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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 22.09.2008
Aktenzeichen: 13 ME 90/08
Rechtsgebiete: GG, KHG, VwGO
Vorschriften:
GG Art. 12 Abs. 1 | |
KHG § 1 | |
KHG § 8 | |
VwGO § 123 Abs. 1 |
2. Zu den Anforderungen an den Nachweis eines Mindererlöses wegen fehlender Aufnahme in den Krankenhausplan.
3. Kein Anordnungsgrund bei selbst verschuldeter Eilbedürftigkeit durch Beginn des Krankenhausbetriebes trotz fehlender Aufnahme in den Krankenhausplan.
Gründe:
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit zutreffender Begründung, die sich der Senat gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO zu Eigen macht, abgelehnt. Der Antragstellerin steht ein Anspruch auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO (Regelungsanordnung) nicht zu. Die im Wege einer einstweiligen Anordnung begehrte Verpflichtung des Antragsgegners, festzustellen, dass die Antragstellerin vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache mit 25 Betten der Fachrichtung psychosomatische Medizin und Psychotherapie in den Krankenhausplan des Landes Niedersachsen aufgenommen ist, setzt die Glaubhaftmachung der tatsächlichen Voraussetzungen eines Anordnungsanpruchs und eines Anordnungsgrundes voraus. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat das Verwaltungsgericht zu Recht verneint.
Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung sich der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, rechtfertigt keine andere Entscheidung. Die Antragstellerin begehrt eine vorläufige und teilweise Vorwegnahme der Hauptsache. Ihre beim Verwaltungsgericht Lüneburg anhängige Klage ist auf Aufnahme ihrer Klinik mit 60 Betten in den Krankenhausplan des Landes Niedersachsen gerichtet. Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren begehrt sie die vorläufige Aufnahme mit 25 Betten, mit denen sie nach ihrer Auffassung bereits derzeit nicht lediglich Vorsorge und Rehabilitation im Indikationsbereich Psychosomatik betreibt, sondern Krankenhausbehandlung in der Abteilung mit dem Behandlungsschwerpunkt Essstörung (70 Betten). Auch eine vorläufige und nur teilweise Vorwegnahme der Hauptsache ist eine Vorwegnahme im Rechtssinn. Sie vermittelt dem Antragsteller für die Dauer des Klageverfahrens bereits die Rechtsposition, die er in der Hauptsache erst anstrebt. Für den Fall des Unterliegens der Antragstellerin in der Hauptsache könnten die Folgen dieser Vorwegnahme nicht mehr rückgängig gemacht werden. Dies gilt hier umso mehr, als die Feststellung der Aufnahme in den Krankenhausplan unmittelbar auch Rechtswirkungen für die gemäß §§ 108 Nr. 2, 109 Abs. 1 Sätze 2 und 3 SGB V dadurch zur Leistung verpflichteten gesetzlichen Krankenkassen auslöst. Die begehrte Feststellung hat damit den rechtlichen Charakter einer nicht rückgängig zu machenden Statusentscheidung mit Ausstrahlungswirkung auch auf Dritte (OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 10.6.2008 - 2 M 161/06 -, juris; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 20.9.1994 - 9 S 687/94 -, DVBl. 1995, 160 f). Eine Vorwegnahme der Hauptsache im einstweiligen Anordnungsverfahren ist grundsätzlich unzulässig. Dieses Verbot gilt jedoch nicht uneingeschränkt, sondern kann ausnahmsweise durchbrochen werden, wenn Rechtsschutz in der Hauptsache wegen der langen Verfahrensdauer nicht rechtzeitig erlangt werden kann und dies für den Antragsteller zu schlechthin unzumutbaren Nachteilen führt, die sich auch bei einem späteren Erfolg in der Hauptsache nicht mehr ausgleichen lassen. Dies gebietet der Grundsatz möglichst effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG (BVerfGE 46, 166, 178). Werden mit der Vorwegnahme der Hauptsache für die Dauer der angeordneten Maßnahme vollendete Tatsachen geschaffen, so ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung von gesteigerten Anforderungen an die positive Vorausbeurteilung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache (Regelungsanspruch) und an die anderenfalls drohenden besonders schwerwiegenden Nachteile (Regelungsgrund) abhängig. Diese Anforderungen werden hier nicht erfüllt.
