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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 28.07.2009
Aktenzeichen: 4 PA 250/08
Rechtsgebiete: SGB III, SGB VIII
Vorschriften:
SGB III § 97 | |
SGB III § 98 Abs. 1 Nr. 2 | |
SGB III § 102 | |
SGB III § 103 Satz 1 Nr. 2 | |
SGB III § 104 Abs. 1 Nr. 1 | |
SGB III § 105 Abs. 1 Nr. 2 | |
SGB VIII § 34 | |
SGB VIII § 41 | |
SGB VIII § 93 Abs. 1 Satz 3 |
Gründe:
Die Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg, weil das Verwaltungsgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das beabsichtigte Klageverfahren zu Recht wegen mangelnder Erfolgsaussichten der Klage nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO abgelehnt hat; insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen im angefochtenen Beschluss verwiesen. Die dagegen von dem Kläger erhobenen Einwände rechtfertigen kein anderes Ergebnis.
Rechtsgrundlage für die Heranziehung des am 26. Juni 1990 geborenen Klägers zu einem Kostenbeitrag für die seit dem 1. Januar 2008 gewährte Hilfe zur Erziehung nach § 34 SGB VIII bzw. Hilfe für junge Volljährige nach § 41 SGB VIII ist § 91 Abs. 1 Nr. 5 b (bis zum 25.6.2008) bzw. Nr. 8 (ab dem 26.6.2008) SGB VIII i.V.m. §§ 92 Abs. 1 Nr. 1 (bis zum 25.6.2008) bzw. Nr. 2 (ab dem 26.6.2008), 93 Abs. 1 SGB VIII. Danach sind Jugendliche bzw. junge Volljährige zu den Kosten einer Leistung der Jugendhilfe aus ihrem Einkommen heranzuziehen. Die Heranziehung erfolgt durch Erhebung eines Kostenbeitrages, der durch Leistungsbescheid festgesetzt wird. Der Umfang der Heranziehung bestimmt sich unter anderem nach § 93 Abs. 1 SGB VIII. Nach dessen Satz 3 sind Geldleistungen, die dem gleichen Zweck wie die jeweilige Leistung der Jugendhilfe dienen, nicht zum Einkommen zu zählen und unabhängig von einem Kostenbeitrag einzusetzen. Eine mit der Leistung der Jugendhilfe zweckgleiche Leistung kann folglich unabhängig davon, ob ein aus dem Einkommen ermittelter Kostenbeitrag erhoben wird oder mangels einzusetzenden Einkommens nicht erhoben werden kann, stets zur Deckung der Kosten der Jugendhilfemaßnahme herangezogen werden (vgl. Wiesner, SGB VIII, 3. Aufl., § 93 Rn. 11).
Hier hat das Verwaltungsgericht die Zweckgleichheit der dem Kläger gewährten Leistungen nach §§ 34, 41 SGB VIII einerseits und nach § 97 ff., 104 Abs. 1 Nr. 1 SGB III andererseits zu Recht bejaht. Die Zweckgleichheit im Rahmen des § 93 Abs. 1 Satz 3 SGB VIII ist nicht pauschal anhand der Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe, sondern bezogen auf die konkrete in § 91 Abs. 1 SGB VIII genannte Maßnahme der Kinder- und Jugendhilfe zu ermitteln (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.7.1996 - 5 C 18/95 -, FEVS 47, 149, 150 f.). Bei mehreren Teilleistungen ist die Zweckidentität für jede dieser Teilleistungen gesondert zu bestimmen (Wiesner, SGB VIII, 3. Aufl., § 93 Rn. 8 m.w.N.).
Der Zweck der hier einerseits dem Kläger von dem Beklagten gewährten Hilfe zur Erziehung in einer betreuten Wohnform nach § 34 SGB VIII bzw. Hilfe für junge Volljährige nach §§ 41, 34 SGB VIII umfasst den gesamten Leistungskatalog der §§ 39, 40 SGB VIII einschließlich des notwendigen Unterhalts und der Kosten der Erziehung sowie eines angemessenen Barbetrages zur persönlichen Verfügung (§ 39 Abs. 1, 2 SGB VIII; vgl. BVerwG, Urt. v. 22.12.1998 - 5 C 25/97 -, BVerwGE 108, 221, 225). Die Leistung ist damit (auch) darauf gerichtet, den gesamten, zur Führung des Lebens notwendigen Bedarf des Kindes oder Jugendlichen bzw. jungen Volljährigen zu decken und so dessen Lebensunterhalt zu sichern (vgl. Wiesner, a.a.O., Rn. 11, 19).
