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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 22.03.2006
Aktenzeichen: 4 LB 153/04
Rechtsgebiete: BSHG


Vorschriften:

BSHG § 23 III
BSHG § 26 I
BSHG § 26 I 1
BSHG § 40 I Nr 3
BSHG § 40 I Nr 4
BSHG § 40 I Nr 5
BSHG § 40 I Nr 6
Da der in § 23 Abs. 3 BSHG vorgesehene Mehrbedarf für behinderte Menschen, die das 15. Lebensjahr vollendet haben und denen Eingliederungshilfe nach § 40 Abs. 1 Nr. 3 bis 6 BSHG gewährt wird, nur den ausbildungsgeprägten Bedarf deckt, ist dieser Mehrbedarf gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 BSHG für Auszubildende, deren Ausbildung nach dem BAföG förderungsfähig ist, ausgeschlossen.
Tatbestand: Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Bewilligung von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für Behinderte. Die im Dezember 1980 geborene Klägerin ist schwer körperbehindert. Sie leidet an einer spastischen Tetraparese mit extremen Kontrakturen in sämtlichen Gelenken sowie einer ausgeprägten Skoliose. Sie kann weder frei sitzen noch stehen und ist auf einen Rollstuhl und Fremdhilfe angewiesen. Seit Oktober 2001 studiert die Klägerin Jura an der Universität in Hannover. Mit Bescheid vom 6. Juli 2001 gewährte der Beklagte der Klägerin Eingliederungshilfe durch Übernahme der Kosten einer integrativen Stützkraft als Begleitperson für ihr Jurastudium an der Universität Hannover ab Mitte Oktober 2001 als Hilfe zur schulischen Ausbildung für einen angemessenen Beruf einschließlich des Besuchs einer Hochschule. Zudem übernahm er mit Bescheid vom 15. Februar 2002 als Eingliederungshilfe die Kosten für die Anschaffung einer externen Festplatte und eines tragbaren Farbdruckers sowie mit Bescheid vom 8. August 2002 die Kosten für die Reparatur des Notebooks der Klägerin. Mit Bescheid vom 6. Dezember 2002 übernahm der Beklagte auch die für eine Assistenzkraft während der Semesterferien angefallenen Kosten. Die Klägerin bezieht seit Januar 1999 von dem Beklagten laufende Hilfe zum Lebensunterhalt. Nach Aufnahme ihres Studiums beantragte sie bei dem Beklagten, ihr einen Mehrbedarfszuschlag nach § 23 Abs. 3 BSHG zu bewilligen. Mit Bescheid vom 20. März 2002 gewährte der Beklagte der Klägerin für die Monate Februar und März 2002 ergänzende laufende Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von jeweils 27,73 Euro. Bei der Berechnung des Bedarfs der Klägerin berücksichtigte er neben dem Regelbedarf und den Unterkunfts- und Heizkosten einen Mehrbedarf für voll erwerbsgeminderte gehbehinderte Personen in Höhe von 45,91 Euro sowie einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung in Höhe von 25,56 Euro. Als Einkommen berücksichtigte er neben dem Kindergeld die BAföG-Leistung in Höhe von 375,80 Euro, von der er einen Betrag in Höhe von 40,-- Euro als Freibetrag für die Beschaffung von Fachbüchern und Fachzeitschriften im Rahmen des Studiums freiließ. Die Gewährung eines Mehrbedarfszuschlages nach § 23 Abs. 3 BSHG in Höhe von 40 % des Regelsatzes lehnte der Beklagte ab, da ein Behinderter, der eine nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz förderungsfähige Ausbildung betreibe, keinen Anspruch auf den pauschalierten Mehrbedarfszuschlag nach § 23 Abs. 3 BSHG habe. Dieser Mehrbedarf decke nur den ausbildungsgeprägten, nicht jedoch den durch die Behinderung erhöhten Bedarf. Dem im Falle der Klägerin spezifisch behinderungsbedingten ausbildungsgeprägten Mehrbedarf werde durch die Leistungen der Eingliederungshilfe Rechnung getragen. Mit Schreiben vom 19. April 2002 legte die Klägerin dagegen Widerspruch ein, den sie nicht begründete. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28. März 2003 zurück. Die Klägerin hat am 29. April 2003 Klage erhoben, die sie nicht begründet hat. Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 20. März 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. März 2003 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihr Hilfe zum Lebensunterhalt einschließlich des Mehrbedarfs gemäß § 23 Abs. 3 BSHG zu gewähren,

hilfsweise,

sie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 14. August 2003 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt:

Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Gewährung von weiterer Hilfe zum Lebensunterhalt, da ihr ein Mehrbedarf gemäß § 23 Abs. 3 BSHG nicht zustehe. Das Gericht mache sich insoweit die zutreffenden Ausführungen im Widerspruchsbescheid des Beklagten zu eigen und verweise auf sie und schließe sich der Rechtsauffassung des OVG Berlin an, wonach im Falle von behinderten Studenten, die eine dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung betrieben, der pauschalierte Mehrbedarf nach § 23 Abs. 3 BSHG nicht gewährt werden könne. Da die Klägerin von dem Beklagten, soweit sie einen spezifischen behinderungsbedingten Bedarf habe, diese Leistungen als Eingliederungshilfe erhalte, sei hier kein Raum für die Gewährung eines pauschalierten Mehrbedarfs. Die Klägerin hat am 14. Oktober 2003 einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen beabsichtigten Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts gestellt. Der Senat hat der Klägerin mit Beschluss vom 9. Februar 2004 Prozesskostenhilfe bewilligt und zur Begründung angeführt, dass im Berufungsverfahren zu klären sein werde, ob es sich bei den von dem Beklagten gewährten Leistungen in Höhe von 27,73 Euro der Sache nach nicht um ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt, sondern um Lebensunterhalt im Wege der Eingliederungshilfe handele. Der Bedarf an Eingliederungshilfe könne nämlich gerade darin bestehen, dass die Klägerin nur mit dem aufgenommenen Studium den für sie allein angemessenen Beruf ausüben könne. Vor diesem Hintergrund komme ein Anspruch auf die Gewährung von Eingliederungshilfe in Betracht, wenn der Bedarf an Lebensunterhalt und Ausbildungskosten einschließlich der behinderungsbedingten Besonderheiten durch die Ausbildungsförderung nicht gedeckt werden könne. Sofern man hier einen solchen Anspruch der Klägerin bejahte und die gewährten Leistungen des Beklagten in Höhe von 27,73 Euro als Eingliederungshilfe ansehe, wäre der Mehrbedarf nach § 23 Abs. 3 Satz 1 BSHG anzuerkennen.

Auf den entsprechenden Antrag der Klägerin hat der Senat mit Beschluss vom 5. April 2004 (4 LA 469/03) der Klägerin für das Verfahren auf Zulassung der Berufung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der versäumten Antragsfrist gewährt und die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, weil die Rechtssache besondere rechtliche Schwierigkeiten aufweise. Die Klägerin trägt zur Begründung der Berufung vor:

Voraussetzung für die Anerkennung eines Mehrbedarfs sei nur, dass der behinderte Mensch Hilfe nach § 40 Abs. 1 Nr. 3 - 6 BSHG erhalte und das 15. Lebensjahr vollendet habe. Beide Voraussetzungen seien hier erfüllt. Sie habe das 15. Lebensjahr vollendet und erhalte Hilfe nach § 40 Abs. 1 Nr. 3 - 6 BSHG. Dabei seien zunächst die Leistungen in Höhe von 27,73 Euro, die seitens des Beklagten gewährt werden, der Sache nach nicht ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt sondern Eingliederungshilfe nach § 40 Abs. 1 Nr. 3 - 6 BSHG. Im Übrigen führe der Beklagte selbst aus, dass sie Leistungen der Eingliederungshilfe erhalte, da Kosten wie z.B. Fahrtkosten zur Universität, Kosten für eine Assistenzkraft zu Betreuung an der Universität und in den vorlesungsfreien Zeiten sowie Kosten für Arbeitsmittel getragen würden. Soweit nach dem Urteil des OVG Berlin der Mehrbedarf nur den ausbildungsgeprägten, nicht jedoch den durch die Behinderung erhöhten Bedarf abdecke, so dass für eine Ausbildung, die im Rahmen des BAföG oder des SGB III dem Grunde nach förderungsfähig sei, kein Anspruch auf diesen Mehrbedarf bestehe, könne dies zumindest in ihrem speziellen Fall nicht gelten. Es sei schon zweifelhaft, ob die Rechtsauffassung des OVG Berlin richtig sei, da sich dem Gesetz eine Einschränkung nicht entnehmen lasse. Dessen ungeachtet sei der Mehrbedarf aber zumindest dann anzuerkennen, wenn der Betroffene nur mit dem aufgenommenen Studium den für ihn allein angemessenen Beruf ausüben könne. In ihrem Fall sei die Tätigkeit als Juristin tatsächlich der allein angemessene Beruf, den sie trotz der weitestgehenden Einschränkung ausüben könne. Entgegen der Auffassung des Beklagten werde der Mehrbedarf nach § 23 Abs. 3 BSHG nicht individuell bemessen. Dessen ungeachtet sei hier ein individueller Bedarf offen, da es der Beklagte regelmäßig abgelehnt habe, sich an den Kosten von Hard- und Software zu beteiligen, die sie für ihr Studium benötige. Seit August 2002 seien ein Siemens PC, eine Tastatur, ein 18 Zoll Monitor, ein USB-ISDN-Modem, ein Retrostativ für Fachbuchkopien und ein Texterkennungsprogramm angeschafft worden. Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Bescheid des Beklagten vom 20. März 2002 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 28. März 2003 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihr für die Zeit vom 1. Februar 2002 bis zum 28. März 2003 laufende Hilfe zum Lebensunterhalt unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs von 40 % des maßgebenden Regelsatzes gemäß § 23 Abs. 3 BSHG zu gewähren. Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Er ist der Auffassung, dass § 23 Abs. 3 BSHG unter den dort aufgestellten Voraussetzungen nur dann die Gewährung des Mehrbedarfs vorsehe, sofern nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf bestehe. Der Bewilligung des Mehrbedarfszuschlags liege somit immer auch eine individuelle Bedarfsberechnung zugrunde. Der Mehrbedarf solle einen zusätzlichen Bedarf abdecken, der bei behinderten Menschen durch die Teilhabe am Arbeitsleben, einer Schulausbildung einschließlich des Besuchs einer Hochschule oder bei einer Ausbildung für eine sonstige angemessene Tätigkeit entstehe. Dabei sei nach dem Urteil des OVG Berlin vom 12. Dezember 1985 zugrunde zu legen, dass der Mehrbedarf im Sinne von § 23 Abs. 3 BSHG nur den ausbildungsgeprägten Bedarf abdecke, nicht jedoch den durch die Behinderung erhöhten Bedarf. Für eine Ausbildung, die im Rahmen des BAföG förderungsfähig sei, könne daher kein Anspruch auf diesen Mehrbedarf bestehen. Selbst wenn man sich dieser Auffassung nicht anschließen wolle, wäre zu prüfen, welcher individuelle Bedarf im vorliegenden Fall offen sei. Der Senat hat der Klägerin für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten gewährt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen. Entscheidungsgründe: Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die von der Klägerin erhobene Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs gemäß § 23 Abs. 3 BSHG in Höhe von 40 % des maßgebenden Regelsatzes für die Zeit vom 1. Februar 2002 bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides vom 28. März 2003. Nach § 23 Abs. 3 Satz 1 BSHG ist für behinderte Menschen, die das 15. Lebensjahr vollendet haben und denen Eingliederungshilfe nach § 40 Abs. 1 Nr. 3 - 6 BSHG gewährt wird, ein Mehrbedarf von 40 % des maßgebenden Regelsatzes anzuerkennen, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht. Die Anerkennung dieses Mehrbedarfs setzt somit voraus, dass der behinderte Mensch das 15. Lebensjahr vollendet hat und dass er Hilfe nach § 40 Abs. 1 Nr. 3 - 6 BSHG erhält. Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin. Insbesondere hat sie im maßgeblichen Entscheidungszeitraum von dem Beklagten dadurch Eingliederungshilfe gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 5 BSHG erhalten, dass dieser die Kosten für die Bereitstellung einer integrativen Stützkraft als Begleitperson für das Studium und für die Semesterferien sowie die Kosten für die Anschaffung einer externen Festplatte und eines tragbaren Farbdruckers sowie Kosten für die Reparatur des Notebooks der Klägerin als Hilfe zur schulischen Berufsausbildung übernommen hat. Ein Anspruch der Klägerin auf Anerkennung des geltend gemachten Mehrbedarfs gemäß § 23 Abs. 3 BSHG für behinderte Menschen ist aber wegen § 26 Abs. 1 Satz 1 BSHG ausgeschlossen. Danach haben Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) oder den §§ 60 - 62 SGB III dem Grunde nach förderungsfähig ist, keinen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt. Die Klägerin ist im Sinne dieser Vorschrift förderungsberechtigt und damit vom persönlichen Geltungsbereich des § 26 Abs. 1 Satz 1 BSHG erfasst.

