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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 02.02.2005
Aktenzeichen: 2 L 3542/00
Rechtsgebiete: BKV, BeamtVG


Vorschriften:

BKV § 1
BeamtVG § 31 I
BeamtVG § 31 III
Zu der Frage, ob bei einem lange Jahre im Rettungsdienst als Rettungsassistent eingesetzten Beamten ein Bandscheibenvorfall als Berufskrankheit und damit als Dienstunfall nach § 31 Abs. 3 BeamtVG angesehen werden kann.
Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Anerkennung eines erlittenen Bandscheibenvorfalls als Dienstunfall und/oder als Berufskrankheit.

Der am 14. Juni 1951 geborene Kläger trat zum 1. November 1976 zunächst als Beamter auf Probe in den feuerwehrtechnischen Dienst der beklagten Stadt ein und wurde dort im Krankentransport als Rettungsassistent verwendet. Am 1. November 1979 wurde er nach bestandener Laufbahnprüfung des mittleren feuerwehrtechnischen Dienstes zum Beamten auf Lebenszeit ernannt (Feuerwehrmann) und in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 5 Bundesbesoldungsordnung (BBesO) eingewiesen. Der Kläger ist zuletzt, und zwar mit Wirkung vom 1. Oktober 1993 zum Oberbrandmeister befördert worden (Besoldungsgruppe A 8 BBesO). Von der beklagten Stadt wurden insgesamt fünf Unfälle, die der Kläger in der Zeitspanne zwischen dem 5. Januar 1978 und dem 30. August 1993 während seiner Dienstausübung erlitten hatte, als Dienstunfälle i. S. des § 31 Beamtenversorgungsgesetzes (BeamtVG) anerkannt.

Mit Erklärung vom 30. November 1996 zeigte der Kläger der Beklagten einen Bandscheibenvorfall als weiteren Dienstunfall an. Hierzu gab er an, am Donnerstag, den 24. Oktober 1996 gegen 19.30 Uhr bei einem Krankentransport eine schwangere Frau auf einem Stuhl aus einem Rettungstransportwagen herausgehoben zu haben. Bei diesem Vorgang seien bei ihm "heftigste Ischiasbeschwerden" aufgetreten. Der Schmerzen wegen habe er seinen Dienst beendet und am Morgen des 25. Oktober 1996 seinen Hausarzt, den Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. D. aus E., aufgesucht, der ihn auf Ischialgie behandelt habe. Da er - der Kläger - ab Montag, dem 28. Oktober 1996 an einer Fortbildungsmaßnahme teilgenommen und dann einen zweiwöchigen Erholungsurlaub angetreten habe, habe er auf eine Krankmeldung verzichtet, die ärztliche Behandlung sei aber in seinem Urlaub fortgesetzt worden. Nachdem er seinen Dienst wieder aufgenommen habe, seien drei Tage nach Dienstantritt, und zwar am 27. November 1996 gegen 9.50 Uhr an der Außenkante seines linken Fußes plötzlich heftige Schmerzen aufgetreten, als er sich in seinem Dienstzimmer aus einer Drehbewegung heraus von seinem Schreibtischstuhl herunter gebeugt habe, um aus einer Schreibtischschublade eine Akte zu entnehmen. Er habe daraufhin wieder den Dienst abgebrochen und seinen Hausarzt aufgesucht. Es sei dann ein Bandscheibenvorfall festgestellt worden.

Der von dem Kläger angezeigte Bandscheibenvorfall wurde während eines stationären Aufenthalts (9. - 18.12.1996) in der Neurochirurgischen Klinik der F. am 12. Dezember 1996 operativ versorgt (interlaminäre Fensterung, Sequerstrektomie und Ausräumung des Zwischenwirbelraumes in Höhe LWK 5/SWK 1).

Nach Wiederherstellung der Dienstfähigkeit wurde der Kläger bis Ende des Jahres 1999 überwiegend im Tagesdienst für Bürotätigkeiten eingesetzt. Seit Anfang des Jahres 2000 ist er im Schichtdienst in der Rettungsleitstelle eingesetzt, nimmt aber auch teilweise an Brandschutzeinsätzen teil. Aufgrund einer innerdienstlichen Regelung der beklagten Stadt werden Beamte des feuerwehrtechnischen Dienstes ab Vollendung des 50. Lebensjahres - dieses hat der Kläger im Juni 2001 vollendet - ohnehin für Rettungstransportdienste nicht mehr eingesetzt.

Aufgrund der Unfallanzeige vom 30. November 1996, die die Beklagte als Antrag auf Anerkennung der Ereignisse vom 24. Oktober und 27. November 1996 als Dienstunfälle auffasste, wurde der Kläger am 18. Februar 1997 im Gesundheitsamt der Beklagten untersucht. In dem aufgrund dieser Untersuchung gefertigten Gutachten vom 19. März 1997 kam der Amtsarzt zu folgender zusammenfassenden Beurteilung:

"Bandscheibenvorfälle werden...in der Regel durch degenerative Veränderungen bedingt, wobei durchaus ein akuter Anlaß wie Drehen auf dem Schreibtischstuhl der Auslöser sein kann. Ein anlagenbedingtes Leiden ist also als ursächlich anzunehmen für den Bandscheibenvorfall und der dienstliche Bezug hier das Drehen auf dem Schreibtischstuhl und Herunterbeugen, um die Akte zu holen, als der eher zufällig dienstliche Bezug. Bei der ebenfalls erfolgten Drehung vier Wochen vorher beim Einsatz, die schwangere Frau in den Rettungswagen zu heben, traten bereits Schmerzen mit weit geringerer Intensität auf. Der Bandscheibenvorfall wurde aber erst ca. vier Wochen nach diesem Vorfall am Schreibtischstuhl ausgelöst. Er hätte also genauso gut bei jeder anderen Drehung oder Beugung, auch zu Hause, ausgelöst werden können. Daher ist aus amtsärztlicher Sicht eine sogenannte Gelegenheitsursache anzunehmen".

