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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 07.02.2006
Aktenzeichen: 4 LB 389/02
Rechtsgebiete: SGB VIII


Vorschriften:

SGB VIII § 74
SGB VIII § 80
1. Bei der Ermessensentscheidung über die Förderung eines Kindergartens kommt dem Gesichtspunkt der Ortsnähe kein gegenüber anderen Förderungskriterien überwiegendes Gewicht zu.

2. In die Ermessenserwägungen ist auch die pädagogische Ausrichtung eines Kindergartens einzubeziehen. Werden Kindergartenplätze mit einer bestimmten Pädagogikausrichtung trotz anhaltender Nachfrage nicht gefördert, bedarf es einer besonderen Erklärung.


Tatbestand:

Der Kläger begehrt für das Kindergartenjahr 1997/1998 einen Zuschuss zu den laufenden Betriebskosten des von ihm betriebenen Waldorf-Kindergartens.

Der Kläger, der Mitglied des Paritätischen Niedersachsen e.V. ist, betreibt seit 1978 in der Stadt A. einen Waldorf-Kindergarten mit 50 Plätzen. Nach seinen Angaben waren in den Jahren von 1993 bis 1997 zwischen 17 und 27 der Plätze von Kindern belegt, die ihren Wohnsitz im Bereich des Beklagten hatten. Die Finanzierung des Kindergartens erfolgt u. a. durch Elternbeiträge und Zuschüsse der Stadt A. und des Landes Niedersachsen. Dabei zahlte die Stadt A. im streitigen Zeitraum Zuschüsse zu den Betriebskosten in Höhe von monatlich 279,-- DM für Kinder, die im Stadtgebiet ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten.

Am 15. Oktober 1997 beantragte der Kläger bei dem Beklagten die Förderung der laufenden Betriebskosten für das Kindergartenjahr 1997/1998 in Höhe von 279,-- DM monatlich für jedes Kind, das seinen Wohnsitz im Bereich des Beklagten hatte. Er gab an, dass von den 59 Plätzen, die der von ihm betriebene Kindergarten anbiete, derzeit 15 von Kindern aus dem Zuständigkeitsbereich des Beklagten belegt seien.

Mit Schreiben vom 20. Oktober 1997 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass er als Jugendhilfeträger dafür Sorge trage, dass in den Städten, Gemeinden und Samtgemeinden Tageseinrichtungen für Kinder vorgehalten würden. Er gewähre grundsätzlich keine Betriebskostenzuschüsse zu Einrichtungen außerhalb seines Zuständigkeitsbereiches, wenn er die entsprechenden gesetzlichen Aufgaben in seinem Bereich erfülle. Städte, Gemeinden und Samtgemeinden erfüllten die Aufgaben der Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und finanzierten diese. Sie trügen ebenso für die Erfüllung des Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz Sorge. Eine Rechtsmittelbelehrung war diesem Schreiben nicht beigefügt.

Der Kläger legte am 17. Januar 1998 Widerspruch gegen die ablehnende Entscheidung des Beklagten vom 20. Oktober 1997 ein. Zur Begründung gab er an, dass nach den Vorschriften des SGB VIII nicht erkennbar sei, dass die Zuständigkeit des Beklagten auf Einrichtungen beschränkt sei, die sich innerhalb seines Bereiches befinden würden. Bei der Förderungsentscheidung gemäß § 74 SGB VIII handele es sich um eine Ermessensentscheidung. Es sei rechtlich zweifelhaft, wenn diese Ermessensentscheidung im Ergebnis so ausfalle, dass eine Förderung lediglich für Kinder stattfinde, die nicht nur im Bereich des Beklagten wohnten, sondern dort auch in eine Einrichtung gingen. Ein Grund für eine Ungleichbehandlung sei nicht ersichtlich. Über diesen Widerspruch entschied der Beklagte nicht.

Unter dem 19. Juni 1998 beantragte der Kläger die Aufnahme in den Kindertagesstättenbedarfsplan des Beklagten mit 23 Plätzen seines Kindergartens. Mit Bescheid vom 4. September 1998 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers ab. Zur Begründung gab er an, dass er zur Verwirklichung des gesetzlichen Anspruchs auf einen Kindergartenplatz in Zusammenarbeit mit den örtlichen Kommunen seine Bedarfsplanung darauf ausgerichtet habe, allen Kindern aus seinem Zuständigkeitsbereich, die einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz besäßen, eine möglichst ortsnahe Regelkindergartenbetreuung zu ermöglichen. Im Rahmen dieser Zielsetzung habe er einen Bedarfsplan für sämtliche seinem Jugendamtsbezirk angehörigen Städte, Samtgemeinden und Gemeinden erstellt und die Bereitstellung von ausreichend ortsnahen Regelkindergartenplätzen in den kreisangehörigen Kommunen finanziell gefördert. Hierdurch habe im Jahr 1997 flächendeckend in fast sämtlichen kreisangehörigen Kommunen (ohne Stadt A.) ein nahezu hundertprozentiges und damit bedarfsgerechtes (ortsnahes) Angebot unterbreitet werden können. Der in einigen Kommunen noch bestehende Fehlbedarf werde im Jahr 1998 durch laufende Investitionen weiter abgebaut werden können. Da ein zusätzlicher Bedarf von Kindergartenplätzen zumindest im Stadtgebiet A. nicht bestehe, sei eine Aufnahme von weiteren Einrichtungen in die Bedarfsplanung nicht erforderlich. In diesem Zusammenhang sei auch nicht zu berücksichtigen, dass ein Angebot von Waldorfkindergartenpädagogik in seinem Bereich nicht vorhanden sei. Denn das Wunsch- und Wahlrecht der Eltern sei nur dann zu beachten, wenn nicht unverhältnismäßige Mehrkosten entstünden. Derartige Mehrkosten würden aber entstehen, wenn er auf vorhandene Plätze verweisen könne, ein Leistungsberechtigter aber dennoch eine Einrichtung auswähle, die nicht in die institutionelle Förderung einbezogen sei. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.

