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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 09.07.2007
Aktenzeichen: 2 ME 444/07
Rechtsgebiete: AVO-GOFAK, VwVfG


Vorschriften:

AVO-GOFAK § 7
VwVfG § 25
Zu den Rechtsfolgen der Verletzung von Hinweis- und Beratungspflichten im Schulrecht.
NIEDERSÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT LÜNEBURG BESCHLUSS

Aktenz.: 2 ME 444/07

Datum: 09.07.2007

Gründe:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover vom 25. Mai 2007, mit dem es das Verwaltungsgericht abgelehnt hat, die Antragsgegnerin im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes zu verpflichten, ihn - den Antragsteller - vorläufig zu den Abiturprüfungen zuzulassen, hat keinen Erfolg. Die von dem Antragsteller dargelegten Gründe, auf deren Überprüfung sich die Entscheidung des Senats gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt, führen zu keiner Änderung der angefochtenen Entscheidung.

Der Antragsteller macht allein geltend, dass es die Antragsgegnerin versäumt habe, § 7 der Verordnung über die Abschlüsse in der gymnasialen Oberstufe, im Fachgymnasium, im Abendgymnasium und im Kolleg (AVO-GOFAK vom 19. Mai 2005, [Nds. GVBl. S. 169], geändert durch Verordnung vom 12. April 2007 [Nds. GVBl. S. 138]) zu beachten. Diese Norm bestimmt, dass nach Vorliegen der Ergebnisse des dritten Schulhalbjahres der Qualifikationsphase die Schule überprüft, ob die Schülerin oder der Schüler bis zum Ende des vierten Schulhalbjahres die Voraussetzungen für die Zulassung zur schriftlichen und mündlichen Abiturprüfung erfüllen kann; anderenfalls ist die Schülerin oder der Schüler über den weiteren Bildungsweg zu beraten.

Es kann dahinstehen, ob vorliegend ein Verstoß gegen § 7 AVO-GOFAK vorgelegen hat. Denn bei § 7 AVO-GOFAK handelt es sich um eine bloße Verfahrensvorschrift, die - ebenso wie die allgemeine Beratungspflicht nach § 25 VwVfG - eine bloße Beratungspflicht statuiert. Für derartige Vorschriften über Hinweis- und Beratungspflichten ist anerkannt, dass ihre Verletzung einen Verfahrensfehler darstellt, der jedoch nur dann zur Folge hat, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wenn sich der Hinweismangel auf ihn ausgewirkt haben kann und eine andere Entscheidung in der Sache gemäß § 46 VwVfG in Verbindung mit § 1 NdsVwVfG hätte getroffen werden können (Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Urteil vom 24. Februar 1982, - 9 OVG A 29/90 -, MDR 1983, 784). Auch für Verfahrensfehler im Prüfungsrecht ist anerkannt, dass sie grundsätzlich nur dann zur Aufhebung einer Prüfungsentscheidung führen, wenn sie wesentlich sind und ihr Einfluss auf das Prüfungsergebnis nicht ausgeschlossen werden kann; dies folgt aus § 46 VwVfG und aus dem Grundsatz der Chancengleichheit (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 3. April 1997, - BVerwG 6 B 4.07 -, Buchholz 421.0 Nr. 379). Für das Schulrecht und hier für die Frage der Zulassung zu den Abiturprüfungen gilt nichts anderes. Da vorliegend die Frage der Zulassung des Antragstellers zur Abiturprüfung unstreitig rechnerisch korrekt auf der Grundlage der von dem Antragsteller erbrachten Leistungen von der Antragsgegnerin verneint wurde, kann ein Einfluss eines etwaigen Verstoßes auf die konkrete Zulassungsentscheidung zum Abitur ausgeschlossen werden.

Ob der Antragsteller ohne den etwaigen Verfahrensmangel sich im letzten Kurshalbjahr bessere Noten erarbeitet hätte, kann dahinstehen; denn eine Übertragung des vom Bundessozialgericht entwickelten und in ständiger Rechtsprechung vertretenen sogenannten (sozialrechtlichen) Herstellungsanspruchs (vgl. BSG, Urteile vom 12. Oktober 1979, - 12 RK 47/77 -, BSGE 49, 76 [77 ff.], vom 25. August 1993, - 13 RJ 27/92 -, BSGE 73, 56 [59 f.], vom 11. November 1993, - 7 RAr 8/93 -, BSGE 73, 204 [210] und vom 22. Oktober 1996, - 13 RJ 23/95 -, BSGE 79, 168 [171 ff.]) auf das allgemeine Verwaltungsverfahren als Erfüllungsanspruch bei fehlerhafter behördlicher Beratung ist bislang in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung allgemein nicht anerkannt worden (vgl. BVerwG, Urteile vom 8. Dezember 1995, - BVerwG 8 C 37.93 -, BVerwGE 100, 83 = NJW 1997, 71 [75], und vom 18. April 1997, - BVerwG 8 C 38.95 -, NJW 1997, 2966). Dem schließt sich der Senat an. Eine etwaige Verletzung der behördlichen Beratungspflicht kann sich als solche nicht anspruchsbegründend auswirken. Sie vermag keinen Anspruch herbeizuführen, der nach dem materiellen Fachrecht nicht gegeben ist, sondern rechtfertigt gegebenenfalls lediglich - im ordentlichen Rechtsweg zu verfolgende - Ansprüche auf Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung oder auf Entschädigung (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 29. Dezember 1987, - BVerwG 3 B 64.87 -, und vom 10. Juni 1988, - BVerwG 3 B 28.88 -, Buchholz 427.3 § 335 a LAG Nr. 85 S. 6 f.). Denn eine schadenverursachende Verletzung öffentlich-rechtlicher Nebenpflichten - wie der Beratungs- und Betreuungspflicht - kann nicht beseitigt, sondern nur ausgeglichen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 1985, - BVerwG 4 C 21.80 -, Buchholz 406.11 § 1 BBauG Nr. 28 S. 20 [27]).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3 Satz 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 38.6 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (in der Fassung der am 07./08. Juli 2004 in Leipzig beschlossenen Änderungen, www.bundesverwaltungsgericht.de). Der Senat hat den Auffangwert für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht halbiert, da der Antragsteller mit seinem vorläufigen Rechtsschutzbegehren eine Vorwegnahme der Hauptsache begehrt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

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