Die Beklagte machte sich die von dem Amtsarzt vorgenommene Einschätzung zu eigen und lehnte es mit Bescheid vom 24. März 1997 ab, die Ereignisse vom 24. Oktober und 27. November 1997 als Dienstunfälle i. S. des § 31 BeamtVG anzuerkennen. Der Kläger erhob hiergegen Widerspruch, in dem er u. a. die Auffassung vertrat, sein Bandscheibenvorfall könne auch auf seine besonderen, wirbelsäulenschädigenden Belastungen zurückzuführen sein, denen er in seiner 20jährigen Tätigkeit als Rettungsassistent ausgesetzt gewesen sei. Im Laufe des Widerspruchsverfahrens wurde der Kläger, der nach einer vierwöchigen stationären Rehabilitationsmaßnahme seit dem 1. April 1997 im Rahmen eines Wiedereingliederungsverfahrens seinen Dienst mit einer verminderten Dienstleistung wieder aufgenommen hatte, am 23. Juni 1997 von einer Betriebsärztin der Arbeitsmedizinischen Dienste untersucht. Die Betriebsärztin, die Fachärztin für Arbeitsmedizin und Allgemeinmedizin G. aus E. stellte dabei fest, dass sich der Gesundheitszustand des Klägers zwar verbessert habe, sein künftiges Tätigkeitsfeld aber (zunächst) eingeschränkt werden müsse. Der Kläger wurde daher außerhalb des Rettungsdienstes eingesetzt, seit dem 1. Dezember 1997 war er wieder vollschichtig beschäftigt.

Während des Widerspruchsverfahrens holte die Beklagte eine weitere Stellungnahme des Amtsarztes ein, der den Kläger am 18. Februar 1997 erneut untersuchte und für seine Stellungnahme ein Zusatzgutachten des Facharztes für Orthopädie, H. aus E., einholte; in dem fachorthopädischen Zusatzgutachten vom 22. Oktober 1997 heißt es u. a.:

"Nach Operation...im Dezember 1996 sind Sensibilitätsstörungen am li. lateralen Unterschenkel und Fußrand zurückgeblieben, weiterhin eine Abschwächung des ASR li., Muskelparesen bestehen nicht. Bei einem Bandscheibenvorfall handelt es sich um ein Leiden, dass seiner Natur nach degenerativ ist. Degenerative Veränderungen im Bereich der Wirbelsäule mit Rückenschmerzen haben auch vorher schon bestanden, durch eine 'verkehrte' Belastung hat sich der Bandscheibenvorfall dann endgültig manifestiert. Diese 'falsche' Belastung während des Dienstes ist das auslösende Moment, nicht aber die Ursache für den Bandscheibenvorfall. Er hätte ebenso gut eine Stunde später im privaten Bereich beim Heben oder Bücken erfolgen können".

Da ein zuvor von dem Amtsarzt konsultierter anderer Facharzt für Orthopädie, I., überdies die Auffassung vertreten hatte, dass sich der Kläger mit 46 Jahren in einem Alter befinde, in dem bei einem Großteil der Bevölkerung auch ohne die Verrichtung schwerer körperlicher Tätigkeiten aufgrund degenerativer Veränderungen der Wirbelsäule bandscheibenbedingte Erkrankungen aufträten, kam der Amtsarzt unter Bezugnahme auf die Aussagen der genannten beiden Orthopäden in seiner für das Widerspruchsverfahren abgegebenen Stellungnahme vom 4. November 1997 zu dem Ergebnis, dass der Bandscheibenvorfall, den der Kläger erlitten habe, auch nach erneuter eingehender Überprüfung nicht als Dienstunfall angesehen werden könne.

Die Beklagte machte sich die Feststellungen des Amtsarztes erneut zu eigen und wies mit Bescheid vom 23. Februar 1998 den Widerspruch des Klägers zurück, wobei sie ergänzend ausführte, der Kläger könne sich für sein Begehren auch nicht mit Erfolg auf die Bestimmung des § 31 Abs. 3 BeamtVG i. V. m. der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) und der hierzu bestehenden Nr. 2108 der Anlage 1 berufen. Denn unabhängig davon, ob ein Bandscheibenvorfall überhaupt eine Berufskrankheit i. S. der genannten Verordnung sei, habe der Kläger keine Tätigkeit ausgeübt, die erfahrungsgemäß eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine Wirbelsäulenerkrankung infolge dienstlicher Betätigungen mit sich bringe, mithin es fehle im Falle des Klägers an der in der Nr. 2108 der Anlage 1 geforderten besonderen Gefährdung während der dienstlichen Tätigkeit.

Mit seiner fristgerecht erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, die amtsärztlichen Stellungnahmen könnten nicht überzeugen, weil sie auf oberflächlichen Untersuchungen beruhten und insbesondere nicht berücksichtigen, dass er während seiner 20jährigen Tätigkeit im Rettungsdienst in besonderem Maße infolge schweren Hebens und Tragens sowie der Bewegung von Lasten unter Zwangshaltung Belastungen der Wirbelsäule i. S. der Nr. 2108 der Anlage 1 der BKV ausgesetzt gewesen sei. Anders als der Amtsarzt habe die Betriebsärztin G. festgestellt, dass er durch die Tätigkeit als Rettungsassistent im Vergleich zu der übrigen Bevölkerung der Gefahr der Erkrankung an einem Bandscheibenvorfall in gesteigertem Maße ausgesetzt gewesen sei. Hieraus ergebe sich, dass sein Bandscheibenvorfall auch nach § 31 Abs. 3 BeamtVG als Dienstunfall anerkannt werden müsse. Denn die Art seiner Tätigkeit als Rettungsassistent habe eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine Erkrankung der Wirbelsäule mit sich gebracht. Hierbei sei auch zu berücksichtigen, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes Bandscheibenschäden, die wie bei ihm durch schweres Heben und Tragen bei der Arbeit hervorgerufen worden seien, weiterhin als Berufskrankheit anerkannt würden, auch wenn es sich bei einem Wirbelsäulenleiden wie dem hier interessierenden Bandscheibenvorfall um eine weit verbreitete sog. Volkskrankheit handele.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 24. März 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. Februar 1998 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Unfälle vom 24. Oktober 1996 und 27. November 1996 als Dienstunfälle anzuerkennen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat erwidert:

Wie die eingeholten ärztlichen Gutachten und Stellungnahmen ergeben hätten, habe sich der beim Kläger aufgetretene Bandscheibenvorfall nur zufällig während einer dienstlichen Tätigkeit, und zwar durch eine 'verkehrte' Belastung ereignet. Die 'falsche' Belastung während einer dienstlichen Tätigkeit sei nur das auslösende Moment, nicht aber die Ursache des Bandscheibenvorfalls gewesen, wie dies aber für die Anerkennung eines Dienstunfalls i. S. des § 31 Abs. 1 BeamtVG Voraussetzung wäre. Eine Anerkennung könne hier auch nicht nach § 31 Abs. 3 BeamtVG i. V. m. den hierzu ergangenen Durchführungsbestimmungen, insbesondere mit der Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung in Betracht kommen; denn die Tätigkeit des Klägers als Rettungssanitäter hätte gerade nicht eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine Wirbelsäulenerkrankung mit sich gebracht.

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 25. Januar 2000 die Klage abgewiesen und zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:

Die Beklagte sei nicht verpflichtet, die Ereignisse vom 24. Oktober und 27. November 1996 als Dienstunfälle anzuerkennen , und zwar weder nach § 31 Abs. 1 BeamtVG noch nach § 31 Abs. 3 BeamtVG.

Eine Anerkennung nach § 31 Abs. 1 BeamtVG scheide aus, weil es an einem Zusammenhang zwischen den Unfallereignissen und dem eingetretenen Schaden, dem Bandscheibenvorfall, fehle. Zum einen habe der Kläger nach dem Bericht der F. vom 7. April 1997 bereits vor den Unfallereignissen im Herbst 1996, und zwar seit Anfang des Jahres 1996 unter Lumbago-Beschwerden ("Hexenschuss") gelitten. Zum anderen seien die unfallauslösenden Tätigkeiten am 24. Oktober und 27. November 1996 nach den überzeugenden amtsärztlichen Stellungnahmen nicht geeignet gewesen, einen Bandscheibenvorfall herbeizuführen. Wenn nämlich aus medizinischer Sicht selbst schwerste körperliche Belastungen nicht zu einem Bandscheibenvorfall führen könnten, müssten die von dem Kläger als unfallauslösend angezeigten mittelschweren - Herausheben einer Patientin aus einem Rettungstransportwagen - oder leichten - Herausziehen einer Akte aus einer Schublade unter einer Drehbewegung - Belastungen der Wirbelsäule offensichtlich als Ursache des erlittenen Bandscheibenvorfalls ausscheiden.

Auch soweit sich der Kläger für sein Begehrens nicht auf einzelne Ereignisse wie die Unfälle vom Herbst 1996 berufe, sondern auf die ständige Belastung seiner Wirbelsäule durch das langjährige Tragen von Patienten, die bei ihm zu einer Berufskrankheit geführt habe, abhebe, könne dies ebenfalls nicht zum Erfolg seiner Klage führen; denn die Voraussetzungen für eine Anerkennung der Wirbelsäulenerkrankung des Klägers als Dienstunfall nach § 31 Abs. 3 BeamtVG lägen ebenfalls nicht vor. Nach der hier nur einschlägigen Nr. 2108 der Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung und den hierzu bestehenden Hinweisen könne eine Wirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit und damit als Dienstunfall nach § 31 Abs. 3 BeamtVG nur anerkannt werden, wenn der Erkrankte einer der folgenden Berufsgruppen angehöre oder eine vergleichbare Tätigkeit ausübe, die typischerweise mit schwerem Heben von Lasten verbunden sei: Bergleute bei untertägigem Bergbau, Maurer, Steinsetzer, Stahlbetonbauer, Schauerleute, Möbel-, Kohlen-, Fleisch- oder andere Lastenträger, Landwirte, Fischer sowie Beschäftigte in der Alten-, Kranken- und Behindertenpflege. Weiter sei erforderlich, dass eine längere Tätigkeit - mindestens 10 Berufsjahre - mit erhöhtem Risiko durch regelmäßiges Heben und Tragen schwerer Lasten ausgeübt worden sei. Diese Voraussetzungen erfülle der Kläger nicht. So sei der Kläger nach den Angaben des Leiters der Berufsfeuerwehr der Beklagten nicht ständig im Rettungsdienst eingesetzt gewesen. Des Weiteren sei die Belastung der Wirbelsäule des Klägers während des Rettungsdienstes nicht so schwerwiegend gewesen wie bei den genannten Berufsgruppen. Denn nicht jeder durch den Rettungsdienst zu transportierende Patient müsse in einer Weise transportiert werden, dass er auf fremde Hilfe beim Ein- und Aussteigen in den Rettungswagen angewiesen sei, mithin sei die Tätigkeit als Rettungssanitäter nur zu einem geringen Teil mit dem Heben schwerer Lasten verbunden; auch sei zu bedenken, dass ein Rettungsfahrzeug nicht permanent im Einsatz sei, dem Sanitäter also auch Ruhepausen zugute kämen.

Da somit der Kläger dem ihm obliegenden Beweis nicht habe führen können, die von ihm als Rettungsassistent dienstlich wahrgenommene Aufgabe habe eine besondere Gefährdung seiner Wirbelsäule zur Folge gehabt, müsse seine Klage erfolglos bleiben.

Der Kläger hat gegen das ihm am 4. April 2000 zugestellte Urteil am 3. Mai 2000 Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt, dem der Senat mit Beschluss vom 16. Oktober 2000 - 2 L 1788/00 - nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (wegen des Vorliegens besonderer tatsächlicher Schwierigkeiten) stattgegeben hat.