Der Kläger hat am 22. Februar 1999 Klage erhoben, mit der er sein Begehren auf Gewährung eines Zuschusses zu den Betriebskosten für das Kindergartenjahr 1997/1998 weiter verfolgt hat.

Zur Begründung hat der Kläger ausgeführt, dass sein Anspruch aus § 74 Abs. 5 SGB VIII folge. Dieser Anspruch setze nicht voraus, dass eine Aufnahme in den Kindertagesstättenbedarfsplan erfolgt sei. Vielmehr müsse im Rahmen einer Auseinandersetzung über die Förderung eine inzidente Überprüfung der Bedarfsplanung erfolgen. Ob eine Einrichtung im Kindertagesstättenbedarfsplan enthalten sein müsse, bestimme sich nach dem Bedarf, der sich wiederum aus der tatsächlichen Nachfrage ablesen lasse. Soweit der Beklagte meine, eine überörtliche Planung sei bei einem hundertprozentigen örtlichen Angebot entbehrlich, treffe dies nicht zu. Wenn das örtliche Angebot von den Eltern so nicht gewollt sei, sei auch seine Planung falsch bzw. eine überörtliche Planung gerade nicht entbehrlich. Eine Aufnahme seiner Einrichtung in die Bedarfsplanung hätte auch nicht zu einer Überversorgung führen können, da ganz offensichtlich diejenigen Eltern, die ihre Kinder in seiner Einrichtung untergebracht hätten, andere Plätze nicht gewollt hätten. Eine entgegenstehende Planung sei falsch, da sie dem so verstandenen Bedarf nicht gerecht werde. Aus der Gewinn- und Verlustrechnung für das Kindergartenjahr 1997/1998 ergebe sich ein Defizit in Höhe von 16.851,51 DM. Korrigiere man die Einnahmen um die Zahlungen der Stadt A. und der sonstigen Gemeinden, so dass unter der Position der Erträge I "Zuschüsse" lediglich der Zuschuss für das Fachpersonal durch das Land Niedersachsen verbleibe, ergebe sich ein rechnerisches Defizit in Höhe von 235.916,83 DM. In dem hier fraglichen Kindergartenjahr seien umgerechnet auf die einzelnen Monate von insgesamt 699 Kinderbetreuungsmonaten 197 für Kinder aus dem Bereich des Beklagten aufgebracht worden, mithin 28,46 %. Dementsprechend erscheine es angemessen, wenn der Beklagte 28,46 % des Betriebskostendefizits von 235.916,83 DM trage, d. h. 67.141,93 DM. Anzurechnen seien dann die Zahlungen einzelner Gemeinden, nämlich 2.560,-- DM sowie weitere 875,-- DM, so dass insgesamt 63.706,93 DM verblieben. Dieser Betrag liege zwar oberhalb des Gesamtdefizits, führe aber eben dazu, dass dem Beklagten jedenfalls die Zahlungen der Stadt A. letztlich nicht zugute kämen, auch nicht die Vereinsbeiträge der Eltern, ferner auch nicht die entsprechenden Elternspenden. Eine hinreichende Eigenleistung (des Klägers) werde bereits ohnehin über die vielfältige entgeltlose Leitungstätigkeit und Koordinierungsarbeit erbracht.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 20. Oktober 1997 aufzuheben sowie den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger den Betrag von insgesamt 63.706,93 DM für das Kindergartenjahr 1997/1998 zu bewilligen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat geltend gemacht, dass eine Förderung ohne Aufnahme in den Bedarfsplan nur dann möglich sei, wenn ein bedarfsgerechtes hundertprozentiges Förderangebot im Bedarfsplan des betroffenen Jugendhilfeträgers nicht nachgewiesen werden könne. Er habe bereits im Jahr 1988 mit der Bestandsaufnahme der vorhandenen Einrichtungen im Kreisgebiet begonnen und seit 1991 die Feststellung des Bedarfs entsprechend § 80 KJHG forciert. Seit Schaffung des gesetzlichen Anspruchs auf einen Kindergartenplatz sei Ziel seiner Bedarfsplanung gewesen, allen Kindern aus dem Kreisgebiet, die einen solchen Anspruch auf einen Kindergartenplatz besäßen, eine Regelbetreuung möglichst ortsnah zu ermöglichen. Durch die Konzentration auf ortsnahe Einrichtungen habe eine Entfremdung der Kinder von ihrem sozialen Umfeld vermieden werden sollen. Seit 1991 habe er Bedarfspläne für sämtliche kreisangehörigen Städte, Samtgemeinden und Gemeinden erstellt und die Bereitstellung von ausreichend ortsnahen Plätzen durch Neu-, Um- und Ausbau, Sanierung etc. finanziell gefördert. Hierdurch habe im Jahr 1997 nahezu flächendeckend in sämtlichen kreisangehörigen Kommunen, ohne die Stadt A., ein nahezu hundertprozentiges und damit bedarfsgerechtes (ortsnahes) Angebot unterbreitet werden können. Der Kläger habe erstmals im Oktober 1997 angezeigt, dass in dem von ihm im Stadtgebiet A. betriebenen Kindergarten seit 1993 regelmäßig wenigstens 17 Kinder jährlich aus dem Landkreisgebiet betreut worden seien. Zu diesem Zeitpunkt sei die Installierung eines nahezu hundertprozentigen Kindergartenangebots im Landkreisgebiet fast realisiert und durch die vorangeschrittene Planung für die Zukunft abgesichert gewesen. Die zusätzliche Aufnahme der Einrichtung des Klägers in die Bedarfsplanung hätte zu einer Überversorgung geführt. Ein Anspruch auf eine bestimmte Grundrichtung der Erziehung bestehe nicht. Das Wunsch- und Wahlrecht habe in den Hintergrund zu treten, wenn hierdurch unverhältnismäßige Mehrkosten für den öffentlichen Jugendhilfeträger entstehe. Soweit der Kläger meine, er - der Beklagte - könne aufgrund der Belegung der von ihm im Stadtgebiet Hildesheim betriebenen Einrichtung den exakten Bedarf für die von der Einrichtung des Klägers angebotene Erziehungsrichtung feststellen und damit auf andere bisher bereit gestellte Kindergartenplätze verzichten, treffe dies nicht zu. Der Kläger führe nämlich nicht aus, dass zwar in den letzten Jahren offenbar durchgehend 17 bis 27 Kinder aus dem gesamten Landkreisgebiet einen Platz in der von ihm betriebenen Einrichtung in Anspruch genommen haben, die Zuordnung dieser Kinder auf die einzelnen Kommunen aber stichtagsabhängig erheblichen Schwankungen unterliege. Es bestehe für ihn - den Beklagten - keine Möglichkeit, eine auf die Zukunft gerichtete Vorhersage über die Anzahl der Kinder aus dem einzelnen Kommunen, die eine besondere Erziehungsrichtung in Anspruch nehmen wollten, zu treffen und damit eine für die einzelnen Kommunen feststehende Größe zuzuordnen. Es sei ihm daher kaum möglich, die Planung für einen Planungszeitraum von 5 Jahren entsprechend anzupassen und vorhandene Regelangebote in den Kommunen zu reduzieren. Die vorhandenen Regelangebote in den Kommunen müssten daher durchgehend aufrechterhalten und finanziell gefördert werden. Die zusätzliche Aufnahme des vom Kläger betriebenen Waldorf-Kindergartens in den Kindertagesstättenbedarfsplan wäre daher mit erheblichen Mehrkosten verbunden gewesen.