Nach dem Willen des Gesetzgebers soll die staatlich zu fördernde Ausbildung abschließend im BAföG und SGB III geregelt sein. Allerdings betrifft nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Ausschlusswirkung bezüglich der Hilfe zum Lebensunterhalt lediglich den ausbildungsbedingten oder -geprägten Bedarf, d.h. denjenigen, der unmittelbar mit der Ausbildung zusammenhängt. Nicht erfasst vom Ausschluss ist dagegen der nicht ausbildungsbezogene Unterhaltsbedarf, d.h. solcher Bedarf, der zwar seiner Zuordnung nach Hilfe zum Lebensunterhalt ist, aber auf besonderen Umständen beruht, die von der Ausbildung unabhängig sind. Diese Unterscheidung beruht auf dem Sinn und Zweck der Entstehungsgeschichte der Vorschrift (BVerwG, Urt. v. 12.2.1981 - BVerwG 5 C 51.80 -, BVerwGE 61, 352; Urt. v. 17.1.1985 - BVerwG 5 C 29.84 -, BVerwGE 71, 12; Brühl in LPK-BSHG, 6. Aufl., § 26 RdNr. 17 ff. m.w.Nachw.; Mergler/Zink, BSHG, Stand: August 2004, § 26 RdNr. 8). Bei dem hier streitigen Mehrbedarf nach § 23 Abs. 3 BSHG handelt es um einen ausbildungsbedingten bzw. -geprägten Bedarf, so dass die Ausschlusswirkung des § 26 Abs. 1 Satz 1 BSHG eingreift. Ein solches Verständnis des § 23 Abs. 3 BSHG ergibt sich sowohl aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift als auch aus der Gesetzessystematik. Hinsichtlich der Entstehungsgeschichte des § 23 Abs. 3 BSHG fällt ins Gewicht, dass die Ausbildungshilfe im Sozialhilferecht ursprünglich Teil der Hilfe in besonderen Lebenslagen (§§ 31 - 35 BSHG a.F.) war. Dabei umfasste die Ausbildungshilfe gemäß § 33 Abs. 1 BSHG a.F. die erforderlichen Leistungen für den Lebensunterhalt und für die Ausbildung. Gemäß § 33 Abs. 2 Satz 2 BSHG a.F. wurde für Auszubildende, die nicht mehr im volksschulpflichtigen Alter waren, für den laufenden Lebensunterhalt ein Mehrbedarf von 50 % des maßgebenden Regelsatzes anerkannt, wenn der Lebensunterhalt nach Regelsätzen zu bemessen war. Für die bildungsbezogene Eingliederungshilfe nach § 40 Abs. 1 Nr. 3 - 5 BSHG a.F. sah § 41 Abs. 1 BSHG a.F. vor, dass diese Hilfe auch den Lebensunterhalt des Behinderten umfasste. Ähnlich wie bei der Ausbildungshilfe bestimmte § 41 Abs. 2 Satz 2 BSHG a.F., dass für Behinderte, die nicht mehr im volksschulpflichtigen Alter waren, für den laufenden Lebensunterhalt ein Mehrbedarf von mindestens 50 % des maßgebenden Regelsatzes anzuerkennen war, wenn der Lebensunterhalt nach Regelsätzen zu bemessen war. Somit war der Mehrbedarf insoweit gleich geregelt, als für alle Personen in Ausbildung, die nicht mehr im volksschulpflichtigen Alter waren, ein Mehrbedarf in Höhe von 50 % des maßgebenden Regelsatzes anerkannt wurde; für Behinderte konnte noch ein höherer Mehrbedarf gewährt werden. Die Anerkennung eines Mehrbedarf beruhte somit in Höhe von 50 % des Regelsatzes nicht auf besonderen Umständen in der Person des Auszubildenden, sondern war allein durch die Ausbildung geprägt, d.h. es wurde angenommen, dass die damaligen Regelsätze nicht ausreichten, den Bedarf eines Auszubildenden zu decken.