Zur Begründung seiner Berufung trägt der Kläger vor:

In dem angefochtenen Urteil sei übersehen worden, dass bei ihm die sog. arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung des erlittenen Bandscheibenvorfalls zumindest als Berufskrankheit nach der Nr. 2108 der Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung als erfüllt anzusehen seien; denn er habe mit einer gewissen Regelmäßigkeit und Häufigkeit während seines langjährigen Einsatzes als Rettungssanitäter Lastgewichte von 25 bzw. 20 kg wie etwa den Rettungskoffer oder ein Sauerstoffgerät in der überwiegenden Zahl der Arbeitsschichten getragen. Im Übrigen sei es für die Frage der Annahme einer Berufskrankheit letztlich nicht entscheidend, welche dienstlichen Tätigkeiten er ausgeübt habe, sondern welche beruflich bedingten Belastungen auf seine Wirbelsäule eingewirkt hätten und ob sich hieraus eine Erkrankung der Wirbelsäule habe ergeben können. Hierzu sei aber darauf hinzuweisen, dass bei ihm ein Bandscheibenvorfall und damit eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule festgestellt worden sei. Wenn in dem angefochtenen Urteil demgegenüber ausgeführt werde, seine Wirbelsäule sei während der Einsätze als Rettungssanitäter nicht so schwerwiegend belastet worden, wie dies für die Anerkennung einer Berufskrankheit erforderlich sei, so sei dem entgegen zu halten, dass er bei den Rettungsdiensteinsätzen auch Patienten habe umladen, heben und tragen müssen; dies sei teilweise auch über lange Wegstrecken geschehen, wenn etwa erkrankte Personen im Treppenhaus hätten getragen werden müssen, wobei zu berücksichtigen sei, dass in Wolfsburg Arztpraxen häufig im ersten Stock angesiedelt und wegen der Bausubstanz aus den 50iger Jahren des vorherigen Jahrhunderts nur über enge Treppenhäuser zu erreichen seien. Insbesondere der Rettungseinsatz am 24. Oktober 1996, bei dem er eine schwangere Patientin in einem Tragestuhl, der für sich genommen ca. 100 kg gewogen habe, aus dem Rettungswagen in nach vorne gebückter Haltung habe heraustragen müssen - die zum damaligen Zeitpunkt eingesetzten Fahrzeug seien noch nicht so gebaut gewesen, dass man Patienten in aufrechter Haltung aus dem Fahrzeug habe tragen können -, sei geeignet gewesen, die Belastungskraft auf die untere Lendenwirbelsäule so stark zu erhöhen, das es möglich sei, dass eine Bandscheibe aus der Bandführung plötzlich herausgedrückt werde, wie dies in dem Attest des Arztes für Chirotherapie-Sportmedizin J. aus K. vom 8. März 2003 bestätigt werde. Schließlich stütze das von dem Senat eingeholte Sachverständigengutachten vom 1. Juni 2004 seine - des Klägers - Auffassung, dass bei ihm eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung vorliege; denn dem Gutachten sei zu entnehmen, dass seine frühere Tätigkeit als Rettungsassistent eine wesentliche Teilursache für den erlittenen Bandscheibenvorfall darstelle, eine Teilursache reiche aber für die Anerkennung einer Berufskrankheit aus.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 25. Januar 2000 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung ihrer Bescheide vom 24. März 1997 und 23. Februar 1998 zu verpflichten, die Unfälle vom 24. Oktober und 27. November 1997 als Dienstunfälle anzuerkennen und/oder die Beklagte zu verpflichten, seine bandscheibenbedingte Erkrankung als Dienstunfall im Sinne des § 31 Abs. 3 BeamtVG anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erwidert:

Der Kläger sei entgegen seiner Behauptung als Rettungsassistent nicht zu 70 - 75 % zum Tagen und Heben schwererer Lasten eingesetzt gewesen. Zum einen sei der qualifizierte Krankentransport auch mit Fernfahrten verbunden gewesen. Zum anderen sei der Kläger nicht etwa nur ausschließlich im reinen Krankentransport eingesetzt gewesen, vielmehr habe er auch Verwaltungsarbeit im Rettungsdienst geleistet und sei überdies im Bereich der Werkstatt Verantwortlicher für die Fahrzeugtragen gewesen. Auch nach dem vom Senat eingeholten Sachverständigengutachten könnten die beim Kläger festgestellten Bandscheibenveränderungen nicht als Dienstunfall nach § 31 BeamtVG anerkannt werden. Der Gutachter habe einen Ursachenzusammenhang zwischen den Ereignissen vom 24. Oktober und 27. November 1996 sowie den beim Kläger vorliegenden degenerativen Bandscheibenveränderungen verneint. Eine Anerkennung eines Dienstunfalls scheide schließlich auch nach der Bestimmung des § 31 Abs. 3 BeamtVG aus. Auch insoweit sei der Gutachter zu der Feststellung gelangt, dass es sich bei der bandscheibenbedingten Erkrankung des Klägers eher um ein anlagenbedingtes Leiden (innere Ursache) handele, nicht aber um eine Ursache, die mit den beruflichen Belastungen, denen der Kläger als Rettungsassistent ausgesetzt gewesen sei, in einem Zusammenhang stehe. Vielmehr sei dem Gutachten zu entnehmen, dass der Bandscheibenvorfall des Klägers nur durch eine sog. Gelegenheitsursache ausgelöst worden sei, d. h. durch eine Ursache, bei der zwischen dem eingetretenen Schaden - hier die Wirbelsäulenerkrankung - und dem Dienst nur eine rein zufällige Beziehung bestehe. Auch wenn der Sachverständige eine berufsbedingte Bandscheibenerkrankung nicht völlig habe ausschließen können, könne dies nicht dazu führen, zu einer Anerkennung eines Dienstunfalls nach § 31 Abs. 3 BeamtVG zu kommen, weil insoweit ein Ursachenzusammenhang mit den beruflichen Belastungen, denen der Kläger als Rettungsassistent ausgesetzt gewesen sei, bewiesen werden müsse. Diesen Nachweis habe der Kläger aber gerade nicht führen können.