Das Verwaltungsgericht Hannover hat mit Urteil vom 9. November 1999 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt:

Die Klage sei als Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO zulässig, aber nicht begründet. Der Kläger habe gegen den Beklagten keinen Anspruch auf die beantragte Förderung seines Kindergartens. Nach § 74 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII entscheide der Träger der öffentlichen Jugendhilfe über die Höhe der Förderung im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel nach pflichtgemäßem Ermessen. Bei Bestehen einer Jugendhilfeplanung habe diese die Grundlage einer Förderungsentscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen zu sein und sei bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Förderungsentscheidung nach § 74 SGB VIII zu berücksichtigen. Der Beklagte habe seit dem Jahre 1991 eine Jugendhilfeplanung für Kindertagesstätten aufgestellt und fortgeschrieben. Dieser Planung folgend seien ortsnahe Kindergartenplätze finanziell gefördert und geschaffen worden, so dass eine nahezu hundertprozentige Versorgung innerhalb des Zuständigkeitsbereichs des Beklagten bestehe. Die von Kindern, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich des Beklagten hätten, bei dem Kläger besetzten Plätze seien mithin in der Jugendhilfeplanung des Beklagten nicht enthalten. Dass der Kläger seine Jugendhilfeplanung zur Grundlage seiner Entscheidung über den Förderungsantrag des Klägers gemacht habe, sei nicht zu beanstanden. Denn die auch ohne die Plätze des Klägers fast hundertprozentige ortsnahe Versorgung mit Kindergartenplätzen innerhalb des Zuständigkeitsbereichs des Beklagten stelle einen im Rahmen der Ermessensentscheidung gemäß § 74 SGB VIII die Ablehnung der Förderung des Klägers rechtfertigenden öffentlichen Belang dar. Die Ausübung des Ermessens in dieser Weise finde mittelbar auch eine Stütze in § 12 Abs. 1 KiTaG. Danach sei der Anspruch auf den Besuch eines Kindergartens auf einen Platz in einer Vormittagsgruppe gerichtet und ortsnah zu erfüllen. Er richte sich nicht auf eine bestimmte Grundrichtung der Erziehung. Soweit der Kläger einwende, der Beklagte habe, in dem er die bei ihm - dem Kläger - von Kindern aus dem Zuständigkeitsbereich des Beklagten besetzten Plätze in seine Planung nicht aufgenommen habe, am Bedarf "vorbeigeplant", greife er nicht die Entscheidung gemäß § 74 Abs. 3 SGB VIII an, sondern den ihr zugrunde liegenden Jugendhilfeplan selbst. Zwar könne sich der Kläger auch hiergegen wenden und seine Berücksichtigung zu erreichen versuchen. Dies gelte allerdings nicht für das Kindergartenjahr 1997/1998, da der Beklagte dieses Begehren bereits abgelehnt und der Kläger dagegen Widerspruch nicht erhoben habe.

Auf den Zulassungsantrag des Klägers hat der Senat mit Beschluss vom 2. Mai 2000 die Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wegen besonderer tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten zugelassen.

