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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 07.03.2003
Aktenzeichen: 4 ME 60/02
Rechtsgebiete: BSHG
Vorschriften:
BSHG § 12 | |
BSHG § 15a | |
BSHG § 16 |
Gründe:
Die Beschwerde ist zulässig und auch begründet.
Die Antragsteller haben einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund im Sinne des § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO glaubhaft gemacht. Der Senat folgt nicht der Auffassung des Verwaltungsgerichts, ein Anordnungsgrund (die Eilbedürftigkeit einer vorläufigen gerichtlichen Regelung) sei schon deshalb nicht gegeben, weil der Bedarf der Antragsteller an Unterkunft und Heizung "durch das unentgeltliche Wohnen bei der Mutter und dem Stiefvater" gedeckt sei und ein Verlust der Wohnung wegen Mietrückständen nicht drohe. Ob das Wohnen "unentgeltlich" ist, ist gerade streitig und beim Anordnungsanspruch zu prüfen. Die Dringlichkeit einer vorläufigen Regelung bejaht der Senat stets, wenn um den notwendigen Lebensunterhalt im Sinne des § 12 BSHG, zu dem Unterkunft und Heizung gehören, gestritten wird. Die Dringlichkeit der Deckung dieses Bedarfs durch eine Geldleistung hängt - anders als bei Leistungen nach § 15 a BSHG - nicht davon ab, ob wegen Mietrückständen bereits ein Verlust der Wohnung droht.
Die Antragsteller haben auch glaubhaft gemacht, dass ihnen ein Anspruch auf höhere als die gewährte laufende Hilfe zum Lebensunterhalt von 49,50 Euro zusteht. Zu Unrecht hat die Antragsgegnerin einen Bedarf nur in Höhe des jeweiligen Regelsatzes anerkannt. Bei den Antragstellern ist auch ein Bedarf an Unterkunft und Heizung zu berücksichtigen.
Die Aufwendungen für die Unterkunft (und Heizung) sind grundsätzlich auf die Mitglieder einer Haushaltsgemeinschaft nach ihrer Zahl (nach "Kopfteilen") aufzuteilen (BVerwG, Urt. v. 21.01.1988 - BVerwG 5 C 68.85 - BVerwGE 79, 18). Der so zu ermittelnde Bedarf der Antragsteller ist hier nicht dadurch gedeckt, dass ihr Stiefvater sie unentgeltlich in der Wohnung wohnen lässt oder jedenfalls nach § 16 BSHG zu vermuten ist, dass er dies tut. Eine Erklärung dahin, dass er seine Stiefkinder unentgeltlich in der Wohnung wohnen lasse, also praktisch ihren Bedarf an Unterkunft und Heizung mit decke, hat er nicht abgegeben, sondern im Gegenteil zum Ausdruck gebracht, dass er hierzu aufgrund seines geringen Einkommens (Arbeitslosenhilfe) nicht in der Lage sei, da er davon nicht nur seinen eigenen Lebensunterhalt, sondern auch den seiner Ehefrau und ihres gemeinsamen Kindes decken müsse. Es ist auch nicht nach § 16 BSHG zu vermuten, dass die Antragsteller von ihrem Stiefvater Leistungen zum Lebensunterhalt erhalten. Diese Vermutung gilt nur, soweit dies nach seinem Einkommen und Vermögen erwartet werden kann. Das ist hier nicht der Fall. Dabei ist es unerheblich, ob zur Ermittlung des Eigenbedarfs des Stiefvaters, seiner Ehefrau und ihres gemeinsamen Kindes auf unterhaltsrechtliche Regeln entsprechend den Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge (ab NDV 1995, 1, zuletzt NDV 2002, 161) oder auf sozialhilferechtliche Maßstäbe (so die Empfehlungen in NDV 1987, 273) zurückgegriffen wird. In beiden Fällen erreicht das Einkommen des Stiefvaters nicht seinen Eigenbedarf und den seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen. Das zeigt die Kontrollberechnung der Antragsgegnerin für den Monat Dezember 2002 (Beiakte A Bl. 208): Danach übersteigt das Einkommen (Arbeitslosenhilfe, Wohngeld und das auf das gemeinsame Kind entfallende Kindergeld) den sozialhilferechtlichen Bedarf dieser drei Personen nur um 44,38 Euro, wenn der Stiefvater die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung allein trägt. Ihm und seinen unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ist aber - gleichgültig, welche der genannten Maßstäbe man anwendet - ein Eigenbedarf zuzubilligen, der deutlich über dem Sozialhilfeniveau liegt. Erst wenn diese Grenze erreicht oder überschritten ist, kann erwartet werden, dass er auch für den Lebensunterhalt seiner Stiefkinder aufkommt. Diese Grenze wird hier auch dann noch lange nicht erreicht, wenn die Antragsteller durch Sozialhilfeleistungen in Höhe ihrer Anteile für Unterkunft und Heizung in die Lage versetzt werden, sich mit ihren Anteilen an diesen Aufwendungen zu beteiligen.