Der Senat hat aufgrund der Beweisbeschlüsse vom 6. Januar und 15. März 2004 durch Einholung von Befundberichten mit kurzer gutachtlicher Stellungnahme sowie eines Sachverständigengutachtens Beweis darüber erhoben, ob zwischen den Ereignissen vom 24. Oktober und 27. November 1996 und der bei dem Kläger festgestellten bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule (Nervenwurzelkompressionssyndrom S 1 links bei medio-linkslateralem Bandscheibenvorfall in Höhe LWK 5/SWK 1 links medio-lateral) ein Ursachenzusammenhang besteht; auch ist über die Frage, ob die langjährige Tätigkeit des Klägers als Rettungssanitäter (Rettungsassistent) die genannte Erkrankung der Lendenwirbelsäule verursacht hat, und zwar durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Erkrankung ursächlich gewesen sind, durch die Beweisbeschlüsse vom 6. Januar und 15. März 2004 in der genannten Form Beweis erhoben worden. Wegen der Einzelheiten dieser Beweiserhebung wird auf die Befundberichte des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. D. aus E. v. 22. Januar und 17. August 2004, den Befundbericht des Arztes für Neurochirurgie und Oberarztes der Neurochirurgischen Klinik der F. Prof. Dr. L., den Befundbericht des Arztes für Orthopädie Dr. M. aus E. sowie das Sachverständigengutachten des Leiters der Gutachtenstelle des Berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhauses N., des Chirurgen und Unfallchirurgen Dr. O. vom 1. Juni 2004 nebst ergänzender Stellungnahme vom 23. August 2004 Bezug genommen.

Zur weiteren Sachdarstellung und zur Darstellung des Vorbringen der Beteiligten im Einzelnen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (Beiakten A und B), auf von dem Kläger eingereichte Röntgenaufnahmen sowie auf die von dem Arzt Dr. D. übersandte Krankenakte des Klägers (Beiakte D) Bezug genommen; diese Akten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers bleibt erfolglos; denn die Beklagte hat es in den angefochtenen Bescheiden vom 24. März 1997 und 23. Februar 1998 zu Recht abgelehnt, die Ereignisse vom 24. Oktober und 27. November 1996 als Dienstunfälle nach § 31 Abs. 1 BeamtVG anzuerkennen, auch kommt eine Anerkennung der bandscheibenbedingten Erkrankung des Klägers als Berufskrankheit und damit als Dienstunfall i. S. des § 31 Abs. 3 BeamtVG nicht in Betracht. Das Verwaltungsgericht hat somit durch das Urteil vom 25. Januar 2000 die auf die Anerkennung von Dienstunfällen gerichtete Klage zu Recht abgewiesen, so dass die Berufung gegen das angefochtene Urteil zurückzuweisen ist.

1. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, nach § 31 Abs. 1 BeamtVG die Ereignisse vom 24. Oktober und 27. November 1996 als Dienstunfälle anzuerkennen.

Allerdings haben sich beide Vorfälle (24. Oktober 1996: Herausheben einer schwangeren Patientin auf einem Krankenstuhl aus einem Rettungstransportwagen/27. November 1996: Bücken nach einer Akte aus einer Drehbewegung), die der Kläger als Ursache für den später bei ihm im Bereich der Lendenwirbelsäule diagnostizierten Diskusprolaps (Bandscheibenvorfall), der in der F. im Dezember 1996 operativ versorgt werden musste, ansieht, während der Verrichtung dienstlicher Tätigkeiten seitens des Klägers ereignet. Die Vorfälle hätten aber nur dann als Dienstunfälle (nach § 31 Abs. 1 BeamtVG) anerkannt werden können, wenn der erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen diesen Vorfällen und dem bei dem Kläger festgestellten Bandscheibenleiden (Nervenwurzelkompressionssyndrom S 1 links bei medio-linkslateralem Bandscheibenvorfall in Höhe LWK 5/SWK 1 links medio-lateral) bestünde. Dieser Ursachenzusammenhang kann indessen nach der Überzeugung des Senats nicht festgestellt werden. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (s. etwa Urt. v. 18.4.2002 - BVerwG 2 C 22.01 -, Buchholz 239.1 § 31 BeamtVG Nr. 12 = RiA 2003, 245 = IÖD 2002, 260 = NVwZ-RR 2002, 761; Beschl. v. 8.3.2004 - BVerwG 2 B 54.03 -, Buchholz, aaO, Nr. 13), die auch mit der Rechtsprechung des Senats (s. etwa Urt. v. 13.2.2002 - 2 LB 247/01 u. Beschl. v. 8.11.2002 - 2 LA 12/02 - sowie schon Urt. v. 15.1.1957 - II OVG A 77/55 -, ZBR 1957, 137(138)) wie auch anderer Oberverwaltungsgerichte (s. z. B. OVG NRW, Bescheid v. 21.6.1957 - VI A 884/54 -, OVGE 12, 273 = ZBR 1958, 10; Urt. v. 23.11.1994 - 6 A 2621/93 -, Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Stand: November 2004, Entscheidungssammlung, ES/C II 3.1 Nr. 54; Beschl. v. 11.4.1997 - 6 A 4667/95 -, Schütz/Maiwald, aaO, Nr. 62; Urt. v. 27.5.1998 - 12 A 683/96 -, Schütz/Maiwald, aaO, Nr. 72; HessVGH, Urt. v. 26.9.1984 - I OE 62/80 -, DÖD 1985, 262(263f.) = ZBR 1985, 251f.) übereinstimmt und die auch der allgemeinen Auffassung in der Literatur entspricht (s. etwa Kümmel/Richter, BeamtVG, Stand: Oktober 2004, RdNr. 19 zu § 31; Wilhelm, in: GKÖD, Stand: Dezember 2004, RdNr. 9 zu § 31 BeamtVG; Bayer, in: Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, BBG/BeamtVG, Stand: November 2004, RdNrn. 80f. zu § 31 BeamtVG), muss der Ursachenzusammenhang im Dienstunfallrecht für eine sachgerechte Risikoverteilung im Interesse des Dienstherrn eingegrenzt werden. Der Dienstherr soll nicht für jede nach naturwissenschaftlicher Betrachtungsweise kausale Ursache eines Schadensereignisses in dem Sinne die Verantwortung tragen, dass er für alle während des Dienstes erlittenen Gesundheitsschäden eines Beamten aufzukommen hat. Vielmehr soll der Dienstherr nur die spezifischen Gefahren der Beamtentätigkeit tragen und mit den auf sie zurückzuführenden Unfallursachen belastet werden. Demgegenüber soll der Beamte diejenigen Risiken tragen, die sich aus anderen als dienstlichen Gründen wie insbesondere persönlichen Anlagen, Gesundheitsschäden und Abnutzungserscheinungen ergeben (BVerwG, Urt. v. 20.5.1958 - BVerwG 6 C 360.56 -, BVerwGE 7, 48(49f.) = Buchholz 234 § 29 BBG Nr. 3). Hat es sich wegen einer bereits vor dem Unfallereignis schon bestandenen Veranlagung oder einer gesundheitlichen Vorschädigung bei dem von dem Beamten als Dienstunfall reklamierten Ereignis um ein (schädigendes) Ereignis gehandelt, das sich nur zufällig gerade im Dienst ereignet hat, hätte sich das Ereignis also ebenso gut auch außerhalb des Dienstes ereignen können und war damit der das schädigende Ereignis im Dienst nur - rein zufällig - auslösende Umstand ein Ereignis, welches lediglich "das Fass zum Überlaufen gebracht hat" (Kümmel/Richter, aaO), so liegt eine sog. Gelegenheitsursache vor, die nach der dargestellten Risikoverteilung im Dienstunfallrecht mangels Ursachenzusammenhang eine Anerkennung als Dienstunfall (nach § 31 Abs. 1 BeamtVG) ausschließt.