Der Kläger hat im Berufungsverfahren zunächst sein Begehren aus dem erstinstanzlichen Verfahren weiterverfolgt. In der mündlichen Verhandlung hat er die Berufung zurückgenommen, soweit diese auf eine Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung von 32.572,84 EUR (entspricht 63.706,93 DM) gerichtet gewesen ist.

Zur Begründung der Berufung trägt der Kläger vor:

Die Jugendhilfeplanung habe gemäß § 80 SGB VIII den Bedarf unter Berücksichtigung der Wünsche, Bedürfnisse und Interessen der jungen Menschen und der Personensorgeberechtigten für einen mittelfristigen Zeitraum zu ermitteln. Dabei solle ein möglichst wirksames, vielfältiges und aufeinander abgestimmtes Angebot von Jugendhilfeleistungen geplant werden. Der Bedarfsbegriff sei hier ausschließlich als "Nachfrage" zu verstehen. Insoweit sei die Planung des Beklagten fehlerhaft. Er nehme seit über 10 Jahren nicht zur Kenntnis, dass stets und ständig Kinder aus seinem Bereich praktisch in der Stärke fast einer Kindergartengruppe die Einrichtung des Klägers besuchten und mithin eine entsprechende Nachfrage vorhanden sei. Die Feststellung des Bedarfs sei keinesfalls identisch mit der Organisation eines den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz abdeckenden Angebots. Eine derart fehlerhafte Bedarfsplanung könne nicht Grundlage einer Förderungsentscheidung sein. Auf die Planbarkeit bezogen auf einzelne Mitgliedsgemeinden komme es nicht an. Von Bedeutung sei lediglich, dass Kinder aus dem Bereich des Beklagten nicht nur in Einrichtungen des Klägers auswärtig betreut würden, dass es vielmehr darüber hinaus noch weitergehende auswärtige Betreuungen aus dem Landkreis im Bereich der Stadt Hildesheim gebe. Wie sich aus dem Auszug des Kindertagesstättenbedarfsplanes der Stadt Hildesheim ergebe, würden gebietsübergreifende Kindergartenplätze dort ausdrücklich ausgeworfen werden.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 20. Oktober 1997 zu verpflichten, über seinen Antrag auf institutionelle Förderung des von ihm betriebenen Kindergartens für die Zeit vom 1. August 1997 bis zum 31. Juli 1998 (Kindergartenjahr 1997/1998) unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt zur Begründung vor:

Ein Förderungsanspruch bestehe in der Regel dann nicht, wenn die Einrichtung nicht in den Bedarfsplan aufgenommen sei. Unabhängig davon sei aber seine Bedarfsplanung für das Kindergartenjahr 1997/1998 auch nicht fehlerhaft gewesen. Die Aufnahme der Einrichtung des Klägers in den Kindertagesstättenbedarfsplan sei zur Erfüllung des gesetzlichen Auftrags, jedem Anspruchsteller einen Kindergartenplatz zur Verfügung zu stellen, nicht erforderlich gewesen. Die Einrichtung des Klägers sei auch nur bedingt geeignet gewesen, den Anspruch auf einen Kindergartenplatz zu erfüllen. Wegen der besonderen Ausrichtung der Erziehung nach der Waldorf-Pädagogik wäre eine nicht gewünschte Verweisung auf einen Kindergartenplatz in der Einrichtung des Klägers unzulässig gewesen. Für einen Großteil der Kinder in seinem Zuständigkeitsbereich wäre durch die Einrichtung des Klägers aufgrund der teilweise erheblichen Entfernung eine ortsnahe Versorgung nicht möglich gewesen. Im übrigen fehle ihm die Gesamtverantwortung einschließlich der Planungsverantwortung für Kindergärten, soweit diese von Kindern besucht würden, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb seines Zuständigkeitsbereichs hätten. Daraus folge, dass die Gesamt- und Planungsverantwortung erst Recht für solche Einrichtungen fehle, die außerhalb des Zuständigkeitsbereichs des Jugendhilfeträgers lägen. Der Begriff des Bedarfs im Sinne des SGB VIII richte sich nicht ausschließlich nach der Nachfrage, sondern enthalte im Unterschied zum rein subjektiven Bedürfnis ein Element objektiver Planung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Das Berufungsverfahren ist gem. §§ 126 Abs. 1, 125 Abs. 1, 92 Abs. 3 VwGO einzustellen, soweit der Kläger die auf eine Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung von 32.572,84 EUR gerichtete Berufung zurückgenommen hat.

In dem aufrecht erhaltenen Umfang ist die Berufung des Klägers zulässig und begründet.

Das Verwaltungsgericht hat die auf die Förderung des vom Kläger betriebenen Kindergartens gerichtete Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Klage ist gem. § 75 VwGO ohne Durchführung eines Vorverfahrens zulässig und mit dem im Berufungsverfahren eingeschränkten Klageantrag auch begründet.

Der Bescheid des Beklagten vom 20. Oktober 1997 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Neubescheidung seines Antrages auf Förderung des von ihm betriebenen Waldorf - Kindergartens für das Kindergartenjahr 1997/1998. Denn dem Beklagten sind bei der Ablehnung des Antrages Ermessensfehler unterlaufen.

