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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 20.06.2006
Aktenzeichen: 13 ME 108/06
Rechtsgebiete: NSchG


Vorschriften:

NSchG § 63
NSchG § 114 Abs. 1 S. 1
NSchG § 114 Abs. 1 S. 3
1. Der nds. Gesetzgeber ist davon ausgegangen, dass es nur eine einzige Wohnung im "schülerbeförderungsrechtlichen" Sinne geben kann (ebenso OVG Münster, OVGE 44, 155, 158).

2. Halten sich die Kinder getrenntlebender Eltern abwechselnd bei dem einen oder dem anderen Elternteil auf, so findet eine Beförderung nur von und zu derjenigen Wohnung statt, nach der auch die zuständige Schule i.S.d. § 63 NSchG bestimmt worden ist, nicht aber auch zusätzlich von und zu der Wohnung des anderen Elternteils.


Gründe:

Die Beschwerde hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Antragsgegner zu Unrecht im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, die beiden Söhne des Antragstellers an einzelnen, näher zu bestimmenden Schultagen von seiner Wohnung zum Landesbildungszentrum für Hörgeschädigte in Braunschweig zu befördern, bzw. die notwendigen Aufwendungen für den Schulweg zu erstatten. Insoweit fehlt es an dem erforderlichen Anordnungsanspruch.

Die den Landkreisen und kreisfreien Städten als den nach § 114 Abs. 1 Satz 1 NSchG bestimmten Trägern der Schülerbeförderung obliegende Beförderungs- und Erstattungspflicht betrifft gemäß § 114 Abs. 1 Satz 2 NSchG unter den dort näher bezeichneten Voraussetzungen die in ihrem Gebiet "wohnenden" Schülerinnen und Schüler. Bereits nach dem Wortlaut der Vorschrift knüpft der Anspruch auf Schülerbeförderung bzw. auf Erstattung der notwendigen Aufwendungen für den Schulweg nicht an den "Wohnsitz" im Sinne von §§ 7 - 11 BGB an. Für die Feststellung eines Anspruchs auf Schülerbeförderung kommt es daher nicht darauf an, dass die Kinder geschiedener oder getrenntlebender Eltern, denen die Personensorge für die Kinder gemeinsam zusteht, im Sinne des BGB einen doppelten Wohnsitz haben, weil das minderjährige Kind grundsätzlich den Wohnsitz der Eltern teilt (§ 11 BGB). Im Rahmen der Bestimmung der für den Schulbesuch zuständigen Schule nach § 63 NSchG kommt es maßgeblich auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Schülers an (§ 63 Abs. 1 Satz 1 NSchG). Aus Gründen eines geordneten Schulbetriebes und im Interesse des Schülers kann dieser sinnvollerweise nur eine Schule besuchen, weshalb es für ihn auch nur eine zuständige Schule im Sinne des § 63 NSchG geben kann. Entscheiden sich die getrenntlebenden Eltern, die Betreuung der Kinder nach dem sog. "Doppelresidenzmodell" durchzuführen, bedarf es mithin im Rahmen des § 63 NSchG zwingend der Bestimmung einer Wohnung, die für die Feststellungen nach § 63 NSchG maßgebend sein soll. Kommt es auf den gewöhnlichen Aufenthalt entscheidend an, so liegt es nahe, diejenige der beiden Wohnungen der Eltern als maßgeblich anzusehen, in der sich das Kind überwiegend aufhält. Ergänzend, wenn auch nicht ausschlaggebend, können in Zweifelsfällen die melderechtlichen Verhältnisse herangezogen werden (vgl. Senatsbeschl. vom 4.2.04 - 13 LA 220/03 -).

Im vorliegenden Verfahren halten sich die beiden Söhne des Antragstellers unstreitig überwiegend in der Wohnung der Mutter auf. Auch melderechtlich ist diese Wohnung als Hauptwohnung bestimmt worden. Die im Rahmen des § 63 NSchG als maßgeblich anzusehende Wohnung der Mutter muss dann aber auch im Rahmen der Schülerbeförderung nach § 114 als diejenige Wohnung angesehen werden, von und zu der eine Schülerbeförderung - unter den übrigen Voraussetzungen - stattzufinden hat. Der Senat teilt insoweit die Auffassung des OVG Münster (Urt. vom 15.8.94 - 16 A 4241/92 - OVGE 44, 155, 158) für die in Niedersachsen vergleichbare Rechtslage, dass der Gesetzgeber ersichtlich davon ausgegangen ist, dass es nur eine einzige Wohnung im "schülerbeförderungsrechtlichen" Sinne geben kann, die Bezugspunkt für den Anfang und das Ende des Schulweges ist. Dafür spricht bereits, dass der Wohnungsbegriff innerhalb des NSchG nicht unterschiedlich ausgelegt werden kann.

Im Übrigen weist der Antragsgegner zu Recht darauf hin, dass eine zusätzliche Beförderungspflicht von und zu der Wohnung des anderen Elternteils zu einer unangemessenen Belastung des Trägers der Schülerbeförderung führen kann, weil die Begrenzung der Beförderungs- oder Erstattungspflicht nach § 114 Abs. 3 NSchG bei der zweiten Wohnung nicht greift. Auch erscheint die organisatorische, aber auch die finanzielle Mehrbelastung des Trägers der Schülerbeförderung - wie bereits das vorliegende Verfahren zeigt - nicht als angemessen.

Den getrenntlebenden Eltern ist es unbenommen, die Betreuung ihrer Kinder nach dem "Doppelresidenzmodell" durchzuführen. Die dadurch entstehenden Mehrkosten können sie aber nicht auf den Träger der Schülerbeförderung abwälzen. Die Sicherstellung der Schülerbeförderung dient der Wahrung der Chancengleichheit und der Durchsetzung des Bildungsanspruchs der Kinder. Diese schulrechtlichen Grundsätze sind aber umfassend gewahrt, wenn - falls erforderlich - die Schülerbeförderung von einem der beiden Wohnsitze nach § 11 BGB - hier der Wohnung der Mutter - durchgeführt wird oder gewährleistet ist.

Ende der Entscheidung

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