Zwischen den dienstlichen Verrichtungen, die der Kläger am 24. Oktober und 27. November 1996 zu erledigen hatte, und der bei ihm diagnostizierten Bandscheibenerkrankung (Diskusprolaps) besteht nach der Überzeugung des Senats nur eine rein zufällige Beziehung i. S. der oben beschriebenen Gelegenheitsursache, also nicht der für die Anerkennung eines Dienstunfalls nach § 31 Abs. 1 BeamtVG erforderliche Ursachenzusammenhang im Rechtssinne.

Der von dem Senat im Rahmen der gerichtlichen Beweiserhebung beauftragte Gutachter Dr. O. hat in seinem nach Ansicht des Senats überzeugenden Sachverständigengutachten vom 1. Juni 2004 nachvollziehbar ausgeführt, dass der im Dezember 1996 bei dem Kläger operativ versorgte Bandscheibenvorfall nicht auf die Ereignisse vom 24. Oktober und 27. November 1996 als wesentliche Ursache zurückgeführt werden kann. Selbst wenn der Kläger am 24. Oktober 1996 beim Tragen des Patientenstuhles auf den Trittstufen des Rettungstransportwagens ausgerutscht und mit der Last hart aufgestoßen sein sollte - derart detaillierte Angaben zum Unfallgeschehen am 24. Oktober 1996 lässt die Unfallanzeige v. 30. November1996 allerdings vermissen, in der das Ausrutschen und der "Schlag" nicht erwähnt werden; hier kann aber zu Gunsten des Klägers der später von ihm behauptete Geschehensablauf unterstellt werden - , kann hierdurch, d. h. durch ein Abrutschen unter Last mit anschließendem harten Aufstoßen, der später diagnostizierte Diskusprolaps nach den überzeugenden Ausführungen des Gutachters nicht ausgelöst worden sein. Bei einem allein durch ein bestimmtes Ereignis gleichsam urplötzlich ausgelösten, isoliert auftretenden Bersten der Bandscheibe müssten nämlich viel stärkere Kräfte auf die Wirbelsäule des Klägers eingewirkt haben, als dies tatsächlich bei dem Ereignis vom 24. Oktober 1996 der Fall gewesen sein kann. Da der Kläger auch nach seinen Angaben lediglich beim Tragen der Last (Patientin nebst Krankentragestuhl) von den Trittstufen abgerutscht ist, war lediglich ein geringer Höhenunterschied (zwischen den Trittstufen und der Fahrbahn) auszugleichen, auch kann die Traglast, die auf den Stützapparat des Klägers eingewirkt hat, nicht als extrem hoch bewertet werden, weil allenfalls von einer Last von schätzungsweise 80 bis maximal 100 kg (50 kg Stuhlgewicht + geschätztes (anteiliges) Gewicht der Schwangeren) auszugehen ist - die für den Stuhl und die Patienten angegeben bzw. anzunehmenden Werte sind jeweils zu halbieren, weil der Kollege des Klägers den Stuhl mittrug. Auch der Umstand, dass der Kläger den Tragevorgang in einer nach vorne gebückten Haltung abzuwickeln hatte, kann nicht als Ursache für den späteren Bandscheibenvorfall angesehen werden; denn der Stützapparat des Klägers hatte sich, als der Kläger von den Trittstufen abrutschte, schon auf das Tragen einer Last, eine Anspannung, eingestellt, so dass der Stützapparat nicht unvermittelt durch plötzlich auftretende extreme Belastungen beansprucht worden sein kann. Im Übrigen hätten sich im Stützapparat Verletzungen wie z. B. Frakturen oder Einblutungen bemerkbar machen müssen, wenn ausschließlich durch das Abrutschen beim Tragevorgang am 24. Oktober 1996 ein Bandscheibenvorfall ausgelöst worden wäre. Dies ist aber nicht der Fall; denn Frakturen oder Einblutungen sind auf dem Computertomogramm, das in der F. anlässlich der Operation vom Dezember 1996 angefertigt worden ist, gerade nicht festzustellen.