Rechtsgrundlage für die vom Kläger begehrte Förderung ist § 74 SGB VIII. Nach § 74 Abs. 1 SGB VIII sollen die Träger der öffentlichen Jugendhilfe die freiwillige Tätigkeit auf dem Gebiet der Jugendhilfe anregen; sie sollen sie fördern, wenn der jeweilige Träger 1. die fachlichen Voraussetzungen für die geplante Maßnahme erfüllt, 2. die Gewähr für eine zweckentsprechende und wirtschaftliche Verwendung der Mittel bietet, 3. gemeinnützige Ziele verfolgt, 4. eine angemessene Eigenleistung erbringt und 5. die Gewähr für eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit bietet. Eine auf Dauer angelegte Förderung setzt in der Regel die Anerkennung als Träger der freien Jugendhilfe nach § 75 SGB VIII voraus. Gem. § 74 Abs. 3 SGB VIII entscheidet der Träger der öffentlichen Jugendhilfe über die Art und Höhe der Förderung im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel nach pflichtgemäßem Ermessen.

Der Kläger erfüllt unstreitig die Voraussetzungen des § 74 Abs. 1 SGB VIII, so dass der Beklagte gem. § 74 Abs. 3 SGB VIII nach pflichtgemäßem Ermessen über die Förderung zu entscheiden hat.

Der Beklagte ist auch für die hier begehrte Förderung von Kindergartenplätzen, die im Kindergartenjahr 1997/1998 mit Kindern aus seinem Bereich besetzt waren, zuständig. Dass der Kindergarten des Klägers außerhalb seines Gebietes liegt, steht der Zuständigkeit des Beklagten nicht entgegen. Wie das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 25.4.2002 - 5 BVerwG 5 C 18.01 -, BVerwGE 116, 226) ausgeführt hat, ist eine Beschränkung auf einzelne Kindergartenplätze zulässig, wenn sich die Betriebskosten kindergartenplatzbezogen errechnen lassen. Aus § 74 Abs. 2 Satz 1 SGB VIIII ergebe sich weiter, dass ein Träger der öffentlichen Jugendhilfe für eine Förderung von Kindergartenplätzen in einem außerhalb seines Gebietes gelegenen Kindergarten dann zuständig sei, wenn er damit Kindern aus seinem Gebiet, die einen Anspruch auf einen Kindergartenplatz hätten, Kindergartenplätze anbieten wolle. Zuständig sei demnach der Träger der öffentlichen Jugendhilfe, dem das Angebot im Sinne des § 74 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durch die Nutzbarkeit von Kindergartenplätzen zukomme.

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist die Entscheidung des Beklagten, den Kindergarten des Klägers im Kindergartenjahr 1997/1998 nicht bei der Jugendhilfeplanung zu berücksichtigen und nicht zu fördern, ermessensfehlerhaft gewesen.

Der Beklagte hat eine Förderung der Kindergartenplätze in der Einrichtung des Klägers, die im streitigen Zeitraum von Kindern aus dem Bereich des Beklagten belegt waren, mit der - gem. § 114 Satz 2 VwGO im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzten - Begründung abgelehnt, dass er grundsätzlich keine Betriebskostenzuschüsse zu Einrichtungen außerhalb seines Zuständigkeitsbereiches gewähre, wenn er die entsprechenden gesetzlichen Aufgaben in seinem Bereich erfülle. Er habe seine Bedarfsplanung darauf ausgerichtet, allen Kindern aus dem Kreisgebiet, die einen Anspruch auf einen Kindergartenplatz besäßen, eine Regelbetreuung möglichst ortsnah zu ermöglichen. Im Rahmen dieser Zielsetzung habe er einen Bedarfsplan für sämtliche seinem Jugendamtsbezirk angehörenden Städte, Samtgemeinden und Gemeinden erstellt und die Bereitstellung von ausreichend ortsnahen Regelkindergartenplätzen in den kreisangehörigen Kommunen finanziell gefördert. Hierdurch habe im Jahr 1997 flächendeckend in fast sämtlichen kreisangehörigen Kommunen (ohne Stadt A.) ein nahezu hundertprozentiges und damit bedarfsgerechtes (ortsnahes) Angebot unterbreitet werden können. Der in einigen Kommunen noch bestehende Fehlbedarf werde im Jahr 1998 durch laufende Investitionen weiter abgebaut werden können. Die zusätzliche Aufnahme der Einrichtung des Klägers in die Bedarfsplanung hätte zu einer Überversorgung geführt. Ein Anspruch auf eine bestimmte Grundrichtung der Erziehung bestehe nicht.

Diese Begründung entspricht deshalb nicht pflichtgemäßem Ermessen, weil der Beklagte nicht alle für eine Ermessensentscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte in seine Abwägung eingestellt und außerdem einzelnen Erwägungen ein Gewicht beigemessen hat, das ihnen nicht zukommt.

Dazu im Einzelnen:

Die Förderung setzt eine Jugendhilfeplanung nach § 80 SGB VIII nicht voraus. Liegt eine derartige Planung vor, ist sie Grundlage einer Förderungsentscheidung und bei der Beurteilung ihrer Rechtmäßigkeit zu berücksichtigen. Wenn also die Kindergartenplätze, für die eine Förderung begehrt wird, in der Jugendhilfeplanung enthalten sind, besteht dem Grunde nach ein Anspruch auf Förderung. Liegt eine Jugendhilfeplanung dagegen nicht vor, hindert das die Förderung nach § 74 SGB VIII nicht. Eine Förderungsentscheidung kann somit auf der Grundlage einer vorliegenden Jugendhilfeplanung, aber auch einzelfallbezogen getroffen werden (BVerwG, Urteil vom 25.4.2002 - BVerwG 5 C 18.01 -, BVerwGE 116, 226; siehe auch: BVerwG, Beschluss vom 30.12.1996 - BVerwG 5 B 27.96 -, FEVS 47, 529). Hier ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass der Kindergarten des Klägers für den streitigen Zeitraum nicht in den Kindertagesstättenbedarfsplan des Beklagten aufgenommen worden ist, so dass sich aus der Jugendhilfeplanung keine Ermessensreduzierung im Hinblick auf die begehrte Förderung ergibt.