Durch Art. 22 des Haushaltsstrukturgesetzes vom 18. Dezember 1975 (BGBl I S. 3091, 3104) ist § 31 Abs. 2 Satz 2 BSHG a.F. gestrichen worden, mit dem zuvor der Mehrbedarfszuschlag im Rahmen der Ausbildungshilfe gewährt worden war. Dagegen ist der Mehrbedarf für die bildungsbezogene Eingliederungshilfe nach § 41 Abs. 2 Satz 2 BSHG a.F. unverändert beibehalten worden. Mit dem 2. Haushaltsstrukturgesetz vom 22. Dezember 1981 (BGBl I S. 1523 (1533)) sind dann durch Art. 21 u.a. die Vorschriften über die Ausbildungshilfe insgesamt sowie § 41 BSHG a.F. aufgehoben worden. Als Begründung für die Aufhebung des § 41 BSHG a.F. ist im Gesetzentwurf (BT-Drs. 9/842 S. 89 zu Nr. 29) ausgeführt worden, dass auch im Bereich der Eingliederungshilfe für Behinderte künftig wie bei allen anderen Hilfen in besonderen Lebenslagen uneingeschränkt der Grundsatz gelten solle, dass bei der offenen Hilfe die Bestimmungen über die Hilfe zum Lebensunterhalt und über die Hilfe in besonderen Lebenslagen einschließlich ihrer Voraussetzungen selbstständig nebeneinander anzuwenden seien. Anstelle der aufgehobenen Mehrbedarfsregelung in § 41 Abs. 2 Satz 2 BSHG a.F. hat das 2. Haushaltsstrukturgesetz in § 23 Abs. 3 BSHG eine Mehrbedarfsregelung für Behinderte, die das 15. Lebensjahr vollendet haben und denen Eingliederungshilfe nach § 40 Abs. 1 Nr. 3 - 5 BSHG gewährt wird, eingefügt und den Mehrbedarf auf 40 % des maßgebenden Regelsatzes reduziert. Dass § 23 Abs. 3 BSHG den bisher nach § 41 Abs. 2 Satz 2 BSHG a.F. gewährten Mehrbedarf ersetzt hat, der jedenfalls in Höhe von 50 % des Regelsatzes als ausbildungsgeprägter Bedarf anzusehen war, spricht bereits maßgeblich dafür, dass auch § 23 Abs. 3 BSHG nur den ausbildungsgeprägten Mehrbedarf und nicht den durch die Behinderung erhöhten Bedarf decken soll (so auch: OVG Berlin, Urt. v. 12.12.1985 - 6 B 26.84 -, FEVS 35, 410; Hoffmann in LPK-BSHG, 6. Aufl., § 23 RdNr. 27). Zwar ist durch das Haushaltsstrukturgesetz der Mehrbedarf für nicht behinderte Auszubildende aufgehoben worden, während der Mehrbedarf für behinderte Auszubildende unverändert beibehalten worden ist. Wie sich aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Februar 1981 (- BVerwG 5 C 51.80 -, BVerwGE 61, 352) ergibt, ist der Mehrbedarf für Auszubildende in § 33 Abs. 2 Satz 2 BSHG a.F. deshalb gestrichen worden, weil sich die Auffassung durchgesetzt hatte, dass der bisher vorgesehene Mehrbedarf nach der Neugestaltung des für die Bemessung des Regelsatzes maßgebenden Warenkorbes und der Änderung der Regelsatzverordnung im Jahre 1971 nicht mehr zu rechtfertigen war. Dass der Mehrbedarf für die nicht behinderten Auszubildenden entfallen ist und damit für diesen Personenkreis wegen der Ausbildung kein erhöhter Bedarf mehr gesehen worden ist, bedeutet jedoch nicht, dass den behinderten Auszubildenden der Mehrbedarf nunmehr aus einem anderen, nicht mehr auf die Ausbildung bezogenen Grund gewährt werden sollte.

Vielmehr ergibt sich aus der Gesetzessystematik und dabei insbesondere aus dem Zusammenspiel der Vorschriften des § 40 Abs. 1 Nr. 3 - 6 BSHG und § 23 Abs. 3 BSHG, dass der Mehrbedarf nach § 23 Abs. 3 BSHG nur als ausbildungsbezogener bzw. ausbildungsgeprägter Bedarf verstanden werden kann. Wie bereits ausgeführt worden ist, setzt die Anerkennung eines Mehrbedarf nach § 23 Abs. 3 BSHG voraus, dass Leistungen nach § 40 Abs. 1 Nr. 3 - 6 BSHG gewährt werden. Dabei umfasst die Eingliederungshilfe nach § 40 Abs. 1 Nr. 3 - 6 BSHG alle Leistungen, die wegen der Behinderung erforderlich sind, um eine Teilhabe am Arbeitsleben, eine angemessene Schulbildung, eine schulische Berufsausbildung oder eine Ausbildung für eine sonstige geeignete Tätigkeit sicherzustellen. Dazu gehören u.a. Aufwendungen für Begleitpersonen und technische Hilfsmittel wie Computer, für die der Klägerin im vorliegenden Fall auch Eingliederungshilfe nach § 40 Abs. 1 Nr. 5 BSHG als Hilfe zur schulischen Berufsausbildung gewährt worden ist. Damit wird sämtlicher behinderungsbedingter Bedarf, der im Rahmen der Ausbildung anfällt, durch die Leistungen nach § 40 Abs. 1 Nr. 3 - 6 BSHG abgedeckt. Wenn aber der behinderungsbedingte Bedarf eines Auszubildenden durch die Leistungen der Eingliederungshilfe vollständig gedeckt wird, verbleibt für einen pauschalierten Mehrbedarfszuschlag zur Deckung eines behinderungsbedingten Bedarfs kein Raum mehr. Der Mehrbedarf nach § 23 Abs. 3 BSHG kann daher auch nach seinem Sinn und Zweck nur dazu dienen, den allgemeinen ausbildungsbezogenen Unterhaltsbedarf zu decken.