Das dem Kläger andererseits von der Bundesagentur für Arbeit nach §§ 97, 98 Abs. 1 Nr. 2, 102, 103 Satz 1 Nr. 2, 104 Abs. 1 Nr. 1, 105 Abs. 1 Nr. 2 SGB III gewährte Ausbildungsgeld hat ebenfalls eine unterhaltssichernde Funktion für Zeiten der beruflichen Bildung eines behinderten Menschen (eingehend Sächsisches LSG, Urt. v. 1.11.2007 - L 3 AS 158/06 -; vgl. auch BSG, Urt. v. 8.6.1989 - 7 RAr 122/88 - zur Vorläuferregelung des auf der Grundlage von § 58 Abs. 2 AFG erlassenen § 24 Abs. 3 der Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit über die Arbeits- und Berufsförderung Behinderter; a.A. Gagel, SGB III, Stand: Januar 2009, § 104 Rn. 4). Diese unterhaltssichernde Funktion zeigt sich auch in der bedarfsabhängigen Ermittlung der Höhe des zu zahlenden Ausbildungsgeldes nach § 105 SGB III und der Einrechnung anderweitiger Einkünfte nach § 108 SGB III. Sie wird bestätigt durch den Vergleich mit der gemäß § 104 Abs. 2 SGB III grundsätzlich strukturgleichen (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Arbeitsförderung, BT-Drs. 13/4941, S. 174), aber an Nichtbehinderte gewährten Berufsausbildungsbeihilfe nach § 59 ff. SGB III, die nach § 59 Nr. 3 SGB III ebenfalls der Sicherung des Lebensunterhalts dient (vgl. Gagel, a.a.O., Vor § 59 Rn. 49).
Soweit der Kläger dagegen meint, schon die Gewährung der Leistungen nach §§ 97 ff. SGB III i.V.m. §§ 33, 44 ff. SGB IX zeige, dass die Leistungen allein auf eine Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben ziele, also ebenso wie das Ausbildungsgeld nach §§ 104 Abs. 1 Nr. 2, 107 SGB III maßgeblich die Motivation behinderter Menschen zur Aufnahme einer Berufsausbildung fördern wolle, geht er fehl. Anders als das für die Teilnahme an einer Maßnahme im Arbeitstraining in einer Werkstatt für Behinderte nach den §§ 102 Abs. 2 Nr. 2, 104 Abs. 1 Nr. 2, 107 SGB III gezahlte Ausbildungsgeld, das in einer von der individuellen Lebenssituation des behinderten Menschen unabhängigen Höhe gewährt wird (vgl. hierzu Niedersächsisches OVG, Urt. v. 22.2.2001 - 12 L 3923/00 -, FEVS 52, 508, 509 f. und zur Abgrenzung von Ausbildungsgeld nach § 104 Abs. 1 Nr.1 und 2 SGB III: Sächsisches LSG, Urt. v. 20.3.2008 - L 3 SO 25/07 -), bestimmt sich die Höhe des hier gezahlten Ausbildungsgeldes im Sinne des § 104 Abs. 1 Nr. 1 SGB III nach den individuellen Lebensumständen des Behinderten und zeigt so deutlich, dass es unterhaltssichernde Funktion hat. Eine derartige Ermittlung der Höhe des Ausbildungsgeldes wäre auch mit dem vom Kläger angenommenen Zweck einer Motivationsförderung unvereinbar, denn es ist kein sachlicher Grund erkennbar, warum einem im Haushalt der Eltern lebenden behinderten Menschen ein Ausbildungsgeld in Höhe von 310 EUR/Monat (§ 105 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 SGB III), einem in einem Wohnheim lebenden behinderten Menschen aber nur ein Ausbildungsgeld in Höhe von 102 EUR/Monat (§ 105 Abs. 1 Nr. 2 SGB III) gezahlt wird, in beiden Fällen aber die Motivation für ein- und dieselbe Berufsausbildung gefördert werden soll.
Im Ergebnis sind damit die Hilfe zur Erziehung nach §§ 34, 39 SGB VIII bzw. die Hilfe für junge Volljährige nach §§ 41, 34, 39 SGB VIII einerseits und das Ausbildungsgeld nach §§ 97, 98 Abs. 1 Nr. 2, 102, 103 Satz 1 Nr. 2, 104 Abs. 1 Nr. 1, 105 Abs. 1 Nr. 2 SGB III andererseits (auch) auf die Sicherung des Lebensunterhalts gerichtet und damit zweckgleich im Sinne des § 93 Abs. 1 Satz 3 SGB VIII. Die dem Kläger nach dem SGB III gewährten Leistungen sind damit vom Beklagten im Bescheid vom 14. Dezember 2007 zu Recht zur Deckung der Kosten der Leistungen nach dem SGB VIII herangezogen worden, so dass die auf Aufhebung dieses Bescheides gerichtete Anfechtungsklage voraussichtlich erfolglos sein wird und daher Prozesskostenhilfe zu Recht versagt worden ist.
Ende der Entscheidung
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