Soweit das Verwaltungsgericht meint, die nach Angaben des Beklagten auch ohne die Plätze des Klägers fast hundertprozentige ortsnahe Versorgung mit Kindergartenplätzen innerhalb des Zuständigkeitsbereichs des Beklagten stelle einen im Rahmen der Ermessensentscheidung die Ablehnung der Förderung des Klägers rechtfertigenden öffentlichen Belang dar, trifft dies aus folgenden Erwägungen nicht zu:

Nach § 74 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII ist nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, wenn mehrere Antragsteller die Förderungsvoraussetzungen erfüllen und die von ihnen vorgesehenen Maßnahmen gleich geeignet sind, zur Befriedigung des Bedarfs jedoch nur eine Maßnahme notwendig ist. Somit kann eine Förderung von weiteren Maßnahmen (von weiteren Kindergartenplätzen) abgelehnt werden, wenn die zur Befriedigung des Bedarfs notwendigen Maßnahmen (Kindergartenplätze) bereits vorhanden sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.4.2002 - BVerwG 5 C 18.01 -, BVerwGE 116, 226).

Hier kann allerdings nicht daraus, dass nach Angaben des Beklagten im streitigen Zeitraum durch die Kindergärten in seinem Bereich eine "nahezu" hundertprozentige Versorgung mit Kindergartenplätzen gewährleistet gewesen ist, darauf geschlossen werden, dass der Bedarf im Sinne des § 74 SGB VIII - ohne die Einrichtung des Klägers - gedeckt gewesen war und der Förderungsantrag des Klägers allein aus diesem Grund ermessensfehlerfrei abgelehnt werden konnte. Denn eine Bedarfsdeckung hätte nur dann vorgelegen, wenn die von dem Beklagten in seine Bedarfsplanung einbezogenen und in diesem Rahmen geförderten Kindergartenplätze auch tatsächlich zur Deckung des Bedarfs geeignet gewesen wären.

Dabei kann es nicht (nur) darauf ankommen, ob, wie das Verwaltungsgericht meint, der Bedarf "quantitativ" gedeckt gewesen ist, d.h. ob auch ohne die Plätze in dem Kindergarten des Klägers für jedes anspruchsberechtigte Kind aus dem Bereich des Beklagten ein ortsnaher Kindergartenplatz vorhanden gewesen wäre. Vielmehr ist der Bedarf im Rechtssinne als normativer Begriff im Zusammenhang mit der Gesamtverantwortung des Jugendhilfeträgers (§ 79 SGB VIII) und im Rahmen der Planungsverantwortung nach § 80 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII zu sehen, wonach der Bedarf unter Berücksichtigung der Wünsche, Bedürfnisse und Interessen der jungen Menschen und der Personensorgeberechtigten zu ermitteln ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.1.2000 - BVerwG 5 C 19.99 -, BVerwGE 110, 320). Nach § 74 Abs. 4 SGB VIII soll bei gleich geeigneten Maßnahmen solchen der Vorzug gegeben werden, die stärker an den Interessen der Betroffenen orientiert sind und ihre Einflussnahme auf die Ausgestaltung der Maßnahme gewährleisten. Bei Kindergärten sind insofern deren Aufgabe und verschiedenen Leistungsangebote in den Blick zu nehmen. U.a. soll sich gem. § 22 Abs. 3 SGB VIII das Leistungsangebot pädagogisch und organisatorisch an den Bedürfnissen der Kinder und Familien orientieren. Der pädagogischen Ausrichtung eines Kindergartens (z.B. gemeindlicher, kirchlicher oder Waldorf - Kindergarten) sowie seiner Betreuungsorganisation (z.B. in Bezug auf Vormittags- und Nachmittagsgruppen) kommt daher im Rahmen der Ermessensentscheidung Bedeutung zu (BVerwG, Urteil vom 25.4.2002 - BVerwG 5 C 18.01 -, BVerwGE 116, 226). Dies zeigt, dass allein der Umstand, dass zahlenmäßig ausreichend Kindergartenplätze im Bereich des Beklagten zur Verfügung gestanden haben sollen, keinen die Ablehnung der Förderung rechtfertigenden Grund darstellt.

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem vom Verwaltungsgericht zur Begründung seiner Auffassung herangezogenen § 12 Abs. 1 KiTaG a.F. (Gesetz über die Tageseinrichtungen für Kinder in der Fassung vom 25.9.1995, Nds. GVBl. S. 304), der den Anspruch auf einen Kindergartenplatz regelt, welcher ortsnah zu erfüllen ist und sich nicht auf eine bestimmte Grundrichtung der Erziehung richtet (§ 12 Abs. 1 Sätze 4 und 5 KiTaG a.F.). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 25.4.2002 - BVerwG 5 C 18.01 -, BVerwGE 116, 226) sind maßgebliche Ermessensgesichtspunkte für die institutionelle Förderung nach § 74 SGB VIII z.B. die Ortsnähe eines Kindergartens, aber auch die günstige Verkehrsverbindung des Kindergartens zu Arbeitsstätten der Eltern sowie die pädagogische Ausrichtung eines Kindergartens. Ein überwiegendes Gewicht der vom Beklagten als entscheidend angesehenen Ortsnähe besteht nach dem Gesetz nicht. Das Bundesverwaltungsgericht hat dazu in seinem Urteil vom 25. November 2004 (- BVerwG 5 C 66.03 -, FEVS 56, 294) ausgeführt, dass das soziale Umfeld (§ 80 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII) auch eines Kindergartenkindes nicht auf Kontakte im Bereich der Wohnsitzgemeinde beschränkt sei. Die Möglichkeit, dass Freundschaften über den Kindergarten hinaus bis in die Schule andauerten, möge bei wohnungsnahen Kindergärten und Schulen zwar eher gegeben sein; dies rechtfertige aber keinen Vorrang der an Gemeindegrenzen anknüpfenden Ortsnähe. Eine weitgehende Deckung des Einzugsbereichs von Kindergarten und Schulsprengel sei bereits nicht Voraussetzung für die tatsächliche Kindergartenförderung. Überdies obliege es den Eltern, ob sie eine solche Kontinuität über den Kindergarten hinaus wollten.