Damit kommen als rechtlich nach § 31 BeamtVG beachtliche Ursache des Bandscheibenvorfalls nicht die in die dienstliche Tätigkeit des Klägers fallenden Ereignisse vom 24. Oktober und 27. November 1996, sondern nur degenerative Veränderungen an der Wirbelsäule des Klägers in Frage, wobei der Bandscheibenvorfall rein zufällig während des Dienstes durch die ungünstige Drehbewegung nach einer Akte ausgelöst worden ist. Der Bandscheibenvorfall hätte sich damit aufgrund der bereits vorliegenden Vorschädigung der Bandscheibe (infolge degenerativer Veränderungen) auch ebenso außerhalb des Dienstes, und zwar etwa beim Heben einer schweren Last im häuslichen Bereich oder bei anderer Gelegenheit ereignen können. Das Auslösen des Bandscheibenvorfalls spätestens am 27. November 1996 hat sich somit nach der Überzeugung des Senats rein zufällig im Dienst ereignet, weshalb die Vorfälle vom 24. Oktober und 27. November1996 rechtlich nur als nicht berücksichtigungsfähige Gelegenheitsursachen (s. o.) begriffen werden können. Hierfür spricht schließlich auch, dass der Kläger schon vor den Ereignissen im Herbst 1996 an Lendenwirbelbeschwerden gelitten hat, und zwar nach den ausgewerteten Arztberichten spätestens seit Februar 1996.

2. Es kann auch nicht beanstandet werden, dass es die Beklagte abgelehnt hat, die bandscheibenbedingte Erkrankung des Klägers nach § 31 Abs. 3 BeamtVG (i. V. m. § 1 der Verordnung zur Durchführung des § 31 Beamtenversorgungsgesetzes (Bestimmung von Krankheiten für die beamtenrechtliche Unfallfürsorge) - v. 20.6.1977, BGBl. I S. 1004 - und § 1 Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) - v. 30.10.1997, BGBl. I S. 2623, zuletzt geändert durch Verordnung v. 5.9.2002, BGBl. I S. 3541 - sowie der Nr. 2108 der Anlage zu § 1 BKV) als Dienstunfall anzuerkennen. Denn im Falle des Klägers kann nicht angenommen werden, dass in Bezug auf den bei dem Kläger diagnostizierten Bandscheibenvorfall im Lendenwirbelbereich auch eine Berufskrankheit - hervorgerufen durch die frühere Tätigkeit des Klägers im Rettungsdienst der Beklagten - vorliegt, die eine Anerkennung als Dienstunfall nach § 31 Abs. 3 BeamtVG rechtfertigen würde.

Allerdings ergibt sich dies noch nicht aus den unter Tz. 1 angestellten Erwägungen, mit denen ein Ursachenzusammenhang für die Anerkennung eines Dienstunfalls nach § 31 Abs. 1 BeamtVG verneint worden ist. Denn während für eine Anerkennung nach § 31 Abs. 1 BeamtVG ein klarer Ursachenzusammenhang (im Sinne des Dienstunfallrechts) im Einzelfall nachgewiesen werden muss, wird bei einer auf eine Berufskrankheit gestützten Anerkennung nach § 31 Abs. 3 BeamtVG das Zuziehen einer bestimmten Krankheit, die in der Anlage zu § 1 BKV wie hier eine bandscheibenbedingte Erkrankung aufgeführt ist, fingiert (BVerwG, Beschl. v. 23.2.1999 - BVerwG 2 B 88.98 -, Buchholz, aaO, Nr. 11 = ZBR 1999, 274 = DVBl. 1999, 931). Dem Kläger ist es aber nicht gelungen, den ihm obliegenden Beweis (Wilhelm, aaO, RdNr. 121) dafür zu führen, dass er nach der Art seiner - früher im Rettungsdienst bei der Beklagten ausgeübten - dienstlichen Tätigkeit der Gefahr besonders ausgesetzt gewesen ist, an einem Diskusprolaps im Lendenwirbelbereich, der ihn tatsächlich im Herbst 1996 widerfahren ist, zu erkranken.

