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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 11.08.2008
Aktenzeichen: 13 ME 128/08
Rechtsgebiete: AufenthG
Vorschriften:
AufenthG § 60a Abs. 2 | |
AufenthG § 60a Abs. 2 S. 1 | |
AufenthG § 81 | |
AufenthG § 104a | |
AufenthG § 104a Abs. 1 S. 1 Nr. 4 |
Gründe:
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 1. Juli 2008 hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat es im Ergebnis zu Recht abgelehnt, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zur Erteilung einer Duldung an die Antragstellerin zu verpflichten. Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung sich der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, rechtfertigt keine andere Entscheidung.
Mit der Beschwerde wird indessen zu Recht geltend gemacht, dass eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Erteilung einer Duldung für den Zeitraum bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht bereits aus gesetzessystematischen Gründen ausscheidet. Zwar ist durch den mit Schreiben vom 24. April 2008 gestellten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der Altfallregelung des § 104a AufenthG gerade keine Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 3 oder 4 AufenthG eingetreten. Daraus folgt aber nicht ausnahmslos, dass die Erteilung einer Duldung für die Dauer eines auf die Erteilung eines Aufenthaltstitels gerichteten Verfahrens ausgeschlossen wäre. Die rechtliche Unmöglichkeit einer Abschiebung im Sinne von § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG kann vielmehr auch bei Nichtvorliegen der Fiktionswirkungen aus § 81 Abs. 3 oder 4 AufenthG zu bejahen sein, wenn eine aufenthaltsrechtliche Regelung impliziert, dass der angestrebte aufenthaltsrechtliche Status auch vom Inland aus verfolgt werden kann (so für eine Härtefallregelung in Gestalt eine Erlasses auch: OVG Münster, Beschl. v. 20.04.1999 - 18 B 1338/97 -, juris). Die Annahme einer rechtlichen Unmöglichkeit der Abschiebung im Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist aber in einer solchen Situation nicht gerechtfertigt, wenn bereits zum Zeitpunkt der Prüfung eines Anspruchs auf Erteilung einer Duldung feststeht, dass die Erteilung der angestrebten Aufenthaltserlaubnis ausgeschlossen ist.
Für das Verfahren des gerichtlichen vorläufigen Rechtsschutzes hat dies zur Folge, dass ausnahmsweise durch eine einstweilige Anordnung gemäß § 123 VwGO eine Aussetzung der Abschiebung auch dann erwirkt werden kann, wenn nur so sichergestellt werden kann, dass eine ausländerrechtliche Regelung einem möglicherweise Begünstigten zugute kommt, wobei das Vorliegen der Voraussetzungen glaubhaft zu machen ist. In diesem Fall ist zur Sicherung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) eine Ausnahme von dem Grundsatz zu machen, dass die Erteilung einer Duldung für die Dauer eines Aufenthaltserlaubnisverfahrens aus gesetzessystematischen Gründen ausscheidet, wenn ein vorläufiges Bleiberecht nach § 81 AufenthG nicht eingetreten ist (vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 16.04.2008 - 11 S 100/08 -, juris; OVG Münster, Beschl. v. 12.02.2008 - 18 B 230/08 -, juris).
Eine entsprechende ausländerrechtliche Regelung liegt mit der gesetzlichen Altfallregelung des § 104a AufenthG vor, da ein möglicher Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach dieser Bestimmung gerade voraussetzt, dass sich der Ausländer geduldet oder jedenfalls mit einem Duldungsanspruch in Deutschland aufhält (vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 16.04.2008, a.a.O.). In Teil I Buchst. L Nr. I. 3. der Hinweise des Bundesministeriums des Innern zu den wesentlichen Änderungen durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl. I S. 1970) - Hinweise zum Richtlinienumsetzungsgesetz - wird zur Frage des Duldungsstatus ausgeführt, dass zum Zeitpunkt der Antragstellung die Voraussetzungen zur Erteilung einer Duldung vorliegen müssen und nicht erforderlich ist, dass sich der Ausländer im Besitz einer Duldung befindet. Daraus ergibt sich nach Auffassung des Senats aber nicht, dass es allein auf das Vorliegen eines Duldungsanspruchs zum Zeitpunkt der Beantragung der Aufenthaltserlaubnis nach der Altfallregelung - hier 24. April 2008 - ankäme und die sich auf einen späteren Zeitpunkt beziehende Verneinung eines Duldungsanspruchs der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG nicht entgegenstünde. Vielmehr muss auch im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung über den Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG eine Duldung oder zumindest ein Anspruch auf Erteilung einer Duldung gegeben sein. Dem würde es zuwiderlaufen, im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes bereits aufgrund einer sich aus § 81 AufenthG ergebenden Sperrwirkung anzunehmen, dass die Erteilung einer Duldung nicht in Betracht kommt.