Im Übrigen ist eine solche Kontinuität auch dann gewahrt, wenn die den Waldorf-Kindergarten des Klägers besuchenden Kinder im Anschluss daran nicht in einer Regelgrundschule sondern in der Waldorfschule eingeschult werden.

Soweit der Beklagte geltend macht, eine Planung unter Einbeziehung von Plätzen in der Einrichtung des Klägers sei deshalb nicht durchführbar, weil die Zuordnung der Kinder, die den Kindergarten des Klägers besuchten, auf die einzelnen Kommunen stichtagsabhängig erheblichen Schwankungen unterliege und es ihm daher nicht möglich sei, die Planung entsprechend anzupassen und vorhandene Regelangebote in den Kommunen zu reduzieren, rechtfertigt auch dies nicht die Ablehnung der Förderung. Unverhältnismäßige Mehrkosten durch eine Förderung des Klägers entstehen jedenfalls dann nicht, wenn im Rahmen einer sachgerechten Planung auf Kreisebene unter Berücksichtigung des erkennbaren Bedarfs alle Plätze in die Planung einbezogen werden und eine Förderungsentscheidung getroffen wird, die sich am Grundsatz der Gleichbehandlung orientiert. Etwaige Überkapazitäten sind dabei entweder durch die kostensenkende Auflösung von Gruppen bei den einzelnen Gemeinden abzubauen oder aber im Rahmen des zu erstellenden Förderungskonzeptes angemessen zu berücksichtigen. Dabei ist es auch denkbar, das Förderungskonzept dem Grunde nach anders zu gestalten und etwa nur die tatsächlich belegten Plätze zu fördern. Kindergärten, die wie der Waldorf-Kindergarten des Klägers eine bestimmte Pädagogikrichtung aufweisen, haben in der Regel einen größeren Einzugsbereich und können daher durch eine nur auf die ortsnahe Versorgung abstellende, regionalisierte Förderpraxis nicht sachgerecht berücksichtigt werden.

Während der Beklagte dem Gesichtspunkt der Ortsnähe ein zu großes Gewicht beigemessen hat, hat er die pädagogische Ausrichtung des vom Kläger betriebenen Kindergartens zu Unrecht nicht in seine Ermessenserwägungen eingestellt bzw. nicht mit dem angemessenen Gewicht berücksichtigt.

Wie bereits ausgeführt worden ist, kommt der pädagogischen Ausrichtung eines Kindergartens (z.B. gemeindlicher, kirchlicher oder wie hier Waldorf-Kindergarten) im Rahmen der Ermessensentscheidung Bedeutung zu (BVerwG, Urteil vom 25.4.2002 - BVerwG 5 C 18.01 -, BVerwGE 116, 226). Dies hat der Beklagte verkannt und somit auch nicht in seine Ermessensentscheidung eingestellt. Wenn aber angebotene Kindergartenplätze mit einer bestimmten Pädagogikausrichtung trotz anhaltender Nachfrage anders als solche mit anderer Pädagogikausrichtung nicht gefördert werden, bedarf es einer besonderen Erklärung (BVerwG, Urteil vom 25.4.2002 - BVerwG 5 C 18.01 -, BVerwGE 116, 226 und Urteil vom 25.11.2004 - BVerwG 5 C 66.03 -, FEVS 56, 294). Hier ist der Waldorf - Kindergarten des Klägers in der Zeit von 1993 bis 1997 regelmäßig von 17 bis 27 Kindern aus dem Gebiet des Beklagten besucht worden. Im streitigen Zeitraum waren 15 Plätze von Kindern aus dem Bereich des Beklagten belegt. Die besondere Erklärung dafür, dass eine Förderung des Waldorf-Kindergartens trotz einer solchen Nachfrage unterbleibt, kann in den vom Beklagten angeführten Erwägungen nicht gesehen werden, weil sie aus den dargelegten Gründen ermessensfehlerhaft sind.