Hierbei ist zunächst zu berücksichtigen, dass nach der bereits erwähnten (s. Tz. 1) Risikoverteilung im Dienstunfallrecht zwischen Dienstherr und Beamten gerade bei der hier in Rede stehenden bandscheibenbedingten Erkrankung, die in der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland aus den verschiedensten Gründen weit verbreitet ist, für die Frage des Nachweises, dass der betreffende Beamte durch seine dienstliche Tätigkeit der Gefahr der Erkrankung besonders ausgesetzt gewesen ist, mithin eine Berufskrankheit vorliegt, ein strenger Maßstab anzulegen ist. Denn andernfalls würden bei den weit verbreiteten bandscheibenbedingten Erkrankungen unter Vernachlässigung der gebotenen Risikoverteilung im Dienstunfallrecht Bandscheibenerkrankungen in einem nicht mehr gerechtfertigten Maße als Berufskrankheiten und damit über § 31 Abs. 3 BeamtVG als Dienstunfälle anerkannt werden. Wenn der Kläger demgegenüber meint, bereits der Nachweis einer (wesentlichen) Teilursache müsse für die Bejahung einer Berufskrankheit und damit für die Anerkennung eines Dienstunfalls nach § 31 Abs. 3 BeamtVG ausreichen, so kann dem im beamtenrechtlichen Dienstunfallrecht aus den bereits dargestellten Gründen der Risikoverteilung (s. Tz. 1) nicht gefolgt werden.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist es dem Kläger nicht gelungen, den Nachweis für das Vorliegen einer Berufskrankheit zu erbringen, d. h. den Nachweis zu erbringen, dass seine bandscheibenbedingte Erkrankung, insbesondere der im Herbst 1996 diagnostizierte Diskusprolaps gerade deshalb aufgetreten ist, weil er - der Kläger - wegen seiner (früheren) Tätigkeit als Rettungsassistent der Gefahr besonders ausgesetzt gewesen sein könnte, im Lendenwirbelbereich an einem Bandscheibenvorfall zu erkranken. Der Senat kann hierbei offen lassen, ob der Kläger, wie dieser behauptet, während seiner Tätigkeit als Rettungsassistent seine Wirbelsäule auf Dauer durch das Tragen schwerer Lasten stark belastet hat oder ob dies nach der konkreten Ausgestaltung des Rettungsdienstes in der beklagten Stadt allenfalls vorübergehend - so die Behauptung der Beklagten - der Fall gewesen ist; denn der Nachweis einer Berufskrankheit muss im Falle des Klägers schon daran scheitern, dass es nicht wahrscheinlich ist, dass die bandscheibenbedingte Erkrankung des Klägers durch seine dienstliche Tätigkeit als Rettungssanitäter in den Jahren 1976 bis 1996 hervorgerufen worden ist. Vielmehr ist hierfür eine innere, von der früheren beruflichen Tätigkeit unabhängige Ursache verantwortlich zu machen. Hierfür spricht bereits, dass von dem Sachverständigen Dr. O. bei der Untersuchung des Klägers am 28. April 2004, also viele Jahre nach dem Ausscheiden des Klägers aus dem Dienst als Rettungsassistent, Bandscheibenschäden im Bereich der Lendenwirbelsäule nicht nur im Segment LWK 5/SWK 1 - hier ereignete sich der Diskusprolaps im Herbst 1996 - , sondern auch im Segment LWK 4/ 5 festgestellt worden sind. Der zuletzt genannte Bandscheibenschaden ist aber erst nach dem Bandscheibenvorfall vom Herbst 1996 aufgetreten und damit zu einem Zeitpunkt, in dem der Kläger nicht mehr im Rettungsdienst tätig, also nicht mehr mit dem Heben von Patienten oder anderer Lasten (Rettungskoffer etc.) belastet gewesen ist. Sind aber auch nach dem Ausscheiden des Klägers aus dem Rettungsdienst bei ihm weitere Bandscheibenschäden aufgetreten, und zwar bei dienstlichen Tätigkeiten, die gerade nicht mit dem Heben und Tragen schwerer Lasten verbunden gewesen sind, so kann dies nur dahin gedeutet werden, dass die zuvor aufgetretene Bandscheibenerkrankung, der Diskusprolaps, nicht auf seine Tätigkeit als Rettungsassistent, sondern darauf zurückzuführen ist, dass er wie viele Menschen heutzutage an einer degenerativen Veränderung seiner Wirbelsäule leidet, die auch bei einer anderen dienstlichen Verwendung in der Vergangenheit etwa im Innendienst den diagnostizierten und bezeichnenderweise bei einer Tätigkeit am Schreibtisch ausgelösten Bandscheibenvorfall hervorgerufen hätte. Für die Einschätzung des Vorliegens einer Vorschädigung als wesentliche, von der früheren beruflichen Tätigkeit unabhängige Ursache der bei dem Kläger aufgetretenen Bandscheibenerkrankung ist auch der Umstand anzuführen, dass der Gutachter bei dem Kläger auch im Bereich der Halswirbelsäule, und zwar in den Segmenten C 5/6, C 4/5 und C 5/6, degenerative Bandscheibenveränderungen mit mäßiger Höhenminderung bzw. mit knöchernen Veränderungen festgestellt hat. Wäre aber die Wirbelsäule des Klägers aufgrund seiner früheren langjährigen Tätigkeit als Rettungsassistent berufsbedingt, und zwar wie der Kläger behauptet durch schweres Heben von Lasten auf Dauer übermäßig belastet worden, so hätten Bandscheibenschäden vorwiegend im Bereich der Lendenwirbelsäule, nicht aber auch im belastungsfernen Bereich der Halswirbelsäule angetroffen werden müssen. Da dies hier nicht der Fall ist, spricht auch dieser Befund dafür, dass die Bandscheiben des Klägers insgesamt durch eine innere, außerhalb der früheren Tätigkeit als Rettungsassistent liegende Ursache vorgeschädigt sind und sich deshalb auch im Halswirbelbereich Bandscheibenschäden gezeigt haben und nicht nur im Lendenwirbelbereich. Hierbei hat der Senat nicht außer Acht gelassen, dass der Sachverständige Dr. O. in seinem Gutachten vom 1. Juni 2004 auch die Auffassung vertreten hat, es sei nicht auszuschließen, dass die (frühere) berufliche Tätigkeit des Klägers für eine berufsbedingte Lendenwirbelsäulenerkrankung mitursächlich gewesen sein könnte. Wie aber in den vorstehenden Ausführungen schon dargelegt wurde, reicht eine damit allenfalls anzunehmende Mitursächlichkeit nach der Risikoverteilung im Dienstunfallrecht und unter Berücksichtigung dessen, dass der Beamte den Nachweis für das Vorliegen einer Berufskrankheit zu erbringen hat, nicht aus, die Wahrscheinlichkeit zu belegen, der Beamte habe aufgrund seiner konkreten dienstlichen Tätigkeit eine Berufskrankheit erlitten.

Fehlt es schon nach den dargestellten Erwägungen an dem Nachweis, dass die 20jährige Tätigkeit als Rettungsassistent bei dem Kläger dessen bandscheibenbedingte Erkrankung verursacht hat, so kann der Senat über den von dem Kläger geltend gemachten Anerkennungsanspruch entscheiden, ohne zuvor in eine zusätzliche Beweiserhebung etwa in Form der Ermittlung und Bewertung der früheren Belastungen des Klägers als Rettungsassistent nach dem sog. Mainz-Dortmunder Dosismodell eingetreten zu sein. Aus diesem Grund kann in diesem Verfahren auch offen bleiben, ob das bezeichnete Modell überhaupt geeignet ist, verlässliche Aussagen zu dem Vorliegen einer Berufskrankheit zu bieten (zweifelnd LSG Niedersachsen, Urt. v. 6.4.2000 - L 6 U 163/99 ZVW u. Hartmann, Arbeitsmedizin, Sozialmedizin, Umweltmedizin, S. 320ff.)

Ende der Entscheidung

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