1. Zum Anordnungsanspruch:
Ob die Antragstellerin einen Anspruch auf Feststellung der Aufnahme von 25 Betten für das Fachgebiet psychotherapeutische Medizin und Psychosomatik (PSM) in den Krankenhausplan des Landes Niedersachsen hat, lässt sich erst nach weiterer Sachverhaltsaufklärung im Klageverfahren hinreichend sicher beurteilen und ist damit derzeit offen. Ungeachtet des missverständlichen Wortlauts besteht ein durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützter Anspruch des Krankenhausträgers nach §§ 8, 1 KHG auf Feststellung der Aufnahme in den Krankenhausplan, wenn dies der bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung dient, das Krankenhaus leistungsfähig ist und mit der Aufnahme zu sozial tragbaren Pflegesätzen beigetragen wird und zur Deckung des zu versorgenden Bedarfs kein anderes ebenfalls geeignetes Krankenhaus zur Verfügung steht. Nach dem Krankenhausplan 2007 des Landes Niedersachsen besteht ein Bedarf von 264 Betten im Bereich Psychosomatik/Psychotherapie, den der Antragsgegner durch die vorhandenen Planbetten als gedeckt ansieht (vgl. im Einzelnen Beschwerdeerwiderung vom 18.6.2008, S. 7 f). In ihrer Beschwerdebegründung hat die Antragstellerin eingeräumt, dass sie dem eine eigene Bedarfsanalyse nicht entgegenzusetzen vermag. Allerdings kommt es bei der Aufnahme in den Krankenhausplan nicht darauf an, ob das Krankenhaus einen ungedeckten Bettenbedarf befriedigt. Ein Krankenhaus ist vielmehr auch dann bedarfsgerecht, wenn es nach seinen objektiven Gegebenheiten in der Lage ist, einem vorhandenen Bedarf gerecht zu werden, wenn also ein Krankenhaus neben oder anstelle eines anderen Krankenhauses geeignet wäre, den vorhandenen Bedarf zu decken (BVerfG, Beschl. v. 4.3.2004 - 1 BvR 88.00 -, juris unter Hinweis auf BVerwG, Urt. v. 18.12.1986, Buchholz 451.74, § 8 KHG Nr. 11). Dann reduziert sich der Aufnahmeanspruch aus §§ 8, 1 KHG in einer zweiten Entscheidungsstufe auf einen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Auswahlentscheidung (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, aaO, m.w.N.). Da hier aber nicht festgestellt werden kann, dass der Aufnahme der Antragstellerin in den Krankenhausplan der Verzicht auf andere, etwa teurere Planbetten zwingend korrespondiert und nur in diesem Fall der Anspruch auf fehlerfreie Auswahlentscheidung auf eine einzige rechtmäßige Entscheidung reduziert wäre, scheitert die Feststellung eines Anordnungsanspruchs bereits an der Frage der Bedarfsgerechtigkeit.
Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus der Behauptung der Antragstellerin, die in Rede stehenden 25 Betten seien mit akut behandlungsbedürftigen Patienten belegt. Die Antragstellerin trägt selbst vor, dass ihr ein erheblicher Anteil dieser Patienten von den Rehabilitationsträgern, also zur Rehabilitationsbehandlung zugeführt werden. Erst im Rahmen der Eingangsuntersuchung werde ein akut-behandlungsbedürftiger BMI-Status von unter 16,5 kg/m² festgestellt. Der Antragsgegner weist demgegenüber überzeugend darauf hin, dass allein der BMI einen Schluss auf die Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung der betroffenen Patienten nicht zulasse. Indiziert sei ab einem bestimmten Grenzwert eine stationäre Behandlung, die aber nicht notwendigerweise in einem Krankenhaus, sondern auch in einer Rehabilitationseinrichtung durchgeführt werden könne. Diese Auffassung erscheint insofern plausibel, weil der fragliche Patientenkreis der Antragstellerin gerade zur Rehabilitation zugewiesen, eine Akut-Einweisung jedoch nicht für erforderlich gehalten wurde. In den Fällen einer Verschlechterung des Krankheitsbildes in der Zeit zwischen der Einweisung und Aufnahme kann die Antragstellerin eine Überweisung in andere, zur Akut-Behandlung eingerichtete Krankenhäuser vornehmen. Die Behauptung der Antragstellerin, dass es in derartigen Fällen in Niedersachsen keine aufnahmebereiten Krankenhäuser gebe, überzeugt den Senat nicht. Zwar dürften Aufnahmeengpässe bei bestimmten Kliniken zu bestimmten Zeiten durchaus vorkommen. Die von der Antragstellerin herangezogenen Fallbeispiele sprechen aber eher für den Wunsch der Patienten, in einer Klinik ihrer Wahl aufgenommen zu werden. In derartigen Fällen sind Wartezeiten insbesondere beim Fehlen einer akuten Behandlungsbedürftigkeit durchaus nahe liegend, aber auch vorübergehend hinzunehmen. Jedenfalls sprechen derartige Einzelfälle nicht zwingend dafür, dass nur die Antragstellerin einen vermeintlich bestehenden Bettenbedarf erfüllen kann.
Fehlt es bereits an der Feststellung der für die Aufnahme in den Krankenhausplan erforderlichen Bedarfsgerechtigkeit, sind Ausführungen hinsichtlich der darüber hinaus erforderlichen Leistungsfähigkeit und Kostengünstigkeit entbehrlich.
2. Zum Anordnungsgrund:
Auch den erforderlichen Anordnungsgrund hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht.
Die Antragstellerin macht geltend, dass sie in ihrer wirtschaftlichen Existenz gefährdet sei, weil sie bereits derzeit mit 25 Betten eine Krankenhausbehandlung durchführe, die sie wegen der fehlenden Aufnahme in den Krankenhausplan jedoch nicht kostendeckend abrechnen könne. Dabei ermittelt sie ein rechnerisches Defizit von rd. 600.000,- EUR jährlich, weil sie je Pflegetag lediglich den Rehabilitationspflegesatz von 128,30 EUR statt eines tatsächlich anfallenden Krankenhauspflegesatzes von 203,17 EUR abrechnen dürfe. Die Antragstellerin hat in diesem Zusammenhang jedoch nicht glaubhaft gemacht, dass der behauptete Erlösausfall von über 600.000,- EUR pro Jahr tatsächlich vorliegt. Den von ihr für erforderlich gehaltenen Krankenhauspflegesatz in Höhe von 203,17 EUR hat die Antragstellerin nicht mit Hilfe einer Kosten- und Leistungsrechnung ermittelt, sondern hat ihn lediglich unter Verwendung von im Internet veröffentlichten Pflegesätzen von Akut-Kliniken für Psychiatrie und psychosomatische Medizin zwischen 187,- EUR und 320,-EUR selbst bestimmt. Zu Recht wendet der Antragsgegner dagegen ein, dass dieses Vorgehen keine verlässliche Aussage über einen tatsächlichen Erlösausfall ermöglicht. Eine Unterdeckung kann allenfalls dadurch belegt und nachgewiesen werden, dass die Antragstellerin über die beim Rehabilitationspflegesatz in Ansatz gelangten Kosten, also über die von ihr vorgehaltenen Ressourcen hinaus, Personal- und Sachmittel für eine etwaige Krankenhausbehandlung der ihr zum Zwecke der Rehabilitation zugewiesenen Patienten einsetzt. Dies wird von der Antragstellerin jedoch nicht behauptet. Insoweit verweist sie lediglich auf ihre im Klageverfahren geäußerte Absicht, für den Fall der Aufnahme von 60 Betten in den Krankenhausplan die dann erforderlichen personellen und sachlichen Vorkehrungen zu treffen. Damit beschreibt die Antragstellerin aber keinen bereits derzeit getätigten Aufwand. Führt die Antragstellerin die Behandlung bei den infrage stehenden 25 Betten aber mit den zum Zwecke der Rehabilitation zur Verfügung stehenden Ressourcen durch, so muss ihre Behauptung, bereits gegenwärtig in dem genannten Umfang Krankenhausbehandlung zu betreiben, ernstlich bezweifelt werden. Jedenfalls ist es aber nicht nachvollziehbar, dass sie nach ihren Angaben jährlich 600.000 EUR zusätzlich für 25 Betten in der Abteilung Essstörungen aufwendet.
