Judicialis Rechtsprechung
Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:
Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 11.06.2003
Aktenzeichen: 4 LB 583/02
Rechtsgebiete: AsylbLG, BSHG
Vorschriften:
AsylbLG § 4 I | |
BSHG § 121 |
Tatbestand:
Die klagende Stiftung ist Trägerin eines Krankenhauses in H. und begehrt als Nothelferin von der Beklagten die Erstattung ihrer Aufwendungen für die stationäre Behandlung des rumänischen Staatsangehörigen G. in ihrem Krankenhaus in der Zeit vom 23.9. bis zum 2.10.1999. Herr G. wurde, nachdem er auf der Straße gestürzt und von der Polizei zum Krankenhaus der Klägerin gebracht worden war, dort wegen einer Knochenfraktur stationär behandelt. Er gab an, illegal eingereist und ohne Geld und Unterkunft zu sein. Am 2.10.1999 hat er das Krankenhaus eigenmächtig verlassen, wurde aber wenig später von der Polizei aufgegriffen und anschließend abgeschoben.
Unter dem 5. Oktober 1999 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Übernahme der Kosten als "Eilfall nach § 8 AG/BSHG". Den Antrag lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 1. Februar 2000 mit der Begründung ab, Herr G. sei leistungsberechtigt nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, weshalb ein Anspruch des Nothelfers nach § 121 BSHG nicht bestehe. Der nach erfolglos durchgeführtem Widerspruchsverfahren erhobenen Verpflichtungsklage hat das Verwaltungsgericht entsprochen, die Beklagte antragsgemäß zur Übernahme von Behandlungskosten in Höhe von 4.197,06 DM nebst 4 % Zinsen seit Klageerhebung verpflichtet und zur Begründung ausgeführt: Als Anspruchsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Kostenerstattung komme zwar eine unmittelbare Anwendung der Regelung in § 121 BSHG nicht in Betracht, weil diese nur gelte, wenn der Sozialhilfeträger Leistungen nach dem BSHG zu erbringen gehabt hätte. Das sei vorliegend nicht der Fall gewesen, Herr G. sei allenfalls leistungsberechtigt nach dem Asylbewerberleistungsgesetz gewesen. Die Klägerin könne ihren Anspruch auf Erstattung der von ihr aufgewendeten Behandlungskosten aber auf eine entsprechende Anwendung der Regeln über die (öffentlich-rechtliche) Geschäftsführung ohne Auftrag oder der (den Gedanken dieses Rechtsinstitutes aufgreifenden) Regelung in § 121 BSHG stützen. Die zu § 121 BSHG entwickelten Grundsätze seien deshalb auch auf den vorliegenden Fall übertragbar. Bei der Behandlung des Herrn G. am 23.9.1999 in der Notfallaufnahme ihres Krankenhauses habe es sich um eine Notfallbehandlung in diesem Sinne gehandelt, für die die Beklagte bei rechtzeitiger Kenntnis Hilfe nach § 4 AsylbLG geleistet hätte oder hätte leisten müssen. Wenn auch seinerzeit die Leistungsfähigkeit des Patienten selbst nach seinem Einkommen und Vermögen nicht abschließend überprüft worden sei, so sei die Beklagte - gerade aus diesem Grunde - doch verpflichtet gewesen, vorläufig einzutreten, ungeachtet der Frage, ob sie als Folge dessen später einen Anspruch auf Ersatz ihrer Kosten hätte geltend machen können. Die Klägerin habe ihren Anspruch auch in der nach § 121 Abs. 1 Satz 2 BSHG maßgeblichen "angemessenen Frist" geltend gemacht.
Die Berufung gegen dieses Urteil hat der Senat durch den am 9. Dezember 2002 zugestellten Beschluss vom 5. Dezember 2002 zugelassen. Mit der am 7. Januar 2003 vorgelegten Begründung der Berufung beantragt die Beklagte,
unter Änderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, nachdem sie vom Senat zugelassen und frist- und formgerecht begründet worden ist.
Die Berufung ist aber nicht begründet. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben, weil der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Erstattung ihrer Aufwendungen für die Behandlung des Herrn G. in der Zeit vom 23.9. bis zum 2.10.1999 in ihrem Krankenhaus begründet ist.