Diese Betrachtung liegt auch dem vom Verwaltungsgericht zitierten Urteil des Senats vom 28. Februar 1996 (4 L 7378/94, OVGE 46, 358) zugrunde, wenn er dort ausgeführt hat, der Stiefvater, dessen Einkommen die Eigenbedarfsgrenze nicht erreiche, könne in der Regel nur erwarten, dass sich die Stiefkinder in Höhe ihrer Anteile an angemessenen Aufwendungen für die Unterkunft beteiligten. Mindestens eine solche Beteiligung darf er dann aber auch erwarten. Hier ist unbestritten, dass die Aufwendungen für die Unterkunft für fünf Personen sozialhilferechtlich angemessen sind.
Aus den vom Verwaltungsgericht zitierten Urteilen des Senats vom 15. Juli 1981 (4 OVG A 159/78, FEVS 31, 142) und vom 8. Februar 1989 (4 OVG A 13/88, FEVS 39,192) ergibt sich nichts anderes. Denn dort hat der Senat die Vermutung, der Stiefvater lasse seine Stiefkinder kostenlos in seiner Wohnung wohnen, jeweils nur in dem Fall gelten lassen, dass sein Einkommen seinen Eigenbedarf und den seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen deckt. Ein solcher Fall ist hier - wie dargelegt - gerade nicht gegeben. Unerheblich ist deshalb auch der Hinweis des Verwaltungsgerichts, der Stiefvater der Antragsteller habe, bevor er deren Mutter geheiratet habe und in die von ihr und ihren Kindern bewohnte Wohnung gezogen sei, für seine frühere Wohnung höhere Aufwendungen gehabt als für die jetzt gemeinsam genutzte Wohnung nach Abzug des Wohngeldes für fünf Personen. Auf frühere Wohn- und Einkommensverhältnisse kommt es im Rahmen des § 16 BSHG nicht an. Im übrigen lässt dieser Vergleich unberücksichtigt, dass der Stiefvater früher das Arbeitslosengeld für sich allein zur Verfügung hatte, während er jetzt mit seiner Arbeitslosenhilfe auch den Lebensunterhalt seiner Ehefrau und des gemeinsamen Kindes bestreiten muss.
Die den Antragstellern zu gewährenden Leistungen in Höhe ihrer Anteile von zwei Fünfteln der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung sind - wie in der Beschlussformel ausgedrückt - in der Weise zu ermitteln, dass die Aufwendungen für die Unterkunft vorab um das gewährte Wohngeld zu vermindern sind. Denn die Höhe des Wohngeldes richtet sich nach der Zahl der Haushaltsangehörigen, kommt also ihnen allen anteilig zugute.
Der Senat spricht laufende Leistungen im Wege der einstweiligen Anordnung in der Regel ab dem Ersten des Monats seiner Entscheidung zu und verweist wegen der geltend gemachten Ansprüche für zurückliegende Zeiträume auf das Hauptsacheverfahren. Hier besteht ein begründeter Anlass nicht, von dieser Regel eine Ausnahme zu machen.
Ende der Entscheidung
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