gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass der Ehemann der Klägerin als aserbaidschanischer Volkszugehöriger gerade wegen seiner armenisch- bzw. russischstämmigen Vorfahren seine Heimat fluchtartig verlassen musste, liegen nicht vor. Dem steht bereits entgegen, dass er erst am 30. September 1992 bei der Deutschen Botschaft in Moskau ein Touristenvisum eingeholt hat, obwohl er bereits im März 1992 seinen Arbeitsplatz verloren hatte. Im übrigen führte die aufgrund der historischen Vergangenheit in breiten Kreisen der aserbaidschanischen Bevölkerung damals durchaus vorhandene Antipathie gegenüber den russischen Volkszugehörigen zwar zu Diskriminierungen in Beruf und Schule. Zu einer gezielten Verfolgung oder Unterdrückung mit einer akuten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit der Klägerin und ihres Ehemannes, die sie zur sofortigen Ausreise genötigt hätte, ist es aber nicht gekommen. In Anbetracht des Umstandes, dass die Klägerin erst im September 1992 ihren Arbeitsplatz aufgegeben hat, waren auch ihre wirtschaftlichen Existenzschwierigkeiten nicht so gravierend, dass sie das geregelte Aufnahmeverfahren nicht mehr hätte abwarten können. Wegen ihrer Religionszugehörigkeit befand sich die Klägerin ebenfalls nicht in einer ausweglosen Situation. Die Deutsche Botschaft in Baku hat in ihrer Auskunft vom 25. Februar 1999 gegenüber der Bezirksregierung Braunschweig ausgeführt, dass sich Aserbeidschan seit jeher durch eine tolerante Haltung bezüglich der Religionsausübung ausgezeichnet und während der Zeit der Sowjetunion als Zufluchtsort für in anderen Sowjetrepubliken verfolgte Personen jüdischer Nationalität gegolten habe. Diese seien zu keiner Zeit diskriminiert oder benachteiligt worden. Diese Feststellung hat die Deutsche Botschaft in ihrer Stellungnahme vom 7. April 1999 wiederholt und ausgeführt, dass Personen jüdischer Nationalität niemals Diskriminierungen oder Benachteiligungen erlitten hätten.
Die Klägerin hat die Anerkennung eines "Härtefalles" zwar nicht ausschließlich, aber auch mit Gesichtspunkten begründet, die bereits in einem vorausgegangenen Asylverfahren erfolglos zum Nachweis politischer Verfolgung vorgetragen worden sind. Über die wahrscheinlich zu Recht erfolgte Ablehnung des Asylantrages durch den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 10. Oktober 1994 ist zwar noch nicht rechtskräftig entschieden, weil das Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht Göttingen gegenwärtig ruht. Mit den im Asylverfahren bisher von der Klägerin erfolglos geltendgemachten individuellen und kollektiven politischen Verfolgungsgründen kann jedoch nach dem Willen des Erlassgebers ein "besonderer Härtefall" nicht begründet werden.
Die Unzumutbarkeit der Einhaltung des geregelten Verfahrens kann schließlich auch nicht auf die allgemeine wirtschaftliche, soziale und politische Lage im Herkunftsland im Zeitpunkt der Ausreise gestützt werden, da diese für die gesamte Bevölkerung gleich ist (Nr. 7.2 Abs. 6 Aufnahmeerlass). Deshalb kann auch der von der Klägerin geltend gemachte Umstand, die Deutsche Botschaft in Baku habe ihre Arbeit erst zu Beginn des Jahres 1993 aufgenommen, nicht für einen "besonderen Härtefall" ins Feld geführt werden. Denn dieser Umstand betraf alle ausreisewilligen aserbaidschanischen Staatsangehörigen, die sich um eine Einreise in die Bundesrepublik Deutschland als Touristen - wie die Klägerin und ihr Ehemann - oder als jüdische Emigranten bemüht haben. Der sicherlich beschwerlichere und zeitaufwendigere Weg über die deutsche Auslandsvertretung in Moskau musste bis zur Aufnahme der Tätigkeit der Deutschen Botschaft in Baku im Laufe des Jahres 1993 von allen ausreisewilligen Staatsangehörigen Aserbaidschans beschritten werden.
Die Voraussetzungen der allgemeinen Regelungen für die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 24 bis 26 AuslG liegen ebenfalls nicht vor.
Ende der Entscheidung
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