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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 01.03.2006
Aktenzeichen: 13 ME 480/05
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 105 II a
- Neuere Rechtsprechung des BVerwG zu den Besteuerungsgrundlagen bei Spielautomaten

- Probleme des Strückzahlmaßstabs


Gründe:

Die rechtzeitig eingelegte und begründete Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit zutreffender und umfassender Begründung, die der Spruchpraxis des Senats in vergleichbaren Aussetzungsverfahren der jüngsten Zeit entspricht, abgelehnt. Der Senat macht sich diese Begründung in vollem Umfang zueigen und sieht insoweit gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO von einer weiteren Begründung ab. Das Beschwerdevorbringen verliert sich weitgehend in einer Kritik an der Spruchpraxis des Senats, deren Angemessenheit bei der Wortwahl dahinstehen kann. In diesem Zusammenhang ist zunächst anzumerken, dass die Antragstellerin bzw. ihr Verfahrensbevollmächtigter offenbar die Aufgabe der Verwaltungsgerichte bei der Entscheidung über Streitverfahren wegen der Veranlagung zu Vergnügungssteuern verkennt. Die Besteuerungsgrundlagen und der Besteuerungsmaßstab werden von den Gemeinden nach Maßgabe ihrer Satzungsautonomie und des insoweit bestehenden Gestaltungsspielraumes festgelegt. Der Senat hat im Einzelfall nur darüber zu befinden, ob die in Rede stehende Vergnügungssteuersatzung, auf die der angefochtene Vergnügungssteuerbescheid gestützt worden ist, mit höherrangigem Recht vereinbar ist. Dagegen ist es nicht Aufgabe des Senats, gegenüber der Gemeinde auf eine Besteuerung hinzuwirken, die möglicherweise "besser" oder auch gerechter wäre. Die Erhebung von Vergnügungssteuern auf der Grundlage des seit langem praktizierten sogenannten "Stückzahlmaßstabes", an dem die Gemeinden durchgängig aus sachlich gerechtfertigten Gründen, etwa dem des geringen Verwaltungsaufwandes bei der Erhebung der Steuer und der leicht durchzuführenden Kontrollen, festhalten und der - wie die Antragstellerin vorträgt - offenbar sogar im Interesse von Automatenaufstellern selbst steht, weil sie, nach dem Umsatz herangezogen, ggfs. eine höhere Vergnügungssteuer zahlen müssten, ist auch nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich zulässig. Lediglich im Fall der Überschreitung bestimmter sog. "Schwankungsbreiten" bei den Einspielergebnissen der Automaten in einem Erhebungsgebiet hält es den bisher praktizierten Stückzahlmaßstab für rechtswidrig, weil dann der von ihm für eine Aufwandssteuer i.S. von Art. 105 Abs. 2 a GG wie die Spielautomatensteuer geforderte sog. "lockere Bezug" nicht mehr gewahrt sei. Wenn der erkennende Senat in verschiedenen Beschlüssen in einstweiligen Rechtsschutzverfahren ausdrücklich offengelassen hat, ob dieser Rechtsprechung (uneingeschränkt) zu folgen ist, hat er damit zum Ausdruck gebracht, dass die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt eine Reihe von Fragen aufwerfen, die bisher noch nicht (befriedigend) beantwortet sind und daher in einem Hauptsacheverfahren zu erörtern wären. Im Hinblick auf die insoweit geäußerte (mehr oder weniger sachliche) Kritik der Antragstellerin (bzw. ihres Prozessbevollmächtigten) seien die Bedenken des Senats, die durch das Vorbringen der Antragstellerin in diesem Verfahren in keiner Weise ausgeräumt werden, wie folgt konkretisiert (s. auch Koster, "Abschied vom Stückzahlmaßstab bei der Vergnügungssteuererhebung für Spielautomaten ?", KStZ 2005, 181; Heine, KStZ 206, 15 zu Senat, Beschl. vom 8.12.05, 13 ME 330/05, ebenda): Bereits der Einwand des Senats, dass eine am sog. "Einspielergebnis" eines Spielautomaten orientierte Vergnügungssteuer nicht "wirklichkeitsnäher" ist, d.h. den Aufwand des einzelnen Spielers nicht besser berücksichtigen würde als eine dieses vernachlässigende (Pauschal-)Steuer, dürfte keineswegs als widerlegt anzusehen sein. Denn das "Einspielergebnis" eines Spielautomaten gibt ausschließlich den Einsatz aller Spieler an diesem Automaten wieder, nicht den des einzelnen Spielers. Dass dadurch "im Ergebnis auch der Vergnügungsaufwand des einzelnen Spielers abgebildet" würde, weil der "hohe Aufwand des viel Spielenden ... sich in höheren Einspielergebnissen des Aufstellers