Selbst wenn aber der behauptete Erlösausfall bestehen sollte und die Antragstellerin allein dadurch in ihrer Existenz gefährdet wäre - was im Übrigen keineswegs sicher ist, weil ein Wegfall des Defizits bei der Gesamteinrichtung (Reha-Bereich) im laufenden Wirtschaftsjahr von ihr zwar behauptet, aber nicht glaubhaft gemacht worden ist - so kann sie sich im Rahmen des Anordnungsgrundes auf diesen Gesichtpunkt auch deshalb nicht mit Erfolg berufen, weil sie ihre angebliche wirtschaftliche Notlage von Anfang an selbstverschuldet herbeigeführt hätte. Nach ihrem eigenen Vorbringen hat sie in beträchtlichem Umfang, nämlich in Höhe etwa eines Drittels ihrer Betten im Bereich Essstörungen, dauerhaft Krankenhausbehandlung durchgeführt, ohne dass ihr Antrag auf Aufnahme in den Krankenhausplan positiv beschieden war. Zwar mag der Antragsgegner im Verlauf des noch immer nicht abgeschlossenen Verwaltungsverfahrens gewisse, letztlich aber unverbindliche Signale gesetzt haben. Die Entscheidung, den (behaupteten) Krankenhausbetrieb auch ohne Berücksichtigung im Krankenhausplan des Landes Niedersachsen aufzunehmen, hat die Antragstellerin jedoch in eigener Verantwortung getroffen. Mit dem Bayerischen VGH (Beschl. v. 1.8.2002 - 21 CE 02.950 - juris) verneint deshalb auch der erkennende Senat das Vorliegen eines Anordnungsgrundes bei selbst verschuldeter Eilbedürftigkeit.
Ein Anordnungsgrund kann auch nicht im Hinblick auf das von der Antragstellerin behauptete Versorgungsdefizit bei Patienten mit Essstörungen und eine deshalb bestehende Gefahr für Leib und Leben von Patienten festgestellt werden. Unter dem Gesichtspunkt der Bedarfsgerechtigkeit hat der Senat bereits ausgeführt, dass der Auffassung der Klägerin, eine Behandlungsnotwendigkeit der Patienten in einem Krankenhaus bestehe ohne weiteres und in jedem Fall bereits ab einem BMI von unter 16,5 kg/m², nicht notwendigerweise zu folgen ist. Insoweit weist der Antragsgegner zu Recht darauf hin, dass in derartigen Fällen zwar eine ambulante Behandlung ausscheide, eine stationäre Aufnahme in einer Rehabilitationseinrichtung aber durchaus ausreichen könne. In jedem Fall erscheint es aber ausgeschlossen und wird so von der Antragstellerin auch nicht behauptet, dass in jedem dieser Fälle bereits eine lebensbedrohliche Situation eingetreten wäre. Fallschilderungen vermögen in diesem Zusammenhang eine andere Beurteilung nicht zu rechtfertigen. So heißt es in der eidesstattlichen Versicherung des U. Fernim vom 7. August 2008 ausdrücklich, dass die Medizinische Hochschule Hannover eine stationäre Notaufnahme eben nicht für erforderlich gehalten habe. Wenn eine Akutaufnahme vom Arzt veranlasst wird, geht der Senat mit dem Verwaltungsgericht davon aus, dass diese in den vorhandenen Krankenhäusern auch erfolgen kann. Dies belegen im Übrigen auch die von der Antragstellerin selbst vorgelegten, allerdings insoweit nicht markierten Internetausdrucke aus dem "Forum Essstörungen".
Nach allem muss die Beschwerde ohne Erfolg bleiben.
Ende der Entscheidung
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