Somit ist der von der Klägerin beanspruchte Mehrbedarf gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 BSHG aufgrund von § 26 Abs. 1 Satz 1 BSHG ausgeschlossen. Auch eine Hilfegewährung nach § 26 Abs. 1 Satz 2 BSHG kommt hier nicht in Betracht. Danach kann in besonderen Härtefällen Hilfe zum Lebensunterhalt als Beihilfe oder als Darlehen gewährt werden. Ein solcher besonderer Härtefall liegt bei der Klägerin jedoch nicht vor. Soweit der Beklagte der Klägerin im streitigen Zeitraum ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt gewährt hat, beruhte dies auf der Anerkennung von Mehrbedarfen gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 2 BSHG für voll erwerbsgeminderte Gehbehinderte sowie gemäß § 23 Abs. 4 BSHG wegen kostenaufwändiger Ernährung. Dabei handelt es sich um Bedarfe, die durch besondere Umstände bedingt und von der Ausbildung unabhängig sind, so dass sie nicht nach § 26 Abs. 1 Satz 1 BSHG ausgeschlossen sind. Ein besonderer Härtefall liegt nur dann vor, wenn die Folgen des Anspruchsausschlusses über das Maß hinausgehen, das regelmäßig mit der Versagung von Hilfe zum Lebensunterhalt für eine Ausbildung verbunden und vom Gesetzgeber in Kauf genommen worden ist. Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist es, besondere Härten auszugleichen, die dadurch entstehen können, dass Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des BAföG oder des SGB III förderungsfähig ist, tatsächlich keine oder zu geringe Förderung nach den genannten Gesetzen erhalten. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor, weil die Klägerin während ihres Studiums den seinerzeit maßgeblichen Höchstsatz nach dem BAföG erhalten hat. Ein besonderer Härtefall kann regelmäßig nicht darin liegen, dass der Bedarfssatz der Hilfe zum Lebensunterhalt zu höheren Leistungen als die pauschalierten Sätze des BAföG oder des SGB III führt. Der Klägerin kann der begehrte Mehrbedarf gemäß § 23 Abs. 3 BSHG auch nicht im Rahmen der Eingliederungshilfe nach § 40 Abs. 1 Nr. 5 BSHG gewährt werden. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 19. Oktober 1995 (- BVerwG 5 C 28.95 -, FEVS 46, 366) die Frage offen gelassen, ob in den Fällen, in denen der Bedarf an Eingliederungshilfe zum Studium darin besteht, dass der Behinderte nur mit diesem Studium den für ihn allein angemessenen Beruf ausüben kann, Lebensunterhalt und Ausbildungskosten für das Studium im Weg der Eingliederungshilfe übernommen werden können. Selbst wenn diese Frage hier zu bejahen wäre, käme ein Anspruch der Klägerin deshalb nicht in Betracht, weil nicht ersichtlich ist, dass die Klägerin nur mit dem von ihr aufgenommenen Jurastudium den für sie allein angemessenen Beruf ausüben kann. Die Klägerin trägt selbst vor, dass sie von vornherein keinen Beruf ausüben könne, der in irgendeiner Form mit körperlichen Belastungen verbunden sei. Auch eine Bürotätigkeit könne sie aufgrund ihrer Behinderungen nicht ausüben, da sie nicht schreiben könne und selbst Bücher angereicht werden müssten. Da aber auch die Tätigkeit einer Juristin ganz überwiegend Aktenbearbeitung erfordert und mit Büroarbeit verbunden ist, liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass der Klägerin allein mit dem Jurastudium ein für sie angemessener Beruf eröffnet wird.

Ende der Entscheidung

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