niederschlage" (so BVerwG, Urt. vom 13.4.05, 10 C 5.04, KStZ 2005, 171/174), ist schon deshalb zweifelhaft, weil das (Gesamt-)Einspielergebnis darauf beruhen kann, dass der einzelne Spieler mehr Geld einsetzt (aufwendet), dieses aber durchaus nicht der Fall sein muss, indem das höhere "Einspielergebnis" gleichermaßen auf die (höhere) Gesamtzahl der Spieler zurückgehen kann, wobei mehrere Spieler im Einzelnen naturgemäß weniger aufwenden als wenige. Das kann überdies von Spielautomat zu Spielautomat unterschiedlich sein, so dass auch insoweit "Einspielergebnisse" als solche nicht aussagekräftig sind. Bezeichnenderweise ist in Zusammenhang mit dem Stichwort "Einspielergebnis" auch immer nur von den Spielern die Rede, dem Aufwand der Spieler (was auch tatsächlich zutrifft), nicht von dem zu besteuernden Einzelaufwand des einzelnen Spielers! Insgesamt ist danach nicht ersichtlich, dass eine Differenzierung der Vergnügungssteuer bei Geldspielautomaten über den Ort der Aufstellung hinaus, der auf der (begründeten) Vermutung beruht, dass in Spielhallen auch der einzelne Spieler mehr aufwendet als z.B. in einer Gaststätte, gerechtfertigt und damit erforderlich sein sollte. Ungeklärt ist ferner, wie die Gemeinde (oder im Streitfall das Verwaltungsgericht) die sog. "Schwankungsbreite" bei den "Einspielergebnissen" der einzelnen Spielautomaten in ihrem (einem) Satzungsgebiet feststellen soll, da eine Verpflichtung der Automatenaufsteller zur Angabe der entsprechenden Zahlen nicht besteht. Insoweit mag einer Gemeinde bei einer Mehrzahl von Automatenaufstellern vergleichendes Material vorliegen, bei Gericht wäre das indessen nicht der Fall. Selbst wenn es gelänge, ausreichendes Datenmaterial zu bekommen, stellte sich die Frage, ob die angegebenen Zahlen nicht (doch) manipuliert sind. Das wäre z.B. auch sehr leicht dadurch möglich, dass die vorgelegten Zahlen in zeitlicher Hinsicht nicht vergleichbar sind, indem die betreffenden Automaten zeitweise (mehr oder weniger lange) außer Betrieb gesetzt worden sind. Soweit ersichtlich, erfassen die Zählwerke die Betriebszeit nicht, so dass entsprechende Feststellungen nicht möglich wären. Auch bei - wie hier - Angabe monatlicher Zahlen wäre immer noch nicht ersichtlich, ob der betreffende Automat den ganzen Monat in Betrieb gewesen ist, d.h. alle Tage dieses Monats. Letztlich ist auch ungeklärt, in welcher Weise eine Vergnügungssteuersatzung den "Einspielergebnissen" der Spielautomaten Rechnung tragen soll, wenn sie eine darauf bezogene Vergnügungssteuer erheben will: Das Erheben eines bestimmten Prozentsatzes vom jeweiligen "Einspielergebnis" machte die Vergnügungssteuer (des sich vergnügenden Spielers) zu einer Automaten-Umsatzsteuer (des Aufstellers) - womit sich die vom BVerwG bisher offenbar nicht angeschnittene Frage der Vereinbarkeit mit EU-Recht aufdrängt - und würde so den Charakter einer "Aufwandsteuer" im Sinne von Art. 105 Abs. 2a GG verlieren. Danach käme dann offenbar nur eine (weitere) Differenzierung der "Stückzahl"-Steuer in Betracht, wobei dann je nach der Erlössituation eines Automaten eine Staffelung der Steuer nach einer bestimmten Bandbreite von "Einspielergebnissen" erhoben wird. Ein derart differenzierter "Stückzahlmaßstab" würde zwar der unterschiedlichen Erlössituation der Automaten Rechnung tragen, müsste indessen wegen der genannten faktischen Schwierigkeiten unpraktikabel bleiben und überdies weiterhin unter dem Mangel leiden, dass der Aufwand des einzelnen Spielers dadurch keineswegs besser erfasst würde als bisher. Alle diese Fragen können im auf vorläufigen Rechtsschutz gerichteten vorliegenden Verfahren indessen nicht geklärt werden, in welchem die Antragstellerin nur den Vergnügungssteuersatz angreift, der von der Antragsgegnerin für in Spielhallen aufgestellte Gewinn-Spielautomaten erhoben wird. Aber auch dann, wenn die neue Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts berücksichtigt wird, muss die Beschwerde erfolglos bleiben. Das darauf gestützte Beschwerdevorbringen vermag eine andere Entscheidung nicht zu rechtfertigen. Die Aussetzung der sofortigen Vollziehung eines Abgabenbescheides soll nur dann erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn dessen Vollziehung für die Antragstellerin eine unbillige Härte zur Folge hätte (§ 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO). Im vorliegenden Verfahren ist lediglich die erste Alternative geltend gemacht worden; ihre Voraussetzungen sind für den Senat jedoch nicht erkennbar. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinen Urteilen vom 13. April 2005 (10 C 5.04, aaO; 10 C 8.04) und vom 14. Dezember 2005 (10 CN 1.05 -) detaillierte Anforderungen an die Feststellung der Überschreitung der für zulässig erklärten "Schwankungsbreite" bei den Umsätzen der Automaten im (jeweiligen) Satzungsgebiet entwickelt. Es versteht sich von selbst, dass von der Antragstellerin im Rahmen des auf einstweiligen Rechtsschutz gerichteten Verfahrens nicht die Darlegung und der Nachweis dieser Voraussetzungen gefordert werden kann. In solchen Verfahren reicht im Regelfall zudem die Glaubhaftmachung aus. Von der Antragsgegnerin sind Ermittlungen zum Durchschnitt der "Einspielergebnisse" bisher nicht durchgeführt worden. Es liegen lediglich die von der Antragstellerin für die Jahre 2004 und 2005 vorgelegten Übersichten über die Ergebnisse der von ihr in Braunschweig, Spielhalle "D. -Str. 32", aufgestellten Spielautomaten mit Gewinnmöglichkeit vor. Nach der genannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts reichen die von einem Automatenaufsteller nachgewiesenen Einspielergebnisse hinsichtlich der notwendigen Feststellungen jedoch regelmäßig nicht aus. So hat das Bundesverwaltungsgericht in dem Urteil vom 14. Dezember 2005 - 10 CN 1.05 - erneut ausgeführt, dass sich ein belastbarer Durchschnitt der Einspielergebnisse für das Satzungsgebiet in aller Regel nicht bilden lasse, wenn nur Einspielergebnisse der Geräte eines von mehreren Aufstellern oder von insgesamt einem nur sehr geringen Prozentsatz aller Automaten derselben Gerätegruppe im Satzungsgebiet vorlägen. Die Betrachtung erfordert, um Verzerrungen durch jahreszeitliche Schwankungen in der Automatennutzung und sporadische Gewinnausschüttungen zu vermeiden, zudem Angaben zu den einzelnen Spielautomaten über einen jeweils längeren Zeitraum von in der Regel acht bis zwölf Monaten (BVerwG, aaO, UA S. 10 f.). Die Angaben der Antragstellerin, die eine von 54 Spielhallen betreibt, beziehen sich lediglich auf 13 von insgesamt etwa 460 Spielautomaten mit Gewinnmöglichkeit im Satzungsgebiet der Antragsgegnerin. Dies reicht nicht aus, um einen aussagekräftigen Durchschnitt der Einspielergebnisse zu bilden. Zu Ungunsten der Antragstellerin fällt ferner ins Gewicht, dass 20 von insgesamt 36 Geräten - es sind 13 Geräte konzessioniert, auf 13 Plätzen wurden im Wechsel 36 Geräte aufgestellt - nicht einmal acht Monate, davon zwölf Geräte sogar weniger als fünf Monate betrieben worden sind. Die danach sehr unterschiedlich lange Dauer des Betriebes der einzelnen Automaten macht eine vergleichbare Betrachtung unmöglich, zumal nicht ersichtlich ist, ob es sich um volle Monate handelt. Zudem könnten in die Betrachtung nur solche Geräte einbezogen werden, deren Umsätze über einen längeren Zeitraum von in der Regel acht bis zwölf Monaten vorliegen. Bei Außerachtlassung der in den Übersichten der Antragstellerin aufgeführten Spielautomaten mit einer Laufzeit von weniger als acht Monaten verringert sich die zu berücksichtigende Differenz bei den Einspielergebnissen aber maßgeblich, weshalb die nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erforderlichen Feststellungen auch unter Berücksichtigung der im Aussetzungsverfahren herabgesetzten Anforderungen an die Darlegung und den Nachweis nicht getroffen werden können, zumal die Antragstellerin auch in ihrem Beschwerdevorbringen die diesbezüglichen Gründe des angefochtenen Beschlusses in keiner Weise angreift. Feststellungen, die in anderen Gemeinden oder sogar anderen Bundesländern getroffen worden sind, helfen ebenfalls nicht weiter, weil es von den konkreten Umständen des Einzelfalles im jeweiligen Satzungsgebiet abhängt, ob die vorgelegten Daten einen tragfähigen Schluss auf das durchschnittliche Einspielergebnis der Automaten mit Gewinnmöglichkeiten im Gemeindegebiet zulassen. Insoweit bedarf es weiterer Ermittlungen, die nur im Hauptsacheverfahren durchgeführt werden könnten.

Ende der Entscheidung

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