Die Verpflichtung der Ausländerbehörde zur Erteilung einer Duldung für den Zeitraum des Verfahrens zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG im Wege der einstweiligen Anordnung setzt in dieser Konstellation aber voraus, dass das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG glaubhaft gemacht wird (vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 16.04.2008, a.a.O., OVG Münster, Beschl. v. 12.02.2008, a.a.O.). In einem solchen Fall ist es gerechtfertigt, von der rechtlichen Unmöglichkeit der Abschiebung im Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG allein aufgrund der angestrebten Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG auszugehen. Wenn hingegen keine Aussichten auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bestehen, scheidet auch eine Duldung allein aus dem Grund, das Aufenthaltserlaubnisverfahren nach der gesetzlichen Altfallregelung des § 104a AufenthG vom Inland aus betreiben zu wollen, aus.
Vorliegend fehlt es sowohl im verwaltungsgerichtlichen Verfahren als auch im Beschwerdeverfahren an der hinreichenden Glaubhaftmachung der Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG.
Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der Altfallregelung setzt nach § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG voraus, dass der Ausländer die Ausländerbehörde nicht vorsätzlich über aufenthaltsrechtlich relevante Umstände getäuscht oder behördliche Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht vorsätzlich hinausgezögert oder behindert hat. Die Antragstellerin hat indessen durch die Angabe falscher Personalien über ihre Identität und somit über einen aufenthaltsrechtlich relevanten Umstand getäuscht. Zwar ist nach Teil I Buchtst. L Nr. 1. 6 der Hinweise zum Richtlinienumsetzungsgesetz hinsichtlich der vorsätzlichen Täuschung der Ausländerbehörde und des vorsätzlichen Hinauszögerns oder Behinderns behördlicher Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass das Verhalten des Ausländers für die Verzögerung oder Verhinderung der Abschiebung allein ursächlich gewesen sein muss und es an dieser Ursächlichkeit fehlt, wenn es unabhängig vom Verhalten des Ausländers Gründe gab, die einer Abschiebung entgegenstanden. Für eine mangelnde Kausalität der Angabe falscher Personalien für die Verzögerung der Aufenthaltsbeendigung spricht jedoch nach dem bisherigen Vorbringen der Antragstellerin nichts. Sie macht insoweit allein geltend, dass der Ausländerbehörde bereits seit 2002 aufgrund einer Mitteilung armenischer Behörden an die deutsche Botschaft bekannt geworden sei, dass die Antragstellerin über ihre Identität getäuscht hat. Sie meint, dass allein aufgrund des Zeitablaufs seit 2002 die Kausalität der Täuschung für die ausgebliebene Aufenthaltsbeendigung entfallen sei. Sie verkennt dabei, dass gerade ihre falschen Angaben zur Folge gehabt haben, dass es erst 2008 gelungen ist, die Antragstellerin zu identifizieren und die Beschaffung von Heimreisepapieren möglich zu machen. Die Antragstellerin hat auch nicht etwa von sich aus die falschen Angaben korrigiert, sondern erst auf den im Rahmen einer Mitwirkungsaufforderung der Antragsgegnerin vom 12. Juni 2006 erfolgten Vorhalt. Eine andere Ursache für den seit 2002 verstrichenen Zeitraum ohne Aufenthaltsbeendigung, die unabhängig vom Verhalten der Antragstellerin einer Abschiebung entgegengestanden haben kann, ist nach dem derzeitigen Sachstand nicht erkennbar. Vielmehr liegt es ebenfalls im Verhalten der Antragstellerin begründet, dass Sie auch nach der Aufforderung der Antragsgegnerin vom 12. Juni 2006 an der Beschaffung eines Passes nicht mitgewirkt hat.
Auf die Frage, ob die Antragsgegnerin einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der gesetzlichen Altfallregelung zu Recht auch mit der Begründung abgelehnt hat, dass wegen der bislang fehlenden Bemühungen zur Erlangung einer Erwerbstätigkeit bereits jetzt feststehe, dass die Voraussetzungen für eine Verlängerung zu verneinen seien, kommt es vor diesem Hintergrund nicht an.
Ende der Entscheidung
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