Der aufgrund der ermessensfehlerhaften Ablehnung seines Förderungsantrages bestehende Anspruch des Klägers auf ermessensfehlerfreie Neubescheidung hat sich hier zu einem Förderungsanspruch dem Grunde nach verdichtet. Das Ermessen des Beklagten ist dahingehend reduziert, dass die beantragte Förderung dem Grunde nach zu gewähren ist. Denn aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Falles wäre jede andere Entscheidung als eine Förderung des Waldorf-Kindergartens des Klägers ermessensfehlerhaft.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bindet zwar allein die Tatsache, dass regelmäßig eine gewisse Anzahl von Kindern aus dem Gebiet eines Jugendhilfeträgers einen außerhalb dieses Gebietes gelegenen Waldorf - Kindergarten besucht, noch nicht das Ermessen des Jugendhilfeträgers, diesen Kindergarten fördern zu müssen. So bestimmt sich der Bedarf an Kindergartenplätzen anders als der von Kinderkrippenplätzen (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 27.1.2000 - BVerwG 5 C 19.99 -, BVerwGE 110, 320) insofern an der tatsächlichen Nachfrage, als nach § 24 Satz 1 SGB VIII jedes Kind vom vollendeten dritten Lebensjahr bis zum Schuleintritt Anspruch auf den Besuch eines Kindergartens hat. Dieser Anspruch bezieht sich aber nicht auf einen bestimmten Kindergartenplatz oder einen bestimmten Kindergarten. Auch das individuelle Wunsch- und Wahlrecht des Kindes bzw. der Eltern nach § 5 SGB VIII führt nicht dazu, dass der Träger der öffentlichen Jugendhilfe nach § 74 SGB VIII alle von Kindern aus seinem Gebiete besuchten Kindergartenplätze fördern müsste. Denn die institutionelle Förderung von Kindergärten bzw. Kindergartenplätzen nach § 74 SGB VIII ist nicht individuell auf ein konkretes Kind und dessen Wünsche im Einzelfall bezogen, sondern auf Kindergärten insgesamt oder auf ein bestimmtes Kontingent von Kindergartenplätzen, die der Träger der öffentlichen Jugendhilfe institutionell primär deshalb fördert, damit sie Kindern aus seinem Gebiet offen stehen, er ihnen gegenüber also seine Verpflichtung aus § 24 Satz 1 SGB VIII erfüllen kann (BVerwG, Urteil vom 25.4.2002 - BVerwG 5 C 18.01 -, BVerwGE 116, 226).

Allerdings hat weder der Beklagte Erwägungen vorgetragen, die eine ermessensfehlerfreie Ablehnung der Förderung rechtfertigen könnten, noch sind solche ersichtlich. Wie das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 25.4.2002 - BVerwG 5 C 18.01 -, BVerwGE 116, 226 und Urteil vom 25.11.2004 - BVerwG 5 C 66.03 -, FEVS 56, 294) herausgestellt hat, bedürfte es gerade einer besonderen Erklärung, warum angebotene Kindergartenplätze mit einer bestimmten Pädagogikausrichtung trotz anhaltender Nachfrage anders als solche mit anderer Pädagogikausrichtung nicht gefördert werden. Da der Beklagte eine solche Erklärung auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht abgegeben hat, sondern lediglich auf die bisher von ihm geltend gemachten und aus den dargelegten Gründen nicht ausreichenden Ablehnungsgründe verwiesen hat, ist hier eine Ermessensreduzierung, d.h. eine Förderungspflicht dem Grunde nach, eingetreten.

Für einen Anspruch des Klägers auf Förderung sprechen auch die Kindertagesstättenbedarfspläne des Beklagten, die für die Jahre 1996 und 1998 vorgelegt worden sind. Daraus ergibt sich, dass der Beklagte 1996 beabsichtigte, bis 1999 in seinem Bereich durch Neubau, Erweiterung oder Umwandlung von Kinderspielkreisen in Kindergärten weitere 470 Kindergartenplätze zu schaffen. Gleichzeitig sollten 140 Plätze in Kindergärten oder Kinderspielkreisen entfallen. In dem Kindertagesstättenbedarfsplan 1998 ist vorgesehen, bis 2001 weitere 237 Kindergartenplätze (bei Wegfall von 22 befristet genehmigten Plätzen) zu schaffen. Dies zeigt, dass ein Bedarf an Kindergartenplätzen bestanden hat. Wenn aber neue Plätze geschaffen werden müssen, um den Bedarf zu decken, ist nicht ersichtlich, warum dann nicht die in dem Kindergarten des Klägers vorhandenen und von Kindern aus dem Bereich des Beklagten in Anspruch genommenen Plätze gefördert worden sind.

Über die Höhe der Förderung wird der Beklagte - sofern nicht eine einvernehmliche Regelung erzielt werden kann - nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden haben (§ 74 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII). Nach § 74 Abs. 5 SGB VIII sind bei der Förderung gleichartiger Maßnahmen mehrerer Träger unter Berücksichtigung ihrer Eigenleistungen gleiche Grundsätze und Maßstäbe anzulegen. Werden gleichartige Maßnahmen von der freien und der öffentlichen Jugendhilfe durchgeführt, sind bei der Förderung die Grundsätze und Maßstäbe anzuwenden, die für die Finanzierung der Maßnahmen der öffentlichen Jugendhilfe gelten. Merkmale, die für die Finanzierung von Kindergärten von Bedeutung sind, sind die personellen, räumlichen und sonstigen sachlichen Ausstattungen. Insofern müsste der Beklagte vor einer Entscheidung über die Höhe der Förderung zunächst ermitteln, welche Ausstattungsstandards in personeller, räumlicher und sonstiger sachlicher Hinsicht bei den von ihm oder von den Gemeinden betriebenen Kindergärten im streitigen Zeitraum bestanden haben bzw. wie hoch die Kosten dafür objektiv gewesen sind. Weiter wäre zu prüfen, welche zumutbare Eigenleistung der Kläger von diesem Bedarf selbst zu erbringen hat und ob die zumutbare Eigenleistung und die berücksichtigungsfähigen Einnahmen objektiv ausreichen, um den Bedarf zu befriedigen oder ob ein Restbedarf verbleibt (vgl. zu den für die Förderungshöhe maßgeblichen Kriterien im Einzelnen die Urteile des 12. Senats des erkennenden Gerichts vom 19.4.2002 - 12 L 2075/00 und 12 L 2078/00 -).

Ende der Entscheidung

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