Zu Recht hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass die Regelung zum Erstattungsanspruch eines Nothelfers in § 121 BSHG auf den vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt nicht unmittelbar anwendbar ist, weil Herr G. nicht Sozialhilfe beanspruchen konnte, sondern aufgrund seines Aufenthaltsstatus allenfalls leistungsberechtigt nach dem Asylbewerberleistungsgesetz gewesen wäre, dass § 121 BSHG aber entsprechend anwendbar ist. Denn die Lücke, die im Recht der Fürsorgeleistungen für Ausländer (vgl. § 120 BSHG) als Folge der Sonderregelungen für vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer im Asylbewerberleistungsgesetz dadurch entstanden ist, dass für diesen Rechtsbereich eine § 121 BSHG entsprechende Regelung zum Erstattungsanspruch eines Nothelfers nicht geschaffen worden ist, ist durch eine analoge Anwendung des § 121 BSHG zu schließen (VG Gera, Urt. v. 18.6.2002 - 6 K 739/01 - NVwZ-Beilage 2003, 37; vgl. auch Urt. des OVG NRW vom 5.12.2000 - 22 A 3164/99 - FEVS 53, 353, in dem zwar ausführlich begründet wird, weshalb § 121 BSHG auch im Rahmen des AsylbLG anwendbar sein dürfte, diese Frage aber letztlich nicht entscheidungserheblich gewesen ist). Denn der in § 121 BSHG geregelte Tatbestand ist dem hier zu beurteilenden Sachverhalt der Fürsorgeleistungen an vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer gleich zu bewerten. Das verdeutlicht insbesondere der Umstand, dass auf bestimmte Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz gemäß § 2 Abs. 1 AsylbLG das Bundessozialhilfegesetz entsprechend anzuwenden ist und dass nach der Intention des Gesetzes für den Nothilfeanspruch ein Grund für die Unterscheidung und Berücksichtigung der Dauer des Aufenthaltes des ausreisepflichtigen Ausländers nicht gegeben ist (vgl. dazu die genannte Entscheidung des OVG NRW, a.a.O.).
Die danach entscheidungserheblichen weiteren Voraussetzungen für eine entsprechende Anwendung des § 121 BSHG sind - mit dem Verwaltungsgericht - als erfüllt zu beurteilen. Ein Eilfall im Sinne des § 121 BSHG hat bei der Aufnahme des Herrn G. am 23.9.1999 und bis zu dessen "Selbstentlassung" am 2.10.1999 vorgelegen. Ein Eilfall im Sinne des § 121 BSHG ist eine Sachlage, in der der Sozialhilfeträger (hier: die Beklagte als Leistungsträgerin nach dem Asylbewerberleistungsgesetz) nicht rechtzeitig handeln kann (vgl. Urt. d. Sen. v. 19.1.1999 - 4 L 5250/98 - FEVS 51, 94). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall erfüllt: Herr G. bedurfte - unstreitig - sofort ärztlicher Behandlung im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylbLG. Diese hätte bei rechtzeitiger Kenntnis die Beklagte ihm gewährt oder gewähren müssen. Hierfür kann - mit dem Verwaltungsgericht - eine weitere Aufklärung unterbleiben, ob Herr G. über einzusetzendes Einkommen oder Vermögen verfügte. Jedenfalls war wegen der insoweit ungeklärten Verhältnisse die Beklagte verpflichtet, vorläufig einzutreten. Vorläufige Hilfe gehörte wegen der Umstände des Einzelfalles zu der Hilfe im Sinne des § 121 BSHG, die bei rechtzeitiger Kenntnis gewährt worden wäre (vgl. Senatsurt. v. 19.1.1999, a.a.O.).
Mit dem Verwaltungsgericht nimmt der Senat ferner an, dass die Klägerin die Kostenerstattung "innerhalb angemessener Frist" im Sinne des § 121 Satz 2 BSHG beantragt hat. Der Antrag wurde am 5.10.1999, also drei Tage nach Ende der Behandlung des Patienten, gestellt; dafür, dass die Klägerin zu einer früheren Antragstellung und/oder eigenen Nachforschungen nach dem Patienten (nach dessen "Selbstentlassung") oder nach für ihn verfügbarem Einkommen oder Vermögen verpflichtet gewesen wäre, sind Anhaltspunkte für den Senat nicht ersichtlich.
Zweifel an der Höhe des Klageanspruchs, insbesondere der von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen für die Krankenhausbehandlung des Herrn G., sind weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich.
Der Zinsanspruch folgt aus § 291 BGB (hier in der vor dem 1. Januar 2002 gültig gewesenen Fassung), der im öffentlichen Recht entsprechend Anwendung findet, wenn der Prozess mit dem Zusprechen einer eindeutig bestimmten Geldforderung endet, sei es durch Verurteilung zur Zahlung, sei es durch Verpflichtung zum Erlass eines entsprechenden Leistungsbescheides.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.v.m. § 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) bestehen nicht.
Ende der Entscheidung
Bestellung eines bestimmten Dokumentenformates:
Sofern Sie eine Entscheidung in einem bestimmten Format benötigen, können Sie sich auch per E-Mail an info@protecting.net unter Nennung des Gerichtes, des Aktenzeichens, des Entscheidungsdatums und Ihrer Rechnungsanschrift wenden. Wir erstellen Ihnen eine Rechnung über den Bruttobetrag von € 4,- mit ausgewiesener Mehrwertsteuer und übersenden diese zusammen mit der gewünschten Entscheidung im PDF- oder einem anderen Format an Ihre E-Mail Adresse. Die Bearbeitungsdauer beträgt während der üblichen Geschäftszeiten in der Regel nur wenige Stunden.